§ 215 Abs 1 S 2 und 3 ABGB ist dahin auszulegen, dass die vorläufige Obsorge des Jugendwohlfahrtsträgers nicht nur vom Treffen der Maßnahme, sondern auch von deren Aufrechterhaltung durch den Jugendwohlfahrtsträger bis zur gerichtlichen Entscheidung abhängig ist. Hebt daher der Jugendwohlfahrtsträger die von ihm getroffene Maßnahme (hier: Anordnung der vollen Erziehung durch Unterbringung in einem Heim) vor der gerichtlichen Entscheidung selbst wieder auf, so erlischt auch die rechtliche Wirksamkeit der Maßnahme und mit ihr die vorläufige Obsorge des Jugendwohlfahrtsträgers für das von der Maßnahme betroffene minderjährige Kind. Die Anordnung der vollen Erziehung durch Unterbringung in einem Heim oder einer sonstigen Einrichtung (hier: gem § 28 Abs 1 JWG iVm § 40 Abs 1 Z 4 und 5 Sbg JWO) ist etwa dann aufzuheben, wenn der Minderjährige in seine Familie (bzw zum obsorgeberechtigten Elternteil) wieder zurückgeführt werden kann. In dem durch seinen Antrag gem § 215 Abs 1 S 2 ABGB ausgelösten Verfahren hat der Jugendwohlfahrtsträger im Umfang seiner Befugnisse Parteistellung und Rechtsmittellegitimation. Dies gilt auch, wenn es um die Klärung der Frage geht, ob die ihm gem S 3 leg cit zukommende vorläufige Obsorge noch aufrecht ist.
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Sailer Ende des vorläufigen Obsorgerechts des Jugendwohlfahrtsträgers durch faktische Zurücknahme der vorläufigen Maßnahme. JuBl 133, 232–234 (2011). https://doi.org/10.1007/s00503-011-2138-7
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00503-011-2138-7