Die aktuelle Reform des Betreuungsrechts

Mit der zum 1. Januar 2023 in Kraft tretenden Reform des Betreuungsrechts wird der Begriff „Wohl“ aus dem Gesetz gestrichen. Hierdurch soll stärker hervorgehoben werden, dass der Betreuer sich an den subjektiven Wünschen des Betreuten statt an einem objektiven Verständnis von Wohl orientieren sollte, und bisher in der Praxis beobachteten Missverständnissen begegnet werden. Der Reform des Betreuungsrechts gingen ein intensiver interdisziplinärer Diskurs (BT-Drs.Footnote 1 19/24445, S. 1), (Nolting und Braeseke 2017; Matta et al. 2018; Schnellenbach 2018; Schnellenbach et al. 2019) sowie zwei vom Bundesjustizministerium in Auftrag gegebene Forschungsarbeiten zur Qualität der rechtlichen Betreuung und zum Erforderlichkeitsgrundsatz (Nolting und Braeseke 2017; Matta et al. 2018) voraus.

Ein wesentliches Ziel der Reform ist die Stärkung der Selbstbestimmung von Menschen, die aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung Unterstützungsbedarf haben. Hiermit soll auch den Vorgaben aus Artikel 12 der UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK) besser Rechnung getragen werden. Gemäß den Vorgaben der UN-BRK wird im reformierten Betreuungsrecht hervorgehoben, dass unterstützte Entscheidungsfindung vor stellvertretender Entscheidung Vorrang haben soll, und dass im Fall einer Stellvertretung eine Orientierung am individuellen mutmaßlichen Willen und nicht am objektiven Wohl erfolgen soll (BT-Drs. 19/24445, S. 250). Die Ausrichtung der Betreuung an den Wünschen und Präferenzen der betroffenen Person war auch bislang fester Bestandteil des Betreuungsrechts. Mit der Reform wird nun eine konsequentere Umsetzung dieser Ziele angestrebt.

Während diese Zielsetzung begrüßenswert ist, erscheint die Streichung des Wohlbegriffs aus dem Gesetzestext mit Blick auf medizinische Entscheidungen aus ethischer Perspektive diskussionswürdig. Das Handeln zum Wohl eines Patienten bzw. das Prinzip der Fürsorge sind schließlich ein wesentlicher und breit geteilter Bestandteil medizinischer Ethik (Beauchamp und Childress 2013; Gather und Scholten 2022). Die Orientierung am Wohl des Patienten ist fester Bestandteil ärztlichen Handelns: So zählt es nach der (Muster‑)Berufsordnung für Ärztinnen und Ärzte zu den allgemeinen ärztlichen Berufspflichten, „ärztliches Handeln am Wohl der Patientinnen und Patienten auszurichten“ (Bundesärztekammer 2019, S. 3). Die Konkretisierung und Klärung des Begriffes „Wohl“ erscheint daher zentral für Professionelle im Gesundheitswesen.

In diesem Beitrag wird ermittelt, welches Verständnis von Wohl dem reformierten Betreuungsrecht implizit zugrunde liegt und wie dieses in der Praxis interpretiert werden sollte. Hierfür werden gängige philosophische und medizinethische Auffassungen des Wohlergehens mit dem im Betreuungsrecht zum Tragen kommenden Verständnis von Wohl abgeglichen.

Die Streichung des Wohlbegriffs aus dem Betreuungsrecht

Die Streichung des Wohlbegriffs betrifft das gesamte Betreuungsrecht: Sie bezieht sich sowohl auf die Vorgaben zu den Pflichten des Betreuers als auch auf die Regelungen zu Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahmen und ärztlichen Zwangsmaßnahmen, wobei die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Zwangsmaßnahmen nicht geändert wurden.

Pflichten des Betreuers

Die Pflichten des Betreuers finden sich zukünftig in § 1821 BGB n. F.Footnote 2, der den bisherigen § 1901 BGB ablösen wird. Der derzeit noch gültige § 1901 BGB legt fest, dass der Betreuer „die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen [hat], wie es dessen Wohl entspricht“. Zum Wohl des Betreuten gehört „auch die Möglichkeit, im Rahmen seiner Fähigkeiten sein Leben nach seinen eigenen Wünschen und Vorstellungen zu gestalten“. Gleichwohl heißt es, dass der Betreuer Wünschen des Betreuten zu entsprechen hat, „soweit dies dessen Wohl nicht zuwiderläuft“. Auf die Verwendung des Begriffs „Wohl“ wird in § 1821 BGB n. F. zukünftig bewusst verzichtet, da dieser Begriff dazu verleite, auf objektive Maßstäbe zurückzugreifen (BT-Drs. 19/24445, S. 252).

Auch in früheren Gesetzgebungsverfahren bestand Konsens darüber, dass der Wohlbegriff nicht ausschließlich objektiv bestimmt werden dürfte (BT-Drs. 11/4528, S. 133), auch weil die Verwirklichung des Selbstbestimmungsrechts Teil des Wohls sei (Bienwald 2016). Der Bundesgerichtshof hat im Laufe der Jahre zu einer Konkretisierung des Begriffs beigetragen und geklärt, dass das Wohl des Betreuten nicht losgelöst von subjektiven Vorstellungen und Wünschen verstanden werden dürfe (BGHZFootnote 3 182, 116). In der Begründung zur aktuellen Reform wird daher betont, dass auch bisher im Rahmen des § 1901 BGB das subjektive Wohl des Betroffenen maßgeblich gewesen sei, dass aber die Gefahr bestanden habe, den Begriff objektiv zu interpretieren (BT-Drs. 19/24445, S. 249).

Nach § 1821 Abs. 2 BGB n. F. wird nun klargestellt, dass der Betreuer vorrangig die Aufgabe hat, „die Angelegenheiten des Betreuten so zu besorgen, dass dieser im Rahmen seiner Möglichkeiten sein Leben nach seinen Wünschen gestalten kann“. Dazu hat er die Wünsche des Betreuten festzustellen und ihn bei deren Umsetzung zu unterstützen. Die neue Formulierung soll die Wünsche des Betreuten somit zum zentralen Maßstab für das Handeln des Betreuers erklären (BT-Drs. 19/24445, S. 249).

Für Entscheidungen des Betreuers sind grundsätzlich nicht nur freie Willensäußerungen des Betreuten maßgeblich, die im einwilligungsfähigen Zustand getroffen werden. Auch Wünsche, die geäußert werden, wenn der Patient beispielsweise aufgrund einer akuten Krankheitsphase einer psychischen Erkrankung nicht einwilligungsfähig ist, sollen berücksichtigt werden. Solche Wünsche nicht einwilligungsfähiger Personen lassen sich dem sogenannten natürlichen Willen zuordnen. Mit dem Begriff „Wunsch“ sollen im reformierten Betreuungsrecht also sowohl der freie als auch der natürliche Wille erfasst werden (BT-Drs. 19/24445, S. 250).

Der Betreuer hat sein Handeln am sogenannten Erforderlichkeitsgrundsatz auszurichten. Unterstützung dient dem möglichst selbstständigen Besorgen der eigenen Angelegenheiten des Betreuten – diese und erst recht die stellvertretende Entscheidung erfolgen nur im Rahmen des Erforderlichen (§ 1821 Abs. 1 und 2 BGB n.F). Der Betreuer hat Wünsche des Betreuten zu berücksichtigen, selbst wenn dies zu einer Selbstschädigung des Betreuten führt – es sei denn, dies ist für den Betreuer nicht zumutbar, beispielsweise, wenn strafbare Handlungen wie Mitwirkung am „Sozialleistungsbetrug“ gefordert werden. Hingegen darf zum Schutz des Betroffenen von nicht eigenverantwortlichen Wünschen abgewichen werden, „die krankheitsbedingt gebildet sind und deren Befolgung den Betreuten schädigen würden“ (BT-Drs. 19/24445, S. 250). Der Gesetzgeber bindet dies an zwei Voraussetzungen: wenn a) deren Erfüllung „höherrangige Rechtsgüter des Betreuten gefährden“ oder b) „seine gesamte Lebens- und Versorgungssituation erheblich verschlechtern würde“ (BT-Drs. 19/24445, S. 252). Damit sind sowohl die Gesundheitssorge als auch die Vermögenssorge erfasst. Der Wunsch eines nicht eigenverantwortlichen, d. h. nicht einwilligungsfähigen (bezogen auf Gesundheitsangelegenheiten) bzw. nicht geschäftsfähigen (bezogen auf finanzielle Angelegenheiten) Betreuten ist nach § 1821 Abs. 3 BGB n. F. somit nicht zu befolgen, wenn die Befolgung des Wunsches zu einer erheblichen Selbstschädigung im Sinne einer Gefährdung höherrangiger Rechtsgüter bzw. einer Verschlechterung der Lebens- und Versorgungssituation führen würde. Trotz der Bemühung um eine Zusammenfassung von Präferenzen sowohl auf Basis des natürlichen als auch des freien Willens unter dem Begriff „Wünsche“ wird daher auch weiterhin eine Unterscheidung von Wünschen einwilligungsfähiger und nicht einwilligungsfähiger Personen getroffen.

Wenn aktuelle Wünsche einer nicht einwilligungsfähigen Person aufgrund einer drohenden erheblichen Selbstschädigung nicht zu berücksichtigen sind oder wenn die aktuellen Wünsche nicht feststellbar sind, hat sich der Betreuer nach § 1821 Abs. 4 BGB n. F. am mutmaßlichen Willen der betreuten Person zu orientieren, und nicht daran, was objektiv zu ihrem Wohl wäre. Die Ermittlung des mutmaßlichen Willens erfolgt anhand aller verfügbaren Anhaltspunkte, wobei die Vorstellungen des Betreuten zu berücksichtigen sind, also dessen Lebensentscheidungen, Wertvorstellungen und ethische oder religiöse Überzeugungen (BT-Drs. 19/24445, S. 250). Hierfür sollten konkrete Anhaltspunkte, insbesondere frühere mündliche oder schriftliche Äußerungen des Betreuten herangezogen werden. In der Begründung der Gesetzesänderung wird dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) aus dem Jahr 2017 Bezug genommen: „Der Betreuer stellt letztlich eine These auf, wie sich der Betroffene selbst in der konkreten Situation entschieden hätte, wenn er noch über sich selbst bestimmen könnte“ (BGHZ 214, 62; BT-Drs. 19/24445, S. 254). Vor einer Verwechselung mit dem objektiven Wohl wird hierbei gewarnt (BT-Drs. 19/24445, S. 254).

Unterbringung, freiheitsentziehende Maßnahmen und ärztliche Zwangsmaßnahmen

Neben den Änderungen der Vorgaben zu den Pflichten des Betreuers wird der Wohlbegriff auch aus den Regelungen von Unterbringung, freiheitsentziehenden Maßnahmen und ärztlichen Zwangsmaßnahmen gestrichen, ohne dass hiermit inhaltliche Änderungen verbunden sind. Betreuungsrechtlich sind eine Unterbringung und die Anwendung von freiheitsentziehenden Maßnahmen (§ 1906 BGB) sowie ärztliche Zwangsmaßnahmen (§ 1906a BGB) bisher nur zulässig, sofern sie „zum Wohl des Betreuten“ notwendig sind. Diese Formulierung sollte ursprünglich konkretisieren, dass eine Unterbringung nur aufgrund der Interessen des Patienten selbst, nicht aber durch Interessen Dritter begründet sein kann. Zu diesem Zweck sei die Formulierung nun jedoch nicht mehr notwendig (BT-Drs. 19/24445, S. 261). Der Wohlbegriff wurde im reformierten Betreuungsrecht bei der Begründung einer Unterbringung (§ 1831 BGB n. F.) und ärztlichen Zwangsmaßnahme (§ 1832 BGB n. F.) gestrichen, „um mögliche Missverständnisse zu vermeiden“ (BT-Drs. 19/24445, S. 261), was sich offenbar auf eine objektive Interpretation des Begriffs „Wohl“ unabhängig von den individuellen Wünschen des Betreuten bezieht. Zudem heißt es im reformierten ebenso wie im aktuell noch gültigen Betreuungsrecht, dass eine Unterbringung, eine freiheitsentziehende Maßnahme oder eine ärztliche Zwangsmaßnahme nur zur Abwendung eines „erheblichen gesundheitlichen Schadens“ gerechtfertigt sind.

Subjektive und objektive Theorien des Wohls in der Philosophie

In der medizinethischen und philosophischen Literatur wird grundsätzlich zwischen objektiven und subjektiven Konzeptionen des Wohls, bzw. synonym des Wohlergehens unterschieden (Bester 2020a; Hirsch 2021). Im Folgenden werden zunächst die gängigen Auffassungen des Wohls aus der philosophischen Debatte analysiert, um diese anschließend mit dem im Betreuungsrecht enthaltenen Wohlverständnis in Verbindung zu bringen.

Objektive Auffassungen des Wohls

Nach objektiven Auffassungen wird das Wohl einer Person unabhängig von deren aktuellen Wünschen definiert. Diese Auffassungen orientieren sich an festen objektiven Kriterien, die als gut für alle Personen gelten. Sie werden daher auch als „Objektive Liste-Theorien“ (engl. objective list theories) bezeichnet (Fletcher 2016). Ähnlich hierzu nimmt Martha Nussbaums Fähigkeitenansatz (engl. capability approach) an, dass Menschen festgelegte Fähigkeiten und Eigenschaften aufweisen müssen, damit ihnen ein erfülltes Leben möglich ist (Nussbaum 2011). „Objektive Liste-Theorien“ des Wohls enthalten beispielsweise Kriterien wie Leben, Wissen, ästhetische Erfahrungen, Freundschaft und soziale Kontakte, Glück, Erfolg oder Genuss (Finnis 1980; Murphy 2001; Fletcher 2013). Auch Gesundheit wird häufig als Element objektiven Wohlergehens betrachtet (Hirsch 2021). Der Wert dieser Elemente ist nach einer rein objektiven Auffassung des Wohls unabhängig davon, wie sie von der Person selbst bewertet werden.

Aus dieser Auffassung von Wohlergehen resultiert jedoch ein grundsätzliches Problem: Wenn Aspekte, die von der individuellen Person nicht wertgeschätzt werden, als objektiv gut für sie bewertet werden, besteht eine deutliche Diskrepanz zwischen dem Erleben der Person und der theoretischen Bewertung ihres Wohlergehens. Wenn beispielsweise Bildung als objektiv gut für eine Person bewertet wird, sie selbst jedoch kein großes Interesse an Bildung und am Erhalt von Wissen hat, führt eine solche rein objektive Sicht zu einer Entfremdung des Erlebens der Person vom theoretischen Konzept des Wohlergehens (Fletcher 2016). Für das Betreuungsrecht würde eine objektive Auffassung implizieren, dass der Betreuer gemäß allgemeingültigen objektiven Kriterien entscheiden müsste, welche Entscheidung zum Wohl einer Person beiträgt. Wenn beispielsweise Gesundheit als objektiver Wert angesehen wird, müsste es stets zum Wohl der betreuten Person sein, eine potenziell kurative medizinische Behandlung zu erhalten, wenn sie aktuell nicht in der Lage ist, eigenverantwortlich zu entscheiden. Ein rein objektives Verständnis blendet jedoch individuelle Präferenzen und Wünsche aus. Wenn die betreute Person beispielsweise zuvor eigenverantwortlich entschieden hat, dass sie keine (weitere) kurative Behandlung ihrer Erkrankung wünscht, würde sie die Durchführung dieser Behandlung entgegen ihrem Willen bzw. ihren Wünschen nicht als Beitrag zu ihrem Wohl, sondern vielmehr als Schädigung empfinden. Rein objektive Theorien scheinen daher nicht vollständig erfassen zu können, was tatsächlich zum Wohl einer Person beiträgt und nehmen vielmehr paternalistische Zuschreibungen vor.

Subjektive Auffassungen des Wohls

Subjektive Theorien des Wohls beziehen sich ausschließlich auf die individuellen Einstellungen einer Person. Die prominentesten subjektiven Theorien des Wohls orientieren sich an den Wünschen der Person und nehmen an, dass nur das zum Wohl einer Person ist, was diese sich wünscht. Sie werden daher auch als „Wunsch-Erfüllungs-Theorien“ (engl. desire satisfaction theories) bezeichnet (Heathwood 2016). Wenn eine Person sich also einen Hochschulabschluss wünscht, wird dieser nach einer subjektiven Theorie auch als gut für sie bewertet. Für eine Person, die keinen Wunsch nach dem Abschluss eines Studiums hat, würde dies nach einer subjektiven Auffassung hingegen nicht zu ihrem Wohl beitragen.

Es kann zunächst plausibel erscheinen, dass nur die Dinge zum Wohl einer Person beitragen, die von ihr explizit gewünscht werden – schließlich kann gerade in einer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft angenommen werden, dass eine Person selbst am besten einschätzen kann, was zu ihrem Wohlergehen beiträgt.

Jedoch scheinen tatsächlich nicht alle Wünsche einer Person zu ihrem Wohl beizutragen. Beispielsweise kann sich ein nicht aufgeklärter Patient eine bestimmte Therapieoption wünschen, die tatsächlich negative Auswirkungen auf seine Gesundheit und sein Wohlbefinden hätte. Hätte derselbe Patient nach einer Aufklärung über verschiedene Behandlungsmöglichkeiten seine Behandlungspräferenz auf Basis der erhaltenen Informationen geändert, wäre die Befolgung seines ursprünglichen Wunsches nicht zu seinem Wohl gewesen. Die Erfüllung auf Basis einer unzureichenden Informationslage entstandener Wünsche trägt also nicht notwendigerweise zum Wohl einer Person bei.

Ähnlich kann ein einwilligungsunfähiger Patient aufgrund einer akuten psychotischen Symptomatik bestimmte Medikamente ablehnen, die bei ihm in einer früheren Psychose ohne wesentliche Nebenwirkungen zu einer subjektiv als entlastend erlebten Symptomlinderung geführt haben. Hätte der Patient nach Wiederherstellung der Einwilligungsfähigkeit seine Wünsche geändert und der Behandlung mit der betreffenden Medikation zugestimmt, ist anzunehmen, dass die Befolgung seines ursprünglichen Wunsches, keine Medikamente zu erhalten, nicht zu seinem Wohl gewesen wäre. Wünsche von Personen, die krankheitsbedingt in ihrer Fähigkeit zur freien Willensbildung eingeschränkt sind, könnten möglicherweise ihrem Wohl widersprechen, wenn sie im Widerspruch zu früheren selbstbestimmten Willensäußerungen und grundsätzlichen Wertüberzeugungen der Person stehen.

Um solche Fälle zu erfassen, sehen subjektive Theorien des Wohls in der Regel nicht alle Wünsche einer Person als zu ihrem Wohl beitragend an, sondern nehmen gewisse Einschränkungen vor (Heathwood 2016). Wenn beispielsweise nur informierte Wünsche als relevant angesehen werden (Crisp 2017), wird das, was zum Wohl einer Person beiträgt, nicht dadurch definiert, was sie sich aktuell wünscht, sondern was sie sich wünschen würde, wenn sie vollständig informiert wäre (Sobel 1994). Ähnlich hierzu könnte die subjektive Auffassung des Wohls dahingehend modifiziert werden, dass nur die Wünsche, die eine Person hätte, wenn sie einwilligungsfähig bzw. in der Lage wäre, einen freien Willen zu bilden, als zu ihrem Wohl beitragend angesehen werden.

Wünsche einer Person, die nicht mehr bestehen, wenn diese einwilligungsfähig und vollständig informiert ist, könnten gemäß diesen Modifikationen als nicht zu ihrem Wohl betrachtet werden. Allerdings werden durch solche Einschränkungen der Wünsche, die als für das Wohl der Person relevant angesehen werden, teilweise objektive Beurteilungskriterien dafür angewendet, was zum Wohl einer Person beiträgt (Woodard 2016; Pugh 2020). Einwilligungsfähigkeit und Informiertheit sind schließlich objektive Kriterien, nach denen die subjektiven Wünsche der Person beurteilt werden müssten.

Weiterhin erscheint auch die Annahme problematisch, dass alle Wünsche einwilligungsfähiger und vollständig informierter Personen zu ihrem Wohl beitragen. So können auch einwilligungsfähige Personen eine Reihe von Wünschen haben, die ihrem langfristigen Wohl zuwiderlaufen. Manche einwilligungsfähige und informierte Personen haben beispielsweise den Wunsch Zigaretten zu rauchen, auch wenn sie selbst zugestehen, dass dies negative gesundheitliche Konsequenzen hat (Hirsch 2021). Nach einer subjektiven Theorie des Wohlergehens müsste somit angenommen werden, dass ein Arzt das Wohl eines Patienten, der sich Zigaretten wünscht, fördert, indem er ihm das Weiterrauchen empfiehlt (Bester 2020a). Offenbar kann eine subjektive Theorie des Wohls daher auch mit den beschriebenen Modifikationen nicht vollständig erfassen, was zum Wohl einer Person beiträgt.

Hybride Auffassungen des Wohls

Eine gewisse objektive Perspektive scheint ein relevanter Bestandteil einer vollständigen Theorie des Wohlergehens zu sein. In der Philosophie und Medizinethik werden daher zunehmend hybride Theorien des Wohls vertreten, die sowohl subjektive als auch objektive Elemente zur Beurteilung des Wohls berücksichtigen (Sarch 2012; Woodard 2016; Bester 2020a). Nach hybriden Theorien kann all das zum Wohlergehen einer Person beitragen, das entweder ihre Wünsche erfüllt oder anhand objektiver Maßstäbe wertvoll ist. Es bestehen somit ein objektives sowie ein subjektives Kriterium dafür, was zum Wohl einer Person beiträgt. Wenn nur eines dieser Kriterien erfüllt wird, kann angenommen werden, dass der Beitrag zum Wohlergehen geringer ist als in Fällen, in denen etwas sowohl aus subjektiver als auch aus objektiver Sicht zum Wohl einer Person beiträgt (Woodard 2016; Bester 2020a).

Wenn subjektive und objektive Kriterien einander widersprechen und etwas beispielsweise subjektiv gut, jedoch objektiv schlecht für eine Person ist, müssen die entsprechenden Gründe gegeneinander abgewogen werden (Bester 2020a). Beispielsweise kann das Rauchen einer Zigarette den individuellen Wunsch einer Person erfüllen, zugleich aber aus objektiver Sicht ihrer Gesundheit schaden. Wenn der subjektive Beitrag zum Wohl durch die Erfüllung des Wunsches geringer ist als der objektive gesundheitliche Schaden, der durch das Rauchen entsteht, kann angenommen werden, dass das Rauchen insgesamt nicht zum Wohl der Person ist.

Hierbei ist zudem die zeitliche Dimension des Wohls zu berücksichtigen: Während der Konsum einer Zigarette kurzfristig auch objektiv gut für eine Raucherin sein kann, da hierdurch Entspannung erzielt wird, ist das Rauchen langfristig objektiv schädlich. Kurzfristig mag das Rauchen den subjektiven Wunsch nach einer Zigarette erfüllen, gleichzeitig kann es jedoch längerfristigen subjektiven Interessen zuwiderlaufen, beispielsweise dem Wunsch nach einem langen und beschwerdefreien Leben oder dem Wunsch, nicht mehr von Zigaretten abhängig zu sein.

Um Missverständnisse zu vermeiden, soll hier jedoch betont werden, dass die Frage, ob etwas zum Wohl einer Person beiträgt, von der Frage getrennt werden muss, wann Dritte in die Freiheit einer Person eingreifen dürfen, um deren Wohl zu fördern. Auch wenn es vermutlich gut für eine Person wäre, sie vom Rauchen abzuhalten, rechtfertigt dies beispielsweise nicht, dieser Person die Zigaretten wegzunehmen. Für solche paternalistischen Handlungen, die nur bei einwilligungsunfähigen Personen gerechtfertigt sein können, ist stets eine Abwägung zwischen den ethischen Prinzipien der Fürsorge, d. h. dem Handeln zum Wohl der Person, und des Respekts für die Selbstbestimmung der Person notwendig (Gather und Scholten 2022).

Der Wohlbegriff im Betreuungsrecht

In der Begründung der Gesetzesänderung wird betont, dass dem Betreuungsrecht nach wie vor ein subjektives Verständnis von Wohl zugrunde liege. Dieses Verständnis scheint jedoch nicht mit den diskutierten medizinethisch-philosophischen subjektiven Auffassungen des Wohls übereinzustimmen, da auch das reformierte Betreuungsrecht objektive Elemente enthält. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Betreuungsrecht ein Spannungsverhältnis zwischen der Förderung und Wahrung der Selbstbestimmung und einem Schutzauftrag angelegt ist.

Das Betreuungsrecht sieht grundsätzlich auch die Erfüllung von Wünschen nicht einwilligungsfähiger Personen als richtig an. Bisheriges und reformiertes Betreuungsrecht unterscheiden sich in diesem Grundsatz nicht. Die Grenze zur Erfüllung der Wünsche nicht einwilligungsfähiger Personen, die aufgrund einer Erkrankung nicht in der Lage sind, einen freien Willen zu bilden, bildet im reformierten Betreuungsrecht jedoch nicht mehr die sogenannte „Wohlschranke“, sondern die Gefahr der Selbstschädigung. § 1821 BGB n. F. legt fest, dass Wünsche, die auf einem natürlichen Willen basieren, nicht zu befolgen sind, wenn sie zu einer Selbstschädigung bzw. zu einer Gefährdung „höherrangiger Rechtsgüter“ sowie der „Lebens- und Versorgungssituation“ des Betreuten führen. Auch eine Unterbringung sowie die Anwendung von Zwangsmaßnahmen sind im reformierten Betreuungsrecht unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsprinzips nach wie vor nur dann gerechtfertigt, wenn sie zur Abwendung eines „erheblichen gesundheitlichen Schadens“ erfolgen.

Schädigungen können als Beeinträchtigungen des Wohlergehens definiert werden (Bester 2020b). Ein erheblicher gesundheitlicher Schaden resultiert somit in einer schweren Beeinträchtigung des gesundheitlichen Wohls einer Person. Gesundheit, Leben oder Vermögen sind Werte, die notwendigerweise objektiv beurteilt werden – der Beurteilung einer Selbstschädigung sowie einer Gefährdung der „Lebens- und Versorgungssituation“ liegen somit objektive Maßstäbe zugrunde. Im reformierten Betreuungsrecht wird also angenommen, dass die Befolgung mancher Wünsche einer Person schlecht für sie sein kann, was einer rein subjektiven Theorie des Wohls aus philosophischer Perspektive widerspricht. Die Annahme, dass auch die Erfüllung informierter Wünsche zu einer Selbstschädigung führen kann, ist mit einer subjektiven Theorie des Wohls inkompatibel.

Zwar verfolgt das Betreuungsrecht grundsätzlich einen subjektiven Ansatz von Wohl und fordert mit seiner reformierten Fassung verstärkt ein, nach den subjektiven Wünschen und Vorstellungen der betreuten Person zu fragen; dennoch sind objektive Elemente dem Betreuungsrecht auch in Zukunft nicht fremd. Sie sind zu berücksichtigen, wenn der Betroffene sich erheblich selbst gefährdet, womit die subjektive Auffassung des Wohls eine Beschränkung durch die Wahrnehmung der staatlichen Schutzpflichten erfährt. Klarstellend ist zu betonen, dass sich dies nur auf Situationen bezieht, in denen der Betreute nicht in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden bzw. nicht einwilligungsfähig ist.

Eine solche Berücksichtigung subjektiver und objektiver Elemente ähnelt einer hybriden Auffassung des Wohls aus medizinethisch-philosophischer Sicht: Es muss abgewogen werden, ob die durch die Erfüllung subjektiver Wünsche einwilligungsunfähiger Personen entstehenden Konsequenzen für ihr objektives Wohl zu hoch sind, um die Befolgung dieser Wünsche zu rechtfertigen. Die objektive Komponente des Wohls besteht dabei in der Gefährdung von hochrangigen Rechtsgütern der betroffenen Person. Das objektive Wohl ist somit als Grenze für die Befolgung von Wünschen nicht einwilligungsfähiger Personen relevant.

Dies soll im Folgenden anhand von zwei Beispielen aus der Praxis verdeutlicht werden, ohne dabei eine abschließende ethische Analyse der Fallbeispiele vorzunehmen.

Fallbeispiel 1

Eine Patientin mit einem beginnenden Korsakow-Syndrom wird wiederholt wegen unterschiedlicher, zum Teil gravierender somatischer Komplikationen auf dem Boden mehrerer chronischer internistischer Erkrankungen im Krankenhaus aufgenommen. Die Patientin lebt mit ihrem Ehemann zusammen, der schwer alkoholabhängig ist. Sie erscheint zunehmend ungepflegt und ist nicht mehr in der Lage, sich im häuslichen Umfeld ausreichend mit Lebensmitteln und den vom Hausarzt verordneten Medikamenten zu versorgen. Sie hat massiv an Gewicht verloren. Angebotene ambulante Hilfen lehnt sie vehement ab, da sie keine Unterstützung benötige.

Das Behandlungsteam vertritt angesichts der fortwährenden Ablehnung jeglicher ambulanter Hilfen die Position, dass die Patientin aufgrund der teils lebensbedrohlichen Konsequenzen der unzureichenden Versorgung im häuslichen Umfeld in ein Pflegeheim verlegt werden müsse, um das gesundheitliche Wohl sicherzustellen. Die in dieser Frage als nicht einwilligungsfähig beurteilte Patientin äußert hingegen den Wunsch, weiterhin zu Hause zu leben. Sie äußert, niemals externe Hilfen zu Hause bzw. eine Verlegung in ein Pflegeheim akzeptieren zu wollen. Die Betreuerin muss nun eine Entscheidung über das weitere Vorgehen treffen.

Um zu beurteilen, wie sich die Wohnsituation der Patientin auf ihr Wohlergehen auswirkt, müssen aus ethischer Perspektive gemäß einer hybriden Konzeption des Wohls sowohl subjektive als auch objektive Aspekte berücksichtigt und gegeneinander abgewogen werden. Aus subjektiver Sicht trägt das Befolgen des Wunsches der Patientin, weiterhin im gewohnten Haus mit ihrem Mann zusammen zu leben, zu ihrem Wohl bei. Aus objektiver Sicht hingegen kann die unzureichende Versorgung der Patientin in ihrem aktuellen Wohnumfeld in erheblichen gesundheitlichen Schäden resultieren, weshalb eine Befolgung ihres Wunsches ihr objektives Wohl beeinträchtigt. Allerdings sind auch mögliche negative Konsequenzen für das objektive Wohl der Patientin durch eine Verlegung in ein Heim zu berücksichtigen, die beispielsweise aus einem Verlust vertrauter sozialer Kontakte resultieren können.

Aus betreuungsrechtlicher Sicht hat sich die Betreuerin zunächst an den Wünschen der Patientin zu orientieren, auch wenn diese Wünsche im nicht einwilligungsfähigen Zustand geäußert werden. Wenn die Befolgung des aktuellen Wunsches der Patientin, weiterhin zu Hause zu leben, zu schweren gesundheitlichen Beeinträchtigungen führt und andere Hilfen versagen, kann ihr Wunsch jedoch nicht zu befolgen sein. Die Betreuerin muss somit feststellen, ob durch die aktuelle häusliche Situation eine erhebliche Gefahr für die Gesundheit der Betreuten besteht und ob diese eine Nichtberücksichtigung der aktuellen Wünsche rechtfertigt. Die betreuungsrechtliche Sicht trifft somit ähnliche Abwägungen subjektiver und objektiver Elemente wie die hybride Konzeption des Wohls.

Für ihre Handlungsentscheidung hat sich die Betreuerin jedoch nicht daran zu orientieren, was objektiv zum Wohl der Betreuten wäre. Nach § 1821 Abs. 4 BGB n. F. soll stattdessen eine Orientierung am mutmaßlichen Willen der Patientin erfolgen. Konsequenzen für das objektive Wohl in Form einer Gefährdung der Lebens- und Versorgungssituation spielen betreuungsrechtlich also nur insofern eine Rolle, als dass sie eine Grenze für die Befolgung aktueller Wünsche einer nicht einwilligungsfähigen Person aufzeigen. Für die Bestimmung des mutmaßlichen Willens sollten insbesondere frühere Willensäußerungen der Patientin sowie ihre Wertüberzeugungen berücksichtigt werden. Dabei muss jedoch bedacht werden, dass sich grundlegende Wertüberzeugungen im Lauf der Zeit auch ändern können.

Fallbeispiel 2

Eine Person mit einer schweren chronischen psychischen Erkrankung lebt seit mehreren Jahren in einer betreuten Wohneinrichtung. Sie arbeitet drei Mal pro Woche in einer Förderwerkstatt. Eines Tages äußert sie den Wunsch, Bewerbungen zu schreiben, um wieder auf dem ersten Arbeitsmarkt zu arbeiten. Sie bittet hierbei um Unterstützung und möchte sich in verschiedenen Unternehmen der IT-Branche bewerben.

Die Betreuungspersonen in der Wohneinrichtung, die die Person seit vielen Jahren kennen und im Alltag unterstützen, gehen davon aus, dass eine solche Arbeitssuche das Wohl der Person beeinträchtigen würde. Aufgrund früherer Erfahrungen sei davon auszugehen, dass die Person bei der Bewerbung oder beim Versuch, wieder einer Arbeit auf dem ersten Arbeitsmarkt nachzugehen, scheitern werde. Hierdurch sei eine deutliche psychische Destabilisierung zu erwarten. Hinzu komme, dass die Person eigentlich sehr gerne in der Förderwerkstatt arbeite und dort seit vielen Jahren eine allseits geschätzte Mitarbeiterin sei. In einem Gespräch mit dem rechtlichen Betreuer soll nun das weitere Vorgehen besprochen werden.

Aus einer subjektiven Perspektive ist grundsätzlich anzunehmen, dass das Befolgen eines aktuellen Wunsches zum Wohl einer Person beiträgt. Aus objektiver Perspektive wird im konkreten Fallbeispiel angeführt, dass die Befolgung des Wunsches zu einer psychischen Destabilisierung und somit zu einer Beeinträchtigung des Wohlergehens führen könne. Auf der anderen Seite könnte eine erfolgreiche Bewerbung und die Aufnahme einer Tätigkeit auf dem ersten Arbeitsmarkt auch deutliche positive Konsequenzen für das objektive Wohl der Person haben, wenn hierdurch Erfolge und soziale Anerkennung erzielt werden können.

Für den Betreuer ist relevant, ob die Befolgung des aktuellen Wunsches zu einer schwerwiegenden Schädigung der Betreuten führen würde. Dies wäre nur der Fall, wenn angenommen werden könnte, dass die Arbeitssuche (und deren Scheitern) mit hoher Wahrscheinlichkeit in der Folge mit einer erheblichen Beeinträchtigung des psychischen Gesundheitszustandes der Betreuten einherginge. Trifft dies nicht zu, erscheint es nicht angemessen, die Person an ihrem Vorhaben zu hindern oder ihr Unterstützung vorzuenthalten, da der Betreuer die Aufgabe hat, die Betreute bei der Umsetzung ihrer Wünsche zu unterstützen.

Im Sinne einer unterstützten Entscheidungsfindung kann es jedoch ebenfalls als Aufgabe des Betreuers angesehen werden, realistische Wünsche herauszuarbeiten, mögliche Folgen von Entscheidungen zu bedenken und schließlich dem Betroffenen beratend zur Seite zu stehen. Der Betreuer kann im Gespräch sicherstellen, dass die Betreute über alle notwendigen Informationen verfügt und somit informierte Wünsche formulieren kann. Hierbei kann auf bisherige Erfahrungen und die Möglichkeit des Scheiterns ihres Vorhabens hingewiesen werden. Auch hier gilt es zu betonen: Sofern die Betreute in der Lage ist, einen freien Willen zu bilden und eigenverantwortlich zu entscheiden, sind letztlich auch Wünsche zu berücksichtigen, die zu einer Beeinträchtigung ihres objektiven Wohls führen. In diesen Fallkonstellationen trifft schließlich nicht der Betreuer die Entscheidung, sondern die Person selbst. Die Nichtberücksichtigung von Wünschen, die zu einer Selbstschädigung führen, ist nur zulässig, wenn die Betreute nicht eigenverantwortlich entscheiden kann.

Fazit

Die Streichung des Wohlbegriffs aus dem Betreuungsrecht wird mit der Ablehnung eines objektiven Verständnisses von Wohl und der Vermeidung von Missverständnissen in der Anwendung begründet. Das Handeln des Betreuers habe sich an den Wünschen des Betreuten und damit an einem individuellen subjektiven Wohl zu orientieren (BT-Drs. 19/24445, S. 249). Wie die vorangegangene Analyse zeigt, ist die betreuungsrechtliche Konzeption des Wohls jedoch nicht mit medizinethisch-philosophischen subjektiven Theorien des Wohlergehens gleichzusetzen, nach denen ausschließlich dasjenige zum Wohlergehen einer Person beiträgt, was diese sich wünscht. Das Betreuungsrecht nimmt hingegen an, dass die Befolgung bestimmter Wünsche zu Schädigungen der Person führen und damit ihr Wohl beeinträchtigen kann.

Auch wenn der Wohlbegriff aus dem Betreuungsrecht gestrichen wurde, kann vor diesem Hintergrund davon ausgegangen werden, dass dem reformierten Betreuungsrecht implizit eine Auffassung von Wohl zugrunde liegt, die mit einer hybriden Konzeption des Wohlergehens aus medizinethisch-philosophischer Sicht vergleichbar ist. Eine solche Konzeption geht grundsätzlich davon aus, dass die Befolgung der Wünsche einer Person zu ihrem Wohl beiträgt, sieht aber auch gewisse objektive Kriterien als relevant für ihr Wohl an. Subjektive Elemente des Wohls sind nach dieser Auffassung stärker relevant als objektive Elemente, die nur eine begrenzte Rolle spielen. Negative Konsequenzen für das objektive Wohl eines Betreuten sind betreuungsrechtlich lediglich insofern relevant, als dass sie eine Grenze für die Befolgung aktueller Wünsche aufzeigen, die auf einem natürlichen Willen basieren und damit Ausdruck der Erkrankung und nicht Ausdruck von Selbstbestimmung sind.