Zusammenfassung
Eine temporär aktive Bachschwinde nahe der Stadt Koblenz ermöglicht einen Einblick in den lokalen Grundwasserfluss im Rheinischen Schiefergebirge. Ein im Lösslehm ausgespülter Erosionstunnel leitet Oberflächenwasser ab, dessen unterirdischer Verlauf anhand vierer Senkungsmulden und durch einen Quellaustritt oberflächlich angezeigt wird. Die Entstehung der Senkungsmulden wird mit subterraner Erosion erklärt.
Abstract
A temporary active stream sink near the city of Koblenz facilitates insight into the local groundwater flow system in the Rhenish Slate Mountain complex. A washed-out erosion tunnel in the loess loam drains surface water, whose subsequent course underground is reflected at the surface by four sinkholes and a spring. The formation of the sinkholes is explained by subsurface erosion.
Geologische Einführung
Das bewaldete Untersuchungsgebiet (Abb. 1) liegt im Rheinischen Schiefergebirge auf einem Ausläufer des Rheinhunsrücks und befindet sich ca. 8 km ssw. der Altstadt der Stadt Koblenz. Hier stehen unterdevonische Formationen des Oberems an, die entlang der variskischen Hauptstörungsrichtung SW-NE streichen und meist mittelsteil nach NW fallen (vgl. Angaben auf der geologischen Karte 1 km wnw. GK5611 (2007/08) und Gad et al. (2008)). Der im Untersuchungsgebiet anstehende Emsquarzit (Eq) und die Hohenrhein-Schichten (Ho) sind Ausläufer eines tektonisch begrenzten Vorkommens (Gad et al. 2008), das einen Höhenzug mit dem 382 m hohen Kühkopf (Fernmeldeturm) bildet. Jenseits der begrenzenden Längs- und Querstörungen stehen jüngere Ton- und Siltschiefer des Unterdevons an. Beim Eq handelt es sich nicht um einen Quarzit im engeren Sinne, sondern um einen sehr hellen, feinkörnigen Sandstein (Quarzarenit), der durch Kieselsäure zementiert ist; in diese geschieferten Sandsteinlagen sind gelegentlich tonige Wechsellagen eingeschaltet (Gad et al. 2008). Zudem ist der Eq häufig von Quarzgängen durchsetzt, in denen sich Erze abscheiden konnten; Beispiele innerhalb dieses lokalen Eq-Vorkommes finden sich an der ehem. Abbaustätte „Silberkaule“ (Bunterzgang mit Galenit, Sphalerit, Chalkopyrit, ca. 500 m sw. von Abb. 1 (GK5711 2003)) und in den drei Eisenerzgängen der ehemaligen Grube „Zeus“ ca. 700 m s. des Forsthauses Remstecken (GSK 1891).
In der an den Eq angrenzenden Formation Ho häufen sich Ton- und Silt-Schiefer zwischen den Sandsteinlagen; letztere sind ähnlich zusammengesetzt wie jene des Eq (Gad et al. 2008). Daneben finden sich im Untersuchungsgebiet der Kieselgallen-Schiefer sowie eine bis zu mehreren Metern mächtige Lösslehmschicht.
Hydrogeologische Einführung
Die geschieferten Tone, Silte und Feinsandsteine im Unterdevon des Rheinischen Schiefergebirges gelten aufgrund der geringen physikalischen und chemischen Löslichkeit als nicht verkarstungsfähig. Chemische Verwitterung fand hauptsächlich in wärmeren Klimaphasen seit dem Mesozoikum statt, wobei die Tonschiefer in eine kaolinitische Verwitterungsdecke umgewandelt wurden (Felix-Henningsen 1990). Hydrogeologische Untersuchungen der Schiefer-Formationen des Unterdevons im Westerwald haben gezeigt, dass die Ton- und Silt-Schiefer des Unterdevons „Grundwassergeringleiter mit überwiegend geringer Trennfugendurchlässigkeit“ sind; in den quarzitischen Schiefern, wie den geschieferten Feinsandsteinen der Emsquarzit-Formation (Eq), kann eine höhere Durchlässigkeit auftreten (Wagner et al. 2015). Der Porenraum der unterdevonischen Schiefer ist für die Wasserführung unwesentlich, weshalb diese hauptsächlich entlang wasserwegsamer Trennflächen erfolgt, insbesondere in Klüften und entlang von Störungen (Wagner et al. 2015). Quarzgänge sind Grundwasserleiter und werden bei Trinkwasserbohrungen im Schiefergebirge bevorzugt aufgesucht, da sie durch Lösungsprozesse meist stark porös sind (Felix-Henningsen 2021Footnote 1).
Es ist allgemein bekannt, dass Klüfte, die bis an die Oberfläche reichen, Oberflächenwasser direkt ins Grundwasser ableiten können. Beispielsweise wurde im Odenwald durch Straßenbauarbeiten der Felsuntergrund des Buntsandsteins freigelegt, wodurch an dieser Stelle Bachschwinden entstanden; das in die Klüfte eingedrungene Wasser spülte Grassamen ein, die entlang von Klüften an einer talabwärts gelegenen Quelle wieder austraten (Matthess und Schmitt 1967). Obwohl solche Beobachtungen Karst-Phänomenen ähneln, ist der Begriff „Verkarstung“ hierfür nicht gerechtfertigt, da die physikalische oder chemische Lösung des Gesteins keine oder höchstens eine untergeordnete Rolle spielt. Auch der Begriff „Pseudokarst“ sollte vermieden und stattdessen die korrekten morphologischen Begriffe verwendet werden (Eberhard und Sharples 2013). Die in diesem Bericht gewählte Bezeichnung „Senkungsmulde“ bezeichnet eine trichterförmige Senke im Boden, ohne den Mechanismus der Gesteinslösung (wie etwa bei Dolinen) zu unterstellen.
Lokale Beobachtungen
Südlich des Kleinbornsbachs verläuft ein Seitental nach NW, das eine primäre, periodisch schüttende Quelle (1) (Zahlen in runden Klammern beziehen sich auf Abb. 1) besitzt. Selbst nach langen Regenphasen versickert deren Wasser bereits nach etwa 30 m vollständig; ca. 80 m unterhalb davon tritt es teilweise in einer Nassstelle zu Tage, versickert aber nach etwa 10 m erneut. Weiter talabwärts (32U 396247 5572676) befindet sich eine temporär aktive Quelle (2), die durch einen Erosionstunnel (ca. 10 cm Durchmesser) aus der Lösslehmschicht austritt. Von dort fließt das Wasser direkt in eine ca. 100 m2 große Senke (nahe (3)), die keinen oberirdischen Abfluss besitzt.
Diese Senke fungiert als Bachversickerung und besitzt an ihrem n. Rand eine Bachschwinde (3), die bereits im Winter 2018/19, d. h. vor den extrem trockenen Jahren 2019 und 2020 beobachtet wurde, weshalb Trockenheit als deren Entstehungsursache (z. B. durch Schrumpfungsrisse) ausgeschlossen wird. Die Bachschwinde hat ein 1 m langes und ca. 0,5 m breites Einflussloch ausgebildet, das von den Baumwurzeln einer direkt danebenstehenden Esche seitlich gestützt wird (Abb. 2). An dessen Boden, in ca. 0,8 m Tiefe, fließt das Wasser leicht bergab durch eine im Lösslehm ausgespülte Röhre. Dieser in etwa 0,2 m breiten und 0,3 m hohen Röhre mit auffallend glatten Lehmwänden (Abb. 2) ließ sich mit einem Endoskop ca. 2,5 m weit folgen; deren Ende oder ein Abfluss in Klüfte der unterhalb anstehenden Formation (Ho oder Eq) ließ sich nicht erkennen. Am 8. Januar 2022 hat das abfließende Wasser binnen eines Tages 1 m vor dem bestehenden Einflussloch eine zweite Röhre (Durchmesser: 0,1 m) ausgespült, die nun ebenfalls Wasser aufnehmen kann.
55 m nw. der Bachschwinde lässt sich die Höhe des Grundwasserspiegels ganzjährig in einer ca. 3 m tiefen, wassergefüllten Grube (10) mit ca. 20 m Durchmesser beobachten. Sie wurde entweder in Gänze künstlich angelegt oder zumindest durch menschliches Zutun erweitert, wie ein Wall aus Aushub an ihrem oberen Rand belegt. Ihr Wasserstand reagiert allerdings nicht auf kurzfristige Schwankungen (wie ein tageweise erhöhter Wasserfluss in die Bachschwinde), sondern nur auf langfristige, z. B. auf den Jahresverlauf des Grundwasserstands.
Bereits in geringerer Entfernung von der Bachschwinde trifft man auf zwei 2 m tiefe Senkungsmulden (4, 5) mit jeweils ca. 5 m Durchmesser, 2 m tief. Die lange Achse der elliptischen ca. 10 m langen, 4 m breiten und 2 m tiefen dritten Senkungsmulde (6) ist in Richtung NE orientiert. Im Zeitraum März 2021 bis Januar 2022 konnte sechs Mal beobachtet werden, dass sich diese Senkungsmulde nach ergiebigerem Niederschlag mit tonig-trübem Wasser füllte. Der maximale registrierte Wasserstand (65 cm ab tiefster Stelle) wurde am 26. Juni und am 8. Juli 2021 gemessen. Abb. 3 zeigt Messdaten vom Januar 2022.
Nö. eines befestigten Forstwegs und bereits kurz vor dem Tal des Kleinbornsbachs liegt die vierte Senkungsmulde (ca. 2,5 m Durchmesser, 1 m tief) (7). Im Gegensatz zur ganzjährig mit Wasser gefüllten Grube (10) zeigen die vier Senkungsmulden keine Spuren, dass sie vom Menschen angelegt wurden: weder finden sich Abraum noch zerschlagene Quarzbrocken, die auf früheren Bergbau (Pingen oder verbrochener Stollengang) hinweisen. Deswegen wird Bergbau als Ursache für die Senkungsmulden nicht weiter betrachtet. Die Senkungsmulden waren bereits in der Laser-Befliegung von 2009 erkennbar (Abb. 1), d. h. vor den niederschlagsarmen Jahren 2019/20.
Nur 14 m nw. der vierten Senkungsmulde hat der Bach an einem ehemaligen Mäander einen Prallhang am Eq geschaffen, an dem das Wasser wieder austritt. Dieser Quellaustritt (8) lässt sich aufgrund der Lehmüberdeckung des Hangs nicht exakt lokalisieren.
Am gegenüberliegenden Hang sind in Abb. 1 drei Mulden erkennbar (9). Die beiden höhergelegenen sind Schürfgruben, die untere ein verzweigter Stollen. An den Quarzbrocken der Abraumhalde unterhalb und im Tal des Kleinbornsbachs kann man erkennen, dass hier entlang einer Quarzader Eisenerz abgebaut wurde. Der nw. direkt neben dem Stolleneingang gemessene Fallwinkel des Eq beträgt 60° (nach NW), die Schichten streichen mit 210° ein, d. h. dieser Quarzgang verläuft in Richtung der vierten Senkungsmulde (7).
Interpretation
In der Senke (nahe 3) versickert ein Teil des Wassers diffus im Boden, während ein anderer Teil den Weg in die Bachschwinde (3) nimmt, die in Form eines Erosionstunnels durch den Lösslehm führt. Das Phänomen der Tunnel-Erosion (engl. „piping“ (Riha et al. 2018)) wurde bereits im geologisch ähnlichen Bergischen Land beobachtet (Botschek et al. 2002). Die spaltförmige Öffnung und der Beginn der ausgespülten Röhre orientieren sich entlang dicker Baumwurzeln. Aus der Literatur ist bekannt (s. Riha et al. (2018) und Literaturangaben in Bernatek-Jakiel et al. (2017)), dass dickere Baumwurzeln sowohl als Einlauf eines solchen Tunnels dienen können als auch gelegentlich deren bevorzugten Verlauf bestimmen. Wie weit sich dieser Tunnel fortsetzt, ist unbekannt; vermutlich folgt das Wasser der Richtung des Seitentals mindestens bis in die Nähe der ersten Senkungsmulde (4) – entweder in einem Erosionstunnel im Lösslehm oder einer nach NW verlaufenden Spalte im Eq. Die Hangneigung ist mit 12 % (Abb. 2) günstig zur Ausbildung von Erosionstunneln (Verachtert et al. 2010). Allerdings könnte dieser Erosionstunnel enden, sobald das Wasser in eine nach NW verlaufende wasserwegsame Kluft eindringt. Über den geologisch vergleichbaren Westerwald ist bekannt, dass die Grundwasserbewegung in quarzitischen Sandsteinen auf wasserwegsame Trennflächen beschränkt ist; dabei lassen nw. verlaufende Querstörungen und rheinische Störungen höhere Grundwasserbewegung zu als die variskischen (Wagner et al. 2015, S. 78 f.).
Nimmt man eine natürliche Entstehung für die vier Senkungsmulden (4–7) an, lassen sich zwei Hypothesen formulieren: 1.) Die Senkungsmulden sind verstürzte Abschnitte eines Erosionstunnels. 2.) Das Grundwasser fließt hier nach NO durch Hohlräume, die in Streichrichtung des Eq angeordnet sind, und transportiert Material ab, wodurch das Einsinken des Lösslehms in den Senkungsmulden ausgelöst wird. Als Mechanismus für Hypothese Nr. 2 kommen zwei Möglichkeiten in Betracht:
2a) Die Grundwasserleitung erfolgt zwischen den Sandsteinschichten. Diese kann durch Verwitterungsprozesse verstärkt sein, z. B. entlang eingeschalteter Lagen aus angewittertem Schluff-Schiefer (Felix-Henningsen 2021Footnote 2).
2b) Die lokal erhöhte Wasserwegsamkeit erfolgt durch grobporige Quarzgänge. Hierfür spricht der am gegenüberliegenden Hang verlaufende eisenerzhaltige Quarzgang, der sich vermutlich unter den Senkungsmulden fortsetzt.
Da laufend lehmhaltiges Material durch Tunnelerosion an der Bachschwinde und Kontakt-Erosion (vom Typ 3/1) (Riha et al. 2018) an den Senkungsmulden eingespült wird und die Wasserführung durch die Spalten blockieren könnte, muss auch ein unterirdischer Material-Abtransport stattfinden. Im Fall 2a wäre es innere Erosion (Riha et al. 2018), im Fall 2b Materialtransport durch das vom Quarzgang gebildete Gerüst, welche die Wasserdurchlässigkeit zwischen der ersten Senkungsmulde und dem Quellaustritt im Tal aufrechterhalten würde. Aufgrund des eisenerzführenden, d. h. Poren enthaltenen Quarzgangs, der von der gegenüberliegenden Talseite her in Richtung der Senkungsmulden führt, wird Erklärungsmöglichkeit 2b als die wahrscheinlichste bewertet.
Nach starkem Niederschlag kann der lokale Wasserspiegel höher steigen als auf 5,75 m über der Quelle (8) und füllt dann die dritte Senkungsmulde (6) von unten mit tonig-trübem Wasser (Abb. 3). Dieses Ereignis trat von März 2021 bis Januar 2022 immer dann ein, nachdem mind. 20 l/m2 zusätzlicher Regen auf einen bereits wassergesättigten Boden niedergegangen waren. Mitverantwortlich für den Grundwasseranstieg ist die begrenzte Schüttung der Quelle (8). Zudem trübt sich deren Quellwasser bei mehr als 0,1 l/s Schüttung ein, was darauf hinweist, dass sie mit der Senkungsmulde (6) hydraulisch kommuniziert.
Zusammenfassung
In diesem Fallbeispiel wurden geomorphologische Erscheinungen im Rheinischen Schiefergebirge beschrieben, die Karstphänomenen ähneln. Sie sind aber nicht auf Verkarstung, sondern auf Grundwasserleitung entlang bevorzugter Fließwege durch Festgestein zurückzuführen. Im Einzelnen sind dies eine Bachschwinde mit Erosionstunnel und vier perlschnurartig aufgereihte Senkungsmulden, die den unterirdischen Verlauf des Wassers oberflächlich markieren und von denen eine mit dem Grundwasser kommuniziert. Entscheidend für die Bildung an diesem Ort sind die folgenden tektonischen und lithologischen Faktoren: steil einfallende Sandsteinschichten mit wasserwegsamen Klüften, Schichtfugen und/oder erodierten Quarzgängen, die mehrere Meter von Lösslehm überdeckt sind. Damit sind lokale subterrane Erosionsvorgänge in diesem Teil des Rheinischen Schiefergebirges beispielhaft dargestellt.
Notes
Felix-Henningsen, P.: Persönliche Mitteilung (2021)
Felix-Henningsen, P.: Persönliche Mitteilung (2021)
Literatur
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WK: Niederschlagsdaten der Station „Boppard – Bad Salzig“ bereitgestellt durch Wetterkontor GmbH, www.wetterkontor.de (abgerufen am 27. Jan. 2022)
Danksagung
Unser herzlicher Dank gilt Herrn Felix-Henningsen für seine hilfreichen Kommentare zur Einordnung der ersten Gelände-Beobachtungen sowie den beiden Gutachtern für ihre wertvollen Anmerkungen zur Überarbeitung dieses Berichts. Des Weiteren danken wir unseren Kollegen Herrn Stolz und Herrn Ramler für die freundliche Bereitstellung eines Endoskops und eines GPS-Vermessungsgerätes.
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Hergert, F., Kimmel, M. Bildung von Senkungsmulden in Lösslehm durch subterrane Erosion. Grundwasser - Zeitschrift der Fachsektion Hydrogeologie 27, 213–218 (2022). https://doi.org/10.1007/s00767-022-00515-4
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