Wann und wie soll man die Basismedikation bei entzündlich rheumatischen Erkrankungen reduzieren respektive ausschleichen? Diese Alltagsfrage wird je nach Erkrankung und je nach Blickwinkel sehr unterschiedlich beantwortet. Wie es um die Evidenz bestellt ist, wird in den 4 Themen rheumatoide Arthritis (RA), systemischer Lupus erythematodes (SLE), ANCA (antinukleäre zytoplasmatische Antikörper)-assoziierte Vaskulitiden und Spondyloarthritiden (SPA, einschließlich Psoriasisarthritis [PsA]) zusammengefasst. Einleitend werden ergänzende Überlegungen und Argumente diskutiert, die beim Therapieentscheid eine Rolle spielen können.

Bei chronischen Erkrankungen, die eine relativ gleichmäßige Krankheitsaktivität haben, beispielsweise bei Arthritiden, dürfte sich eine sukzessive Reduktion der Behandlungsintensität einigermaßen standardisieren und damit auch wissenschaftlich prüfen lassen. Demgegenüber stellt sich bei schubförmig verlaufenden Erkrankungen wie den ANCA-assoziierten Vaskulitiden die Frage, ob die Behandlung dauerhaft intensiv durchgeführt werden soll, oder ob man die Medikation nach Erreichen einer Remission reduziert oder sogar pausiert. Der Kliniker wird in dieser Situation in erster Linie beurteilen, ob die Erkrankung organbedrohlich verläuft. Mit anderen Worten wird er Risiken und Nebenwirkung der Behandlung den Risiken der Krankheit gegenüberstellen müssen. Der Entscheid wird folglich individualisiert sein, und es wird schwierig bleiben, eine Standardisierung zu definieren. Diese Aspekte finden in den Arbeiten von Daniel Aletaha über die RA und von Peter Lamprecht über ANCA-Vaskulitiden ihren Niederschlag.

Risiken und Nebenwirkung der Behandlung müssen den Risiken der Krankheit gegenübergestellt werden

Bezüglich ANCA-assoziierten Vaskulitiden ist bemerkenswert, dass verschiedene Studien, insbesondere Studien der französischen Vaskulitisgruppe um Loïc Guillevin die zeitlich begrenzte Erhaltungsmedikation untersucht haben. Beispielsweise wurde die Wirksamkeit von Rituximab mit der Wirksamkeit von Azathioprin verglichen [1]. Da die Medikation in beiden Studienarmen nach definierter Zeit abgesetzt wurde kann man nicht nur die Rezidivrate während der Therapie, sondern auch die Rezidivrate nach deren Beendigung beurteilen. Solche Studiensettings erlauben also eine exakte Bezifferung der Rezidivrate unter Therapie sowie eine Schätzung der Wirkungsdauer der untersuchten Medikamente, respektive die Identifikation der Patienten, die dauerhaft krankheitsbefreit sind. Die Studien reflektieren selbstredend auch die Ansicht der Autoren, nämlich, dass es selbst bei potenziell organbedrohlichen Vaskulitiden vertretbar ist, ein Rezidiv abzuwarten.

Unabhängig vom Erkrankungstyp steigt die Rezidivrate bei der Reduktion respektive dem Ausschleichen der Basismedikation auf Größenordnung 50 %. Man kann nun die Ansicht vertreten, dass bei 50 % das Risiko eines Rückfalles zu hoch ist, um ein Absetzen der Therapie zu verantworten, man kann aber auch argumentieren, dass jede zweite Patientin auf das Risiko von Nebenwirkungen verzichten kann, also die Therapie sistiert werden soll. Damit stellt sich wiederum die Frage der klinischen und prognostischen Bedeutung eines Rezidivs. Aus ärztlichem Blickwinkel kann man – zugegebenermaßen etwas provokativ – das Risiko einer zusätzlichen Erosion im Metatarsophalangeal (MTP)-Gelenk des 4. Strahls bei einer RA dem Risiko eines dialysepflichtigen Glomerulonephritisrezidivs im Rahmen einer SPA gegenüberstellen. Der Entscheid scheint einfach zu sein. Unglücklicherweise stellt sich die Situation für die Patientin gegensätzlich dar. Die arthritischen Beschwerden werden die Lebensqualität wesentlich beeinflussen, das Glomerulonephritisrezidiv wird den Betroffenen erst nach Eintreten des Organverlustes kümmern. Entsprechend folgern Godehard Scholz und Burkhard Möller in ihrer Arbeit, dass die Frage des Therapiemanagements bei SpA zusammen mit dem Patienten angegangen werden soll.

Wie Martin Aringer schreibt, gibt es kaum Daten bezüglich Medikamentenreduktion beim systemischen SLE. Dafür kann festgehalten werden, dass beim SLE Konsens besteht hinsichtlich dauerhafter Verschreibung von Hydroxychloroquin. Darin unterscheidet sich der SLE klar von den anderen 3 besprochenen Krankheitstypen. Ernüchternd bleibt allerdings die Tatsache, dass die Compliance der SLE-Patientinnen trotz überzeugender Daten rekordverdächtig schlecht ist [2]. Die Frage der Patienten-Compliance ist aber nicht nur beim SLE von Bedeutung, denn sie wird jede Statistik beeinflussen. Letztlich bleibt der Prozentsatz der Patienten, die Medikamente nicht oder nur gelegentlich einnehmen, im Dunkeln. Es erscheint immerhin unwahrscheinlich, dass sich Betroffene mit Immunsuppressiva übermedizieren. Die medikationsassoziierten Rezidivraten dürften folglich tiefer liegen als in den Studien publiziert, respektive die Medikamente dürften in der Regel besser wirken als statistisch erhoben.

Ein weiterer Aspekt ist die Frage der Kosten und damit verknüpft die Frage des Einsatzes der Biologika. Hersteller von Biologika investieren in den Nachweis, dass konventionelle „disease modifying antirheumatic drugs“ (DMARDs) bei gleichzeitiger Biologicatherapie abgesetzt werden können. Der Kostenträger wünscht das Umgekehrte. Arzt und Patient stehen in diesem Spannungsfeld. Nicht selten treffen Patienten allerdings den Entscheid selbst und gestehen auf Rückfrage, dass sie beispielsweise Methotrexat abgesetzt haben. Hinsichtlich konventioneller DMARDs spielen Variablen wie Alter, Nieren- und Leberfunktion, Komorbiditäten etc. eine Rolle, was eine statistische Erhebung erschwert. Man darf als Rheumatologe aber festhalten, dass das Nebenwirkungs- respektive Risikoprofil eines Biologikums einer äquipotenten Glukokortikoiddosis immer überlegen sein wird. Der Entscheid Glukokortikoid vs. Biologikum dürfte also im Alltag wenig Reflexionszeit in Anspruch nehmen.

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Prof. Dr. P.M. Villiger

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Prof. Dr. U. Müller-Ladner