Personalisierte Therapien von Tumorerkrankungen zielen darauf ab, spezifische überlebenswichtige Mechanismen eines Tumors bei bestmöglicher Schonung des restlichen Organismus medikamentös zu unterbinden. Maßgeschneiderte Therapeutika sind mittlerweile für viele Tumorerkrankungen im Einsatz. Damit stellt sich die Frage, inwieweit diese neuen Therapieformen auch für maligne Tumoren des Stütz- und Bewegungsapparates relevant werden.

Personalisierte Behandlung von Tumorerkrankungen

Das Ziel einer personalisierten Krebsbehandlung ist es, auf zellulärer Ebene tumorspezifische Entstehungs- und Überlebensmechanismen zu identifizieren, welche die Entwicklungen von „maßgeschneiderten“ Behandlungsstrategien erlauben. Durch diese soll ein optimaler, gegen den Tumor gerichteter Behandlungseffekt erzielt und der restliche Organismus weitgehend geschont werden [29].

„Wir müssen chemisch zielen lernen“

Dieses Konzept ist keineswegs neu und geht auf den deutschen Mediziner und Nobelpreisträger Paul Ehrlich (1854–1915) zurück [27, 29]: Basierend auf seinen Beobachtungen im Rahmen der Behandlung von Infektionskrankheiten erkannte er, dass diese Therapien effizienter und besser verträglich waren, sofern sie sich gegen Strukturen richteten, die ausschließlich in den eindringenden Parasiten bzw. Keimen vorkamen, nicht jedoch im Wirtsorganismus. Daraus entwickelte er jene den maßgeschneiderten Therapiekonzepten zugrundeliegende Vision einer „Zauberkugel“ (englisch: „magic bullet“), welche sich analog zu einer Gewehrkugel selektiv gegen Krankheitserreger richtet, gesundes Gewebe jedoch schont [27, 29].

Anfänge der maßgeschneiderten Krebstherapie

Knapp 100 Jahre später wurde diese Idee wieder aufgegriffen und erhielt neue Nahrung: So wurde der Biochemiker Stanley Cohen im Jahr 1986 mit dem Nobelpreis für Physiologie und Medizin ausgezeichnet. Er erhielt diesen für die Beschreibung des sogenannten epidermalen Wachstumsfaktors („epidermal growth factor“, EGF) und des dazugehörigen Rezeptors an der Zelloberfläche („epidermal growth factor receptor“, EGFR). Dieses System von Ligand und Rezeptor funktioniert nach einem Schlüssel-Schloss-Prinzip und steuert unter anderem das Wachstum der Zelle [27, 29]. Diese Entdeckung war wegbereitend für die Entwicklung von maßgeschneiderten Tumortherapien. Im Jahr 1998 wurde mit Trastuzumab (Herceptin®, Roche/Genentech Inc., Basel, Schweiz) der erste humanisierte monoklonale Antikörper durch die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA) zugelassen, welcher sich gegen ERBB2 (besser bekannt als HER2/neu) richtet. Dies ist ein Rezeptor für Wachstumsfaktoren, welcher auf Burstkrebszellen vielfach vermehrt anzutreffen ist. Trastuzumab wird nach wie vor erfolgreich in der Behandlung von HER2/neu-positivem Brustkrebs eingesetzt [29].

Auf Paul Ehrlich geht auch die Idee zurück, eine solche „Zauberkugel“ durch die systematische chemische Weiterentwicklung von Substanzen zu erzeugen, um deren Treffsicherheit gegen Pathogene zu erhöhen („Wir müssen chemisch zielen lernen“) [29]. Imatinib (Glivec®/Gleevec®, Novartis Pharma AG, Basel, Schweiz) ist ein Beispiel für einen kleinmolekularen Kinaseinhibitor, welcher gezielt gegen eine krankheitsauslösende molekulare Struktur entwickelt wurde [12]. Imatinib hemmt die Tyrosinkinase BCR-ABL, welche als Genprodukt der Philadelphia-Chromosom-Translokation t(9; 22) im Rahmen der chronisch-myeloischen Leukämie entsteht. Das BCR-ABL Fusionsonkoprotein fungiert dabei als dysreguliertes, hochaktives Enzym, welches das Wachstum und die Teilung der Zellen durch seine Interaktion mit zahlreichen nachgeschalteten Signalwegen fördert und dadurch die Leukämieentstehung bewirkt [12]. Basierend auf Paul Ehrlichs Aussage „Wir müssen chemisch zielen lernen“ war Imatinibmesylat der erste rational konzipierte kleinmolekulare Inhibitor, der entwickelt wurde, um selektiv die Tumorzellen, nicht jedoch die „normalen“ Zellen im Rahmen einer chronisch-myeloischen Leukämieerkrankung zu hemmen. Aus diesem Grund gilt Imatinib als Paradigma der maßgeschneiderten Krebstherapie (englisch: „targeted therapy“) [29].

Neue Erkenntnisse erweitern die Diagnostik und Therapie

Maligne Tumoren des Knochens und der Weichteile („Sarkome“) sind ausgesprochen seltene Tumoren (sogenannte „orphan diseases“). Ihre Inzidenz beträgt 4–5/100.000/Jahr, die Inzidenz der Knochensarkome liegt noch darunter [6, 7]. Ein multidisziplinärer therapeutischer Ansatz ist für diese Tumoren obligat [6, 7, 19]. Neben der lokalen Therapie mittels weiter/radikaler chirurgischer Resektion und (neo-)adjuvanter Bestrahlungsbehandlung galten Chemotherapien, insbesondere solche auf Doxorubicin-Basis, lange Zeit als ausschließliche systemische Behandlungsoptionen für viele Knochen- und auch Weichteilsarkome [6, 7, 19]. Mit dem Aufkommen der molekularpathologischen Diagnostik wurden bei vielen Sarkomen charakteristische genetische Veränderungen beschrieben, sodass die Molekularpathologie aus der Routinediagnostik von Sarkomen nicht mehr wegzudenken ist (Abb. 1; [6, 7, 19, 20]). Die molekulare Tumorklassifikation unterscheidet dabei komplexe genetische Veränderungen, welche beispielsweise bei Osteosarkomen oder Chordomen anzutreffen sind, von „einfachen“ genetischen Veränderungen wie Translokationen, Amplifikationen, oder Mutationen. Speziell letztere stellen potenzielle therapeutische Targets dar [6, 7, 19, 20]. Basierend auf diesen Erkenntnissen hat die Entwicklung von personalisierten Therapien auch den Bereich muskuloskelettaler Tumoren voll erfasst [19]. Speziell diverse Tyrosinkinaseinhibitoren, aber auch monoklonale Antikörper, werden mittlerweile in der Therapie von Tumoren des Stütz- und Bewegungsapparates, insbesondere der Weichteile, evaluiert [19]. Demgegenüber haben immuntherapeutische Konzepte, mit wenigen Ausnahmen [8, 14], in der Sarkomtherapie aktuell noch einen untergeordneten Stellenwert [19]. Die nachfolgenden Abschnitte sollen einen Überblick über relevante genetische Veränderungen sowie aktuelle Ansätze in der personalisierten Behandlung maligner bzw. lokal aggressiver Tumoren des Stütz- und Bewegungsapparates liefern.

Abb. 1
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Algorithmus zur pathologischen Tumordiagnostik. (Mit freundl. Genehmigung, © B. Liegl-Atzwanger, alle Rechte vorbehalten)

Maßgeschneiderte Therapien für Knochensarkome?

Als häufigste maligne Primärtumoren des Knochens sind bei Kindern und Jugendlichen das Osteo- und das Ewing-Sarkom anzuführen [7], im höheren Erwachsenenalter das Chondrosarkom [7, 15].

Ewing-Sarkome zeigen charakteristische Translokationen

Sowohl Osteo- als auch Ewing-Sarkomen ist ein Ansprechen auf Kombinationschemotherapien gemeinsam. Sie werden im Rahmen von multizentrischen, randomisierten Studien laufend optimiert, und haben in den vergangenen Jahrzehnten als Bestandteil multimodaler Therapiekonzepte zu einer signifikanten Steigerung des Überlebens beigetragen [7]. Demgegenüber konnten mit personalisierten Therapieansätzen bis jetzt noch keine nachhaltigen Erfolge bei diesen ossären Sarkomen erzielt werden [19]. Während klassische Osteosarkome sehr heterogene genetische Veränderungen aufweisen, welche einen einheitlichen „driver“, also eine definierte genetische Ursache, nach aktuellem Erkenntnisstand vermissen lassen [7, 16], zeichnen sich Ewing-Sarkome durch charakteristische Chromosomentranslokationen aus (Abb. 2; [7]). Als „klassische“ und am häufigsten (in circa 85 %) beobachtete Fusion gilt t(11;22)(q24:q12) mit den Fusionspartnern EWSR1 und FLI1, welche zur Entstehung des EWSR1-FLI1-Onkoproteins führt [19, 20]. Dieses agiert als abnormer Transkriptionsfaktor und trägt dadurch zur Tumorentstehung bei [19, 20]. Charakteristische Translokationen unterstützen die Entwicklung von gezielten, minimal-invasiven Diagnose- und Tumormonitoringverfahren, wie der „liquid biopsy“. Dabei gibt der Nachweis von Tumormarkern im Blut der Patientinnen und Patienten einen Hinweis auf die aktuelle Tumorlast und damit auf das Ansprechen von Therapien bzw. auf ein mögliches Wiederauftreten dieser Tumoren [17]. Demgegenüber ist eine gezielte Entwicklung eines Inhibitors gegen das Ewing-Translokationsprodukt bei Ewing-Sarkomen bislang noch nicht gelungen [7, 20, 24], wenngleich die präklinische Forschung dahingehende Ansätze nachdrücklich verfolgt [9, 30]; erste kleinmolekulare Inhibitoren befinden sich aktuell bereits in klinischer Testung (NCT02657005) [9, 30].

Abb. 2
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Ewing-Sarkom. Morphologie: klein-, rund-, blauzellig. Immunhistochemie: starke Positivität für CD99 (cluster of differentiation 99). Next Generation Sequencing: Nachweis der charakteristischen Fusion EWSR1-FLI1 („Ewing sarcoma breakpoint region“ 1 bzw. „Friend leukemia virus integration“ 1). (Mit freundl. Genehmigung, © B. Liegl-Atzwanger, alle Rechte vorbehalten)

IDH-Mutationen charakterisieren Chondrosarkome

Die Mehrzahl der Chondrosarkome zeichnet sich durch Mutationen in Genen aus, welche für ein Enzym namens Isozitratdehydrogenase (IDH 1 bzw. 2) codieren [15]. In der Folge führt dies zur Akkumulation des onkogenen Metaboliten (D)-2-Hydroxyglutarat, welcher den Zellstoffwechsel fundamental beeinträchtigt [22]. Bisher ist es noch nicht gelungen, den genauen Mechanismus der durch diese Mutation hervorgerufenen Störung in der Entwicklung des Knorpelgewebes hin zum Tumor zu entschlüsseln bzw. einen zuverlässigen Inhibitor gegen das fehlgeleitete Enzym und/oder den pathogenen Metaboliten zu identifizieren [15, 22].

Denosumab kann Riesenzelltumoren nicht heilen

Ähnliches gilt für H3.3-Mutationen bei Riesenzelltumoren des Knochens und Chondroblastomen. Beide Tumorentitäten tragen in über 90 % spezifische Mutationen in Genen, welche für ein Histon-Protein codieren (H3F3A bei Riesenzelltumoren und H3F3B bei Chondroblastomen) [4]. Analog zu Ewing-Sarkomen oder Chondrosarkomen ist der exakte Wirkmechanismus dieser genetischen Veränderung noch nicht identifiziert und es existiert noch kein spezifisches Therapeutikum [4, 7]. Gerade Riesenzelltumoren des Knochens, welche grundsätzlich den benignen Tumoren zugerechnet werden, können ein ausgesprochen aggressives lokales Wachstum zeigen [7]. Diese tumorbedingte Knochenresorption wird durch Osteoklasten hervorgerufen, die als namensgebende prominente Zellpopulation in diesem Tumor zu beobachten sind [7]. Eine Hemmung der Osteoklasten durch den RANKL(„receptor activator of NF-κB ligand“; „nuclear factor-B ligand“)-Antagonisten Denosumab ist jedoch lediglich als symptomatische Therapie anzusehen [4]. Durch die Beschreibung der Histonmutation H3F3A wurde bestätigt, dass nicht die osteoklastären Riesenzellen, sondern die rund-ovalären bis spindelzellförmigen, mononukleären stromalen Zellen diese Mutation aufweisen und damit die neoplastische Zellpopulation dieses Tumors darstellen (Abb. 3; [4]). Eine Therapie mit Denosumab muss somit langfristig aufrechterhalten werden, da andernfalls mit einem Wiederauftreten der Symptomatik zu rechnen ist [7]. Aus diesem Grund sowie aufgrund von beobachteten bzw. vermuteten (Langzeit‑)Nebenwirkungen wird Denosumab heute nur in gezielten Indikationen, zum Beispiel zur besseren präoperativen Abgrenzung bzw. bei inoperablen Fällen, verabreicht [7].

Abb. 3
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Riesenzelltumor des Knochens mit einem rund-ovalären bis spindelzelligen, mononukleären stromalen Tumorzellproliferat und zahlreichen, untermischten osteoklastären Riesenzellen (Hämatoxylin-Eosin, 200×). Die Immunhistochemie für H3.3 (Insert) zeigt eine positive Kernreaktion der mononukleären Tumorzellen und eine negative (bzw. schwache, unspezifische) Reaktion der osteoklastären Riesenzellen. (Mit freundl. Genehmigung, © C. Viertler, alle Rechte vorbehalten)

Personalisierte Therapien von Weichteiltumoren

Imatinib als Pionier der personalisierten Medizin

In den vergangenen Jahren konnten laufend neue personalisierte Therapeutika in diverse Behandlungsschemata von Weichteiltumoren integriert werden [6, 19]. Ein Pionier für einen behördlich zugelassenen, kleinmolekularen Kinaseinhibitor mit erfolgreicher Anwendung in der Therapie von Weichteiltumoren ist Imatinib [19]. Imatinib wird nicht nur in der Behandlung der chronisch-myeloischen Leukämie eingesetzt (s. oben), sondern auch in der Behandlung von soliden Tumoren. Dies ist der Tatsache geschuldet, dass Imatinibmesylat, abgesehen von BCR/ABL, auch Rezeptorkinasen an der Zelloberfläche hemmt, nämlich die Thrombozytenwachstumsfaktorrezeptoren α und β (PDGFR-α und -β; „platelet-derived growth factor receptor“ α und β), wie auch den Stammzellfaktorrezeptor c-KIT (CD117), und andere mehr [12]. Daher findet Imatinib Anwendung in der Therapie von KIT-mutierten, metastasierten sowie intermediate- bzw. „high-risk“ gastrointestinalen Stromatumoren (GIST) [6, 19], wie auch von Tumoren, welche eine dysregulierte PDGFR-α/β Aktivität zeigen. Dazu zählen beispielsweise eine Untergruppe von PDGFR-α mutierten GIST, oder auch Weichteiltumoren aus der Gruppe „Dermatofibrosarcoma protuberans“ (DFSP). Diese weisen als Folge einer Translokation eine vermehrte PDGF(R)-ß-Expression auf (Abb. 4); für sie stellt die Gabe von Imatinib mittlerweile eine Standardtherapie dar [6, 19].

Abb. 4
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Infantiles Fibrosarkom bei einer 5‑jährigen Patientin (a). Die Immunhistochemie mit Antikörpern gegen NTRK („neurotrophic receptor tyrosin kinase“) zeigt ein typisches nukleäres und zytoplasmatisches Färbemuster (b). Next Generation Sequencing bestätigt das Vorliegen einer charakteristischen NTRK3-ETV6 („ETS variant transcription factor 6“)-Fusion (nicht illustriert). (Mit freundl. Genehmigung, © B. Liegl-Atzwanger, alle Rechte vorbehalten)

Multikinasehemmer bei Weichteilsarkomen

Ein weiterer Fokus in der Behandlung von Weichteilsarkomen liegt auf dem Einsatz von antiangiogenetischen Multikinaseinhibitoren, wie beispielsweise Pazopanib (Votrient®, GSK, London, UK), Sorafenib (Nexavar®, Bayer AG, Leverkusen, Deutschland und Onxy Pharmaceuticals, South San Francisco, CA, USA), Sunitinib (Sutent®, Pfizer, New York, NY, USA) oder Regorafenib (Stivarga®, Bayer). Wie die Bezeichnung bereits andeutet, hemmen Multikinaseinhibitoren eine Vielzahl von Tyrosinkinasen [19]. Sie werden unter anderem in der Behandlung von Imatinib-resistenten GIST (Sunitinib, Regorafenib) bzw. bei diversen fortgeschrittenen, nichtlipomatösen Weichteilsarkomsubtypen (Pazopanib, Regorafenib) eingesetzt [6, 19]. Wenngleich der exakte Wirkmechanismus für diese Multikinaseinhibitoren nicht abschließend geklärt ist, und zuverlässige, selektive Biomarker noch weitgehend fehlen, dürfte der antiangiogenetischen Wirkkomponente eine wesentliche Bedeutung zukommen [19]. Diese Annahme wird ferner dadurch unterstützt, dass viele dieser Medikamente (z. B. Pazopanib oder Sunitinib) auch bei fortgeschrittenen Nierenzellkarzinomen angewandt werden.

Für Angiosarkome oder maligne solitäre fibröse Tumoren (SFT; vormals „Hämangioperizytome“) existieren ebenfalls positive Daten betreffend der Verabreichung diverser antiangiogenetischer Inhibitoren. Dazu zählen Multikinaseinhibitoren wie Pazopanib oder Sunitinib, aber auch der monoklonale, antiangiogenetische Antikörper Bevacizumab (Avastin®, Roche). Große, prospektive Studien hierfür fehlen aber noch [1, 6, 19, 25].

Große Hoffnungen liegen aktuell auf dem kleinmolekularen Inhibitor Larotrectinib (Vitrakvi®; Loxo Oncology Inc./Bayer AG, Leverkusen, Deutschland). Dieser wurde im November 2018 von der FDA für Erwachsene und Kinder mit soliden Tumoren zugelassen, und weist eine Fusion des „neurotrophic receptor tyrosin kinase“(NTRK)-Gens auf [23]. Zu diesen zählen auch mesenchymale Tumoren, wie beispielsweise das infantile Fibrosarkom (Abb. 5; [23]). Die Zulassung basierte auf drei Phase-I- und -II-Multicenterstudien, in welchen insgesamt 75 % der Tumoren auf diese Therapie ansprachen [23]. Weitere klinische Studien mit NTRK-Inhibitoren laufen [23].

Abb. 5
figure 5

Klassischer Teil eines DFSP (Dermatofibrosarcoma protuberans; links) mit abruptem Übergang in den fibrosarkomatösen Anteil des DFSP. Insert: In der Immunhistochemie zeigt sich eine starke CD34-Expression im klassischen Anteil des Tumors, nicht jedoch im fibrosarkomatösen Anteil. Next Generation Sequencing: Nachweis der typischen Fusion COL1A1-PDGFB (COL1A1 „collagen type I alpha 1 chain“, PDGFB „platelet-derived growth factor beta polypeptide“; nicht illustriert). (Mit freundl. Genehmigung, © B. Liegl-Atzwanger, alle Rechte vorbehalten)

Neue Therapie der aggressiven Fibromatose?

Kinaseinhibitoren wie Imatinib, γ‑Sekretaseinhibitoren (Nirogacestat, SpringWorks Therapeutics, Stamford, CT, USA; NCT03785964) oder Pazopanib werden aktuell für die Therapie der progredienten bzw. symptomatischen aggressiven Fibromatose vom Desmoidtyp eingesetzt bzw. evaluiert (Abb. 6; [6]). Darüber hinaus existieren äußerst vielversprechende Daten für die Behandlung der aggressiven Fibromatose mit dem Multikinaseinhibitor Sorafenib [10]. Gounder et al. 2018 berichten im New England Journal of Medicine von einer US-amerikanischen doppelblinden, randomisierten Phase-III-Multicenterstudie. Diese vergleicht insgesamt 87 Patientinnen und Patienten mit progredienter, symptomatischer oder rezidivierender Fibromatose, welche entweder Sorafenib (als 400-mg-Tablette einmal täglich) oder ein Plazebo erhalten hatten [10]. Bei einem durchschnittlichen Follow-up von 27,2 Monaten lag der Prozentsatz an progressionsfreiem 2‑Jahres-Überleben bei 81 % in der Sorafenib-Gruppe versus 36 % in der Plazebogruppe. Anders ausgedrückt, hatten Patientinnen und Patienten in der Sorafenib-Gruppe ein um 87 % geringeres Risiko für ein Voranschreiten der Krankheit als jene in der Plazebogruppe [10]. Der exakte Wirkmechanismus, bzw. ob oder inwieweit die Wirkung von Sorafenib mit der bei desmoidartigen Fibromatosen beobachteten β‑Catenin-Mutation zusammenhängt, ist noch nicht bekannt [10]. Sofern sich diese Ergebnisse in weiteren (Langzeit‑)Studien an größeren Kollektiven bestätigen lassen und die Nebenwirkungen der Therapie von den Patientinnen und Patienten toleriert werden, könnte Sorafenib zu einem fixen Bestandteil im therapeutischen Algorithmus der aggressiven Fibromatose werden.

Abb. 6
figure 6

Fibromatose vom Desmoidtyp mit charakteristischer nukleärer β‑Catenin-Expression (Insert). (Mit freundl. Genehmigung, © B. Liegl-Atzwanger, alle Rechte vorbehalten)

Medikamente gegen Riesenzelltumoren der Sehnenscheiden

Auch für Riesenzelltumoren der Sehnenscheiden vom diffusen Typ wird der Einsatz von maßgeschneiderten Therapeutika evaluiert [26]. Diese Tumoren werden grundsätzlich als benigne eingestuft, können jedoch einen aggressiven und rezidivierenden biologischen Verlauf aufweisen, der bis hin zur Amputation führen kann [18, 26]. Zielstruktur der therapeutischen Ansätze ist in diesem Fall der Monozytenkolonien-stimulierende Faktor ([M-]CSF-1; „colony stimulating factor“-1) [26]. Dieser wird bei Riesenzelltumoren der Sehnenscheiden vermehrt exprimiert, vielfach als Ergebnis einer charakteristischen Translokation, in welche das CSF-1-Gen (1p13) involviert ist, zum Teil jedoch auch ohne Vorliegen dieser Translokation aus bisher noch nicht abschließend geklärter Ursache [26]. Da Imatinib unter anderem auch den CSF-1-Rezeptor hemmt, wird dieser geläufige Kinaseinhibitor aktuell in der Therapie rezidivierender und anderweitig nicht beherrschbarer Riesenzelltumoren der Sehnenscheide vom diffusen Typ evaluiert [6, 26]. Darüber hinaus bestehen Ansätze, Inhibitoren zu entwickeln, welche eine optimale Hemmwirkung auf den CSF-1-Rezeptor (CSF-1R) ausüben [26].

Bisher kein Benefit histologiespezifischer Chemotherapien

Darüber hinaus existieren Ansätze, histologiespezifische neoadjuvante Chemotherapien bei „high-grade“ Weichteilsarkomen zu verabreichen. Diese Idee fußt auf der Beobachtung, dass die Gabe des ursprünglich aus Meereslebewesen gewonnenen Chemotherapeutikums Trabectedin (Yondelis®, PharmaMar, Madrid, Spanien) in der Subgruppe der myxoiden Liposarkome, verglichen mit anderen Entitäten, ein besonders gutes Ansprechen gezeigt hat [3, 6]. Erste Ergebnisse einer randomisierten multizentrischen Studie lassen bislang für die Mehrzahl der untersuchten histologischen Subtypen jedoch keinen Benefit solcher „individualisierten“ Chemotherapien gegenüber Standardchemotherapien bei Weichteilsarkomen erkennen [6, 11]. Trabectedin lieferte bei myxoiden Liposarkomen zumindest äquivalente Ergebnisse, jedoch keinen eindeutigen Benefit [6, 11]. Wenngleich diese Studie einige Limitationen aufweist, wie beispielsweise ein vergleichsweise kurzes Follow-up, hat sie die Erwartungen an „personalisierte Chemotherapien“ jedenfalls merklich gedämpft [11]. Ebenso wenig konnten Kombinationstherapien von Chemotherapeutika und Kinaseinhibitoren die in sie gesetzten Erwartungen bislang erfüllen: die Kombination von Olaratumab (Lartruvo®, Eli Lilly, Indianapolis, IN, USA; ein gegen PDGFRα gerichteter monoklonaler Antikörper) mit dem Chemotherapeutikum Doxorubicin zeigte initial in einer Phase-II-Studie ein verbessertes Gesamtüberleben [6, 28]. Eine konsekutive Phase-III-Studie konnte diese Ergebnisse jedoch nicht bestätigen, sodass die weitere Entwicklung dieses Antikörpers seitens des Pharmaunternehmens gestoppt wurde [2].

Ausblick

Die angeführten Beispiele illustrieren vielversprechende Ansätze zum Einsatz personalisierter Therapeutika bei Tumoren des Stütz- und Bewegungsapparates. Dem stehen ernüchternde Ergebnisse großer, randomisierter Studien gegenüber, welche Hoffnungen in histologiespezifische Chemotherapien oder synergistische Effekte von Chemotherapeutika und Rezeptorblockern vorerst nicht erfüllen konnten. Es wird zunehmend klarer, dass die Tumorentstehung ein komplexer Mechanismus ist, welchen man nicht mit der Hemmung eines einzelnen Targets nachhaltig und vollständig unterbinden kann [5, 21]. Dazu kommt, dass viele der zur Tumorentstehung führenden Mechanismen noch nicht abschließend geklärt sind. Nachgewiesene genetische Veränderung stellen oft nur die Spitze des Eisberges dar, den es tiefgehender zu ergründen gilt, um daraus Therapieansätze ableiten zu können [5, 19, 21]. Intratumorale Heterogenitäten, Tumorplastizität und die Entwicklung von Resistenzmechanismen bedingen darüber hinaus, dass die Wirkung personalisierter Therapeutika meist nur auf wenige Monate beschränkt ist [5]. Darüber hinaus sind die Nebenwirkungen, insbesondere von Multikinaseinhibitoren, oft nicht unerheblich [13], und die Behandlungskosten hoch. Dennoch haben die vergangenen Jahre viele neue Ansätze erbracht, und unser Verständnis von Tumorentstehung und -subklassifizierung nachhaltig verändert [19, 20].

Viele der zur Tumorentstehung führenden Mechanismen sind noch nicht abschließend geklärt

Spezielle Forschungsansätze und Studiendesigns, wie beispielsweise Basket-Studien (englisch „trials“) tragen diesem Umstand bereits Rechnung. Sie untersuchen das Ansprechen unterschiedlicher Erkrankungen, welche dieselbe genetische Veränderung aufweisen, auf ein gegen diese genetische Veränderung gerichtetes Medikament [19]. Dadurch können auch ultraseltene Erkrankungen, wie Sarkome und ihre Subgruppen, in diese Studien eingeschleust und neuen Behandlungen zugänglich gemacht werden.

Wenngleich wir von der Ehrlich-Version eines „Magic Bullet“ noch weit entfernt sind, stehen wir inmitten einer Entwicklung, welche das Potenzial hat, unser Krankheitsverständnis sowie die Behandlungsmöglichkeiten von Sarkomen nachhaltig zu verändern.

Fazit für die Praxis

  • Die Molekularpathologie ist fixer Bestandteil der Routinediagnostik von Tumoren des Stütz- und Bewegungsapparates.

  • Für Knochensarkome existieren noch keine routinemäßig einsetzbaren personalisierten Therapeutika. Denosumab ist als symptomatische Behandlung von Riesenzelltumoren zu werten.

  • Tyrosinkinaseinhibitoren (z. B. Imatinib, Pazopanib, Sorafenib oder Larotrectinib) und monoklonale Antikörper (z. B. Bevacizumab) werden in der Therapie von Tumoren des Stütz- und Bewegungsapparates, insbesondere der Weichteile, evaluiert.

  • Große, randomisierte Studien konnten Erwartungen in histologiespezifische Chemotherapien bzw. synergistische Effekte von Chemotherapeutika und Rezeptorblockern vorerst nicht erfüllen.

  • Ein besseres Verständnis der Auswirkungen molekularpathologischer Veränderungen ist nötig, um treffsichere Behandlungen entwickeln zu können.

  • Klinische Studienansätze müssen effizienter werden und der zunehmenden Subtypisierung von Sarkomen Rechnung tragen.