Können komplementärmedizinische Maßnahmen bei chronisch entzündlichen Darmerkrankungen (CED) helfen? Bei einem Streitgespräch, mit vorher per Los zugeteilten Positionen, trafen sich zwei Experten nicht ganz in der Mitte.

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Yoga kann bei Colitis ulcerosa stressreduzierend wirken.

Die Palette pharmakologischer Behandlungsmöglichkeiten für Patienten mit Morbus Crohn oder Colitis ulcerosa ist groß. Dennoch nutzt mindestens die Hälfte der Patienten mit CED komplementäre oder alternative Behandlungen - von Phytotherapie bis hin zu Nahrungsergänzungsmitteln und Homöopathie. Über den Grund waren sich die Kontrahenten bei einem Streitgespräch zur Komplementärmedizin bei CED einig: Viele Patienten sind nicht zufrieden mit den Wirkungen der rein pharmakologischen Therapie, so Prof. Eduard F. Stange, Tübingen, und Prof. Dr. Jost Langhorst, Bamberg, im Rahmen ihrer jeweils zugeteilten Rolle. Langhorst warb dafür, nicht allein auf konventionelle Medikamente zu setzen, Stange kritisierte den vielfach mangelhaften Evidenzgrad komplementärer Optionen.

Komplementärmedizinische Verfahren in der Leitlinie

Auf dem Gesundheitsmarkt werden hunderte naturheilkundliche Verfahren angeboten, seriöse wie unseriöse. "Deswegen ist es wichtig, dieses Feld akademisch aufzuwerten", so Langhorst, der selbst bereits viele Studien hierzu durchgeführt hat. Er verwies darauf, dass Lebensstil und Umweltfaktoren die Krankheiten maßgeblich mit beeinflussen, aber mit der konventionellen Therapie nicht abgedeckt werden. "Es geht um die Anregung der Selbstheilungskräfte, um das individuelle Eingehen auf die bio-psycho-soziale Situation." Zum pathogenetisch begründeten Umgang mit CED sollte nach Jost eine salutogenetische Einstellung kommen. Wichtig sei, dass komplementäre Methoden nicht als Alternative, sondern ergänzend zur Pharmakotherapie verstanden würden.

In der 2019 aktualisierten S3-Leitlinie Colitis ulcerosa werden unter bestimmten Bedingungen einige komplementärmedizinische Verfahren befürwortet [1]. Deren Beurteilung soll nach Kriterien der evidenzbasierten Medizin erfolgen. Dazu gehören achtsamkeitsbasierte (Mind/Body-)Verfahren und Yoga, aber auch Akupunktur oder Flohsamen, Curcumin oder eine Kombination aus Myrrhe, Kamillenblütenextrakt und Kaffeekohle zum Remissionserhalt [1].

Kritik an zugrundegelegten Studien

Stange kritisierte die Empfehlungen im Rahmen seiner zugeteilten Rolle und verwies auf Mängel der zugrundegelegten Studien. So habe sich in einer Studie mit Colitis-ulcerosa-Patienten die komplementäre Therapie mit Flohsamen zusätzlich zu einer Mesalazin-Behandlung als nicht effektiver in Bezug auf den Remissionserhalt erwiesen als Mesalazin allein. Die Wirksamkeit von Flohsamen und Mesalazin (z. B. Salofalk®) sei dennoch als vergleichbar dargestellt worden [2]. Im Vergleich von Mesalazin und der Kombination Myrrhe/Kamille/Kaffeekohle in einer weiteren Studie erwies sich das Phytotherapeutikum scheinbar Mesalazin nicht unterlegen. Tatsächlich war aber die Colitis-Aktivität in der Phytotherapie-Gruppe im Studienverlauf konsistent höher als in der Mesalazin-Gruppe. Nominell gab es mehr Rezidive unter Phytotherapie als unter Mesalazin. Die fehlende Signifikanz der Unterschiede erkläre sich aus der geringen Teilnehmerzahl (n=96), so Stange [3].

Verständnis für Patienten

Auch eine Evidenz für Akupunktur, achtsamkeitsbasierte Verfahren oder Yoga liegt nach Stange nicht vor. Er verwies auf einen aktuellen Review der European Crohn's and Colitis Organisation (ECCO) zur komplementären Medizin bei CED, wonach die Qualität von Phytotherapie-Studien bei CED unzureichend sei. Dies limitiere die Nutzung von pflanzlichen Arzneimitteln in dieser Indikation. Allein für das Probiotikum Escherichia coli Nissle 1917 gilt die remissionserhaltende Wirkung bei Colitis ulcerosa als nachgewiesen [4].

Angesichts der vielfach nicht zufriedenstellenden Therapieergebnisse bei CED äußerte Stange Verständnis dafür, dass Patienten nach komplementärmedizinischen Optionen suchen. Als Placebo könnten diese eine gewisse Wirkung entfalten, so wie auch ein Teil der Wirkung etablierter Pharmakotherapien auf Placeboeffekten beruhe. Die Komplementärmedizin sollte aber nicht als Alternative, sondern als Ergänzung zu herkömmlichen Therapien eingesetzt werden. Dr. Thomas Meißner

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www.falkfoundation.de/veranstaltungen

1. Kucharzik T. et al. Z Gastroenterol 2019; 57:1321-1405

2. Fernández-Bañares F et al. Am J Gastroenterol 1999; 94(2):427-33

3. Langhorst J et al. Aliment Pharmacol Ther 2013; 38(5):490-500

4. Torres J et al. J Crohns Colitis 2019; 13(6):673-685e

5. Falk-Kolloqium "CED kontrovers"

Falk Foundation e.V. [3. Juni 2020 (Internet)]