1 Einleitung

Um es gleich zu Beginn in klaren Worten niederzuschreiben: In den kommenden Jahren wird in der österreichischen Bildungs- und Forschungslandschaft kein Stein auf dem anderen bleiben.

Die Gründe dafür sind vielfältiger Natur. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit seien

  • aufkeimende Initiativen zur Bildung eines europäischen Hochschulraumes (Stichwort: European University),

  • die Gründung neuer Universitäten (Stichwort: TU Linz) und das örtliche, fachliche oder formale Zusammenführen bestehender Universitäten (Stichwort: Kooperationsprojekt Naturwissenschaften (NAWI) Graz, TU Austria),

  • die enorme Diversifizierung der österreichischen (Aus‑)Bildungslandschaft (Stichwort: Fachhochschulen mit ihren vielen Studiengängen),

  • die leistungsbezogene Dotierung der Bildungseinrichtungen (Stichwort: prüfungsaktive Studierende),

  • der politische Druck zu einer rasanten Akademisierung der Bevölkerung (Stichwort: OECD-Report),

  • der Druck der Industrie nach einer Verkürzung von Ausbildungszeiten (Stichwort: IV-Positionspapier),

  • das Bestreben des Ministeriums für Bildung, Forschung und Wissenschaft nach einer Erhöhung der Durchlässigkeit zwischen den (Aus‑)Bildungseinrichtungen (Stichwort: vom Meister zum Master),

  • und der immer härter ausgetragene „Kampf“ um die besten Köpfe aus den jeweiligen Maturant*innen-Jahrgängen (Stichwort: geburtenschwache Jahrgänge).

angeführt.

2 Umfeldbetrachtung

2.1 Europäische Impulse

Die vergangenen zwei Jahrzehnte waren geprägt von der Umsetzung des Bologna-Prozesses und der damit einhergehenden Umgestaltung der bislang etablierten Diplomstudien in Bachelor- und Masterstudien. Die Montanuniversität Leoben (nachfolgend mit MUL abgekürzt) hat diesen Prozess früh begonnen und in mehreren Etappen abgeschlossen. Die zwölf an der MUL angebotenen Bachelorstudien sind mittlerweile einheitlich sieben-semestrig, wobei in Summe 240 ECTS-Punkte (European Credit Transfer and Accumulation System) vergeben werden und ein Semester der Absolvierung einer verpflichtenden Praxis zugeordnet wurde. Die Absolvent*innen schließen mit dem akad. Grad „Bachelor of Science“ (abgekürzt BSc) ab. Die dreizehn an der MUL angebotenen Masterstudien sind mittlerweile einheitlich vier-semestrig, wobei in Summe 120 ECTS-Punkte vergeben werden und das vierte Semester dem Schreiben der Masterarbeit gewidmet ist. Die Absolvent*innen schließen nach wie vor mit dem akad. Grad „Diplom-Ingenieur“ (abgekürzt Dipl.-Ing. oder DI) ab.

Eine ebenso wichtige europäische Initiative mit Auswirkungen auf Österreich und die MUL war das Umdenken der Europäischen Kommission rund um die Themen „Rohstoffe“ bzw. „Rohstoffbeschaffung“. So verabschiedete die EU im Dezember 2015 ein ehrgeiziges Maßnahmenpaket zur Kreislaufwirtschaft, um die Wettbewerbsfähigkeit zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und ein nachhaltiges Wachstum zu erreichen. Ein Teil der geforderten Aktionspläne wurde in den letzten Jahren bereits umgesetzt, allerdings werden die geforderten Ziele erst durch enorme Anstrengungen im nächsten Jahrzehnt erreicht werden können. Jedenfalls führte die Steigerung der Bedeutung der Eigenversorgung mit (kritischen) mineralischen Rohstoffen und des Wiederverwertens von Reststoffen unserer Wohlstandsgesellschaft durch Recycling bereits jetzt zu mannigfaltigen forschungsrelevanten Akzenten bei diversen Förderprogrammen – EU-weit z. B. in der Programmschiene „Horizon 2020 (H2020)“, in Österreich z. B. durch die Programmschiene „Produktion der Zukunft“ – wie auch zur Gründung des EIT RawMaterials (European Institute of Innovation and Technology RawMaterials), dem die MUL seit Anbeginn angehört, maßgeblich an dessen Aufbau beteiligt war und durch das sich viele positive Entwicklungen ergaben. Auch die Gründung des Helmholtz-Institutes Freiberg für Ressourcentechnologie an der TU Bergakademie Freiberg ist das Ergebnis einer dieser Initiativen auf deutschem Boden.

Nicht unerwähnt bleiben darf der Zusammenschluss von zuvor eher national geprägten Rohstoff-Fachverbänden (z. B. die Fachverbände „Stein- und keramische Industrie“ und „Bergwerke und Stahl“) zu europäischen Rohstoffverbänden, wie z. B. den Europäischen Gesteinsverband UEPG und EUROMINES bzw. EUMICON, die wesentliche Impulse zu einem verbesserten Verständnis der strategischen Bedeutung der eigenständigen Rohstoffversorgung gesetzt haben.

2.2 Nationale Impulse

Das Universitätsgesetz 2002 mit all den nachfolgenden Novellen hat die österreichische Universitätslandschaft grundlegend verändert. Das Entlassen der Universitäten in die Autonomie wurde als befreiend empfunden und hat viele Initiativen gefördert. Auch die Montanuniversität hat diese Chance genutzt, um ihr Bildungs- und Forschungsprofil entlang des Wertschöpfungskreislaufes zu verstärken bzw. zu komplettieren, beispielsweise durch den Aufbau der Studienrichtungen „Industrielogistik“, „Recyclingtechnik“ und jüngst „Industrial Data Science“. Als nachteilige Entwicklung ist zu nennen, dass der durch die Autonomie sich ergebende „nachlassende ministerielle Einfluss“ zur Erstellung einiger „Raubkopien“ von montanistischen Kernfächern geführt hat, als Beispiele seien die Einrichtung werkstoffwissenschaftlicher Studien an der Universität Salzburg oder kunststofftechnischer Studien an der Johannes Kepler Universität (JKU) Linz angeführt.

Die drei technischen Universitäten Österreichs – die TU Wien, die TU Graz und die Montanuniversität Leoben – haben sich zur TU Austria zusammengeschlossen. Sie folgten dabei dem Trend mehrerer Länder der EU, deren Universitäten zu Universitäts-Verbunden zusammenzuschließen, wie etwa die TU7 in Deutschland. Die Zielsetzungen sind mannigfaltiger Natur und reichen von einer Abstimmung bei fachlichen Schwerpunkten bis zu gemeinsamen Anschaffungen bei teuren Forschungsaggregaten. An der TU Austria wurde zum Beispiel beschlossen, in den Bereichen „Tunnelbau“ und „Energietechnik“ gemeinsame Initiativen zu fördern.

Eine Exzellenzinitiative für Österreichs Universitäten ist zwar seit mehreren Jahren angekündigt, eine Umsetzung steht derzeit aber noch aus. In manchen Ländern führten Exzellenzinitiativen zu einem hoch kompetitiven universitären Umfeld, was zu einer Schärfung des Profils und zur Bildung universitätsübergreifender Forschungs-Cluster führte.

Der österreichische „Rohstoffplan“ ist die rundum gelungene „österreichische Antwort“ auf die steigende Bedeutung der Sicherung der Eigenversorgung für mineralische Rohstoffe mit einer gewissen Schwerpunktsetzung auf Baurohstoffe. Die Implementierung ist erfolgt und wurde überwiegend positiv angenommen.

Derzeit arbeitet das Bundesministerium an der Rohstoffstrategie 2030, in deren Erarbeitung die MUL stark eingebunden ist. In diesem Zusammenhang erfolgt eine gesamtheitliche Betrachtung der primären und sekundären Gestehungsprozesse, wobei auch jene Abfälle (Nebenprodukte), welche bei den Erzeugungsprozessen entstehen, besondere Berücksichtigung finden. Darüber hinaus werden Querschnittsthemen wie Bildung, Digitalisierung, rechtliche Rahmenbedingungen u. a. behandelt, um eine nachhaltige Rohstoffversorgung in Österreich zu garantieren.

3 Die Montanuniversität Leoben

Die Montanuniversität Leoben (MUL) hat es bislang verstanden, sich den Herausforderungen der jüngsten Zeit mutig zu stellen und zukunftsträchtige Konzepte zu entwickeln, um ihren Fortbestand zu sichern. Die geglückte Umsetzung des Bologna-Prozesses und die konsequente Erweiterung der Bildungs- und Forschungsfelder entlang des Wertschöpfungskreislaufes – vom primären Rohstoff, zum Werkstoff, zum Reststoff, zum sekundären Rohstoff und wiederum zum Produkt – und die damit einhergehende Profilbildung seien als positive Beispiele angeführt.

Gemeinsam mit den Kompetenzzentren – Materials Center Leoben (MCL), Polymer Competence Center Leoben (PCCL), K1Met, Erich-Schmidt-Institut der Österreichischen Akademie der Wissenschaften, Österreichisches Gießerei-Institut – arbeiten etwa 2000 Forscher*innen in und um Leoben in montanistischen Kernfächern, was zu einer guten internationalen Sichtbarkeit in der Scientific Community beiträgt. Beispielhaft ist in diesem Zusammenhang die Top-Platzierung des Fachbereiches „Mining and Minerals Engineering“ (weltweit Nummer 37, in Europa Nummer 5) beim fachbezogenen Shanghai-Ranking zu sehen, wodurch die hochqualitative Forschung im Besonderen herausgestrichen wird. Das vergleichsweise gute Betreuungsverhältnis führt bei Studierendenbefragungen regelmäßig zu Top-Platzierungen bei diversen Rankings und die lebenslange Verbundenheit unserer Absolvent*innen sucht ihresgleichen. Die enge Kooperation mit der nahestehenden Industrie führt zur Einwerbung von Drittmittelvolumina, die an jene, seitens des Bundes zur Verfügung gestellten Globalbudgets herankommen.

Diesen positiven Entwicklungen stehen die vergleichsweise geringe Attraktivität wie auch Bekanntheit unserer Alma Mater Leobiensis unter den Studierwilligen gegenüber. Unsere Studien werden als (zu) schwierig, die Studienzeiten als (zu) lange empfunden und über diverse Social-Media-Kanäle „spricht sich das rasch herum“ (Anm.: egal, ob diese Empfindung stimmt, oder nicht). Die Botschaft, dass es bestens ausgebildeter Ingenieur*innen bedarf, um die Herausforderungen unserer Weltgemeinschaft in den Themen „Umwelt“, „Energie“, „Klima“ zu meistern, und dass „wir in Leoben“ uns mit genau diesen Themenstellungen auseinandersetzen, wird nicht gehört. Mit den glänzenden Berufsaussichten ergeht es uns gleich. Diese Schwierigkeiten führen dazu, dass wir seit 2015 – wo an der MUL erstmals mehr als 4000 Studierende ausgebildet wurden – mit sinkenden Hörer*innenzahlen zu kämpfen haben, was uns u. a. aus Sicht des Globalbudgets in Anbetracht der künftig vornehmlich leistungsbezogenen Dotierung recht rasch in Schwierigkeiten bringen kann.

3.1 Das Department Mineral Resources Engineering

Mit der Departmentgründung nahm der Rohstoffbereich innerhalb der MUL eine Vorreiterrolle ein. Das gemeinsame Vertreten der Interessen der Lehrstühle und das geschlossene Auftreten als Department haben sich als ausgesprochen wichtig und vorteilhaft erwiesen. So wurden die verstreut situierten Lehrstühle im Zuge der Campusstrategie des damaligen Rektorates nicht nur organisatorisch, sondern auch örtlich „(fast) unter ein Dach“ zusammengeführt. Drei der vier Lehrstühle sind seitdem mit ihren Office-Bereichen in den unterschiedlichen Ebenen des Rohstoff- und Werkstoffzentrums (kurz: RWZ) zu finden (die Gesteinshüttenkunde verblieb im Peter-Tunner-Gebäude), im etwa 150 m Luftlinie zum RWZ situierten und auf die Forschungsbedürfnisse der Lehrstühle ausgerichteten Impulszentrum für Rohstoffe (kurz: IZ Rohstoffe) werden seit der Eröffnung im Mai 2011 schwerpunktmäßig forschungsrelevante Aktivitäten aller vier Lehrstühle betrieben. Der Rohstoffbereich hat diesen sich ankündigenden Prozess auch dazu genutzt, einige weitreichende Änderungen vorzunehmen. So wurden die drei Diplomstudien „Bergwesen“, „Gesteinshüttenwesen“ und „Markscheidewesen“ zu einem Bachelorstudium – welches zunächst „Natural Resources“ hieß und dzt. mit dem Namen „Rohstoffingenieurwesen“ angeboten wird – und zwei Masterstudien – „Rohstoffgewinnung und Tunnelbau“ und „Rohstoffverarbeitung“ – zusammengeführt.

Mit der Teilnahme der MUL am EIT RawMaterials, welches europaweit 125 Institutionen umfasst, hat der Rohstoffbereich der MUL zweifelsohne eine deutliche Aufwertung erfahren. Die MUL nimmt in diesem Forschungsnetzwerk eine äußerst aktive Rolle ein, was sich auch in der Zuerkennung eines RIC Leoben (Regional Innovation Center Leoben), zuständig für die Region Süd- und Südost-Europa, ableiten lässt. Gegenwärtig sind im RIC Leoben 14 Personen in Vollzeit angestellt, die dem Lehrstuhl für Bergbaukunde, Bergtechnik und Bergwirtschaft zugeordnet sind und sich im Rahmen des EIT RawMaterials schwerpunktmäßig mit den drei thematischen Säulen „Raw Materials Innovation“, „Education“ und „ESEE (East and South East Europe) Regional Development“ befassen.

Mit dem ZaB (Zentrum am Berg) steht dem Lehrstuhl für Subsurface Engineering eine Einrichtung für die Forschung und Lehre zur Verfügung, die sowohl national wie auch international einzigartig ist. Diese als eigenes Department eingerichtete Forschungseinrichtung steht unmittelbar vor der Fertigstellung und erfuhr durch die Einrichtung einer eigenen Professur für „Digitale Transformation im Tunnelbau“ und zwei Habilitationsstellen auch personell eine wesentliche Aufwertung.

Auch in der Lehre haben die im Department vertretenen Lehrstühle vielfältige Aktivitäten entfaltet. Ausgehend vom siebensemestrigen Bachelorstudium „Rohstoffingenieurwesen“ (ein Semester verpflichtende Praxis) werden die beiden viersemestrigen Masterstudien „Rohstoffgewinnung und Tunnelbau“ und „Rohstoffverarbeitung“ (ein Semester für die Masterarbeit) mit jeweils mehreren Schwerpunktfächern zur Spezialisierung angeboten. Darüber hinaus sind zwei internationale Masterstudien eingerichtet, der „International Master of Science in Advanced Mineral Resources Development“ und der „International Master of Science in Building Materials and Ceramics“. Zudem bietet das Department im Sinne des Life-Long-Learnings fünf Universitätslehrgänge „New Austrian Tunneling Method (NATM) – Master of Engineering“, „International Mining Engineer“, „Rock Engineering for Deep Mines“, „Rohstoffaufbereitung“ und „Sprengtechnik“ – an, die gut angenommen werden. Schlussendlich sei vermerkt, dass die Lehrstühle auch in die Lehre für andere Studienrichtungen involviert sind, der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung beispielsweise in die Bachelor- und Masterstudien „Recyclingtechnik“.

3.2 Der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung

3.2.1 Kurzer geschichtlicher Abriss

Mit der Berufung von Prof. Bierbrauer, der seinen Dienst im Oktober 1930 (also ziemlich genau vor 90 Jahren) antrat, wurde die Lehrkanzel für Aufbereitung und Veredlung aus der Taufe gehoben. Bierbrauer verstand es, die traditionelle Eingrenzung der Aufbereitung zwischen dem Bergbau auf Erze und Kohlen einerseits und dem metallgewinnenden Hüttenwesen andererseits aufzubrechen und um das weite Feld der Steine und Erden einschließlich gewisser Teilbereiche der Weiterverarbeitung von mineralischen Rohstoffen zu ergänzen [1]. Eine ausführliche Würdigung der Persönlichkeit und des wissenschaftlichen Lebenswerkes von Prof. Bierbrauer ist in [2] zu finden.

Prof. Steiner trat seinen Dienst im Mai 1968 an. Konsequent setzte er den von Prof. Bierbrauer eingeschlagenen Weg einer apparativen und methodischen Abbildung der aufbereitungstechnischen Kleinversuchstechnik fort, indem er den Grundstock an Zerkleinerung‑, Klassier- und Sortierapparaten durch Zukäufe, Zuwendungen und Eigenkonstruktionen nach umfangreichen Umbau- und Adaptierungsarbeiten im Rittinger-Gebäude komplettierte. Die Lehre war Steiner ein besonderes Anliegen und er nahm sich die dafür notwendige Zeit für eine praxisorientierte und zu vernetztem Denken anleitende Vermittlung des Lehrstoffes. In der Forschung erwarb er sich insbesondere in den Bereichen Flotationskinetik, Aufschlusskinetik und Zerkleinerungsforschung internationale Reputation. Anlässlich seines 75. Geburtstages haben der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung in Kooperation mit dem Fachausschuss für Aufbereitung im Bergmännischen Verband Österreichs die Festschrift „Aufbereitung in Österreich II“ [3] herausgegeben, die das eindrucksvolle wissenschaftliche Vermächtnis von Prof. Steiner zusammenfasst. Eine ausführliche Würdigung der Persönlichkeit und des wissenschaftlichen Lebenswerkes von Prof. Steiner ist in [4] zu finden.

Seit September 2005 darf der Autor dieser Zeilen die Geschicke des Lehrstuhls für Aufbereitung und Veredlung leiten. In diesen Zeitraum seit 2005 fielen u. a.

  • der Zusammenschluss rohstofforientierter Lehrstühle zu einem schlagkräftigen Department,

  • die Planung, der Bau, die Besiedelung und die Inbetriebnahme eines modernsten Ansprüchen genügenden Aufbereitungstechnikums und Aufbereitungslabors im Impulszentrum für Rohstoffe sowie

  • die Änderung der Studienarchitektur hin zu Bachelor- und Masterstudien und damit die Chance zum Aufbau des Schwerpunktfaches Aufbereitung und Veredlung im Masterstudium Rohstoffverarbeitung wie auch

  • der Aufbau des Universitätslehrganges Rohstoffaufbereitung.

3.2.2 Die Lehre

Status quo in der Lehre

In Tab. 1 sind jene Lehrveranstaltungen (LV) ausgewiesen, die der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung für das Bachelorstudium „Rohstoffingenieurwesen“ (RIW) wie auch für die Bachelorstudien „Recyclingtechnik“ (RT), „Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes“ (IU) und „Montanmaschinenbau“ (MB) sowie für die Masterstudien „Angewandte Geowissenschaften“ (AG) und „Metallurgie“ (MET) in ausschließlich deutscher Sprache anbietet.

TABELLE 1 Lehrveranstaltungen, die der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung für das Bachelorstudium Rohstoffingenieurwesen wie auch für diverse weitere Bachelor- und Masterstudien der Montanuniversität Leoben anbietet

Den überwiegenden Teil der Lehrveranstaltungen (LV) bietet der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung gemäß Tab. 2 für das Masterstudium „Rohstoffverarbeitung“ (RV) wie auch für die Masterstudien „Rohstoffgewinnung und Tunnelbau“ (RG&T), „Recyclingtechnik“ (RT), „Verfahrenstechnik des industriellen Umweltschutzes“ (IU), „Industrielle Energietechnik“ (IET), „Metallurgie“ (MET), „International Master of Science in Advanced Mineral Resources Development“ (AMRD) und „International Master of Science in Building Materials and Ceramics“ (BM&C) in deutscher und englischer Sprache an.

TABELLE 2 Lehrveranstaltungen, die der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung für das Masterstudium Rohstoffverarbeitung wie auch diverse weitere Masterstudien der Montanuniversität Leoben anbietet

Zudem hat der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung im Studienjahr 2013/14 einen Universitätslehrgang (ULG) Rohstoffaufbereitung ins Leben gerufen, der ein Angebot zur berufsbegleitenden Höherqualifizierung für Personen, die in der Rohstoffindustrie und im aufbereitungstechnischen Maschinen- und Anlagenbau arbeiten, darstellt. Die Teilnehmer*innen werden in 10, jeweils auf drei Tage anberaumten Modulen theoretisch und praktisch im Fachgebiet „Aufbereitung und Veredlung“ weitergebildet. Der Universitätslehrgang erstreckt sich über zwei Semester und umfasst einen Arbeitsaufwand von insgesamt 60 ECTS-Punkten. Davon entfallen auf Lehrveranstaltungen 45 ECTS-Punkte (siehe Tab. 3), auf die schriftliche Projektarbeit 12 ECTS-Punkte und auf die abschließende kommissionelle Prüfung 3 ECTS-Punkte. Den Absolvent*innen des ULGs wird von der Montanuniversität Leoben die Bezeichnung „Akademische Aufbereitungstechnikerin“ bzw. „Akademischer Aufbereitungstechniker“ verliehen.

TABELLE 3 Lehrveranstaltungen, die der Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung im Rahmen des ULG Rohstoffaufbereitung der Montanuniversität Leoben anbietet

Absolvent*innenentwicklung

Um einen Eindruck darüber zu bekommen, in welchen Branchen die Graduierten arbeiten bzw. in welchen Ländern sie ihrer Arbeit überwiegend nachgehen, erfolgte eine Auswertung der Aufzeichnungen zur Absolvent*innenentwicklung des Lehrstuhls für einen Zeitraum von 15 Jahren. In diesem Zeitraum graduierten 60 Absolvent*innen, also im Schnitt 4 Absolvent*innen pro Jahr. Der Anteil weiblicher Absolventinnen, es sind 10 an der Zahl, liegt damit bei knapp 17 %. Mit einer einzigen Ausnahme haben alle in Österreich maturiert. Es wurden ausschließlich jene Absolvent*innen in die Betrachtung mit einbezogen, die das Schwerpunktfach „Aufbereitung und Veredlung“ im Masterstudium „Rohstoffverarbeitung“ absolviert haben.

Aus Abb. 1 lässt sich erkennen, dass in der Rohstoffindustrie 56 % und im aufbereitungstechnischen Maschinen- und Anlagenbau 20 % der Absolvent*innen ihren beruflichen Herausforderungen nachgehen und damit der überwiegende Anteil in den Kernbranchen der Aufbereitungstechnik tätig ist. Bezieht man die 7 % der an der Montanuniversität Leoben im Rahmen ihrer anwendungsorientierten Dissertationen wirkenden Graduierten in die Betrachtung ein, sind es deutlich mehr als 80 %.

Abb. 1
figure 1

Graduierte des Lehrstuhls, sortiert nach dem Merkmal „Branche“, in der sie arbeiten

Abb. 2 wiederum zeigt auf, dass mit 80 % der größte Teil der Absolvent*innen in Österreich bzw. zumindest von Österreich aus seinen/ihren beruflichen Aktivitäten nachgeht und weitere 14 % in der EU beschäftigt sind. Lediglich 6 % sind in Übersee beschäftigt.

Abb. 2
figure 2

Graduierte des Lehrstuhls, sortiert nach dem Merkmal „Land“, in dem bzw. von dem aus sie ihrer Arbeit nachgehen

Potenziale in der Lehre

Die Absolvent*innen des Lehrstuhls werden von der Industrie gerne angestellt, die Rückmeldungen sind durchwegs positiv. Dies ist natürlich auch darin begründet, dass sich die in die Lehre des Lehrstuhls involvierten internen und externen Lehrbeauftragten der Lehre in Kleingruppen, also in einem sehr familiären Umfeld widmen und damit sehr individuell auf die Studierenden eingehen können. Zudem ist die überwiegende Anzahl der Studierenden des Masterstudiums in aufbereitungstechnische Labor- und Technikumsarbeit involviert.

In Zeiten sinkender Hörerzahlen wird es allerdings immer schwieriger, die mittlere Durchsatzrate von 4 Absolvent*innen an überwiegend inländischen Hörer*innen pro Jahr zu halten und daraus so etwas wie eine Existenzberechtigung abzuleiten. Der Lehrstuhl hat sich daher dazu entschlossen, an einer Antragstellung zur Einrichtung eines „Erasmus Mundus Joint Master Degree“-Studiums in „Sustainable Mineral and Metal Processing Engineering“ (Kurzbezeichnung; PROMISE) gemeinsam mit den Universitäten Oulu (Finnland), Santa Maria (Chile) und Zagreb (Kroatien) mitzuwirken und sich dabei mit Partneruniversitäten und Forschungsinstitutionen schwerpunktmäßig in Europa und teilweise auch in Übersee besser zu vernetzen. Dieses englischsprachige Masterstudium für weltweit gefragte Aufbereiter*innen soll ganz bewusst ein ergänzendes Angebot zum etablierten Masterstudium „Rohstoffverarbeitung“ darstellen, welches überwiegend Ingenieur*innen für die österreichische bzw. europäische Rohstoffindustrie und den österreichischen bzw. europäischen Maschinen- und Anlagenbau bereitstellt. In vier Durchgängen des zunächst auf sechs Jahre ausgelegten Masterstudiums könnten bis zu 88 internationale Studierende für ein bis zwei Semester (das 2. bzw. 4. Semester) nach Leoben gelockt werden.

Parallel dazu werden gegenwärtig Überlegungen angestellt, den im D‑A-CH-Raum etablierten Universitätslehrgang „Rohstoffaufbereitung“, dessen 4. Jahrgang mit 17 Teilnehmer*innen kürzlich gestartet wurde, auch für ein internationales Publikum zu organisieren. Diesen Universitätslehrgang auf vier Semester auszubauen und mit einem „Master of Engineering in Mineral Processing“ abschließen zu lassen, ist eine weitere Überlegung.

3.2.3 Die Forschung

Status quo in der Forschung

Die Forschungsaktivitäten der Leobener Aufbereiterinnen und Aufbereiter sind vielfältiger Natur und reichen gegenwärtig von Themen der klassischen Mineralaufbereitung und Ausdehnung der Technik auf die Reststoffaufbereitung, über Apparate- und Verfahrensentwicklungen bis hin zu speziellen Fragestellungen wie der Funktionalisierung von Rohstoffen oder der Aufbereitung kontaminierter Böden. Einen guten Überblick der Forschungsaktivitäten (und Entwicklungstendenzen) geben der Beitrag von Flachberger und Böhm [5] und die abermals in Kooperation mit dem Fachausschuss für Aufbereitung im Bergmännischen Verband Österreichs herausgegebene Festschrift „Aufbereitung in Österreich III“ [6].

In der nachfolgenden Tab. 4 sind die Themenstellungen bereits abgeschlossener Dissertationen der vergangenen 15 Jahre übersichtlich zusammengestellt.

TABELLE 4 Im Zeitraum von 2006 bis 2020 abgeschlossene Dissertationen am Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung

Bei genauerer Durchsicht wird deutlich, dass etwa die Hälfte der Themenstellungen der „klassischen Mineralaufbereitung“, etwa ein Drittel der „Sekundärrohstoffaufbereitung“ und der verbleibende Rest dem vergleichsweise jungen Forschungsschwerpunkt der „Funktionsmineralaufbereitung“ zuzuordnen sind. Die Themen leiten sich nicht zuletzt von den vielfältigen Herausforderungen der überwiegend europäischen Industriepartner ab.

Die klassische Mineralaufbereitung war und ist somit die tragende Säule der Forschungsaktivitäten und es soll dieser Forschungsschwerpunkt auch künftig in der ganzen ingenieurmäßigen Vielfalt abgedeckt und weiterentwickelt werden.

Die Bedeutung der Lehrstuhlaktivitäten rund um den Forschungsschwerpunkt Sekundärrohstoffaufbereitung nimmt stetig zu. Gegenwärtig wird am Lehrstuhl etwa die erneute Nutzung (Verwertung) von Reststoffströmen (oder relevanten Teilen davon) durch Rückführung in den Produktionsprozess oder für anderweitige Einsatzmöglichkeiten durch Anwendung moderner Aufbereitungsverfahren erforscht. Derartige Reststoffquellen, die unter Anwendung physikalischer Gesetzmäßigkeiten auf Aufbereitbarkeit geprüft bzw. darauf aufbauende Prozesse entwickelt werden, sind insbesondere Halden und Schlammteiche, Schlacken, Industriestäube, gebrauchte Feuerfestprodukte, Baurestmassen, schwer aufbereitbare Verbundwerkstoffe, Fraktionen der Elektronikschrottaufbereitung oder des Autorecyclings. Beispielhaft seien hier die Forschungsaktivitäten im Rahmen von K1Met und dem COMET-Projekt COMMBY genannt. Im Rahmen von K1Met werden neue Vorbereitungsverfahren entwickelt, um die Anwendung von klassischen Aufbereitungsprozessen auf feinst verwachsene Sekundärrohstoffe zu ermöglichen (z. B. die Konditionierung von C2S‑haltigen Schlacken zur Eisenrückgewinnung durch umweltfreundliche, wirtschaftliche Laugungsverfahren und dazugehörige Prozessentwicklung). Das von drei Lehrstühlen der MUL getragene COMET-Projekt „COMMBY“ wurde ins Leben gerufen, um die Verwertung von metallurgischen Nebenprodukten zu forcieren. In Zusammenarbeit mit sieben Industriepartnern werden verschiedene Reststoffe beurteilt und entsprechende Prozesse entwickelt und optimiert. Ein weiteres wichtiges Ziel dieses Projekts ist es, ein Beurteilungsschema für sekundäre Rohstoffe zu entwickeln.

Unter Funktionsmineralaufbereitung wird das maßgeschneiderte Aufbereiten, Veredeln bzw. Konditionieren von Rohstoffen für die vielfältigen funktionellen Anwendungen verstanden, etwa den Einsatz von Füllstoffen in Kunststoffen zur Verbesserung der Compound-Eigenschaften. Diese Forschungsinitiative hat sich aufgrund der fächerübergreifenden Zusammenarbeit von Lehrstühlen der Montanuniversität Leoben – u. a. mit den Lehrstühlen des Departments für Kunststofftechnik – ergeben.

Promovent*innenentwicklung

Für die Promovent*innen des Lehrstuhls erfolgte die gleiche Auswertung wie für die Graduierten, abermals sortiert nach den Merkmalen „Branche“ und „Land“ wie auch für einen Zeitraum von 15 Jahren.

Der Abb. 3 ist zu entnehmen, dass zwar die Anteile der Promovierten, die im Dienstleistungssektor bzw. an Universitäten arbeiten, zunehmen, jedoch die Rohstoffunternehmen wie auch der aufbereitungstechnische Maschinen- und Anlagenbau mit in Summe 64 % nach wie vor dominante Rollen einnehmen.

Abb. 3
figure 3

Promovierte des Lehrstuhls, sortiert nach dem Merkmal „Branche“, in der sie arbeiten

Abb. 4 wiederum zeigt auf, dass nach wie vor 67 % der Promovierten in Österreich und weitere 18 % ihren beruflichen Lebensmittelpunkt in der EU haben. Der Anteil der außerhalb der EU Beschäftigten liegt bei 12 %.

Abb. 4
figure 4

Promovierte des Lehrstuhls, sortiert nach dem Merkmal „Land“, in dem bzw. von dem aus sie ihrer Arbeit nachgehen

Potenziale in der Forschung

Wie der nachfolgenden Tab. 5 zu entnehmen ist, bleiben die Forschungsaktivitäten des Lehrstuhls auf die Technik des Zerkleinerns, Trennens nach physikalisch-chemischen Eigenschaften (fest/fest, fest/flüssig und fest/gasförmig) sowie des Agglomerierens fokussiert. Aufbereiter*innen sind und bleiben Trenntechniker*innen, ihre Passion liegt in der Verfügbarmachung von Wertstoffen, sei es aus bergmännisch gewonnenen Rohgutarten oder aus diversen (industriellen) Reststoffen.

TABELLE 5 In unterschiedlichen Reifestadien bearbeitete Dissertationsthemen am Lehrstuhl für Aufbereitung und Veredlung

Zu der von Ass.-Prof. Dr. mont. Andreas Böhm geleiteten Arbeitsgruppe „Erz- und Schlackeaufbereitung“ und deren aktuellen wie auch künftigen Forschungsaktivitäten verweist der Verfasser auf die, diesem Artikel nachfolgende Veröffentlichung von Böhm et al. [7].

In der vom Verfasser geleiteten Arbeitsgruppe „Industriemineralaufbereitung und Rohstofffunktionalisierung“ hat sich ein gewisser Schwerpunkt auf „Aufbereitungsprozesse in trockener Betriebsweise“ herauskristallisiert, der auch in Zukunft einen großen Rahmen einnehmen wird. In den, diesem Artikel nachfolgenden Veröffentlichungen von Ohrdorf et al. [8], Gehringer et al. [9], Spieß et al. [10], Simon et al. [11] und Falkner et al. [12] werden einige aktuelle Forschungsthemen des Lehrstuhls in unterschiedlichen Reifestadien präsentiert.

Des Weiteren geht aus den in Anbahnung befindlichen Dissertationen deutlich hervor, dass ein großes Forschungspotential in der Digitalisierung aufbereitungstechnischer Prozesse und Verfahren liegt und dies in den kommenden Jahren in vielfältigen (auch fachübergreifenden) Forschungsaktivitäten seinen Niederschlag finden wird.

Die Forschungsaktivitäten, denen sich der Lehrstuhl auch in Zukunft verpflichtet fühlt, können somit wie folgt zusammengefasst werden:

  • Weiterentwicklung der aufbereitungsrelevanten (Mineral‑)Phasenanalytik, z. B. neue Schnellanalyseverfahren für große Mengen

  • Verbesserung der Energieeffizienz in der Zerkleinerung und Weiterentwicklung von Zerkleinerungsmaschinen und -prozessen

  • Weiterentwicklung der Aufbereitungstechnik in trockener Betriebsweise

  • Rohstofffunktionalisierung

  • Übertragung des systematischen aufbereitungstechnischen Methodenmixes zur Rohgutanalytik und etablierter aufbereitungstechnischer Prozesse auf das Gebiet der Sekundärrohstoff-Aufbereitung (z. B. Flotation von Sekundärrohstoffen)

  • Digitalisierung von Aufbereitungsprozessen

  • Mathematische Erfassung von Trenn- und Zerkleinerungsprozessen