1 Einleitung

In den Jahren 2004 und 2005 wurde das Projekt HORA 1.0 (Hochwasserrisikoflächen Österreich) durchgeführt (Merz et al. 2008). Dabei wurden Überflutungsgebiete für Hochwasserabflüsse gegebener Jährlichkeiten für ganz Österreich ausgewiesen und im Rahmen der HORA-Plattform (www.hora.gv.at) der Öffentlichkeit zugängig gemacht (Stiefelmeyer und Hlatky 2008). Die HORA-Plattform hat sich seitdem als Public-Private-Partnership-Projekt (PPP) von BMLRT und Versicherungsverband Österreich (VVO) weiterentwickelt. Sie enthält heute neben statischen Informationen zu Hochwasser, Erdbeben, Sturm, Blitz, Hagel und Schnee auch laufend aktualisierte und aktuelle Informationen zu Hochwasser, aktuellen Erdbebenereignissen und Sturm (Blöschl et al. 2022). Das HORA-Portal wird von den Bürgerinnen und Bürgern rege genutzt, wie die sehr hohen Zugriffszahlen belegen. Im langjährigen Durchschnitt sind es mehr als 200.000 Zugriffe pro Jahr auf die Homepage, wobei fast 80 % der Nutzerinnen und Nutzern die Hochwasserkarten besuchen und sich dort auch länger aufhalten.

Seit der Studie aus den Jahren 2004/2005 ist es aus mehreren Gründen erforderlich geworden, die Ergebnisse des Projekts HORA 1.0 zu überarbeiten. Zum einen sind in Österreich in den letzten Jahren zahlreiche große Hochwasser aufgetreten, und es besteht die Sorge, dass die Hochwassergefahr zugenommen hat. In der Tat zeigen Abflussmessungen signifikante Trends, und Klimaprojektionen legen nahe, dass sich die Trends in ähnlicher Weise in die Zukunft fortsetzten könnten (Blöschl et al. 2018). Für den Zeitraum 1976–2014 zeigen 34 % der gemessenen Abflussreihen nördlich des Alpenhauptkamms einen signifikanten steigenden Trend, während es im Süden 15 % sind. Die Gründe für diese Änderungen wurden umfangreich analysiert (Blöschl et al. 2015a; Bertola et al. 2021; Merz et al. 2021) und es ist klar, dass der Klimawandel einen Beitrag leistet. Deshalb war es notwendig, die Hochwassergefahr auf Basis der aktualisierten Abflussdatenreihen neu zu bewerten.

Zum anderen sind in der Zwischenzeit auch andere Datengrundlagen aktualisiert bzw. wesentlich verbessert worden. So liegt jetzt beispielweise für ganz Österreich ein Digitales Geländemodell mit einer Auflösung von 1 m vor. Zudem sind die methodischen Instrumente kontinuierlich verbessert worden. Die neuesten parallelisierten hydrodynamischen Modelle ermöglichen eine vielfache Rechengeschwindigkeit, wodurch für ganz Österreich eine Auflösung möglich geworden ist, die vor wenigen Jahren nur für lokale Studien machbar war (Horváth et al. 2020). Eine Neubewertung erlaubt es, all diese neuen Daten bzw. Technologien heranzuziehen, um genauere und aktuellere Hochwasserrisikoflächen zu bestimmen.

Der vorliegende Beitrag beschreibt die Konzeption und die neuen Wege des Projekts HORA 3.0, in dem diese Neubewertung durchgeführt wurde. Das Ziel war es, Hochwasserüberflutungsflächen für Abflüsse mit einer Jährlichkeit von 30, 100 und 300 Jahren für das gesamte Bundesgebiet zu berechnen, sowie für eine hypothetische Situation mit einer Abflussjährlichkeit von 300 Jahren, bei der die Hochwasserschutzanlagen überströmt werden bzw. versagen. Die letztere Situation kann als Indikator für das Restrisiko angesehen werden. Die Ergebnisse sind bereits auf der HORA-Plattform (www.hora.gv.at) veröffentlicht.

2 Konzeption

Die Arbeiten zielten darauf ab, mit einem für ganz Österreich einheitlichen Verfahren die Hochwasserrisikoflächen möglichst genau zu bestimmen. Die Konzeption des Projekts HORA 3.0 orientierte sich an der Datenverfügbarkeit, an den technischen Möglichkeiten sowie an der Fachlandschaft in Österreich (Abb. 1). Dementsprechend wurde das Projekt in vier Module gegliedert.

Abb. 1
figure 1

Einbettung des Projekts HORA 3.0 in die entsprechende Fachlandschaft in Österreich

Das erste Modul (in Abb. 1 rosa gekennzeichnet) befasst sich mit der Unterteilung des gesamten Bundesgebiets in Einzugsgebiete, die durch ein eindeutiges Gewässernetz verbunden sind, und damit die Grundlage für die Wasserbewegung in der Landschaft liefern. Das zweite (in Abb. 1 grün) ermittelt auf Basis von Pegelbeobachtungen die Hochwasserabflüsse HQT einer bestimmten Jährlichkeit T für dieses Gewässernetz. Das dritte Modul widmet sich der geometrischen Darstellung der Landoberfläche in Form von Digitalen Geländemodellen (DGMs) und anderen Datensätzen, z. B. zur Beschreibung der Kanten von Uferböschungen (in Abb. 1 orange). Das vierte Modul (in Abb. 1 blau) basiert auf den ersten drei, und führt zweidimensionale, instationäre hydrodynamische Simulationen der Überflutungsflächen für T = 30, 100 und 300 Jahre sowie T = 300 Jahre ohne Dämme, durch.

Die Herausforderung in allen Schritten bestand darin, die lokalen Besonderheiten der hydrologischen und hydraulischen Bedingungen in einem bundesweiten Projekt möglichst zutreffend abzubilden. Aus logistischen Gründen war es nicht möglich, Feldbegehungen durchzuführen, um Querprofile zu vermessen und Wasserbauten und andere relevante Maßnahmen zu erheben, denn die gesamte zu untersuchende Gewässerstrecke betrug 32.000 km. Deshalb wurden geeignete, an die österreichische Situation angepasste Verfahren entwickelt, um aus den vielfältigen vorhandenen Informationen ein Höchstmaß an Genauigkeit zu extrahieren. In Anlehnung an HORA 1.0 (Merz et al. 2008) wurden sie als kombinierte automatisch-manuelle Verfahren implementiert. Der Großteil der Gewässerabschnitte verhält sich in Hinblick auf die Abflussbildung und den Oberflächenabfluss in ähnlicher Weise und dafür wurden die entwickelten automatischen Verfahren eingesetzt. Manche Situationen unterscheiden sich jedoch, und für diese wurden Expert:inneneinschätzungen getroffen. Dadurch wird einerseits der personelle Aufwand reduziert, und andererseits die Möglichkeit erschlossen, komplexe hydrologische und hydraulische Situationen zu erfassen.

Die Vorgangsweise wurde auch in die entsprechende Fachlandschaft in Österreich eingebettet (Abb. 1). Als Auftraggeber und externe Koordination des Gesamtprojekts fungierte die Abteilung Hochwasserrisikomanagement des Bundesministeriums für Landwirtschaft, Regionen und Tourismus (BMLRT). Die Abteilung Wasserhaushalt des BMLRT stellte hydrologische Daten zur Verfügung und diente auch als fachlicher Ansprechpartner betreffend Gewässernetz, Einzugsgebietsgrenzen und die generellen hydrologischen Berechnungen. Besonders viel Wissen über lokale hydrologische Besonderheiten ist bei den hydrographischen Landesdiensten vorhanden. Zu diesem Zusatzwissen zählen Informationen über historische Hochwasser und die lokale Hydrologie, die Einschätzung der Güte der hydrologischen Messdaten, vorangegangene Hochwasserstudien und Erfahrungen aus Gebietsbegehungen. Im Rahmen von Besuchen der Projektmitarbeiter:innen bei den hydrographischen Landesdiensten wurden deshalb die Abflussdaten gemeinsam interpretiert, Überlegungen zu wirksamen Prozessen angestellt und die daraus folgende Schätzung der Hochwasserwahrscheinlichkeiten abgestimmt. Die wasserbaulichen bzw. wasserwirtschaftlichen Abteilungen der Länder wurden eingebunden, einerseits indem sie gemessene Flussprofile, vorhandene Abflussuntersuchungen entlang des Gewässernetzes und Informationen über Wasserbauten (z. B. Rückhaltebecken) zur Verfügung stellten, soweit digital vorhanden. Andererseits wurden im Rahmen der Möglichkeiten gegen Projektende die berechneten Hochwasserrisikoflächen mit den zuständigen Mitarbeiter:innen diskutiert. Das Land-, forst- und wasserwirtschaftliche Rechenzentrum stellte zahlreiche Geodaten zur Verfügung, und übernahm auch die Implementierung der Endergebnisse des Projekts (d. h. der Hochwasserrisikoflächen) auf der Plattform HORA.

3 Gewässernetz und Einzugsgebietsgrenzen

Die wichtigsten Vektordatensätze waren das Berichtsgewässernetz gemäß Wasserrechtsgesetz und die Basiseinzugsgebiete (Version 12 vom Februar 2017). Der Datensatz der Einzugsgebiete enthielt 41.069 Polygone mit einer mittleren Fläche von 1,5 km2. Jedes Polygon stellte ein Teileinzugsgebiet dar und enthielt eine Kennung zu den nächsten flussabwärts gelegenen Polygonen, wodurch die Topologie der Teileinzugsgebiete definiert ist. Meist gab es nur ein Unterliegergebiet, aber in 390 Fällen waren es zwei oder drei, wenn das Wasser in Kanälen (z. B. Mühlkanäle, Kanäle für Wasserkraft, Hochwasserschutz) ausgeleitet wird. Da die zur Berechnung der Hochwasserabflüsse verwendete Methode eine eindeutige Topologie erfordert, wurde in solchen Fällen nur jenes Unterliegergebiet berücksichtigt, welches der dominanten Fließrelation bei großen Hochwassern entsprach, und die Kennung aktualisiert. Die Einschätzung erfolgte manuell unter Zuhilfenahme von Orthofotos und anderen Informationen. Mithilfe der Kennungen wurden aus den Teileinzugsgebieten Gesamteinzugsgebiete abgeleitet und abermals vollständig visuell geprüft.

In einem zweiten Schritt wurde der Gewässernetzdatensatz mit dem Einzugsgebietsdatensatz abgeglichen, und jedem Teileinzugsgebietspolygon wurde genau ein Gewässerabschnitt zugeordnet. Dadurch wurde eine vollständig konsistente Topologie von Einzugsgebieten und Gewässernetz ohne Schleifen oder Bifurkationen erzielt. Die bestehenden Kanäle im Gewässernetz wurden identifiziert und anschließend entweder entfernt (vor allem kleine Kanäle wie in Abb. 2a zu sehen), oder ihre stromaufwärts gelegene Verbindung zum Hauptgewässer wurde geschlossen (z. B. Marchfeldkanal, Leithakanal), wenn sie selbst ein größeres Gebiet entwässerten. Dabei handelte es sich um sehr aufwendige Arbeiten wegen der vielen Unterschiede zwischen den beiden Datensätzen und den je nach Situation unterschiedlichen Korrekturen. Schließlich wurde dem Gewässernetz eine Fließrichtung hinzugefügt (Oberlieger- und Unterliegerknoten für jeden Abschnitt). Da im Rahmen des Projekts HORA 3.0 Überflutungsflächen nur für Gewässer mit Einzugsgebietsfläche > 10 km2 berechnet werden sollten, wurde das Gewässernetz entsprechend beschnitten, woraus sich aus einer ursprünglichen Gesamtlänge von 83.200 km eine Gesamtlänge von 32.000 km ergab, mit insgesamt 20.000 Gewässerabschnitten bzw. 21.000 Knoten. Der sich daraus ergebende HORA‑3.0‑Gewässernetzdatensatz ist viel detaillierter als das in HORA 1.0 verwendete Gewässernetz, wie in Abb. 2b zu erkennen.

Abb. 2
figure 2

a Entfernen der Kanalsegmente im Bereich der Traisen bei St. Pölten, um eine eindeutige Abflussrelation zu erzielen. b Vergleich des Gewässernetzes HORA 1.0 und HORA 3.0 im Bereich der Mündung der Traun in die Donau

4 Hochwasserabflussscheitel HQ T und Frachten

Sämtliche in Österreich verfügbaren Reihen beobachteter Jahresmaxima der Abflüsse wurden verwendet. Für 80 % der Pegel reichten die Reihen bis 2015, für 20 % der Pegel sogar bis 2018 oder 2019. Alle Pegelstellen wurden logisch mit dem Gewässernetz und den Einzugsgebietsflächen verknüpft, größtenteils automatisch, teilweise manuell. Sodann wurden die Abflussdaten mit denen in HORA 1.0 abgeglichen bzw. die Unterschiede analysiert. In Abstimmung mit den Hydrographischen Landesdiensten (HDs) wurde die Unsicherheit in der Pegelbeobachtung auf Basis der Ortskenntnis und der Erfahrung mit dem Pegel und seinen Durchflusswerten bei hohen Wasserständen eingeschätzt. Pegel mit zu großen Unsicherheiten wurden aus dem Datenkollektiv entfernt. Ebenso wurde festgelegt, ob die Beobachtungen an einem Pegel für die Region gültig sind oder nur lokale Gegebenheiten widerspiegeln. Extreme Beobachtungen der letzten 10 Jahre wurden diskutiert, von den HDs gegebenenfalls korrigiert und in HORA 3.0 übernommen. Daraus ergaben sich für HORA 3.0 in Summe 781 Pegel im Vergleich zu 698 Pegeln in HORA 1.0. Zudem waren die Reihen deutlich länger (Median von 44 Jahren im Vergleich zu 32 Jahren bei HORA 1.0).

Bei der Schätzung großer Jährlichkeiten muss in der Regel über den Bereich der bisher beobachteten Abflüsse hinaus extrapoliert werden. Die Abflussdaten im Hochwasserkollektiv beinhalten dafür oft nicht ausreichend Information. Deshalb wurde als konzeptionelle Grundlage für die Bestimmung der T‑jährlichen Abflüsse an den Pegeln und am gesamten Gewässernetz die Extremwerthydrologie gewählt (Merz und Blöschl 19,20,a, b), bei der nicht nur eine statistische Auswertung der Abflussdaten erfolgt, sondern darüber hinausgehend in zeitlicher, räumlicher und kausaler Hinsicht erweiterte Informationen über das Hochwasserverhalten im betreffenden Gebiet verwendet werden. Das Ziel war dabei, möglichst unterschiedliche Zusatzinformationen im Hinblick auf Annahmen und Daten zu berücksichtigen, um ein vollständigeres Bild zu erhalten. Diese Vorgangsweise entspricht einer zeitgemäßen Strategie zur Bestimmung der Hochwasser einer bestimmten Jährlichkeit (Blöschl und Merz 2008), wie im Regelblatt 220 des Österreichischen Wasser- und Abfallwirtschaftsverbands und im Merkblatt M 552 der Deutschen Vereinigung für Wasserwirtschaft, Abwasser und Abfall empfohlen (ÖWAV 2019; DWA 2012).

Die statistische Schätzung aus den Abflussdaten an den Pegeln erfolgte mittels der Momentenmethode sowie durch die Bayesian Markov-Chain-Monte-Carlo (MCMC)-Methode für die Vertrauensbereiche unter Wahl einer Allgemeinen Extremwertverteilung (AEV) (Viglione et al. 2013) (Abb. 3). Nach visueller Begutachtung der automatischen Schätzung wurden durch Einbeziehung von zeitlichen, räumlichen und kausalen Zusatzinformationen die statistischen Momente (Mittelwert MHQ, Variationskoeffizient CV, Schiefe CS) in Abstimmung mit den HDs festgelegt (Merz und Blöschl 2008c). Die zeitliche Informationserweiterung erfolgte durch Berücksichtigung historischer Hochwasserereignisse und Vergleich mit längeren Abflussreihen von Nachbargebieten; die räumliche Informationserweiterung durch Einschätzung der räumlichen Situation mittels Abflussdaten der Nachbarpegel unter Verwendung von Karten, Hochwasserspendendiagrammen und Längenschnitten; und die kausale Informationserweiterung durch eine Einschätzung der Prozesse der Hochwasserentstehung mittels Vergleich mit z. B. Niederschlag, Geologie, Abflussbeiwerten und der Lage von Rückhaltebecken und Seen im Gebiet.

Abb. 3
figure 3

Hochwasserwahrscheinlichkeitskurve für den Pegel Thal (Martinsbrücke) an der Rotach (84 km2 Gebietsfläche), HORA 3.0 im Vergleich zu HORA 1.0. Durch das zusätzliche große Ereignis am 27.07.2010 erhöhte sich das HQ100 von 182 auf 220 m3/s

Die sich mit dieser Vorgangsweise ergebenden Hochwasserwahrscheinlichkeitskurven wurden für alle Pegel mit denen von HORA 1.0 verglichen. Abweichungen wurden begründet, auf ihre Plausibilität geprüft und dokumentiert. Wenn in einem Gebiet in den letzten Jahren große Hochwasser aufgetreten sind, waren die berechneten Hochwasserabflüsse meist größer. Abb. 3 zeigt als Beispiel den Pegel Thal (Martinsbrücke) an der Rotach in Vorarlberg. Durch das zusätzliche große Ereignis am 27.07.2010 erhöhte sich das HQ100 von 182 auf 220 m3/s. In Einzelfällen wurde auch der Pegelschlüssel zufolge neuer Untersuchungen verändert. Eine Gegenüberstellung des 100-jährlichen Abflusses HQ100 von HORA 1.0 und HORA 3.0 aller Pegel zeigt Abb. 4. Wegen der erweiterten Datenbasis und der großen Hochwasser in den letzten Jahren sind die HQ100 in HORA 3.0 durchschnittlich um 8,7 % größer als in HORA 1.0.

Abb. 4
figure 4

Gegenüberstellung des 100-jährlichen Abflusses HQ100 von HORA 1.0 und HORA 3.0 an den Pegeln, doppellogarithmische Darstellung. Die Größe der Kreise gibt die Einzugsgebietsfläche der Pegel an

Für die instationären hydraulischen Berechnungen sowie für die Berücksichtigung des Einflusses von Wasserbauten auf die HQT-Abflüsse war es notwendig, nicht nur die Scheitel, sondern auch zugehörige Hochwasserwellen abzuleiten. Dafür wurden die Auswertungen von beobachteten Hochwasserwellen auf Stundenbasis von Gaál et al. (2012), basierend auf der Methode von Merz et al. (2006), herangezogen und durch eine Gammafunktion angenähert.

Unter Verwendung der 752 als regional gültig angesehenen Pegel (29 Pegel waren nur lokal gültig) wurden sodann die Hochwasserscheiteldurchflüsse für die restlichen Knoten des Gewässernetzes ohne Pegel berechnet. Dies erfolgte in drei Schritten:

  • (i) Automatische Berechnung der Hochwassermomente und daraus der HQT mittels des geostatistischen Verfahrens Top-kriging (Skøien et al. 2006) ähnlich wie in HORA 1.0, bei dem nicht nur die räumliche Distanz^, sondern auch die Fließrelationen entlang des Gewässernetzes berücksichtigt werden. Zudem gibt die Methode langen Abflussreihen mehr Gewicht als kurzen. Dies erhöht die Genauigkeit, da die Reihen eine unterschiedliche Länge von 5 bis 180 Jahren besitzen, und sich demnach auch ihre Zuverlässigkeit stark unterscheidet. Die automatische Berechnung berücksichtigte zudem die Flächenabhängigkeit der statistischen Hochwassermomente. Für das MHQ wurde eine Zunahme mit zunehmender Einzugsgebietsfläche mit einem Exponenten zwischen 0,75 am Alpennordrand und 0,55 im Marchfeld angesetzt. Für den CV in Gebieten kleiner 100 km2 wurde eine Zunahme mit abnehmender Fläche mit einem Exponenten von −0,1 angesetzt. Letzteres entspricht einem um 26 % größeren Wert für 10 km2 im Vergleich zu 100 km2. Der dämpfende Effekt von Seen und Stauseen auf die Hochwasser wurde mittels des FARL-Index (Flood Attenuation by Reservoirs and Lakes) (FEH 1999) berücksichtigt. Zudem wurde in kleinen Gebieten mit hohem Jahresniederschlag das MHQ etwas erhöht, auf Basis von Regressionsanalysen in ganz Österreich. Als nächster Effekt wurde die beschränkte Speicherfähigkeit kleiner alpiner Einzugsgebiete berücksichtigt. Die HOWATI-Studie (Hochwasser-Tirol) (Rogger et al. 25,26,a, b) hatte gezeigt, dass in kleinen alpinen Einzugsgebieten die Hochwasserwahrscheinlichkeitskurve nicht immer entsprechend einer AEV-Verteilung verläuft, sondern eine Stufe aufweisen kann, und diese wurde analog HOWATI für Tirol berücksichtigt. Die Hochwasserwellen wurden in ähnlicher Weise wie die Scheitelabflüsse von den Pegeln auf das gesamte Gewässernetz regionalisiert.

  • (ii) Automatische Berücksichtigung der Wirkung von Rückhaltebecken. 398 Rückhaltebecken mit einem Volumen von mehr als 10.000 m3 wurden für die Analysen herangezogen, deren Lage und Volumen bekannt waren, jedoch nicht die detaillierten Betriebsregeln. Deshalb wurde eine näherungsweise Wasserspiegellagenrechnung durchgeführt, bei der angenommen wurde, dass die Füllung bei einem Abfluss QF beginnt und dann die Abgabe linear zunimmt, mit einer geringeren Steigerung als der Zufluss. Die Abgabesteigerung wurde so gewählt, dass bei Erreichen der Beckenfüllung die Abgabe gleich dem Zufluss ist. Der Abfluss QF wurde aus vorhandenen Anlagedaten rückgerechnet. An den Knoten direkt unterhalb der Rückhaltebecken wurde mit dieser Vorgangsweise, im Vergleich zu einer hypothetischen Situation ohne Rückhaltebecken, das HQ100 im Durchschnitt um 32 % reduziert.

  • (iii) Manuelle Plausibilitätsprüfungen. Auch die Regionalisierung wurde manuell überprüft und zwar mittels Karten, Längenschnitten (Donau, Drau, Enns, Inn, March, Mur, Rhein, Salzach, Thaya, Traun) und Spendendiagrammen getrennt nach Regionen. Abweichungen zu bestehenden Spendendiagrammen und Längenschnitten wurden in Hinblick auf eine Erklärung durch große Ereignisse in den letzten Jahren und unter Berücksichtigung aller hydrologischer Informationen einschließlich Abflussmessungen, Niederschlag, Geologie, Landnutzung, Wasserbauten und Seen sowie einer Expert:inneneinschätzung geprüft. Bei Bedarf wurden die Werte geändert und die Gründe der Änderung dokumentiert.

Abb. 5a zeigt die Ergebnisse für das gesamte Gewässernetz von 32.000 km, dargestellt als 100-jährliche Hochwasserspende (m3/s/km2) bezogen auf 100 km2, Hq100,norm. Diese Darstellung wurde gewählt, um die über den Effekt der Einzugsgebietsfläche hinausgehenden räumlichen Unterschiede zu zeigen. Zu erkennen ist, dass die größten Abflüsse (bezogen auf eine Gebietsfläche von 100 km2) am Alpennordrand und in den Karawanken mit Werten über 1,8 m3/s/km2 (entsprechend einem HQ100 von mehr als 180 m3/s bei 100 km2 Fläche) auftreten. Die geringsten Abflüsse treten hingegen im Osten Österreichs wegen der geringeren Niederschläge und der durchlässigeren Böden auf, mit Werten unter 0,2 m3/s/km2 (entsprechend einem HQ100 von weniger als 20 m3/s bei 100 km2 Fläche). Abb. 5b zeigt das Verhältnis HQ300/HQ100 als Maßzahl für die Steigung der Hochwasserwahrscheinlichkeitskurve. Das Verhältnis zeigt eine kleinräumigere Variabilität, da dafür die lokalen hydrologischen Verhältnisse wichtiger sind als für die HQ100-Werte selbst. Das kleinste Verhältnis tritt an der Donau auf (ca. 1,1), die größten nördlich der Donau (Weinviertel, Waldviertel, Teile des Mühlviertels) mit Werten über 1,32. Die großen Verhältnisse ergeben sich aus dem großen Speichervermögen des Untergrunds im Vergleich zu den Extremniederschlägen (Merz et al. 2006). In diesen Gebieten können Extremhochwasser sehr viel größer als die üblichen Hochwasser sein, wie etwa das Ereignis August 2002 gezeigt hat (Komma et al. 2007).

Abb. 5
figure 5

a 100-jährliche Hochwasserspende (m3/s/km2) bezogen auf 100 km2, Hq100,norm. Der 100-jährliche Abfluss (m3/s) ergibt sich daraus gemäß \(HQ_{100}=Hq_{100,\mathrm{norm}}\cdot A^{0.7}\cdot 100^{0.3}\), wobei A die Einzugsgebietsfläche ist. b Verhältnis der 300- und 100-jährlichen Hochwasserabflüsse. Punkte zeigen die Werte an den Pegeln, Linien die auf das Gewässernetz regionalisierten Werte

5 DGM-Varianten, Flussachsen und Uferböschungen

In diesem Modul ging es um eine geometrische Darstellung der Landoberfläche in Form von digitalen Geländemodellen (DGMs) sowie der damit in Verbindung stehenden Vektordaten der Flussachsen und Uferböschungen. Als Grundlage dafür wurden ein Laserscanning-DGM vom Dezember 2015 mit einer räumlichen Auflösung von 1 m und ergänzend dazu ein digitales Oberflächenmodell (Dezember 2015, 1 m) sowie ein Orthofoto (April 2017, 0,2 m) inklusive Metainformationen verwendet. Die Überprüfung des DGMs ergab ein weitgehend homogenes Bild, wenngleich gewisse Unterschiede zwischen Bundesländern bestanden, etwa bei Brücken über Gewässern und Wasseroberflächen. Die Grenzübergänge zwischen Bundesländern wiesen keine offensichtlichen Sprungstellen auf, mit Ausnahme von Wasserflächen, die ohnehin gesondert behandelt wurden (siehe unten).

Um für das Projekt HORA 3.0 einen möglichst konsistenten und qualitativ hochwertigen Datensatz zu erhalten, wurden die DGMs für eine Lagekorrektur der Flussachsen des Berichtsgewässernetzes (siehe Abschnitt 3.) herangezogen. Während bei größeren Flüssen weitgehend eine sehr gute Übereinstimmung zwischen den Flussachsen und dem DGM festzustellen war, waren bei kleineren Gewässern die Abweichungen oft wesentlich größer, teilweise im Bereich mehrerer Meter. Zur Lagekorrektur wurden dem Gewässerlauf abwärts folgend Profile quer zur Flussachse gelegt (gelb in Abb. 6) unter Anwendung folgender Kriterien in absteigender Priorität: Vermeidung oder zumindest Minimierung von Höhenanstiegen entlang der Flussachse; Wasser soll den tiefsten Punkt des Flussbetts im Querschnitt passieren; eine geringe Abweichung von der initialen Flussachse. Sodann wurden die Ergebnisse für das gesamte Flussnetz manuell kontrolliert und wo nötig verbessert. Das war erforderlich, da für rund 3 % aller Flussachsenabschnitte die automatische Korrektur keine zufriedenstellenden Ergebnisse erzielte. Gründe dafür sind raue oder nicht erkennbare Darstellung des Flussbetts im DGM, sehr große initiale Abweichungen oder längere unterirdische Gewässerverläufe. Durch die flächendeckende Kontrolle konnten die Flussachsen als korrekt hinsichtlich der Aufgabenstellung angenommen werden, was bei den folgenden Prozessierungsschritten eine deutlich zuverlässigere Automatisierbarkeit bewirkte.

Abb. 6
figure 6

Beispiel für den Flussachsenverlauf vor (rot) und nach (blau) der Lagekorrektur. a zeigt die Querprofile (gelb), die für die Lagekorrektur verwendet wurden: Kienbach kurz vor der Mündung in den Attersee, Fließrichtung von Osten nach Westen

In einem weiteren Schritt wurden Brücken bzw. andere Hindernisse im Flusslauf erkannt und beseitigt. Die Erkennung erfolgte mithilfe von Längsprofilen entlang der korrigierten Flussachsen. Das entsprechende Verfahren verwendete primär die erste und zweite Ableitung der Höhenprofile in Kombination mit Annahmen über Gestalt und Mindestgröße von relevanten Hindernissen. Um ein Ausschneiden an unpassenden Stellen zu vermeiden (z. B. Durchlass unter einem anderen größeren Fluss), wurden alle automatisch detektierten Flussachsenabschnitte manuell nachkontrolliert und gegebenenfalls korrigiert. Ein Verfahren zur Elimination der detektierten Brücken aus dem DGM wurde entwickelt, bei dem die einzelnen Querprofile parallel aneinander gereiht werden und nach einer Interpolation wieder in ihre originale Position entlang der Flussachse gebracht werden (Wimmer et al. 2021). An den größeren Flüssen waren meist Informationen über Brückenpfeiler und Kraftwerke vorhanden, und diese wurden bei der hydraulischen Modellierung berücksichtigt, während an den kleinen Flüssen und Bächen die Brücken als nicht existent angesehen wurden. Insgesamt wurden österreichweit rund 42.500 Brücken oder Hindernisse detektiert und aus dem DGM entfernt. Knapp 1500 weitere Achsenabschnitte wurden als Durchlässe ausgewiesen. Ergänzend dazu wurden Böschungslinien und die Wasser-Land-Grenze detektiert und jeweils als ein Linienpaar pro Fluss verspeichert.

Das originale Geländemodell enthält auch nach der Brückenelimination die Wasseroberfläche zum Zeitpunkt der Datenaufnahme, aber nicht die Sohle der Gewässer. Letztere ist aber für die hydraulische Modellierung essenziell. Deshalb wurde das Flussbett in das DGM eingeschnitten, wobei je nach Datenverfügbarkeit verschiedene Ansätze gewählt wurden: Für große und mittelgroße Gewässer waren oft Modellnetze aus bestehenden hydraulischen Modellen vorhanden, die von den wasserbaulichen bzw. wasserwirtschaftlichen Abteilungen der Länder zur Verfügung gestellt wurden (16 % des Gewässernetzes) (Abb. 7). Für 2 % des Gewässernetzes wurden gemessene Querprofile zur Verfügung gestellt, die ebenfalls zu einem Rastermodell interpoliert und ins DGM eingefügt wurden (Mandlburger 2000). Für 82 % aller Flusskilometer waren keine Messwerte verfügbar, sodass die Querschnitte basierend auf hydrologischen Annahmen näherungsweise bestimmt wurden. Ausgehend vom Wasserspiegel, der Gerinnebreite und dem Gefälle wurde der durchflossene Profilquerschnitt mittels der Fließformel nach Strickler als Funktion der Längsneigung, Rauigkeit und des gemessenen Abflusses abgeschätzt. Der Ansatz wurde anhand gemessener Profile und Wasserstände kalibriert und getestet. Gemessene Querprofile würden selbstverständlich die Genauigkeit erhöhen.

Abb. 7
figure 7

Bestimmung der Gerinnegeometrie aus bestehenden hydraulischen Modellen (blau), mittels gemessener Profile (rot) sowie mit einem Näherungsansatz berechnet (weiß)

Schließlich wurden als Grundlage für das vierte Szenario (HQ300 ohne Dämme) Hochwasserschutzdämme identifiziert und entfernt. Da Hochwasserschutzeinrichtungen derzeit nicht bundesweit georeferenziert erfasst sind, wurden Dämme aufgrund ihrer geometrischen Eigenschaften im DGM identifiziert. Dafür wurde ein gleitendes Mittel der Geländehöhen im HQ300-Überflutungsbereich mit vorgegebener Fenstergröße gebildet, und dessen Differenz zum originalen DGM bestimmt. Dämme zeigen sich darin als erhabene Objekte. Die Fenstergröße wurde auf Basis von Testrechungen mit 50 m festgelegt. Das Resultat ist ein Raster-Differenzmodell. Insgesamt wurden österreichweit Dämme mit einer Gesamtlänge von 3080 km detektiert.

6 Hydrodynamische Simulation der Überflutungsflächen

Im vierten Modul wurden instationäre, zweidimensionale hydrodynamische Berechnungen mit einer räumlichen Auflösung von 2 m durchgeführt (Abb. 8), um damit Wassertiefen und Fließgeschwindigkeiten zu berechnen. Die simulierten maximalen Wassertiefen im Bereich der Scheitel der Abflusswellen wurden als maßgebend für die Überflutungskarten angesehen.

Abb. 8
figure 8

Das quadratische Simulationsraster mit 2 m ermöglicht eine genaue Auflösung des DGM und der Gebäude und eine detaillierte Berechnung der Wassertiefen

Als Randbedingungen für die Berechnungen wurden die Abflusswellen mit Scheitel HQT in allen Knoten des Gewässernetzes verwendet (siehe Abschnitt 4.). In jedem Knoten wurde der Abfluss über den Querschnitt des Gerinnes unter Zuhilfenahme der Böschungsoberkanten verteilt. Die Simulationen wurden nicht für ein bestimmtes Ereignis durchgeführt, sondern für eine Jährlichkeit der Scheitelabflüsse von T = 30, 100 bzw. 300. Der Scheitelabfluss und die zugehörigen Wasserstände entsprechen deshalb einem hydrologischen Längenschnitt entlang der Fließgewässer. Diese Methode unterscheidet sich von der bei lokalen hydraulischen Abflussberechnungen üblichen Vorgangweise, bei der ein Ereignis simuliert wird, bei dem am Hauptfluss eine Abflusswelle auf einen Durchfluss von z. B. HQ100 skaliert wird, und für die Zubringer die bei einem derartigen Ereignis zu erwarteten Zuflüsse angesetzt werden, meist in der Größenordnung eines HQ10. Die hier gewählte Methode erlaubt es – im Gegensatz zum traditionellen Vorgehen –, konsistente Überflutungsflächen der gleichen Jährlichkeit für eine große Region zu berechnen. Allerdings ist diese Methode nicht massenerhaltend, da nach einem Zusammenfluss die Summe der HQT der beiden Zubringer nicht gleich dem HQT unterhalb des Zusammenflusses ist. Dies ergibt sich daraus, dass in Realität die Scheitel der Zubringer selten gleichzeitig auftreten, und sich dadurch keine vollkommene Überlagerung ergibt. Um diesen Effekt effizient zu simulieren, wurde deshalb an Knoten Wasser entfernt bzw. hinzugefügt, und zwar in einem Ausmaß, dass die Bedingung einer räumlich konstanten Jährlichkeit des Scheitelabflusses (vorgegeben durch die hydrologische Regionalisierung wie in Abschnitt 4. beschrieben) erfüllt wird. Bei einem Zusammenfluss musste meist Wasser entfernt werden, um das nicht immer gleichzeitige Auftreten von Hochwasserwellen auszugleichen. Entlang des Gerinnes selbst wurde meist Wasser hinzugefügt, um die diffusen seitlichen Zuflüsse abzubilden. Die Entnahmen bzw. Zugaben erfolgten dynamisch, sodass nicht nur der Scheitelabfluss, sondern die gesamte vorgegebene Abflusswelle an den Knoten eingehalten wurde.

Die Rauigkeiten im Vorland wurden auf Basis der Landnutzungsdaten der Digitalen Katastralmappe (DKM) gewählt. Für die Pegelstellen wurden die Rauigkeiten an die gemessenen Pegelschlüssel kalibriert und dann räumlich interpoliert, um die Rauigkeiten im Gerinne zu erhalten. Waren für einen Flussabschnitt hydraulische Detailstudien vorhanden, wurden die Rauigkeiten aus diesen Studien mit den zuvor ermittelten Werten im Vorland und im Gerinne durch Mittelbildung abgeglichen. Jedes Gebäude in Österreich, wie im 1‑m-Oberflächenmodell enthalten, wurde als undurchlässige Wand modelliert.

Um die Genauigkeit der Simulationsergebnisse weiter zu erhöhen, wurden die wichtigsten Durchlässe soweit identifizierbar berücksichtigt, und als freier Abfluss bzw. Abfluss unter Druck simuliert. Erfasste Kraftwerke wurden entweder direkt über die gegebene Wehrgeometrie im Falle von Flusskraftwerken oder mittels einer Wasserstands-Durchfluss-Beziehung an der Sperre im Falle von Speicherkraftwerken berücksichtigt. Flussabwärts wurden die Abflusswellen aus Abschnitt 4. angesetzt.

Die hydraulischen Berechnungen und ein großer Teil des Prozessierungsablaufs wurden mit der Simulationssoftware Visdom (Waser et al. 2011) durchgeführt. Es umfasst den Datenfluss von der automatisierten Generierung der Inputs für die Hydrauliksimulation über ihre Ausführung bis hin zur Nachbearbeitung. Die hydraulischen Simulationen lösen die vollständigen 2D-Flachwassergleichungen mit einer Finiten Volumenmethode (FVM) zweiter Ordnung (Buttinger-Kreuzhuber et al. 2019). Das Rechennetz bestand aus einem quadratischen Gitter mit einer Zellgröße von 2 m. Die Algorithmen wurden parallelisiert (Horváth et al. 2016) und auf zehn NVIDIA Titan RTX Grafikprozessoren mit jeweils 24 GB Videospeicher implementiert. Österreich wurde in 182 Simulationsgebiete mit insgesamt ca. 20 Mrd. Zellen aufgeteilt. Der gewählte Zeitschritt hängt von den Fließgeschwindigkeiten ab, und ist typischerweise kleiner als 1 s. Mit dieser Implementierung betrug die Simulationszeit für das HQ100 beispielsweise 277 Tage (bezogen auf einen Prozessor). Die Simulationen wurden für drei unterschiedliche Hochwasserwahrscheinlichkeiten durchgeführt (T = 30, 100, 300), sowie für ein Szenario T = 300 ohne Dämme. Zusätzlich wurden die Simulationen wegen der iterativen Qualitätskontrolle zum Teil mehrmals wiederholt.

Durch die instationäre zweidimensionale Simulation konnten die Überflutungsflächen in HORA 3.0 gegenüber den stationären eindimensionalen Simulationen von HORA 1.0 signifikant verbessert werden. Auch ist das hier verwendete DGM wesentlich genauer. Abb. 9a zeigt beispielsweise im Eferdinger Becken exaktere Anschlaglinien als bei HORA 1.0. Bei den HORA‑3.0‑Simulationen erfolgt die Füllung des Vorlands nur mit dem verfügbaren Wasservolumen der Hochwasserwelle und wird nicht wie bei stationären Simulationen völlig ausgespiegelt, es werden also Retentionseffekte berücksichtigt.

Abb. 9
figure 9

Überflutungsflächen berechnet in HORA 3.0 im Vergleich zu a HORA 1.0. und b dem Gefahrenzonenplan (GZP)

Die Ergebnisse wurden in mehrfacher Weise validiert. Zum einen wurden die simulierten Wasserstände mit den HQ100-Wasserständen an Pegeln verglichen. Für die Pegel entlang des Inns zeigten sich beispielsweise meist nur Abweichungen von wenigen Zentimetern, mit Ausnahme von Jenbach-Rotholz und Brixlegg mit um ca. 20 bis 30 cm niedrigeren Wasserständen, die sich teilweise durch nicht vollständig berücksichtigte Rückstaueffekte an Brücken erklären lassen. Ein weiterer Vergleich wurde mit den Überflutungsflächen aus dem Gefahrenzonenplan (GZP) durchgeführt, wo diese vorhanden waren. Da der GZP in Detailstudien gewonnen wurde, kann die Genauigkeit grundsätzlich als höher angesehen werden. Eine Übersicht über die Güte der Simulation liefert die Trefferquote, welche das Verhältnis der Anzahl der Treffer (Zelle nass in HORA 3.0 und im GZP) zur Anzahl der Zellen in GZP beschreibt. In Österreich wurden 81,2 % der Überflutungsflächen der GZP in HORA 3.0 korrekt reproduziert, das bedeutet eine grundsätzlich gute Übereinstimmung. In Einzelfällen gibt es aber Abweichungen, die vorwiegend auf zwei Gründe zurückzuführen sind: Der erste besteht daraus, dass im GZP meist mehr Detailinformationen zur Verfügung standen als im vorliegenden Projekt. Dazu zählen Mauern mit eine Breite < 2 m, Durchlässe (die geschlossen oder offen angenommen werden können) sowie Kanäle. Beispielsweise werden in HORA 3.0 Flächen überflutet, die im GZP durch eine schmale Mauer geschützt sind. Der zweite Grund besteht in der unterschiedlichen Wahl der Jährlichkeit, denn im Projekt HORA 3.0 wurde wegen der regionalen Betrachtungsweise an allen Gewässern die gleiche Jährlichkeit angesetzt (z. B. ein HQ100), während im GZP meist ein HQ100 am Hauptfluss angesetzt wurde und für die Zubringer eine kleinere Jährlichkeit (z. B. HQ10). Als Beispiel wird in Abb. 9b die Situation in St. Johann in Tirol gezeigt. Im GZP ist eine schmale Mauer enthalten, die eine Ausuferung der Reither Ache verhindert, während es hier in HORA 3.0 zu einer Ausuferung kommt. In HORA 3.0 werden nach dem Zusammenfluss von Großache und Reither Ache in der Großache die Durchflüsse korrigiert, um ein HQ100 an der Großache in St. Johann sicherzustellen. Daher tritt bei HORA 3.0 in St. Johann weniger Durchfluss auf, sodass der orografisch linke Stadtteil von St. Johann in HORA 3.0 nicht überflutet wird. In HORA 3.0 werden für alle Zuflüsse (Reither Ache, Großache und Fieberbrunner Ache) HQ100-Durchflüsse angesetzt. Die größere Ausuferung entlang der Großache vor dem Zusammenfluss mit der Reither Ache ist mit dem Ansetzen eines HQ100-Durchflusses als obere Randbedingung für die Großache zu erklären.

Ein Beispiel für die berechneten Überflutungsflächen (Gail bei Feistritz) ist in Abb. 10 dargestellt. Die so ermittelten Hochwasserrisikoflächen mit einer Auflösung von 2 m wurden auf der HORA-Plattform (www.hora.gv.at) in Kartenform veröffentlicht. Für die Flussabschnitte, in denen Überflutungsflächen aus dem Gefahrenzonenplan vorhanden waren, wurden diese statt der HORA‑3.0‑Flächen dargestellt.

Abb. 10
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Beispiel für die berechneten Überflutungsflächen (HQ100), Gail bei Feistritz

7 HORA 3D und HORA Kumul

Die in HORA 3.0 berechneten Hochwasserrisikoflächen sind eine wertvolle, aktuelle Information und lassen sich deshalb für viele weitere Auswertungen nutzbringend verwenden. Zwei solcher zusätzlichen Auswertungen sollen hier kurz angerissen werden.

Bei der ersten handelt sich es sich um ein Visualisierungsprojekt. Während derzeit die Überflutungsflächen auf der HORA-Plattform als Karten dargestellt werden, ist eine zusätzliche objektbezogene 3D-Visualisierung vorgesehen. Dafür wurde ein webbasiertes System entwickelt. Das System erlaubt es, die simulierten HORA‑3.0‑Wassertiefen und -Fließgeschwindigkeiten für ein Fokusgebiet zeitabhängig zu visualisieren, um die für einzelne Gebäude zu erwartenden Gefahren anschaulicher zu vermitteln. Der gewünschte Visualisierungsprozess beginnt mit der Eingabe einer Adresse oder der Auswahl eines Schwerpunkts auf einer eingebetteten Karte durch die Nutzer, mit dem ein Grundstück und ein darauf befindliches Gebäude identifiziert werden. Ein Webdienst lädt alle erforderlichen Geodaten für die Darstellung des Gebäudes und der unmittelbaren Umgebung. Die objektbezogenen Wassertiefen und Geschwindigkeiten sowie weitere relevante Informationen, wie die am stärksten betroffenen Gebäudeteile, werden dann interaktiv am Fokusgebäude dargestellt, wie in Abb. 11a veranschaulicht. Die Visualisierung wird mit intuitiven Bedienelementen gesteuert.

Abb. 11
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a Objektbezogene Visualisierung mit den Anschlaglinien für vier Überflutungswahrscheinlichkeiten entlang der Gebäudefassade (heller werdende Blautöne sind das HQ30, HQ100, HQ300; gelb ist das HQ300-Restrisiko). b Auswertung der prozentuellen Überflutungsflächen für ein synthetisches Hochwasserereignis mit Jährlichkeiten, die teilweise wesentlich über den größten beobachteten Hochwassern liegen

Bei der zweiten Auswertung handelt es sich um das HORA-Kumul-Projekt, das zum Ziel hatte, durch fluviale Hochwasser verursachte Kumulschäden in Österreich zu berechnen. Ein Kumul liegt im Versicherungswesen vor, wenn ein einziges Schadensereignis dazu führt, dass viele Versicherungsnehmer eines Versicherers gleichzeitig einen Schaden erleiden. Zu diesem Zweck wurden auf Basis langer Reihen von täglichen Abflussbeobachtungen in Österreich 132 österreichweite Hochwasserereignisse ausgewählt. Diese Ereignisse wurden sodann analysiert, um ein räumliches statistisches Modell aufzustellen, mit dem eine Vielzahl von synthetischen Ereignissen generiert wurde. Diese Ereignisse sind teilweise wesentlich größer als die bisher in Österreich aufgetretenen. Jedes Ereignis wurde mit den Überflutungsflächen aus HORA 3.0 und den Postleitzahlzonen verschnitten, wodurch sich angeben ließ, welcher Prozentsatz der Fläche bei jedem Ereignis überflutet war. Als Beispiel zeigt Abb. 11b die prozentuellen Überflutungsflächen für ein synthetisches Hochwasserereignis, das in manchen Flussabschnitten wesentlich größere Jährlichkeiten als die Hochwasser vom August 2002 und vom Juni 2013 aufweist. Der Unterschied zu HORA 3.0 besteht darin, dass in HORA 3.0 die lokale Hochwassergefahr (bzw. die Überflutungsflächen entsprechend einer bestimmten Wahrscheinlichkeit) ausgewiesen wurde. In HORA-Kumul wurde hingegen das gleichzeitige Auftreten eines Hochwassers an vielen Gewässerabschnitten analysiert, das für die Bestimmung regionaler Schäden verwendet werden kann.

8 Zusammenfassung und Ausblick

Die Ergebnisse des Projekts HORA 3.0, publiziert auf der HORA-Naturgefahrenplattform, dienen vor allem zur Erhöhung des Risikobewusstseins. Eine Häufung von großen Hochwasserereignissen in den letzten beiden Dekaden hat zu einer zunehmenden Sensibilisierung der Bevölkerung geführt. Damit verbunden ist ein steigendes Interesse an öffentlich zugänglicher Information über Naturgefahren und deren Bewältigung erkennbar. Zudem dienen die Ergebnisse strategischen Überlegungen im Zusammenhang mit dem österreichischen Hochwasserrisikomanagementplan und der EU-Hochwasserrahmenrichtlinie (EU 2007).

Im Vergleich zu HORA 1.0 bringt HORA 3.0 eine höhere Genauigkeit und einen höheren Detaillierungsgrad. Dies wurde durch aktuellere und verfeinerte Daten sowie durch Anwendung der neuesten Berechnungsmethoden ermöglicht. Als Zwischenergebnis liegt für Gebiete > 10 km2 eine Version des Berichtsgewässernetzes in Österreich vor, das eine wesentlich höhere Lagegenauigkeit aufweist als die Version vom Februar 2017 und zudem mit den jeweiligen Einzugsgebieten logisch verbunden ist. Für die Pegel Österreichs sowie das gesamte Gewässernetz liegen abgestimmte Werte der T-jährlichen Hochwasser sowie die dazugehörigen Bemessungswellen vor. Die HQ100 an den Pegeln sind wegen der in der Zwischenzeit aufgetretenen großen Hochwasser im Durchschnitt um 8,7 % höher als die entsprechenden Werte in HORA 1.0. Diese Erhöhung ist in Übereinstimmung mit den in Blöschl et al. (2018) festgestellten Veränderungen der Hochwasserabflüsse, und ist teilweise auf eine veränderte klimatische Situation zurückzuführen (Blöschl et al. 2019; Bertola et al. 2021). Adaptierte Versionen des Geländemodells vom Dezember 2015 liegen vor, z. B. eine Version, in die die Flusssohlen eingeschnitten sind, und eine Version, in der Hochwasserschutzdämme entfernt wurden, um das Restrisiko abzuschätzen. Schließlich wurden im Projekt Überflutungsflächen mit Jährlichkeiten von 30, 100 und 300 Jahren sowie die Situation des Restrisikos (HQ300 ohne Dämme) berechnet. Gegenüber HORA 1.0 sind auch dabei zahlreiche Neuerungen zu verzeichnen, unter anderem ein wesentlich genaueres Geländemodell, die Berücksichtung von Wasserbauten, die Erfassung von Retention und räumlichen Interaktionen durch die instationäre zweidimensionale Modellierung sowie – wie erwähnt – das Restrisikoszenario.

Die Implementierung der hydraulischen Simulationen in der Software Visdom ermöglicht in einfacher Weise Aktualisierungen des HORA‑3.0‑Modells in Bezug auf neue oder detailliertere Daten, wie z. B. Mauern, Durchlässe oder Gewässerprofile, oder eine Veränderung der Hochwasserabflüsse. Zudem lässt sich das Gesamtsystem mit relativ wenig Aufwand für die Simulation von pluvialen Hochwassern erweitern, wobei hier die Schlüsselstelle die genaue Erfassung der Infiltration ist. Erste Testrechnungen für das Hydrological Open Air Laboratory (HOAL) (Blöschl et al. 2016) haben gezeigt, dass der Ansatz dafür grundsätzlich geeignet ist. Vergleiche mit Pegelmessungen sind auch im Fall pluvialer Hochwasser unumgänglich, um realistische Werte zu erhalten.

Das integrierte Hochwasserrisikomanagement ist eine wichtige Aufgabe der öffentlichen Hand, die auf eine größtmögliche Sicherheit vor Hochwasser durch abgestimmtes Zusammenwirken raumplanerischer, bautechnischer und organisatorischer Maßnahmen auf allen Verwaltungsebenen und unter Einbeziehung der Betroffenen abzielt. Die Wissenschaft leistet wesentliche Beiträge (Blöschl et al. 2015b). Dabei ist die Einbettung in die entsprechende Fachlandschaft auf Landes- und Bundesebene von zentraler Bedeutung, um die vorhandene Expertise möglichst gut zu nutzen. Das Projekt HORA 3.0 ist ein Beispiel, bei dem diese Einbettung bestens funktioniert hat, wofür allen Dienststellen herzlich gedankt wird.