Einleitung

Jüngere Studien zeigen, dass sich das Verhältnis zwischen Tourismus, freizeitorientierter Migration und Wohnimmobilienmarktentwicklung in den letzten Jahrzehnten grundlegend verändert. Insbesondere Regionen mit einer großen Bedeutung des Tourismus sind von dieser Veränderung intensiv betroffen. Die Tourismusforschung hat sich bei der Untersuchung dieser Veränderungen bisher vor allem auf Großstädte konzentriert (Lopez-Gay et al. 2021). Aber auch in kleineren Tourismusorten lassen sich Umstrukturierungsprozesse durch die Zunahme touristisch genutzter Wohnimmobilien feststellen.

Tourismus- und Immobilienmarktentwicklung sind dabei in vielfältiger Weise direkt und indirekt miteinander verknüpft. Zum einen wertet das touristische Angebot die Attraktivität eines Ortes insgesamt auf und führt so indirekt zu einer Wertsteigerung der lokalen Immobilien. Touristische Einrichtungen beanspruchen aber auch selbst Flächen, treten damit in Konkurrenz zu anderen Nutzungen und beeinflussen insofern direkt das Immobilienpreisniveau. Für unsere Analyse der Dynamiken des Wohnimmobilienmarktes möchten wir uns vor diesem Hintergrund auf direkte Einflüsse des Tourismus auf den Wohnungsmarkt konzentrieren. Dabei sehen wir drei Hauptdimensionen, in denen die beiden Sektoren miteinander verknüpft sind: Erstens durch den Neubau oder die Umwandlung von Wohnungen in Ferienwohnungen, zweitens durch den Neubau oder die Umwandlung bestehender Wohnungen in freizeitorientierte Zweitwohnsitze und drittens durch die Steigerung der Nachfrage nach Wohnimmobilien durch freizeitorientierte Migrant*innen.

Aufgrund der bisher noch unzureichenden Forschung sind die Dynamiken in und zwischen diesen drei Dimensionen in kleineren Städten jedoch kaum verstanden. Damit, so das Kernargument dieses Beitrags, fehlen zentrale Grundlagen, um die Tourismus- und Regionalplanung nachhaltiger zu gestalten. Dabei stellt sich insbesondere die Frage, welche Folgen diese Veränderungen für die ortsansässige Bevölkerung mit sich bringen und welche Wege hin zu einer nachhaltigeren Regionalentwicklung beschritten werden können.

Aufbauend auf qualitativen empirischen Arbeiten gehen wir daher am Beispiel von Garmisch-Partenkirchen drei Fragen nach: 1) Welche Veränderungen im Markt für Wohnimmobilien lassen sich nachzeichnen? 2) Wie lassen sich diese Veränderungen erklären? 3) Welche Schlüsse lassen sich daraus für Strategien nachhaltiger Regionalentwicklung ziehen?

Stand der Forschung

In städtischen Destinationen ist die Verknüpfung von Tourismusentwicklung und Wohnraumangebot für die Bevölkerung ein zentrales Thema, das seit dem Aufkommen der touristischen sharing economy verstärkt in den Blick geraten ist (Stors und Kagermeier 2017). Eine große Zahl an jüngeren Publikationen hat beispielsweise für Lissabon, Barcelona oder Berlin herausgearbeitet, wie das massiv gestiegene Angebot an Airbnb-Unterkünften nicht nur das touristische Angebot in diesen Städten grundlegend verändert, sondern wie diese Entwicklung zu einer Reduzierung von verfügbarem Wohnraum für die lokale Bevölkerung sowie einem massiven Preisanstieg führt (Cócola-Gant und Gago 2019; Cócola-Gant und Lopez-Gay 2020; Füller und Michel 2014). Vor dem Hintergrund der zunehmenden Touristifizierung von städtischen Vierteln (Freytag und Glatter 2017) wurde daher der Begriff tourism gentrification eingeführt, der aufzeigen soll, dass Verdrängungsprozesse in städtischen Vierteln primär durch eine Ausrichtung dieser Viertel auf die touristische Nachfrage zu erklären sind.

In ländlichen und kleinstädtischen touristischen Räumen haben einige Arbeiten aus dem Forschungsfeld der amenity migration und lifestyle migration (Lebensstil-Migration; Migration aufgrund der Attraktivität gewisser Regionen und nicht primär aus ökonomischen Motiven) aufzeigen können, dass auch hier neue Dynamiken im Spannungsfeld zwischen Tourismusentwicklung, freizeitorientierter Migration und (spekulativer) Immobilienentwicklung zu beobachten sind (Janoschka und Haas 2014; Kordel 2017; Rainer 2016, 2019). Gerade vor dem Hintergrund der Coronapandemie und der seither verstärkten Möglichkeit zum Homeoffice ist damit zu rechnen, dass die Immobiliennachfrage insbesondere im touristisch attraktiven ländlichen und kleinstädtischen Raum in Zukunft zunehmen wird.

Für die Untersuchung derartiger Fragen bietet sich Garmisch-Partenkirchen idealtypisch an (Abb. 1). Die Marktgemeinde besitzt mit rund 28.000 Einwohnern städtische Dimensionen, ist aber insbesondere in sozialer und baulicher Hinsicht eher ländlich geprägt. Sie ist zugleich eine der ältesten und bedeutendsten Destinationen Deutschlands und weist eine hohe Tourismusintensität und tourismusgetriebene Nachfrage nach Wohnimmobilien auf. Für die Fallstudie haben wir 22 qualitative Expert*inneninterviews mit Akteur*innen aus der Tourismus‑, Immobilien- und Finanzwirtschaft sowie der Kommunalpolitik durchgeführt.

Abb. 1
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Blick auf Garmisch-Partenkirchen. (Foto: T. Kors)

Dynamiken in Garmisch-Partenkirchen

Freizeitorientierte Zweitwohnsitze spielen für die Entwicklung des Wohnungsmarktes in Garmisch-Partenkirchen eine wichtige Rolle. In einem Bericht des Garmischer Tagblatts aus dem Jahr 2019 wird die Zahl der Zweitwohnungen mit 1680 angegeben, was einem Anteil von 11 % des Wohnungsbestands entsprechen würde (Reinbold 2019; LfStat 2021). Hinzu kommt eine aus methodischen Gründen nur schwer zu beziffernde Anzahl an freizeitorientierten Migrant*innen, die sich dauerhaft, beispielsweise in Form von Altersruhesitzen, im Ort niederlassen und die Nachfrage nach Immobilien in der Marktgemeinde zusätzlich befeuern. Senior*innen spielen für den leicht positiven Zuzug nach Garmisch-Partenkirchen eine überproportional große Rolle (UniCredit Bank AG 2019), was vor allem mit der historischen Bedeutung als Gesundheitsdestination (Luftkurort) und dem hohen Freizeitwert in Verbindung steht. Zudem gab es im Januar 2021 rund 900 Ferienwohnungen und -häuser mit 4880 Betten. Die Bettenanzahl in diesem bedeutenden Segment (Abb. 2) ist alleine im Jahr 2021 um 1106 Betten (24 %) im Vergleich zum Vorjahr gestiegen (GAPA Tourismus GmbH 2021a).

Abb. 2
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Übernachtungen nach Unterkunftsart in Garmisch-Partenkirchen im Jahr 2020. (GAPA Tourismus GmbH 2021b)

Eine trennscharfe Differenzierung zwischen Freizeit- und Tourismusentwicklung auf der einen Seite und Immobilienmarktdynamiken auf der anderen Seite ist aufgrund der intensiven Verschränkungen nicht möglich. Wenig verwunderlich weist der lokale Immobilienmarkt in den letzten Jahren eine enorme Dynamik auf (Abb. 3).

Abb. 3
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Immobilienumsätze im Landkreis Garmisch-Partenkirchen. (Daten der Sparkassen-Immobilien-Vermittlungs-GmbH 2021)

Alleine in den Jahren von 2014–2020 sind die Immobilienumsätze um 87 % gestiegen, der Kaufpreis für Baugrundstücke hat sich in der gleichen Zeitspanne fast verdoppelt (Tab. 1). Dies ist umso relevanter, als den weitaus größten Teil der Gebäudetypen (70 %) freistehende Ein- oder Mehrfamilienhäuser (Abb. 4) stellen (Daten für 2011, LfStat 2021). Auch bei den Mieten lag der Anstieg mit 37 % zwischen 2014 und 2020 weit über dem mittleren Anstieg der Bruttomonatsgehälter.

Tab. 1 Kennzahlen Immobilienmarkt Landkreis Garmisch-Partenkirchen. (Daten: Sparkassen-Immobilien-Vermittlungs-GmbH 2021; PWIB 2021; Bundesagentur für Arbeit 2021b)
Abb. 4
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Wohnviertel in Garmisch. (Foto: F. Zirkl)

Aufgrund der Wirtschaftsstruktur der Marktgemeinde mit starker Konzentration auf Handel, Tourismus, Gesundheits- und Sozialwesen sowie dem öffentlichen Dienst sind 88 % der Beschäftigten im Dienstleistungsbereich tätig (Bundesagentur für Arbeit 2021a) und damit vorwiegend in Branchen, die durch ein vergleichsweise niedriges Lohnniveau gekennzeichnet sind. Entsprechend liegt das Bruttomediangehalt pro Monat eines Vollzeitbeschäftigten im Landkreis Garmisch-Partenkirchen im Jahr 2020 mit 3041 € deutlich unter dem bayerischen Durchschnitt von 3572 € (Bundesagentur für Arbeit 2021b). Insbesondere die unteren Einkommens- und Vermögensschichten geraten so auf den lokalen Immobilienmärkten zunehmend unter Druck, aber auch die Mittelschicht ist nicht mehr in der Lage, allein aus eigener Arbeitskraft ein durchschnittliches Einfamilienhaus zu erwerben. Hierfür wäre ein Bruttojahreshaushaltseinkommen von rund 223.000 € notwendig – ein Einkommen, das weniger als 1 % der Gesamtbevölkerung in Deutschland aus eigener Arbeit erzielt (Abb. 5). Leistbares Wohnen oder gar der Immobilienerwerb sind daher für die durchschnittliche ortsansässige Bevölkerung in nur wenigen Jahren zu einem großen Problem geworden, wenn kein familiäres Vermögen zur Verfügung steht. Für die Tourismuswirtschaft wiederum führt der Mangel an (leistbarem) Wohnraum dazu, dass Fachkräfte nur sehr schwer gewonnen und in der Region gehalten werden können.

Abb. 5
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Beispielhafte Kalkulation der Kredittilgung für ein Einfamilienhaus in Garmisch-Partenkirchen. (Häufigster Kaufpreis laut Sparkassen-Immobilien-Vermittlungs-GmbH 2021)

Ferienwohnungen als Finanzierungsstrategie

Der enorme Zuwachs an Ferienwohnungen lässt sich auf den ersten Blick durch die touristische Nachfrage (Neumair et al. 2019) erklären. Bei näherer Betrachtung offenbart sich jedoch, dass deren Wachstum vor allem finanzmarktgetrieben ist. Unterschiedliche Interviewpartner*innen haben ausgesagt, dass das die Einnahmen aus der Kurzzeitvermietung als „sehr attraktives zweites Standbein, … gerade als Selbstständiger“, „als Altersvorsorge“, als „wertbeständige“ sowie als alternative Anlageform und Finanzierungsstrategie für private und institutionelle Investoren dient.

Der Bau und Umbau von Immobilien zu Ferienwohnungen steht in Garmisch-Partenkirchen vielfach in enger Verbindung zu jüngeren finanzpolitischen Entscheidungen. Ein Immobilienmakler erklärte beispielsweise: „Die Zinspolitik und keine Alternativen von vernünftigen Anlageformen zwingt einfach die Masse, oder steuert die in dieses Immobiliengeschäft, sprich ‚Betongold‘, und das ist fatal“. Die Nachfrage nach Immobilien erhöht sich, was zu einer enormen Preissteigerung führt. Der Zugang zu Mietwohnraum, aber auch Wohneigentum für Personengruppen mit geringerem Kapital, erschwert sich. Insbesondere auswärtige und institutionelle Anleger*innen verfügen häufig über höhere Kapitalsummen. Ein Immobilienmakler argumentierte beispielsweise „wenn die hierherkommen [ist es so], als ob die Dollar haben und bei uns in Zloty bezahlt wird“.

Während früher eher vereinzelt Privatpersonen Ferienwohnungen „zur Finanzierung [oder um] ein bisschen Geld [zu] investieren“ genutzt haben, berichtet ein Mitarbeiter der Kurverwaltung. So werden mit der steigenden Preisentwicklung, die seit der Coronapandemie noch mal extremer geworden ist, Ferienwohnungen zunehmend zu einem notwendigen Finanzierungselement bei Neu- und Umbauten. „[V]iele Normalsterbliche, … Mittelschicht, die brauchen die paar Euro mehr, um größere Vorhaben zu realisieren und … da kommst du fast an einer Ferienwohnung nicht mehr vorbei, weil es einfach super lukrativ ist“, erzählt ein Bankangestellter. Ein Ferienwohnungsvermieter berichtete von den finanziellen Motiven, die beim Bau und der Vermietung seines neuen Ferienapartmenthauses überwogen haben. Mit dem Gedanken, etwas in der Tourismusbranche zu machen, hatte die Entscheidung „wirklich überhaupt gar nicht“ zu tun. Günstige Finanzierungskonditionen waren der Anlass, auf dem vorhandenen Grundstück seiner Familie bauen zu können. Höhere Mietrenditen bei Ferienwohnungen, mehr Flexibilität bei der Vermietung und steuerliche Vorteile (Vorsteuerabzug bei gewerblicher Nutzung für 10 Jahre) waren ausschlaggebend, Ferienwohnungen zu schaffen, anstatt eine Festvermietung einzugehen. Der enorme Anstieg an Ferienwohnungen lässt sich daher in erster Linie durch finanz- und immobilienwirtschaftliche sowie steuerliche Gründe erklären, die jedoch in der tourismuswissenschaftlichen Debatte bisher kaum beachtet wurden.

Mit dem Hebel der touristischen Vermietung sind deutlich höhere Renditen als bei einer Vermietung zu Wohnzwecken erzielbar. Damit ist ein größerer Finanzierungsrahmen als bei einer reinen Wohnnutzung der Immobilien möglich, was wiederum die Preise auf den Wohnimmobilienmärkten mit nach oben treibt. Die Ausweitung des Ferienwohnungsmarktes trägt so überproportional zu den Preissteigerungen vor Ort bei.

Handlungsmöglichkeiten für die Kommune

Will man den Entwicklungen entgegenwirken, können im Rahmen der (kommunalen) Bauleitplanung Gegenmaßnahmen ergriffen werden. Die Marktgemeinde müsste dringend eine Strategie einer aktiven Grundverkehrspolitik entwickeln, Flächen bei Umwidmungen ankaufen und vergünstigt sowie noch konsequenter an soziale Kriterien gebunden ausschließlich an Einheimische oder im Ort Arbeitende für den Wohnungsbau zur Verfügung stellen. Dringend benötigt werden zudem zusätzliche Flächen für den Wohnungsbau für nichttouristische Zwecke, die beispielsweise im Rahmen einer gezielten Nachverdichtung und einem Ausbau von Dachflächen erschlossen werden könnten. Zuletzt wäre es dringend anzuraten, die Möglichkeiten auszuschöpfen, die die Baunutzungsverordnung (Unterbindung von Ferienwohnungsnutzungen in allgemeinen Wohngebieten, §4 in Verbindung mit §13a) und das Baugesetzbuch (Erlass einer kommunalen Satzung nach §22 Baugesetzbuch, die die Nutzung einer Immobilie als Zweitwohnsitz genehmigungspflichtig macht, wobei die Genehmigung in der Regel zu untersagen ist) bieten (beispielsweise bereits genutzt in Norderney, Berchtesgaden, Ruhpolding).

Fazit und Ausblick

Die freizeit- und tourismusinduzierten Dynamiken auf dem Wohnimmobilienmarkt in Garmisch-Partenkirchen führen dazu, dass Ortsansässige ohne eigenes Vermögen zunehmend aus dem Wohnungsmarkt herausgedrängt werden. Offenbar hat sich diese Entwicklung im Zuge der Coronapandemie noch verschärft. Hierbei spielen, anders als in der Literatur suggeriert, jedoch nicht nur die zunehmende tourismusorientierte Nachfrage, sondern vor allem finanzwirtschaftliche Aspekte eine große Rolle, was bereits in Großstädten (Cócola-Gant und Gago 2019) zu beobachten ist.

Angesichts der im bundesweiten Vergleich unterdurchschnittlichen Einkommen in Garmisch-Partenkirchen wird insofern offenbar, dass nur noch vermögende Einheimische, die bereits über Immobilieneigentum verfügen, und vor allem auswärtige Käufer in der Lage sind, Immobilien in der Marktgemeinde zu erwerben. Wird diese Preisdynamik nicht sehr deutlich gebrochen, ist damit zu rechnen, dass sich die soziale Lage noch weiter polarisieren wird. Menschen mit kleinen und durchschnittlichen Einkommen, aber auch die Mittelschicht, werden ohne ein entschiedenes Gegensteuern in Zukunft keinen Ort zum Wohnen finden. Dies dürfte auch für die lokale und regionale (Tourismus‑)Wirtschaft zunehmend zu einem Problem werden, die sich angesichts des ohnehin herrschenden Fachkräftemangels in Zukunft schwerer tun wird, genügend Arbeitskräfte anzuziehen.

Es besteht die ernstzunehmende Gefahr, dass die arbeitende Bevölkerung zugunsten von Touristen, vermögenden Einheimischen und reichen Auswärtigen aus der Marktgemeinde verdrängt wird. Diese sich verschärfende Entwicklung widerspricht den Grundsätzen einer (sozial) nachhaltigen Siedlungsentwicklung. Andere touristische Orte im ländlichen Raum, wie Berchtesgaden oder Sylt, sehen sich ähnlichen Herausforderungen gegenüber. Die diskutierten Ergebnisse werfen daher über die vorliegende Studie hinaus Fragen der nachhaltigen Regionalentwicklung in touristischen Destinationen Bayerns und Deutschlands auf. Ohne ein konsequentes Handeln drohen in Zukunft die Dynamiken der Immobilienmärkte eine nachhaltige Tourismus- und Regionalentwicklung in kleinstädtischen und ländlichen touristischen Räumen zu verunmöglichen.