Aufgrund befürchteter Einschränkungen seiner Lebensqualität lehnt Herr B. die Implantation eines linksventrikulären Herzunterstützungssystems (LVAD) trotz bestehender Indikation ab. Die Behandelnden erleben die Divergenz der medizinischen Indikation und des Patientenwillens als Konflikt. Der folgende Kommentar setzt sich mit der Frage auseinander, in welchem Verhältnis die Patientenautonomie einerseits und die ärztliche Fürsorgepflicht andererseits stehen, und wie dem Dilemma aus Perspektive der Behandler*innen begegnet werden kann. Besonderes Augenmerk liegt im vorliegenden Fall dabei auf der Bedeutung zeitlicher Aspekte: Zum einen scheint hier das alltägliche Zeiterleben von Herrn B. in Bezug auf die Plötzlichkeit des Schocks, aber auch das Warten auf den Notarzt, das sich wie eine Ewigkeit anfühlt, eine Rolle zu spielen. Zum anderen sollte berücksichtigt werden, in welcher Lebensphase Herr B. sich sieht und fühlt, um das Ausmaß der erlebten Einschränkungen durch Herzerkrankung und Behandlung angemessen abbilden zu können.

Aus medizinischer Sicht besteht im Fall von Herrn B. eine Indikation für die Implantation eines Herzunterstützungssystems. Herr B. ist 58 Jahre alt und leidet an einer schweren Herzinsuffizienz. Ohne die technische Unterstützung des Herzens sind Folgeschäden durch die Unterversorgung des Körpers mit Sauerstoff und eine Reduktion der körperlichen Funktionsfähigkeit wahrscheinlich. Die Ausübung alltäglicher Aktivitäten oder Hobbies ist nicht zuletzt auch durch die krankheitsbedingte Abgeschlagenheit und Erschöpfung beeinträchtigt. Durch eine mechanische Unterstützung der Pumpleistung wird der Körper verbessert mit Blut versorgt, was zu einem Zugewinn an Vitalität führen kann. Lebenskraft und -freude begünstigen ihrerseits die Bewältigung des Alltags, die Ausübung von Hobbies sowie die Mobilität im Allgemeinen und erleichtern die gesellschaftliche Teilhabe.

Dennoch lehnt Herr B. die Implantation eines Herzunterstützungssystems aus verschiedenen Gründen ab: Durch die Einschränkung der souveränen Zeitgestaltung als Folge der begrenzten Akkulaufzeit des Geräts, die Sichtbarkeit der Apparatur sowie die Verkomplizierung der Körperhygiene sieht Herr B. seine Lebensqualität ebenso reduziert wie durch die befürchtete Einschränkung seiner Kurzurlaube.

Tatsächlich stehen dem Erhalt von körperlicher Leistungsfähigkeit und Lebensqualität zum Teil gravierende Gefahren und Einschränkungen gegenüber, die in der Entscheidung für oder gegen eine LVAD-Implantation sorgfältig abgewogen werden sollten. Zwar handelt es sich bei der Implantation im Vergleich zu einer Herztransplantation um einen kleineren operativen Eingriff, dennoch kann es auch hier zu Komplikationen kommen. Auf längere Sicht geht von Infektionen am Gerät eine ebenso große Gefahr aus wie von der Bildung von Blutgerinnseln, die zu Schlaganfällen führen können. Für den Erhalt der körperlichen Funktionsfähigkeit ist eine umfangreiche und zum Teil aufwendige Nachsorge notwendig, die für viele Patient*innen eine gravierende Veränderung des bisherigen Lebensstils bedeutet. Wie Herr B. am Beispiel der Körperhygiene und des Badens ganz richtig darstellt, sind einige alltägliche Abläufe durch ein LVAD nicht mehr möglich oder zumindest verkompliziert. Zudem nehmen LVAD-Patient*innen die Abhängigkeit von der Akkulaufzeit des Geräts und die Notwendigkeit einer räumlichen Nähe zu fachspezifischen Versorgungsangeboten auf lange Sicht als Einschränkungen der persönlichen Freiheit wahr, was Frustration, Ängste oder Depressionen und Einschränkungen der Lebensqualität zur Folge haben kann. Die erlebten Unfreiheiten beschränken sich zudem selten ausschließlich auf die*den Patient*in, sondern betreffen auch nahe Angehörige, die mit der*dem Patient*in einen gemeinsamen Alltag zu bestreiten haben. Das kann einerseits zu relationalen Spannungen führen, andererseits aber auch die Beziehungen entlasten, wenn durch die mechanische Unterstützung wieder mehr Kraft für gemeinsame Aktivitäten gewonnen wird. Möglicherweise wird dem LVAD von Angehörigen auch die emotionale Bedeutung einer „technischen Lebensversicherung“ zugesprochen, wodurch Sicherheit gespendet werden kann.

Herr B.s Zweifel sind demnach nicht unbegründet. Erschwerend kommt in seinem Fall jedoch die längerfristige Indikation einer Herztransplantation hinzu. Mit Ablehnung der Behandlungsmethode schließt sich für den Patienten möglicherweise ein günstiges Zeitfenster für eine LVAD-Implantation, die idealerweise vor Auftreten eines kardiogenen Schocks mit weiteren Organschäden erfolgt. Eine maligne Entwicklung der Erkrankung und eventuelle Folgeschäden können dazu führen, dass zu einem späteren Zeitpunkt weder die Implantation eines LVAD noch die Transplantation eines Herzens für Herrn B. noch in Frage kommen. Auf der anderen Seite gibt es nur wenige Spenderherzen, von denen eine noch geringere Anzahl mit den individuellen Voraussetzungen des Empfängers kompatibel ist, sodass die Wartezeiten auf eine Transplantation lang sind. Es ist demnach gut möglich, dass Herr B. zu Lebzeiten kein Spenderherz erhält und sich der Behandlungsfokus in Bezug auf eine mögliche LVAD-Implantation von einer Bridge to Transplant zu einer Destination Therapy verschiebt, der Patient also bis zu seinem Lebensende auf den LVAD angewiesen ist.

Durch die Diskrepanz zwischen Patientenwillen und medizinischer Indikation stellt sich für die behandelnden Ärzt*innen an dieser Stelle die Frage, wie die Achtung der Patientenautonomie mit der ärztlichen Fürsorgepflicht vereinbar ist, wo doch die Implantation eines LVAD bei Herrn B. einen Eingriff darstellen würde, der einen Mehrwert hinsichtlich der Gestaltung eines möglicherweise verlängerten Lebens in erhaltenem Gesundheitszustand versprechen kann. Hier ist eine sensible Abwägung von Wohltun und Nichtschaden angezeigt, um eine Bewertung der verfügbaren Behandlungsoptionen (unter Berücksichtigung der jeweiligen Chancen und Risiken) im Sinne des Fürsorgeprinzips vornehmen zu können. Die Achtung vor der Autonomie des Patienten verlangt es sodann herauszufinden, welche der verfügbaren Behandlungsoptionen der Patient bevorzugt. Ihn zu einer Behandlungsoption zu bewegen, würde eine paternalistische Haltung bedeuten, die einer non-direktiven Aufklärung und einer informierten Einwilligung des Patienten widerspricht. Sowohl die Achtung vor der Autonomie von Herrn B. als Patient (in seinem momentanen Befinden innerhalb einer aufreibenden Lebensphase) als auch das Fürsorgeprinzip (mit impliziten Vermutungen aufseiten der Behandelnden und von Herrn B. über sein zukünftiges Wohlergehen) sind vor dem Hintergrund individueller Vorstellungen des guten Lebens nicht losgelöst von einer zeitlichen Dimension zu betrachten. Demgemäß ist Herrn B.s Ablehnung der Behandlung und Akzeptanz der eigenen Endlichkeit möglichweise auch Ausdruck eines Gefühls, plötzlich oder frühzeitig gealtert zu sein. Darüber hinaus eröffnet sich die ethische Frage, wie angemessen über die Definition von Lebensqualität einerseits und dem rechten Zeitpunkt eines möglichen Eingriffs andererseits entschieden werden kann.

Wie sollte Herrn B. nun begegnet werden, um ein Tarieren von Fürsorgepflicht und Patientenautonomie zu gewährleisten?

Aus subjektivistischer Perspektive ist das Patientenurteil über die Lebensqualität prioritär zu gewichten. Wie oben bereits ausgeführt, sind Herr B.s Zweifel auch aus medizinischer Sicht durchaus berechtigt. Allerdings ist der Prozess der individuellen Entscheidungsfindung anfällig für situative, kognitive und psychische Verzerrungen. So scheint Herr B. seinen aktuellen Gesundheitszustand zu akzeptieren, eine Progredienz der Erkrankung und die Auswirkungen auf seine Lebensgestaltung sowie Lebensqualität allerdings nur schwer antizipieren zu können. Stattdessen plant er nur bedingt in die Zukunft und adaptiert seine Vorstellungen von Lebensqualität und seine Lebensgestaltung an die gegebenen Bedingungen. Die Frage ist hier, ob es sich bei der beschränkten Zukunftsperspektive um eine Fehlanpassung handelt, wenn Herr B. durch die LVAD-Implantation möglicherweise einige Lebensjahre gewinnen könnte. Außerdem schließt sich die Überlegung an, dass Herr B. seine Vorstellungen von Lebensqualität erneut an die veränderten Bedingungen anpassen und somit durch das LVAD nicht nur zusätzliche Lebenszeit, sondern darüber hinaus auch einen Zugewinn an Lebensqualität erfahren kann. Neben der Schwierigkeit, Veränderungen der Lebensbedingungen sowie Kompetenzen zu ihrer Bewältigung angemessen zu antizipieren, liegt eine weitere Herausforderung im Prozess der Urteilsbildung darin, dass Entscheidungen nicht ausschließlich auf Grundlage reflektierter Positionen getroffen werden, sondern überdies auch von präreflexiven Annahmen oder unbewussten (teils auch pathologischen) Motiven beeinflusst werden. Ob Herr B. in besonderem Maße oder gar pathologisch auf die Konfliktspannungen reagiert, können wir auf Grundlage der Informationen nicht mit Sicherheit sagen. Viele LVAD-Patient*innen berichten in der Vorsorge von Ängsten davor, zunehmend auf technische Unterstützung angewiesen zu sein, weshalb die Haltung von Herrn B. nicht unüblich ist. Es ist durchaus möglich, dass für Herrn B. die zeitliche Souveränität und Unabhängigkeit wichtigere Werte darstellen als ein Zugewinn an Energie und Mobilität sowie daraus folgende Effekte. Dennoch ist es ein bedeutender Unterschied, ob der Patient eine Behandlung aus einem möglicherweise un- oder vorbewussten innerpsychischen Konflikt heraus ablehnt oder aus einer reflektierten Auseinandersetzung mit den Einschränkungen und Verbesserungen, die mit der Intervention einhergehen.

Solche einander bedingenden möglichen Entscheidungen und Maßnahmen sowie längerfristigen Chancen und Risiken eröffnen sehr komplexe Fragen von Zeitlichkeit auf verschiedenen Ebenen. Eine Sensibilisierung der Behandelnden zu solchen Fragen könnte dazu beitragen, Patienten wie Herrn B. ein biografiesensibles Informations- und Beratungsangebot zu offerieren. Aus unserer Sicht wäre es ethisch angezeigt, unter Berücksichtigung der Krankheitsgeschichte und aktuellen Lebenssituation von Herrn B. eine Anamnese prägender Einflüsse, die die Entscheidungsfindung von Herrn B. steuern (bspw. Identifikation psychodynamischer Konflikte), vorzunehmen. Des Weiteren sollten die Behandlungsmöglichkeiten erneut aufgezeigt und besprochen werden, dies schließt Funktionsweisen, Potenziale, Risiken, Tragweite und Aspekte der zeitlichen Behandlungs- und Lebensplanung mit ein. Da Herr B. beschreibt, dass er seine Ehe stets als „Anker“ erlebt hatte, sollte ihm angeboten werden, seine Ehefrau in eine neuerliche Besprechung mit einzubeziehen – jedoch nur soweit Herr B. dies wünscht und es seiner Entscheidungsfindung dienlich ist. Wenn sichergestellt ist, dass Herr B. eine fundierte, die Zukunft einbeziehende selbstbestimmte Entscheidung getroffen hat, ist diese zu respektieren und sollte von den Behandelnden, auch hinsichtlich zukünftiger Versorgungsbedarfe des Patienten, mitgetragen werden.