FormalPara Leserbrief zu

Schwarz S, Jenetzky E, Krafft H et al (2021) Coronakinderstudien „Co-Ki“: erste Ergebnisse eines deutschlandweiten Registers zur Mund-Nasen-Bedeckung (Maske) bei Kindern. Monatsschr Kinderheilkd 169:353–365. https://doi.org/10.1007/s00112-021-01133-9

FormalPara Erwiderung

Martin D (2021) Sinn des Co-Ki-Registers: subjektiven Beschwerden von Eltern, Ärzt:innen und Lehrer:innen Gehör verschaffen. Monatsschr Kinderheilkd. https://doi.org/10.1007/s00112-021-01307-5

Der Einfluss der Pandemie und ihrer vielfältigen Beschränkungen für Kinder und Jugendliche ist ein öffentliches kontrovers diskutiertes, politisches Thema, das uns Pädiater in besonderer Weise betrifft. Insoweit sind Forschungsarbeiten in dieser Thematik wichtig, um zur Versachlichung der oft emotional geführten öffentlichen Debatte beizutragen. Mit großem Interesse haben wir daher Ihren Artikel gelesen, in dem Sie über eine Online-Erhebung zu Erfahrungen mit Masketragen bei Kindern berichten. Allerdings müssen wir schwerwiegende methodische Einschränkungen konstatieren, die die Aussage der Studie deutlich relativieren bzw. infrage stellen.

Die Beeinträchtigung der Lebenswirklichkeit und -qualität durch die Pandemie, inklusive der politischen Entscheidungen zu ihrer Eindämmung, sind so vielfältig wie ihre Ursachen. Eingeschränkter Bildungszugang bis zu Kita- und Schulschließungen, Beschränkung sozialer Kontakte, Isolation in den Familien mit entsprechender Beanspruchung und teils Überforderung innerfamiliärer Ressourcen führen zu einer Reihe von psychosomatischen und auch psychischen Problemen, wie in der COPSY-Studie auch in der zweiten Welle bestätigt wurde [1]. Die Fokussierung dieser Studie auf das Tragen von Masken und die gezielte Abfrage ausschließlich zu möglichen Effekten dieses Einzelfaktors führen unweigerlich dazu, dass zumindest ein großer Anteil der Befragten ihre Beschwerden diesem Faktor auch zuordnen. Die Art der Erhebung insinuiert somit von Beginn an einen möglichen kausalen Zusammenhang zwischen Symptom und Masketragen, und das in einer durch die Coronapandemie in vielen Aspekten veränderten Lebenswelt der Kinder.

In der COPSY-Studie sind fragebogenbasiert die subjektiv empfundenen Auswirkungen der Pandemie auf Kinder und Jugendliche ohne Differenzierung der einzelnen ursächlichen Faktoren querschnittsmäßig in einer für die Bevölkerung repräsentativen Gruppe untersucht worden. Ein Teil der Beschwerdekomplexe ist nahezu identisch (Kopfschmerzen, Irritabilität, Bauchschmerzen, Niedergeschlagenheit) mit denjenigen, die in der vorliegenden Studie beschrieben werden (Kopfschmerzen, geringere Konzentrationsfähigkeit, weniger Fröhlichkeit, Unwohlsein). Auch das ist ein Hinweis, dass der/die Befragte keine Differenzierung der Ursache der Beschwerden vornimmt, sondern sie dem explizit abgefragten Einzelfaktor Masketragen zuordnet.

Im Gegensatz zur COPSY-Studie wird hier ein fragebogenbasiertes Register benutzt, in dem „Beobachtungen zu den Auswirkungen des Tragens einer Maske bei Kindern und Jugendlichen eingetragen werden können“. Damit sind die Daten weder repräsentativ noch kontrolliert. Die Autoren konstatieren selbst einen massiven Bias: „Fast alle Teilnehmer bewerten die Maßnahmen der Politik als unangemessen, nicht nachvollziehbar und undifferenziert“. Dieser Bias ergibt sich aber letztlich aus zwei Faktoren: Zum einen ist bei der Rekrutierung der Teilnehmenden zu erwarten, dass insbesondere solche teilnehmen, die dem Masketragen einen schädlichen Effekt zumessen. Zum anderen geben bereits die Betitelung der Studie und der Online-Erhebung einen Trend vor.

Auch ist der Bezug auf das Register der Nebenwirkungen von Arzneimitteln am Paul-Ehrlich-Institut (www.nebenwirkungen.pei.de) nicht nachvollziehbar – im Nebenwirkungsregister des PEI werden somatisch fassbare Nebenwirkungen einer umschriebenen oder einmaligen Medikamentengabe oder eines Impfstoffs erfasst, hier werden dagegen subjektive Angaben in einer chronischen Bedingung erfragt.

Wir möchten noch einzelne andere Aspekte aufgreifen. Auf S. 362 wird die Frage CO2-Retention unter der Maske aufgegriffen. Es ist richtig, dass es dazu keine Studien bei Kindern gibt, wohl aber bei Erwachsenen, die keine Hinweise auf CO2-Retention zeigen [2]. In der Diskussion wird auf eine mögliche pathophysiologische Hypothese, warum bei Kindern diese Effekte anders, sogar schwerwiegender sein sollten, nicht eingegangen. Evidenz hierzu wird auch nicht vorgelegt. Die Ausführungen zur Alltagsmaske sind spekulativ, da diese Masken keinerlei Standardisierung unterliegen. Öffentlich sind 2‑ bis 3‑lagige Baumwollmasken empfohlen worden, unter denen eher kein deutlich erhöhter Atemwegswiderstand zu erwarten ist. Wir verweisen in diesem Zusammenhang auf die Fachinformationen der Deutschen Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin (DGKJ) zum Masketragen [3].

In der AWMF-Leitlinie „Maßnahmen zur Prävention und Kontrolle der SARS-CoV-2-Übertragung in Schulen – Lebende Leitlinie“ [4] ist u. a. auch eine evidenzgeprüfte Nutzen-Risiko-Bewertung durchgeführt worden, mit der Bewertung: „Mit Masketragen gehen geringe gesundheitliche Nebenwirkungen einher. Es gibt keine Evidenz für mögliche Schäden durch Tragen einer Maske … Nach Einschätzung der Expert*innen überwiegt der Nutzen von Maskentragen bei Schüler*innen, Lehrer*innen und Schulpersonal. Im Bündel mit weiteren Maßnahmen verringert Maskentragen das Infektionsrisiko in Schulen.“ Dieser Schlussfolgerung schließen wir uns uneingeschränkt an.