Dieses Sonderheft soll einen Überblick über epidemiologisch prägende Entwicklungen in der Hepatologie (Fettlebererkrankung) und differenzialdiagnostisch schwierige Konstellationen (autoimmunologische und medikamentös-toxische Lebererkrankungen) bieten. Neben der diagnostischen Herausforderung der Typisierung von Karzinomen mit unklarem Primarius müssen wir uns mit der aktualisierten WHO-Klassifikation 2019 den neu eingeführten morphomolekularen Subtypen des hepatozellulären und des cholangiozellulären Karzinoms stellen [1]. Schließlich werden mit vaskulären Erkrankungen aufgrund ihrer Seltenheit und mit der Transplantationspathologie aufgrund der Komplexität besonders schwierige Teilbereiche der Leberpathologie beleuchtet. Obwohl die Leber als ein immunologisch privilegiertes Organ angesehen wird, können antikörpermediierte Abstoßungen auftreten, die ausführlich beschrieben werden.

Durch die Entwicklung effektiver Therapien gehört die Diagnostik und das Scoring chronischer Virushepatitiden (B, C und D) kaum noch zum täglichen Diagnostikspektrum in der Leberbioptik. Es zeigt sich als Ursache einer „unklaren Transaminasenerhöhung“ jedoch gelegentlich eine Hepatitis-E- oder eine Hepatitis-A-Virusinfektion, an die man insbesondere im Kontext einer biochemisch cholestatischen Hepatitis denken sollte.

Die Veränderungen im Einsendegut der Leberbiopsiediagnostik reflektieren mehrheitlich die Entwicklung unserer Gesellschaft. Mit zunehmender Prävalenz der Adipositas steigt auch die Anzahl an Leberbiopsien mit der Frage nach einer nichtalkoholischen Steatohepatitis und bedingt durch die steigende Lebenserwartung der Bevölkerung nimmt auch die Prävalenz von Patienten zu, die potenziell lebertoxische Medikamente einnehmen. Der Leberpathologe sollte dabei auch im Hinterkopf haben, dass vegane Phytotherapeutika und mutmaßlich gesundheitsfördernde Nahrungsergänzungsmittel durchaus ein lebensbedrohliches hepatotoxisches Potenzial besitzen können. Eine weitere Herausforderung stellt auch die Differenzialdiagnose zwischen autoimmunen und medikamentös-toxischen Lebererkrankungen dar. Dies ist zum einen darin begründet, dass es kein pathognomonisches Muster einer autoimmunen Leberschädigung gibt, und zum anderen, dass erhöhte Autoantikörpertiter (insbesondere antinukleäre Antikörper) unspezifisch, z. T. medikamentenassoziiert erhöht sein können. Ob derzeit in Arbeit befindliche revidierte Kriterien für die Interpretation von Leberbiopsien mit der Frage nach einer Autoimmunhepatitis zu einer in dieser Hinsicht verbesserten Diagnostik führen werden, bleibt abzuwarten.

Bezüglich der medikamentös-toxischen Leberschädigungen konnte kürzlich gezeigt werden, dass histologische Schädigungsmuster (z. B. der Verlust intrahepatischer Gallengänge und das Ausmaß der Leberfibrose) besser mit dem Erkrankungsverlauf korrelieren als biochemische Parameter, was den Wert der Leberbiopsie bei Verdacht auf einen Medikamentenschaden noch einmal betont [2].

Das Repertoire histopathologischer Grundschädigungsmuster der Leber ist bekanntermaßen begrenzt, sodass gleichartige Schädigungsmuster durch unterschiedliche Ursachen hervorgerufen werden können. Ein Umstand, der sich zwar differenzialdiagnostisch nutzen lässt, aber auch auf Limitationen hinweist. Die Leberhistologie kann (bei nichtneoplastischen Erkrankungen) also nur in den seltensten Fällen für sich alleine stehen und muss immer im gegebenen klinischen und laborchemischen sowie ggf. bildgebenden Gesamtkontext interpretiert werden. Fehlen diese Angaben zum Zeitpunkt der Befundung einer Leberbiopsie oder ist kein pathognomonischer Befund nachweisbar, sollte daher keine finale Interpretation eines Schädigungsbildes erfolgen. Dies gilt im Besonderen für den Bereich der Transplantationspathologie. Im Zweifelsfalle scheint es immer ratsam, um Übermittlung der zur Interpretation notwendigen Informationen zu bitten oder den histologischen Befund telefonisch oder im Rahmen einer klinischen Konferenz zu besprechen.

Die wohl größte Dynamik findet sich im Bereich der Tumorpathologie. Stetig finden neue typisierende oder prädiktive immunhistologische Marker Einzug in die Diagnostik. Daneben sind auch die Entwicklungen in der Molekularpathologie für den Pathologen in Zeiten der Präzisionsonkologie eine anspruchsvolle Herausforderung. Während die Diagnostik des hepatozellulären Karzinoms hier noch in den Kinderschuhen steckt, ist die Molekularpathologie bei der Therapieplanung fortgeschrittener intrahepatischer Cholangiokarzinome (insbesondere FGFR2-Translokationen und IHD1/2-Mutationen) an der Schwelle zur Routinediagnostik. Bezüglich der Karzinome mit unklarem Primarius hilft die Molekularpathologie nicht nur bei der Typisierung, sondern bietet auch Ansatzpunkte für individuelle Therapiekonzepte.

Die systematische Bewertung einer Leberbiopsie sollte Standard für jeden hepatologisch aktiven Pathologen sein. Sie bietet die größte Sicherheit, alle zu erhebenden Befunde zu beschreiben und sich damit bewusst zu machen. Während Portalfelder und Lebervenen als mikroanatomische Säulen des klassischen Leberläppchens in der Regel im Detail in der Mikroskopie beschrieben werden, sind die Lebersinusoide häufig unter der Rubrik „Parenchym“ subsumiert. Ein fokussierter Blick lohnt sich auch hier und kann (zum Teil unverhofft) des Rätsels Lösung liefern.

Zu den Aufgaben des Hepatopathologen gehört es heutzutage nicht mehr nur, den maximalen morphologischen Informationsgehalt aus einer feingeweblichen Probe zu extrahieren, wozu es der Kenntnis der teils subtilen Schädigungsbilder und ihrer Ursachen bedarf. Vielmehr müssen auch, der klinischen Fragestellung angepasst, die relevanten molekularpathologischen Zusatzuntersuchungen (gerade bei Biopsiepräparaten) materialeffizient eingeleitet, durchgeführt und interpretiert werden. In diesem Zusammenhang seien beispielhaft die hereditären Lebererkrankungen genannt, bei denen die Exomsequenzierung seit der Implementation der Zentren für seltene Erkrankungen eine weitere Säule der integrativen Diagnostik ausmacht.

Wir hoffen, Sie empfinden dieses Sonderheft als eine diagnostische Bereicherung, haben Freude am Lesen und können die Artikel in Ihrer täglichen Diagnostik hilfreich einsetzen!

Prof. Dr. T. Longerich

Prof. Dr. H.A. Baba