Liebe Kolleginnen und Kollegen,

Das Phänomen der Transition von einem Geschlecht in ein anderes und die Varianten der Geschlechtsdifferenzierung sind kein neuzeitliches Phänomen. Neu ist allerdings eine veränderte öffentliche Wahrnehmung und damit verbunden auch eine zunehmende Nachfrage nach professioneller psycho-/somatischer Begleitung und Therapie. Hieraus leiten sich die Notwendigkeit nach einer strukturierten Fort- und Weiterbildung sowie die Festlegung von Standards in der Diagnostik und Behandlung ab.

Der ärztliche Auftrag in der Beratung, Behandlung und Begleitung genderdysphorischer Menschen besteht darin, diese in ihrer eigenen Geschlechtsidentität zu bestärken. Im Vordergrund steht eine psychotherapeutische Begleitung. Diese hat zum Ziel, die (neue) Geschlechtsrolle herauszuarbeiten und die verschiedenen Möglichkeiten, diese Geschlechtsidentität auszudrücken, sowie personale und soziale Resilienz zu stärken.

In dem Beitrag von Nieder und Strauß werden die Neuerungen in der Diagnostik und Beratung von Menschen mit Geschlechtsdysphorie zusammengefasst, die in einer evidenzbasierten Leitlinie erstmalig auf S3-Niveau erarbeitet wurden.

In der Genderchirurgie sind solche evidenzbasierten Standards noch nicht erreicht. Mit der Gründung des DGU-Arbeitskreises „Geschlechtsinkongruenz“, der inhaltlich und personell eng mit dem entsprechenden Arbeitskreis der Deutschen Gesellschaft für Plastische, Rekonstruktive und Ästhetische Chirurgie (DGPRÄC) zusammenarbeitet, ist ein wichtiger erster Schritt in diese Richtung gegangen. Unter gemeinsamer Federführung entsteht derzeit eine S2K-Leitlinie zu den chirurgischen Aspekten in der Behandlung von Menschen mit Geschlechtsdysphorie. Aus dieser Arbeitsgruppe gehen die Beiträge zu den chirurgischen Möglichkeiten der maskulinisierenden und feminisierenden genitalangleichenden Operation hervor, die den aktuellen Expertenkonsens abbilden.

Liedl et al. geben in ihrer Arbeit einen guten Einblick in die Technik der Klitorispenoidbildung vor dem Hintergrund von Langzeitergebnissen im Literaturvergleich bei Frau-zu-Mann-Transidenten. Darauf aufbauend gehen Sohn et al. auf die aktuellen Verfahren der Phalloplastik mit und ohne Urethraplastik sowie der Schwellkörperprothetik und den möglichen Komplikationen ein. Heß und Bohr widmen sich den Möglichkeiten der Scheidenaufbauplastik inklusive der Anlage einer intestinalen Vaginoplastik bei Mann-zu-Frau-transidenten Menschen.

Schlussendlich beleuchtet Krege die Situation von Menschen mit einer Variante der Geschlechtsentwicklung, die in unserer auch heute noch binär ausgerichteten Gesellschaft eine Sonderstellung einnehmen. In den letzten Jahren ist es zu einem gesellschaftlichen und medizinischen Umdenken gekommen, das das Selbstbestimmungsrecht des Kindes in den Mittelpunkt stellen will. Aktuell wird ein bereits vorliegender Gesetzesentwurf zum Verbot geschlechtsmodifizierender Eingriffe beim nicht-einwilligungsfähigen Kind kontrovers diskutiert.

Liebe Kolleginnen und Kollegen, wir hoffen, für Sie eine spannende Auswahl getroffen zu haben und wünschen Ihnen viel Freude beim Lesen der folgenden Artikel.