Hintergrund und Fragestellung

Einseitige Erkrankungen der Kieferhöhle sind vorwiegend entzündlicher Genese. Häufige Differenzialdiagnosen wie die dentogene Sinusitis, der Pilzball, Antrochoanalpolyp oder das invertierte Papillom werden in anderen Beiträgen in diesem Heft behandelt. Seltene Differenzialdiagnosen sind das Silent-Sinus-Syndrom (SSS), das organisierte Hämatom (OH) und der Pneumosinus dilatans (PD). Aufgrund der Seltenheit fehlen verlässliche Angaben zur Inzidenz. Die Seltenheit führt einerseits zu einer verzögerten Diagnostik. Gleichzeitig kommt es häufig zu einem „Zuviel“ an Diagnostik. Sowohl eine verzögerte als auch eine überschießende Therapie, z. B. wegen des Verdachts auf ein malignes Geschehen im Fall des OH, kann eine erhöhte Morbidität bei den Patienten zur Folge haben.

Silent-Sinus-Syndrom

Der Begriff des SSS wurde 1994 von Soparkar eingeführt [26]. Es handelt sich um eine üblicherweise einseitige Erkrankung der Kieferhöhle, die mit einer Volumenverkleinerung, einem Enophthalmus und Bulbustiefstand einhergeht [4]. In der neueren Literatur wird das SSS auch als Grad III einer Kieferhöhlenatelektase bezeichnet [9]. Sinunasale Beschwerden bestehen i. d. R. nicht, gelegentlich klagen die Patienten über ein Druckgefühl im Oberkiefer [5, 31]. Es werden sekundäre Fälle nach chronischer Rhinosinusitis, Mittelgesichtstraumata und Orbitadekompression beschrieben. Augenbeweglichkeit und Sehfunktion sind nicht beeinträchtigt. Aufgrund der langsamen Entstehung kommt es nur selten zu Doppelbildern.

Als Ursache wird eine Obstruktion des Belüftungs- und Drainagewegs der Kieferhöhle angesehen, die zum Unterdruck mit zunehmender Einziehung der Kieferhöhlenwände und einer Sekretansammlung führt [3, 8, 19, 22]. Eine primäre Hypoplasie des Sinus maxillaris als Ursache konnte widerlegt werden, da Fälle veröffentlicht wurden, bei denen vor Diagnosestellung normale Computertomographie(CT)-Befunde vorlagen [8, 11, 12].

Endoskopisch zeigt sich ein erweiterter mittlerer Nasengang bei stark retrahiertem Processus uncinatus, der der Orbita eng anliegt.

Die CT zeigt die deutlich verkleinerte Kieferhöhle mit einer Retraktion aller Wände, was zur Kaudalverlagerung des Orbitabodens und zur Volumenvergrößerung der Orbita führt. Die Kieferhöhle ist vollständig und homogen verschattet, in einigen Fällen zeigt sich eine Restbelüftung und in einzelnen Fällen eine regelrechte Belüftung [5, 14, 17, 23]. Die Magnetresonanztomographie (MRT) zeigt das typische Muster einer Sekretretention; in der T1-Wichtung ein homogenes isointenses Signal mit wandständiger Schleimhaut, die sich nach Kontrastmittel(KM)-Gabe angereichert darstellt, in der T2-Wichtung ist das Signal hyperintens.

Die Therapie besteht in der Wiederherstellung von Belüftung und Drainage über eine endoskopische Uncinektomie und Kieferhöhlenfensterung Typ 2–3 [30]. Nach Eröffnung der Kieferhöhle findet sich üblicherweise eine normale oder allenfalls gering verdickte Schleimhaut sowie weißliches Sekret. Die gleichzeitige Korrektur des Volumens der Orbita wird kontrovers diskutiert, da Fälle eines spontanen Rückgangs des Enophthalmus beschrieben wurden [4, 11, 22, 27]. Deshalb wird derzeit eher empfohlen, zunächst das Ausmaß einer spontanen Rückbildung von Enophthalmus und Bulbustiefstand etwa ein Jahr zu beobachten und ggf. sekundär zu rekonstruieren [24, 27, 30]. Die Rekonstruktion des Orbitabodens ist mit alloplastischen und autologen Materialien analog zur Reposition einer Orbitabodenfraktur möglich [3, 27].

Organisiertes Hämatom

Das OH der Kieferhöhle entsteht durch eine Blutung mit Koagel‑/Hämatombildung, die einen lokal expansiven und aggressiven Verlauf nimmt. Es kommt mit der Zeit zu einer Organisation des Hämatoms mit Fibrose und Neovaskularisation. Das Hämatom destruiert teilweise tumorartig die Wände der Kieferhöhle und dehnt sich unscharf ins vordere Siebbein aus [15, 18, 20].

Als Ursache werden Gerinnungsstörungen, die Einnahme von die Blutgerinnung hemmenden Medikamenten, kleine Hämangiome, Traumata und spontane Gefäßrupturen diskutiert [7, 15]. Offensichtlich überfordert das Ausmaß der eintretenden Blutung die Kapazität der mukoziliären Clearance, sodass es zur raumfordernden Wirkung kommt mit Ausbildung einer fibrösen Kapsel. Diese verhindert die Absorption des Hämatoms. Möglicherweise könnte neben der überforderten mukoziliären Clearance auch ein verhältnismäßig kleines Ostium für den schlechten Abfluss mitverantwortlich sein. Eine wiederholte Blutung kann die weitere Expansion und Knochendestruktion erklären [16, 18].

Die Patienten stellen sich nach stattgehabter Epistaxis, mit einer (zunehmenden) Wangenschwellung und einer Nasenatmungsbehinderung vor. Weitere Symptome können rezidivierende Epistaxis, Schmerzen im Wangenbereich, ein Exophthalmus und ein Taubheitsgefühl im Bereich des N. infraorbitalis (NV2) sein [7, 15, 16, 18, 20, 25].

Endoskopisch zeigt sich eine z. T. schlecht abgrenzbare Gewebsvermehrung im mittleren Nasengang und der Nasenhöhle, die fibrinös bedeckt ist und teils rötliche Granulation und ödematöse Zonen aufweist. Weitere Befunde sind eine polypöse Schleimhautschwellung und eine Vorwölbung der lateralen Nasenwand [7, 18].

In der nativen CT zeigen sich eine iso- bis hyperdense Gewebsmasse, die nach KM-Gabe inhomogen stark KM aufnimmt, und unscharf definierte Knochenarrosionen, die alle Wände umfassen können. In einigen Fällen zeigt sich die knöcherne Begrenzung der Kieferhöhle intakt. In der MRT sieht man eine gut abgrenzbare inhomogene Gewebsformation im T1- (isointens mit einzelnen hyperintensen Arealen) und T2-Bild (hypointense und hyperintense Areale), die sich nach KM-Gabe weiter kontrastiert. Es zeigt sich häufig ein hypointenser Randsaum in der T2-Wichtung [7, 15, 20, 25]. In den meisten Fällen findet sich in der Bildgebung ein expansives Wachstum mit Ausdehnung in die Nasenhaupthöhle bis zur Choane. Die sich in der Bildgebung teils irregulär und fingerförmig darstellende Ausdehnung der Raumforderung lässt ein scheinbar lokal aggressives Wachstum mit Infiltration des Siebbeins, der Orbita, der Fossa pterygopalatina und infratemporalis, der Wange oder des harten Gaumens vermuten.

Die Diagnose wird meist erst intraoperativ in Verbindung mit der histologischen Untersuchung gestellt. Häufig besteht präoperativ der Verdacht auf einen bösartigen Tumor.

Grundsätzlich sollte bei jedem Patienten mit dem klinischem Verdacht auf ein sinunasales Malignom eine Bildgebung (z. B. MRT oder CT mit KM) und eine Probenahme erfolgen, um die Therapie optimal planen zu können. Wenn die Probenahme kein malignes Gewebe bzw. eine unklare Dignität ergibt, stellt sich die Frage des optimalen weiteren Vorgehens. Es hängt vom Einzelfall ab, ob nun zunächst weitere Staginguntersuchungen durchgeführt werden.

Beim OH kann die erste Probeentnahme (mit fehlendem Nachweis malignen Gewebes) nie den Verdacht auf ein (noch) dahinterliegendes malignes Geschehen entkräften. Wichtig ist, daran zu denken. Es wird daher empfohlen, die Diagnose über eine endonasale endoskopische Exploration zu sichern und einzeitig über diesen Zugang das Hämatom vollständig zu entfernen. Dazu ist eine entsprechende Aufklärung und Vorbereitung nötig. Wichtig ist, dass primär kein zu radikaler operativer Ansatz (Zugangsweg) gewählt wird, bevor die histologische Diagnose klar ist, da dieser im Nachhinein eine unnötig erhöhte Morbidität bedeuten würde. Regelhaft kommt es zu einer etwas stärkeren diffusen Blutung. Während ausreichend Gewebe zur intraoperativen Schnellschnittuntersicherung geschickt wird, kann zunächst über eine Kieferhöhlenfensterung Typ 3, ggf. mit einer Erweiterung nach anterior mit temporärer Verlagerung des Ductus nasolacrimalis (posteriorer translakrimaler Zugang), der Prozess schrittweise entfernt werden. Nach Erhalt der Schnellschnittdiagnose mit Ausschluss eines Malignoms wird die Entfernung komplettiert bzw. beendet.

Eine Übertherapie mit Resektion der gesunden nasalen Strukturen (Nasenmuscheln) kann so vermieden werden. Bei ansonsten unklarer Ursache sollte eine Blutgerinnungsstörung ausgeschlossen werden. Das Rezidivrisiko scheint gering [7, 16, 18, 20, 25].

Pneumosinus dilatans

Der PD ist charakterisiert durch eine Erweiterung der Kieferhöhle über ihre normalen Grenzen hinaus [1]. Meist ist eine einzelne Nasennebenhöhle betroffen, es können jedoch auch mehrere betroffen sein.

Die Patienten stellen sich üblicherweise aufgrund der zunehmenden äußeren Deformität vor, insbesondere einer Vorwölbung paranasal mit verstrichener Nasolabialfalte und unter dem Auge. Seltener treten Sehbeeinträchtigungen, ein Exophthalmus oder Schmerzen auf [1, 10, 28].

Die Ursache ist unklar. Es werden folgende pathophysiologische Mechanismen diskutiert [21]:

  • eine spontan drainierte Mukozele,

  • Dilatation aufgrund Gas bildender Mikroorganismen,

  • eine genetische Prädisposition mit hormonellem Trigger,

  • eine fibroossäre Dysregulation,

  • hormonelle Faktoren mit Störung der osteoblastischen und osteoklastischen Aktivität und

  • das Vorhandensein einer ventilartigen Stenose des Belüftungswegs, was die derzeit am meisten präferierte Erklärung ist. Aufgrund einer Obstruktion am natürlichen Kieferhöhlenostium gelangt nur Luft in die Kieferhöhle, durch einen Ventilmechanismus aber nicht mehr heraus. Über die Druckerhöhung kommt es zur knöchernen Deformität.

Endoskopisch zeigt sich ein unauffälliger Befund. In der CT sieht man die sich vorwölbenden Wände der Kieferhöhle, ggf. mit Ausdünnung derselben bei freier Belüftung.

Die Therapie besteht in der endoskopischen Schaffung einer suffizienten Drainage, üblicherweise über eine Uncinektomie und Kieferhöhlenfensterung Typ 2–3.

Die Deformität persistiert meist, weshalb eine frühzeitige Diagnose zur Vermeidung einer Zunahme wichtig ist. Alternativ sind Eingriffe am Mittelgesicht zur Korrektur nötig [6, 13].

Ziel dieser Arbeit ist es, sinnvolle und nachvollziehbare Kriterien für eine verbesserte Diagnosestellung und Therapie zu erarbeiten.

Methodik

Über eine EDV-basierte Recherche im Krankenhausarchiv wurden Patienten mit den Krankheitsbildern SSS, OH und PD ermittelt. Zur Suche wurden die ICD-10 J32.0 einseitige „chronische Sinusitis maxillaris“ bzw. D14.0 einseitige „gutartige Neubildung Nasennebenhöhlen“ verwendet. Eine spezifische Kodierung ist nicht verfügbar. Der Suchzeitraum umfasste stationäre Aufnahmen in der HNO-Klinik des Universitätsklinikums Marburg mit einem Aufnahmedatum im Zeitraum 01.01.2012–31.03.2014 und des Städtischen Klinikums Karlsruhe mit einem Aufnahmedatum im Zeitraum 01.04.2014–30.06.2019. Zusätzlich wurden die Operationsbücher aus den o. g. Jahren analysiert. Die Identifikation der Patienten sowie die weitere Datenerhebung stützt sich auf die archivierte und z. T. digitalisierte Patientenakte sowie die digital archivierten Untersuchungsbefunde. Aus den vorhandenen Daten wurden die Anamnese (Symptome, zeitlicher Ablauf), die durchgeführte Diagnostik (Endoskopie, CT, MRT) mit den jeweiligen Befunden und die durchgeführte Therapie zusammengetragen.

Sofern keine aussagekräftigen postoperativen Ergebnisse vorlagen, wurden die Patienten zu einer postoperativen Untersuchung einbestellt. Hierbei wurden Angaben zu postoperativen sinunasalen Symptomen (Schmerzen im Oberkiefer, Nasenatmungsbehinderung, vermehrte Nasensekretion, Trockenheitsgefühl/Verkrustung auf der operierten Seite), eingetretenen Komplikationen (Taubheitsgefühl im Bereich des NV2, Doppelbilder, Enophthalmus, Bulbustiefstand, Vorspringen des Oberkieferknochens/Jochbogens, Exophthalmus) und Veränderung einer ggf. präoperativ vorhandenen äußeren Deformität des Mittelgesichts erhoben. Ferner erfolgte die standardmäßige flexible Endoskopie der inneren Nase und Nasennebenhöhlen.

Ergebnisse

Die initiale ICD-10-Analyse (J32.0, D14.0) ergab eine Patientenzahl von 96 für das Jahr 2012, 52 für 2013, 31 für 2014, 70 für 2015, 76 für 2016, 67 für 2017, 52 für 2018 und 35 für 2019.

Nach weiterer Analyse der Patientenakten konnten 12 Patienten mit SSS, 3 Patienten mit PD und 3 Patient mit OH identifiziert werden, von denen 7 Patienten mit SSS, 3 Patienten mit PD und 2 Patienten mit OH in die endgültige Auswertung einbezogen werden konnten. Die übrigen Patienten hatten keine ausreichenden postoperativen Daten und standen für eine postoperative Kontrolluntersuchung nicht zur Verfügung.

Das durchschnittliche Patientenalter lag bei 41 (SSS), 27,7 (PD) und 52 (OH) Jahren. Das Follow-up betrug im Mittel 35,5 Monate ± 23,1 (Min. 7 – Max. 72 Monate). Der Zeitraum zwischen Beginn der Symptomatik und der Diagnose und die präoperativen Beschwerden und endoskopischen Befunde, sofern in der Akte dokumentiert, sind in Tab. 1 zusammengefasst. Die Tab. 2 zeigt die postoperativen endoskopischen Befunde und die Veränderung der äußeren Deformität.

Tab. 1 Beschwerden und Befunde präoperativ
Tab. 2 Veränderung der äußeren Deformität zu präoperativ (1 = Zunahme, 2 = gleich geblieben, 3 = Abnahme, 4 = völlige Rückbildung) und Endoskopiebefund postoperativ (KH-Ostium mittlerer Nasengang offen: 0 = nein, 1 = klein [<50 % des Neoostiums], 2 = weit [>50 % des Neoostiums]; Kieferhöhle vollständig endoskopierbar: 0 = nein, 1 = ja)

Silent-Sinus-Syndrom

Bei allen Patienten handelte es sich um ein idiopathisches SSS. Bei allen Patienten, die präoperativ ein Druckgefühl über der Kieferhöhle angaben, war dieses postoperativ deutlich gebessert oder nicht mehr vorhanden. Vier Patienten klagten postoperativ über eine geringe bis mittelgradige Nasenatmungsbehinderung, welche bereits präoperativ bestand. Zwei Patienten gaben eine geringe bzw. starke Sekretion und 3 Patienten eine geringe, mittelgradige und starke Trockenheit bzw. Verkrustung an. Fünf Patienten zeigten postoperativ einen geringgradigen Enophthalmus und 4 einen geringgradigen Bulbustiefstand. Im Vergleich zum präoperativen Befund zeigte sich bei 2 Patienten eine Abnahme des Enophthalmus, bei den übrigen Patienten war dieser unverändert, in keinem der Fälle kam es zu einer Zunahme.

Pneumosinus dilatans

Eine Patientin gab in der Vorgeschichte eine Operation der Kieferhöhle über einen transoralen Zugang an. Nach dieser Operation kam es über Jahre zu zunehmenden Schmerzen im Oberkiefer und einer zunehmenden Deformität der Wange. Eine andere Patientin klagte über mehr als 4 akute Kieferhöhlenentzündungen im Jahr vor der Diagnosestellung. Der dritte Patient bemerkte lediglich die äußere Deformität.

Postoperativ kam es bei einer Patientin zu einer subjektiven leichten Zunahme der Gesichtsasymmetrie. Die beiden anderen Patienten waren bis auf gelegentlich leichte Schmerzen im Oberkiefer beschwerdefrei.

Organisiertes Hämatom

Beide Patienten nahmen zum Zeitpunkt der Diagnose keine Antikoagulanzien ein, jedoch war bei einem der Patienten aufgrund von Schmerzen bei Rheuma/Gicht eine regelmäßige Analgesie mit Ibuprofen notwendig. Aufgrund der aktuellen Corona-Pandemie haben wir auf die Untersuchung der beiden Patienten verzichtet, um sie bei Beschwerdefreiheit durch eine Krankenhausuntersuchung nicht unnötig zu gefährden. Beide Patienten wurden telefonisch hinsichtlich postoperativer sinunasaler Symptome und eingetretener Komplikationen befragt.

Beide Patienten waren postoperativ beschwerdefrei, es kam zu keinen Komplikationen.

Diskussion

Ziel der vorliegenden Arbeit war der Vergleich unseres Patientenguts mit der vorhandenen Literatur zur Erstellung diagnostischer Kriterien für 3 seltene Krankheitsbilder der Kieferhöhle. Diese sind in Tab. 3 zusammengefasst.

Tab. 3 Diagnostische Kriterien unter Berücksichtigung von Symptomen, Endoskopie und Bildgebung für SSS, OH und PD

Silent-Sinus-Syndrom

In der Literatur werden als Hauptbeschwerden meist ein Enophthalmus und Hypoglobus angegeben, die sich über Wochen und Monate entwickeln und in 98 % bzw. 50 % der Fälle beschrieben werden [5]. Interessant ist, dass der in allen Fällen bestehende Enophthalmus nur den wenigsten unserer Patienten bzw. deren Umfeld auffiel. Nur ein Patient aus unserem Kollektiv stellte sich frühzeitig aufgrund der Augenfehlstellung bei einem Augenarzt vor, der ihn schließlich zum HNO-Arzt überwies. Auch hinsichtlich sinunasaler Symptome unterscheiden sich unsere Patienten von den in der Literatur beschriebenen Fällen [3, 5]. 4 Patienten klagten präoperativ über Schmerzen über der Kieferhöhle oder der betroffenen Gesichtshälfte. Fast alle Patienten gaben eine Nasenatmungsbehinderung an, und 2 Patienten klagten über rezidivierende Sinusitiden. In der Literatur werden ähnliche Beschwerden i. d. R. nicht angegeben. Die Nasenatmungsbehinderung ist ein unspezifisches Symptom und kann nicht auf das SSS zurückgeführt werden.

Das typische Bild in der CT der Nasennebenhöhlen mit Verkleinerung der Kieferhöhle durch Retraktion aller Wände zeigt sich bei allen, eine Kaudalverlagerung des Orbitabodens, homogene Verschattung und Vergrößerung des Orbitavolumens bei den meisten Patienten in der Literatur [5, 14, 23]. Alle Patienten in unserer Studie zeigten in der CT die deutliche Verkleinerung des Kieferhöhlenvolumens mit mehr oder weniger stark ausgeprägter Kaudalverlagerung des Orbitabodens und einer vollständigen Verschattung der Kieferhöhle (Abb. 1a). Dies zeigte sich auch klinisch durch eine Retraktion des Proc. uncinatus (Abb. 1b). Ein Patient erhielt aufgrund von sinunasalen Beschwerden ein Jahr vor Diagnose des SSS eine CT der Nasennebenhöhlen. Hier zeigte sich eine vollständige Verschattung aller Nasennebenhöhlen rechts, jedoch ein normales Volumen der Kieferhöhle und der Orbita. In der CT des Folgejahres zeigten sich, bis auf die Kieferhöhle, alle Nasennebenhöhlen frei belüftet.

Abb. 1
figure 1

SSS links. a CT mit Retraktion aller Kieferhöhlenwände und homogener Verschattung (Pfeile Verlauf des retrahierten Proc. uncinatus). b Endoskopisches Bild mit Retraktion des Proc. uncinatus. PU Proc. uncinatus, BE Bulla ethmoidalis, UNM untere Nasenmuschel, MNM mittlere Nasenmuschel; nach lateraler Teilresektion des bullösen Anteils

Die präoperativen Beschwerden unserer Patienten, der Fall des Patienten mit 2 aufeinanderfolgenden CTs innerhalb eines Jahres und der postoperative Befund bei einem Teil der Patienten könnten Hinweise auf die Genese des SSS geben. Man würde erwarten, dass ein SSS ohne zugrunde liegende Schleimhauterkrankung nach Eröffnung der Kieferhöhle mit unauffälliger Schleimhaut ausheilt. Unsere Patienten zeigten jedoch häufig postoperativ bei offener Kieferhöhle ein z. T. deutliches Schleimhautödem mit z. T. purulenter Sekretion. Es scheint plausibel, dass es aufgrund einer zuvor bestehenden Sinusitis zur schrittweisen Ausbildung des SSS kam. Die chronische Sinusitis (maxillaris) persistierte jedoch postoperativ und war im Rahmen der Nachuntersuchung endoskopisch sichtbar. Zudem verursachte sie Beschwerden, die eine medikamentöse Therapie verlangten. Wir schlussfolgern hieraus, dass nach operativer Therapie eines SSS eine systematische klinische und endoskopische Kontrolle bis zu einem Jahr postoperativ erfolgen sollte, auch um eine behandlungsbedürftige chronische Rhinosinusitis zu erkennen bzw. auszuschließen.

Wir empfehlen eine operative Therapie eines SSS auch beim Fehlen von Beschwerden, da eine ggf. auch rasche Zunahme mit äußerer Deformität immer möglich ist. Dass dies innerhalb verhältnismäßig kurzer Zeit auftreten kann, zeigt unser Fall, in dem sich das SSS mit ausgeprägtem Enophthalmus innerhalb eines Jahres entwickelte.

Organisiertes Hämatom

In der Literatur finden sich zum OH nur wenige Fallberichte oder Studien mit kleinen Fallzahlen. Die größte Fallserie von Pang mit 84 Patienten über einen Zeitraum von 10 Jahren zeigt, dass die meisten Patienten (71,4 %) durch rezidivierende Epistaxis und eine Nasenatmungsbehinderung (60 %) auffallen. Dies trifft auch auf unsere Patienten zu. Wangenschmerzen, Kopfschmerzen, Epiphora und Exophthalmus sind weitere Symptome. Die Symptomdauer variierte stark von Stunden bis Jahre (Median 18 Monate). 15,5 % der Patienten nahmen ASS ein, 7 % hatten eine Leberzirrhose [20]. Ähnliche Ergebnisse zeigten sich auch bei Choi in einer Fallserie mit 17 Patienten und einem Review von 75 Fällen aus der Literatur [7]. Hier zeigte sich jedoch eine kürzere Symptomdauer von im Durchschnitt einem Monat. Bei unseren beiden Fällen betrug diese 8 bzw. 12 Wochen und liegt somit zwischen den Ergebnissen der beiden Studien. 41 % der eigenen Patienten von Choi nahmen Gerinnungshemmer ein, jedoch nur 4 % der Fälle aus der Literatur. Unsere Patienten waren nicht antikoaguliert.

Endoskopisch zeigt sich meist eine umschriebene Raumforderung mit gelb-bräunlicher Farbe und hämorrhagischen Zonen im mittleren Nasengang, die bei Berührung leicht blutet, oder eine Polyposis nasi [2, 20]. Beide Patienten in unserer Untersuchung zeigten endonasal Granulations- und polypöses Gewebe sowie Fibrin (Abb. 2d).

Abb. 2
figure 2

OH rechts. a MRT T1 ohne KM axial. b MRT T1 TSE mit KM koronar mit typisch inhomogener KM-Aufnahme (Pfeile Ausdehnung des OH, Asterisk untere Nasenmuschel). c CT ohne KM (Asterisk untere Nasenmuschel). d Endoskopisches Bild. OH organisiertes Hämatom, NS Nasenseptum, UNM untere Nasenmuschel, vorderer Ansatz

Unsere Patienten zeigen die typischen Befunde in der MRT mit heterogener Signalintensität und starker KM-Aufnahme, einem expansiven Wachstum mit Verdrängung der Kieferhöhlenwände und Ausdehnung in das Siebbein und die Wange. Der häufig beschriebene hypointense Randsaum konnte auch in den uns vorliegenden Bildern nachgewiesen werden (Abb. 2a, b). In der Serie von Choi und einer Serie mit 12 Patienten von Kim finden sich entsprechende Ergebnisse in der MRT und CT [7, 15]. In der CT zeigt sich eine schlecht abgegrenzte Raumforderung mit inhomogener KM-Anreicherung und eine Ausdünnung der Kieferhöhlenwand (82,1 % der Fälle) mit glatt begrenzter Knochendestruktion im Knochenfenster als Zeichen des expansiven Wachstums bei 70,2 % der Patienten. Im Gegensatz dazu zeigt sich bei Choi nur bei 38,7 % der Patienten aus der Literatur und bei 41 % der eigenen Patienten eine Knochendestruktion. Bei einer Patientin aus unserem Kollektiv lag eine CT vor, in der sich eine Destruktion der medialen Kieferhöhlenwand zeigte (Abb. 2c).

Zeigt sich eine Knochendestruktion in der CT, sollte eine MRT durchgeführt werden. In Abgrenzung zu einem Malignom zeigt sich typischerweise eine gut abgrenzbare Raumforderung mit hypointensem Randsaum und inhomogenem Binnenmuster in der T2-Wichtung. Eine sichere Differenzierung ist jedoch nicht möglich. Wichtig ist, dass an die Differenzialdiagnose eines OH gedacht wird.

Pneumosinus dilatans

Seit der Erstbeschreibung des PD wurden bisher lediglich Fallberichte und Fallserien mit z. T. sehr geringen Patientenzahlen veröffentlicht. Hinzu kommt, dass der PD des Sinus maxillaris seltener vorzukommen scheint als ein PD der Stirn- oder Keilbeinhöhle. In 2 Reviews mit Zusammenfassung von 123 bzw. 134 Fällen eines PD verschiedener Nasennebenhöhlen zeigte sich der Sinus maxillaris in 20 bzw. 19 % der Fälle betroffen [10, 21].

Alle 3 Patienten mit PD stellten sich aufgrund einer zunehmenden Gesichtsasymmetrie mit Hervortreten des Margo inferior der Orbita oder des Nasenabhangs vor. Lediglich eine Patientin gab rezidivierende Kieferhöhlenentzündungen im Jahr vor der Diagnose an. In einem Review über 29 Fälle eines PD der Kieferhöhle stellten sich 55 % der Patienten mit einer Gesichtsschwellung vor, 45 % mit einem Exophthalmus und 28 % mit Gesichtsschmerzen [1]. Alle 4 Patienten einer weiteren Analyse eines PD des Sinus maxillaris waren bis auf eine kosmetische Deformität der Wange asymptomatisch [6].

In der CT zeigt sich typischerweise eine Vergrößerung der Kieferhöhle über die normalen anatomischen Grenzen hinaus mit oder ohne Ausdünnung der Knochenwände. Dies wird in der Literatur kontrovers diskutiert, da nach Urken et al. der PD im Gegensatz zur Pneumozele durch das Fehlen der Ausdünnung des Knochens definiert ist [29]. Eine Ausdünnung des Knochens zeigt sich in 39 % der in der Literatur beschriebenen Fälle [1]. Unsere Patienten zeigten eine Vergrößerung des Kieferhöhlenvolumens ohne knöcherne Ausdünnung (Abb. 3a, b).

Abb. 3a,b
figure 3

PD rechts. CT axial (a) und sagittal (b) mit Ausdehnung der Kieferhöhle v. a. an der Vorderwand zwischen N. infraorbitalis und Recessus prälacrimalis

Das SSS und der PD sind seltene Erkrankungen der Kieferhöhle, die durch den unauffälligen endoskopischen Befund in Verbindung mit dem typischen Aspekt in der Bildgebung gut von anderen einseitigen Kieferhöhlenerkrankungen, wie dem Aspergillom oder der dentogenen Sinusitis, abgegrenzt werden können. Das OH zeichnet sich durch eine rezidivierende Epistaxis und eine malignomverdächtige Bildgebung aus, die sich in der Probeexzision nicht verifizieren lässt. Im CME-Artikel dieses Hefts folgen diagnostische Kriterien für weitere wichtige Erkrankungen der Kieferhöhle, die eine Abgrenzung zu den hier erläuterten Differenzialdiagnosen einseitiger Kieferhöhlenerkrankungen erlauben.

Fazit für die Praxis

Das SSS, das OH und der PD sind seltene Erkrankungen der Kieferhöhle, die aufgrund typischer klinischer Befunde und des typischen Bildes in der CT und MRT von anderen Differenzialdiagnosen einseitiger Kieferhöhlenerkrankungen abgegrenzt werden können. Während SSS und PD häufiger längere Zeit trotz typischer bildgebender und endoskopischer Befundkombination nicht diagnostiziert werden, besteht beim OH aufgrund der Ähnlichkeit mit einem Malignom das Risiko einer primär zu aggressiven Therapie. Durch eine zügige Einleitung der adäquaten Diagnostik und Therapie kann ein Fortschreiten der Erkrankung und eine unnötige Morbidität der Patienten zuverlässig verhindert werden.