Zusammenfassung
Hintergrund
Die Entscheidung eines irreversibel erkrankten Menschen, freiwillig auf Nahrung und Flüssigkeit zu verzichten (FVNF), um das eigene Sterben zu beschleunigen, kann zu einer ethischen Herausforderung für professionell Pflegende werden. Oft werden Befürchtungen geäußert, die Begleitung eines FVNF sei unvereinbar mit einem Pflegeverständnis, nach dem das Leben eines Pflegebedürftigen – auch unter den christlichen Werten von Dienen und Nächstenliebe – ungeachtet der Umstände mit allen gebotenen Pflegemaßnahmen zu erhalten sei.
Pflegeethische Analyse
Pflegeethik, wie Ethik als „praktischer“ Teil der Philosophie insgesamt, bleibt nicht unbeeinflusst vom gesellschaftlichen Wandel. Es kann aber aus der Literatur zur Ethik und zum Pflegeverständnis dargelegt werden, dass FVNF nicht im Widerspruch zur Tradition der Pflegeethik steht, die mit den Veränderungen einer demokratischen und säkularen Gesellschaft korreliert und damit Patientenautonomie befürwortet und sich mit der Care-Ethik verbindet. Dabei ist in diesem Kontext die Frage zu beantworten, ob FVNF bei fortgeschrittener nicht heilbarer Erkrankung als Variante eines Suizids zu verstehen ist. Mit Recht wird dies verneint.
Schlussfolgerung
Pflegeethik folgt der Einschätzung der palliativen Medizin, dass FVNF – zumindest im Fall fortgeschrittener Erkrankung – ein Handlungsmodus eigener Art ist und nicht gleichzusetzen mit einem Suizid. Die sorgende und professionelle Begleitung eines FVNF kann so zu den ethisch vertretbaren Formen der Sterbebegleitung gerechnet werden.
Abstract
Background
The decision of a patient to stop eating and drinking voluntarily (voluntary stopping of eating and drinking, VSED) in order to accelerate their own death can present an ethical challenge for professional caregivers. Not rarely they think it is against their professional duties to support patients in their decision while attending them during that process. This may arise from established values in care from modern history starting from Christian roots to modern times.
Ethical analysis
Nursing ethics as well as general ethics are part of practical philosophy. Ethical reasoning is framed by influences of societal change. A careful review of the literature about nursing ethics will prove that to care for patients who decide for VSED in case of terminal disease is not contradictory to the tradition of care ethics. Rather, it responds to secular societal changes. The mainstay of this change is respect for the patient’s autonomy. Within this context the question arises whether VSED of patients with advanced and noncurable diseases is to be seen as a variant of suicide. In accordance with the statement of respective medical societies this can be justifiably denied.
Conclusion
Nursing ethics is in line with judgments expressed in palliative care and general medicine that a patient’s decision for VSED in case of advanced disease is a mode of action of its own and different from suicide. Empathetic and professional care for patients who have decided for VSED is ethically justified and within the scope of humane attendance for the dying.
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Interessenkonflikt
K. Selge und M. Haas geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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Selge, K., Haas, M. Freiwilliger Verzicht auf Nahrung und Flüssigkeit – ethische Herausforderung aus Sicht der professionellen Pflege. Onkologe 26, 438–442 (2020). https://doi.org/10.1007/s00761-020-00746-1
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