Lernziele

Nach der Lektüre dieses Beitrags …

  • haben Sie einen Überblick über die wichtigsten multiresistenten Erreger (MRE) und mögliche Therapieregime gewonnen.

  • können Sie die Wirkung von β‑Lactamasen (BLM) als potenten Resistenzmechanismus gramnegativer Erreger beschreiben.

  • kennen Sie Substanzen, die im Rahmen der definitiven Therapie und als Eskalation eingesetzt werden können.

Einleitung

In der Behandlung schwerer Infektionen respektive der Sepsis sehen sich Intensivmediziner durch die steigende Zahl von Infektionen mit MRE zunehmend herausgefordert [1, 2, 3, 4]. Die Ursachen steigender Resistenzraten sind zwar multifaktoriell, der vermehrte (und v. a. der irrationale) Einsatz von Breitspektrumantibiotika stellt aber sicher einen wichtigen und durch geeignete Maßnahmen potenziell modifizierbaren Faktor dar. Schätzungen zufolge belaufen sich die MRE-assoziierten Todesfälle derzeit auf ca. 700.000 Todesfälle/Jahr. Die zuschreibbaren Todesfälle durch resistente Erreger könnten bis zum Jahr 2050 enorm ansteigen [5] und damit auch eine Gefahr für die globale Wirtschaftskraft sein [6].

Das Vorliegen resistenter Erreger ist längst kein Merkmal der nosokomialen Infektion mehr [7, 8, 9, 10] und macht den vermehrten Einsatz von Breitspektrumantibiotika auch bei vermeintlich ambulant erworbenen Infektionen immer häufiger notwendig. Der Trend kann z. B. anhand von Erregern mit Expression von BLM mit erweitertem Wirkspektrum („extended spectrum beta-lactamases“, ESBL), die bis vor wenigen Jahren praktisch ausschließlich als Erreger nosokomialer Infektionen auftraten, illustriert werden [7, 8, 11]. So sind beispielsweise in Indien bereits über 40 % der Bevölkerung mit ESBL kolonisiert [12]. In einer monozentrischen Studie aus Jena war jeder 8. Patient bereits bei Krankenhausaufnahme mit einem ESBL-bildenden Erreger kolonisiert [13]. Ein ähnliches Bild ergibt sich für Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE) der Spezies E. faecium, die zunehmend auch im ambulanten Bereich Relevanz erlangen [1].

Als Folge der zunehmenden Präsenz von MRE (auch im ambulanten Bereich) werden Breitspektrumantibiotika immer häufiger primär bei zunächst einmal unkomplizierten Infektionen eingesetzt [14, 15]. Dies führt, über kurz oder lang, zum Anstieg des Risikos eines Therapieversagens durch vermehrten Selektionsdruck und der zunehmenden Selektion (multi-)resistenter Erreger [15]. Der beschriebene Teufelskreis macht klar, dass fundierte Kenntnisse der relevanten MRE, ihrer Resistenzmechanismen sowie der rationalen Anwendung etablierter und neuer Antibiotika für die Intensivmedizin unerlässlich sind. Die Einführung von interprofessionellen Behandlungsteams (Antibiotic [ABS] oder Infectious Diseases Stewardships [IDS]) sind nicht nur in der Intensivmedizin zunehmend etabliert und steigern den Behandlungserfolg nachweislich [16].

Im Folgenden werden einige MRE und mögliche Therapieregime für die klinische Praxis aufgezeigt. Der Beitrag lässt eine detaillierte Beschreibung aller Erreger nicht zu, weshalb nur auf 2 relevante Erreger des grampositiven Bereichs eingegangen wird, bevor dann eine ausführlichere Diskussion der großen Gruppe der gramnegativen Problemerreger (v. a. Enterobacterales-Spezies) folgt. Da β‑Lactamasen einen potenten Resistenzmechanismus gramnegativer Erreger darstellen, ein häufiger Grund eines Therapieversagens sind und im Zentrum der Entwicklung neuer Antibiotika stehen, werden wir diese potenten Waffen bakterieller Pathogene ausführlicher erörtert, bevor im letzten Teil Substanzen (zugelassen und teils noch in klinischer Prüfung/im Zulassungsverfahren befindlich) vorgestellt werden, die im Rahmen der definitiven Therapie und als Eskalation eingesetzt werden können.

Relevante grampositive multiresistente Erreger in der Intensivmedizin

Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus

Epidemiologie

Die Gesamtzahl nosokomialer Infektionen mit Methicillin-resistenten S. aureus (MRSA) in Deutschland ist in den letzten Jahren insgesamt rückläufig [4, 17]. Dennoch stellen Infektionen durch MRSA im Vergleich zu einer Infektion mit Methicillin-sensiblem S. aureus (MSSA) häufig ein Behandlungsproblem dar, das zu längerer Hospitalisation führt (43,9 % MRSA vs. 10,2 % MSSA; [18]) und mit einer möglicherweise höheren Patientensterblichkeit einhergeht (30 % vs. 21 %; [19]). Inwieweit diese höhere Sterblichkeit bei Patienten mit einer MRSA-Infektion aber allein durch den resistenten Erreger bedingt ist, wird weiterhin diskutiert. Im Vergleich zu Patienten mit MSSA-Infektionen zeigt die Mehrheit der Patienten mit einer MRSA-Infektion nämlich häufigere Komorbiditäten (Diabetes mellitus, Hämodialyse, Herzerkrankungen), die als relevante Confounder der Sterblichkeit in Studien auftreten [20] und somit, unabhängig von der Resistenz eines Pathogens, mit einer erhöhten Sterblichkeit vergesellschaftet sind.

Resistenzmechanismen

Die Resistenz von MRSA gegenüber β‑Lactam-Antibiotika beruht im Wesentlichen auf der Expression des Resistenzgens mecA (mehrere Varianten). Dieses codiert einen gegenüber β‑Lactam-Antibiotika unempfindlichen Subtyp (2A) des penicillinbindenden Proteins (PBP).

Therapieoptionen

Daher stehen zur Therapie von MRSA-Infektionen (Tab. 1) zunächst die (Lipo‑)Glykopeptide (z. B. Vancomycin, Teicoplanin und das neu eingeführte Telavancin) sowie das Oxazolidinon Linezolid als primäre Therapieoptionen zur Verfügung [21]. Andere neu zugelassene Präparate sind die Cephalosporine Ceftarolin und Ceftobiprol.

Tab. 1 Therapieoptionen bei Infektionen durch Methicillin-resistente Staphylokokken (MRSA)

Vancomycin.

Glykopeptide werden bei vielen MRSA-Infektionen als Therapie der Wahl angesehen. Ihr Wirkmechanismus beruht auf der Inhibition der Zellwandsynthese grampositiver Erreger, der auch bei MRSA perseveriert ist. Aufgrund ihrer Pharmakokinetik wirken Glykopeptide teilweise als zeitabhängige Antibiotika. Daher kommt für Vancomycin neben der klassischen Bolusapplikation (alle 12 h) auch die kontinuierliche Infusion der Substanz infrage. Eine initiale Bolusgabe („loading dose“, LD) ist in beiden Fällen notwendig und beträgt bei der intermittierenden Bolusgabe (IB) 15 mg/kgKG, während diese bei kontinuierlicher Applikation (CI) mit bis zu 35 mg/kgKG höher ist (Tab. 1).

Therapeutische (Tal‑)Spiegelmessungen sind zur Vermeidung toxischer Nebenwirkungen (Nephro- und Ototoxizität) und Dosierung unerlässlich. Aufgrund weitgehend fehlender Spiegelschwankungen und einem konstanten „Steady-state“-Spiegel (15–20 mg/l), könnte der antimikrobielle Effekt von Vancomycin durch CI höher und toxische Effekte niedriger sein [22, 23]. Die Nephrotoxizität wird mit 5–7 % angegeben. Allerdings kommt eine systematische Metaanalyse von Lodise et al. [24] zu dem Schluss, dass erhöhte Talspiegel (15–20 mg/l) und die Therapiedauer Prädiktoren der Vamcomycin-induzierten Nephrotoxizität (Anstieg der Serum-Kreatinin-Konzentration um 0,5 mg/dl oder >50 %iger Anstieg von der Ausgangsmessung in 2 konsekutiven Messungen) zu sein scheinen. Daher muss ebenfalls ein engmaschiges Nierenfunktion-Monitoring erfolgen. Insbesondere die Kombination von Vancomycin mit Piperacillin/Tazobactam scheint (im Gegensatz zur Kombination mit anderen β‑Lactamen) das Risiko von Nierenfunktionsstörungen deutlich zu erhöhen [25].

Teicoplanin.

Alternativ zu Vancomycin kann Teicoplanin verwendet werden. Am Tag 1 der Therapie wird mit 400 mg alle 12 h, in den Folgetagen in einer Dosierung von 6–12 mg/kgKG alle 24 h dosiert.

Linezolid.

Das Oxazolidinon Linezolid ist aktiv gegenüber den meisten grampositiven Kokken, einschließlich MRSA und VRE. Obwohl die Metaboliten hauptsächlich renal ausgeschieden werden, ist eine Adaptation bei Niereninsuffizienz nicht notwendig. Die fixe Dosierung beträgt 2‑mal 600 mg. Nebenwirkungen (Myelosuppression) und Interaktionen (z. B. mit Sympathikomimetika) sind vielfältig; vor allem Thrombopenien unter der Therapie sind gefürchtet.

Die Therapiedauer mit Linezolid ist daher auf 28 Tage begrenzt. Linezolid wird aufgrund seiner Anreicherungskinetik in der Alveolarflüssigkeit (ca. 4-fach höhere Anreicherung in der Alveolarflüssigkeit im Vergleich zum Plasma; [26, 27, 28]) und der guten Gewebepenetration im Vergleich zu Vancomycin häufig als das effektivere Präparat zur Behandlung von Pneumonien sowie „skin and soft tissue infections“ (SSTI) durch MRSA postuliert [27, 28]. Während dies für die SSTI zutrifft, werden beide Präparate zur Behandlung der Pneumonie als (gleichwertige) Alternativen genannt. [29].

Zu beachten ist, dass alle 3 Substanzen exklusiv das grampositive Erregerspektrum abdecken, was bei einem Risiko einer multimikrobiellen Infektion u. U. zu einer Kombinationstherapie mit β‑Lactamen oder Präparaten wie Fosfomycin führt (Tab. 1).

Tigecyclin.

Aus der Gruppe der Glycylcycline dient Tigecyclin v. a. zur Behandlung komplizierter intraabdomineller Infektionen. Sein Wirkspektrum umfasst neben den grampositiven Erregern auch relevante gramnegative Erreger der Gruppe der Enterobacterales (einschließlich ESBL), resistente A. baumannii, P. aeruginosa, Proteus-Spezies und andere.

Daptomycin.

Daptomycin (Gruppe der zyklischen Lipopeptide), das eine hervorragende Potenz gegenüber grampostiven Erregern (v. a. MRSA und VRE) zeigt, wird v. a. bei den durch MRSA verursachten Blutstrominfektionen/Bakteriämien (BSI) eingesetzt. Da es durch Surfactant inaktiviert wird, ist Daptomycin bei einer MRSA-Pneumonie strikt kontraindiziert [30]. Es soll angemerkt sein, dass Daptomycin in der Behandlung einer BSI als Hochdosistherapie erfolgen sollte (8–12 mg/kgKG). Cave: Eine In-vitro-Testung von Daptomycin ist v. a. bei vorheriger Therapie mit Vancomycin dringend angeraten, da die Vorbehandlung mit Vancomycin die minimale Hemmkonzentration (MHK) von Daptomycin beträchtlich erhöhen kann oder sogar Resistenz induziert. Des Weiteren sollten unter einer Therapie mit Daptomycin wiederholt Kontrollen der Kreatinkinase (CK) erfolgen, da Myopathien und Rhabdomyolysen unter Therapie auftreten können [31, 32].

Ältere Präparate.

Grundsätzlich ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass stabile, immunkompetente, ambulant behandelte Patienten (nach entsprechender mikrobiologischer Identifizierung) mit vermeintlich alten Präparaten wie Trimethoprim-Sulfamethoxazol, Clindamycin (Zellulitis) oder Fusidinsäure leitliniengerecht behandelt werden können und sollten. Allerdings beschränkt sich der Einsatz dieser Präparate primär auf ambulant erworbene MRSA-SSTI bzw. nach Vorliegen der Resistenztestung. Clindamycin kann darüber hinaus auch eine sinnvolle Ergänzung bei Infektionen durch S. aureus mit Nachweis des Panton-Valentin-Leukozidins (PVL) sein, da es durch Hemmung der intrazellulären Proteinbiosynthese den PVL-Toxinsturm effektiv blockiert [33]. Fosfomycin wird als Kombinationspartner zunehmend bei MRSA-Infektionen propagiert. Es ist zur Behandlung der meisten Organsysteme zugelassen und besitzt eine hervorragende Gewebepenetration.

Bei biofilmassoziierten Infektionen bzw. der Infektion von Implantaten/Prothesen sollte das antibiotische Regime durch Rifampicin erweitert werden [34]. Dies gilt im Übrigen auch für Infektionen durch MSSA [35]. Rifampicin interagiert mit dem Zytochrom-P450-System der Leber. So werden z. B. CYP-3A4 und CYP 2A/B/C induziert und damit Interaktionen mit einer Reihe von Medikamenten möglich. Beispielsweise kommt es bei gleichzeitiger Einnahme von Rifampicin zu einer Reduktion des Serumspiegels von Tacrolimus sowie von Reverse-Transkriptase- und Proteaseinhibitoren.

Da Rifampicin überwiegend hepatobiliär metabolisiert wird (Hauptmetabolit 25-Desacetyl-Rifampicin) kann es bei der Behandlung von Patienten mit eingeschränkter Leberfunktion zu einem Anstieg der Serumspiegel kommen. In dieser Situation ist ein engmaschiges Monitoring der Leberenzyme und der Rifampicin-Serum-Konzentration obligat. Auch bei schwerer MRSA-Pneumonie kann eine Kombination mit Rifampicin erfolgen.

Vancomycin-resistente Enterokokken

Epidemiologie

Aus der Gruppe der VRE ist in Deutschland v. a. die Spezies Enterococcus faecium klinisch relevant. Eine Abfrage der Antibiotika-Resistenz-Surveillance(ARS)-Datenbank des Robert Koch-Instituts zeigt zwischen 2008 und 2017 einen Anstieg Vancomycin-resistenter Isolate von 7,3 auf 16,8 % (www.ars.rki.de). Aus den Daten des Krankenhaus-Infektions-Surveillance-Systems (KISS) konnten Gastmeier et al. bereits 2014 einen dramatischen Anstieg von VRE-Infektionen (E. faecium) auf deutschen Intensivstationen nachweisen [1]. Zwischen 2007 und 2012 stieg die Rate nosokomialer, chirurgischer Infektionen von 0,8 auf 4,58 % (+526 %, p < 0,01) und die nosokomialen Blutstrominfektionen mit VRE im gleichen Zeitraum von 4,91 auf 12,99 % (+265 %, p < 0,01).

Resistenzmechanismen

Die Vancomycinresistenz ist auf den Van-Genen codiert. Für erworbene Resistenzen sind v. a. VanA, VanB und VanD verantwortlich, die chromosomal oder, im Fall von VanA und Van B, auch plasmidisch vorkommen können [36]. Weitere Van-Gene werden selten isoliert. VanC führt zur intrinsischen Resistenz (nichtinduzierbar). Von den 2 Vertretern E. faecium und E. faecalis vereint der Letztgenannte 60–95 % aller Infektionen und Besiedlungen auf sich (E. faecium ca. 5–40 %, [36]).

Therapieoptionen

Vancomycin-resistente Enterokokken besitzen im Kontext der Intensivmedizin v. a. Relevanz bei [30, 37]:

  • komplizierten intraabdominellen Infektionen („complicated intra-abdominal infection“, cIAI) und

  • BSI.

Die Therapie der VRE-Infektion ist der entsprechenden MRSA-Infektionen ähnlich (Tab. 2), da beide Erreger von praktisch den gleichen Antibiotika erfasst werden.

Komplizierte intraabdominelle Infektion.

Die VRE-cIAI wird primär mit Tigecyclin behandelt, da es ein breites (v. a. auch gramnegatives Spektrum) abdeckt. Alternativ kann Linezolid verwendet werden (u. U in Kombination mit gramnegativ-wirksamen Substanzen). Der Einsatz von Daptomycin ist bei der cIAI zwar möglich, allerdings nicht durch ausreichende Daten gestützt.

Tab. 2 Therapieoptionen bei Infektionen durch Vancomycin-resistente Enterokokken (VRE)

Blutstrominfektion/Bakteriämie.

Eine VRE-BSI sollte hingegen primär mit Daptomycin behandelt werden, auch wenn die vergleichende Datenlage zwischen Daptomycin und Linezolid schlecht ist und sich im Wesentlichen aus den Review-Artikeln und Metaanalysen [38, 39, 40, 41] weniger Studien rekrutiert. Die Kontroverse wird exemplarisch an 2 Studien deutlich: Balli et al. [39] zeigten in einer Metaanalyse, dass die Therapie mit Daptomycin (im Vergleich zu Linezolid) in den 10 inkludierten Studien (n = 967 Patienten) insgesamt mit einer höheren 30-Tage-Sterblicheit („adjusted odds ratio“ [aOR] 2,56; 95 %-Konfidenzintervall [95 %-KI] 1,29–5,08) und der höheren Rekurrenz einer VRE-Bakteriämie (aOR 2,52; 95 %-KI 0,94–6,72) assoziiert war. Dagegen kamen Britt et al. [38] im Rahmen einer retrospektiven Kohortenstudie zum Ergebnis einer niedrigeren Dreißigtagesterblichkeit unter Therapie mit Daptomycin (34 % vs. Linezolid 43 %; p = 0,014). Da Enterokokken im Vergleich zu Staphylokokken eine höhere MHK für Daptomycin besitzen, sollte zur Vermeidung einer schnellen Resistenzausbildung Daptomycin bei der BSI in einer höheren Dosierung angewandt werden (8–12 mg/kgKG, [42]). Auch die hohe Dosierung von Daptomycin scheint für Patienten sicher zu sein [43].

Eine primäre Kombination mit einem β‑Lactam (z. B. Ampicillin) scheint die Entstehung von De-novo-Resistenzen gegenüber Daptomycin zu verzögern bzw. primär bestehende Resistenzen zu durchbrechen. Wahrscheinlich kommt es durch Bindung von Ampicillin an seine Zielstruktur in der Zellwand (PBP) zu einer Ladungsverschiebung der Zellmembran, sodass Daptomycin wieder transmembranär eingelagert werden kann. Aufgrund der kurzen Verweildauer im Blut und der schnellen Gewebepenetration ist Tigecyclin zur Behandlung der VRE-Bakteriämie nicht geeignet.

Bei niereninsuffizienten Patienten mit einer Kreatinin-Clearance (CrCL) <30 ml/min ist das Dosierungsintervall auf 48 h zu erhöhen und die Nierenfunktion engmaschig zu kontrollieren. Eine weitere Therapiekomplikation kann ein Anstieg der Kreatinkinase (CK) bis hin zur Rhabdomyolyse und Myopathie unter der Therapie mit Daptomycin sein [31]. Regelmäßige CK-Kontrollen sind daher obligat und Zeichen einer Myolyse oder Myopathie müssen evaluiert werden. Die gleichzeitige Therapie mit Statinen scheinen Myopathie und Rhabdomyolyse zu begünstigen [44].

Relevante gramnegative multiresistente Erreger in der Intensivmedizin

Erregerspektrum

Neben den intensivmedizinisch relevanten grampositiven Erregern sind es v. a. gramnegative Spezies, die aufgrund von Resistenzen regelhaft schwere Infektionen auslösen, die auf einer Intensivstation behandelt werden müssen. Die von der WHO definierte Prioritätenliste der resistenten Erreger [45] wird angeführt von:

  • Acinetobacter baumannii,

  • Pseudomonas aeruginosa und

  • der Gruppe von gegenüber Carbapenemen und Cephalosporinen resistenten Enterobacterales-Gruppe (CRE und ESBL).

Andere für die Intensivmedizin relevante Pathogene nosokomialer Infektionen sind z. B. Klebsiella pneumoniae, Serratia-, Providencia-, Proteus-, Citrobacter- und Enterobacter-Spezies.

Resistenzmechanismen

Die Behandlungsprobleme der genannten gramnegativen Erreger liegen weniger in ihrer anteilig sehr hohen Inzidenz bei nosokomialen Infektionen (vgl. hierzu z. B. MRSA) als in den (häufig synchron exprimierten) Resistenzmechanismen dieser Spezies. Obwohl zwar eine ausgeprägte geografische Variabilität in der Ausbreitung der verschiedenen Resistenzphänotypen besteht [46], steigen die Resistenzen im gramnegativen Bereich europaweit insgesamt an. Resistente K.-pneumoniae-Stämme, E. coli und A.-baumannii-Spezies verzeichneten nach den Daten des European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) bis zum Jahr 2014 einen deutlichen Anstieg [46, 47]. Aktuelle Daten der ARS zeigen diesen Trend in Deutschland mit Blick auf bestimmte Erreger ebenfalls: Zwischen 2008 und 2017 verdoppelte sich die Zahl resistenter E. coli (Dritte-Generation-Cephalosporine) von 6,6 auf 12,1 % der untersuchten Isolate, während die der K.-pneumoniae-Spezies mit Resistenz gegenüber Meropenem im gleichen Zeitraum (wenn auch weniger dramatisch) von 0,1 auf 0,3 % anstieg. Entgegen dem Trend der ECDC belegen die Daten des ARS für Deutschland bis 2017 eine Stagnation bzw. leichte Regredienz von carbapenemresistentem A. baumannii (2008 von 4 % auf 2017 3,6 %).

Klinische Resistenzen bakterieller Pathogene entstehen nicht selten durch die synchrone Expression verschiedener Resistenzmechanismen. Damit verbunden ist die wichtige Feststellung, dass das Vorliegen bzw. der Nachweis von Resistenzgenen (und damit theoretisch möglichen Resistenzen) vom letztlich klinisch exprimierten Resistenzphänotyp zu trennen ist (s. unten, [46, 48]). Da BLM v. a. in der großen Gruppe der Enterobacterales den wichtigsten Resistenzmechanismus darstellen, wird im Folgenden eine Übersicht der BLM vorangestellt und über diesen Abschnitt auf etablierte Therapieoptionen übergeleitet.

Beispiel der β-Lactamasen

Das Vorliegen von Resistenzgenen im Genom eines Erregers bedeutet nicht automatisch, dass diese auch exprimiert werden und der Erreger damit im Antibiogramm phänotypisch resistent erscheint. Vice versakann eine phänotypische Resistenz aber damit auch auf mehreren Resistenzmechanismen beruhen. β‑Lactamasen sind dennoch isoliert relevant, da sie Resistenzen gegen Breitspektrum-β-Lactame vermitteln, indem sie den allen β‑Lactamen eigenen β‑Lactam-Ring (zyklische Verbindung mit einem Amidrest) hydrolysieren. Das resultierende Ringöffnungsprodukt decarboxyliert spontan, und das β‑Lactam-Antibiotikum ist damit wirkungslos. Zu den β‑Lactamen zählen die Gruppe der Penicilline, Cephalosporine, Carbapeneme und Monobactame – also antimikrobielle Substanzen, die in der klinischen Routine häufig und gern zur kalkulierten Therapie schwerer Infektionen angewandt werden.

Etablierte Einteilungen der BLM sind die Ambler-Klassifikation (Gruppen A bis D; [49]; Tab. 3) oder die Bush-Jacoby-Medeiros-Klassifikation (Gruppen 1 bis 3). Gemäß ihrem katalytischen Zentrum sind Ambler-BLM der Gruppe A, C und D Serin-β-Lactamasen (aktives Zentrum bildet die Aminosäure Serin). Gruppe-B-BLM sind Metallo-β-Lactamasen (MBL), deren katalytisches Zentrum von einem Zinkion gebildet wird [7]. Relevante Vertreter der Gruppen A und D sind:

  • ESBL,

  • Lactamasen vom OXA-Typ und

  • Carbapenemasen.

Zur Gruppe B zählen die MBL, und die Gruppe C wird von den AmpC-β-Lactamasen gebildet. Neben der ausführlichen Diskussion sind klinisch relevante BLM und deren wichtigste Informationen sowie die Gruppe der Carbapenemasen zur besseren Übersichtlichkeit in Tab. 4 bzw. Abb. 1 aufgeführt.

Tab. 3 Ambler-Klassifikation
Tab. 4 Klinisch relevante multiresistente Erreger und häufig exprimierte β‑Lactamasen
Abb. 1
figure 1

Übersicht der Carbapenemasen

Gruppen A und D.

Gemäß der Ambler-Klassifikation subsumieren diese die folgenden 3 wesentlichen Lactamasen (Tab. 3):

  1. 1.

    Extended-spectrum beta-lactamases (ESBL) sind durch Punktmutation und Veränderung einer Aminosäure entstandene Enzyme mit breitem Spektrum. Als klinisch relevante Varianten gelten TEM, SHV und CTX‑M, die v. a. eine Resistenz gegenüber 3.-Generation-Cephalosporinen, Penicillinen und Aztreonam vermitteln [7, 50]. Diese finden sich regelhaft in E. coli, Klebsiella- und Proteus-Spezies. Der Einsatz von Fluorchinolonen und 3.-Generation-Cephalosporinen ist ein Risikofaktor für eine ESBL-Selektion [51, 52]. Zur praktischen Behandlung eines Erregers mit ESBL ist zu bemerken, dass die in vitro positive Suszeptibilitätstestung gegenüber einem Antibiotikum in vivo nicht zwangsweise einen Therapieerfolg vorhersagt [46].

  2. 2.

    β‑Lactamasen vom OXA-Typ vermitteln prinzipiell eine Resistenz gegenüber Penicillinen. Von den knapp 50 verschiedenen Varianten weisen aber nur OXA‑1 und OXA-10 dieses sehr enge Spektrum auf. So gibt es eine Reihe von Subtypen, die Resistenzen gegenüber Cefotaxim, Ceftazidim, und Aztreonam vermitteln. Typ OXA-23 ist eine Kenn-BLM von A. baumannii, während OXA-48 für diverse Enterobacterales kennzeichnend ist [7, 46]. Die Typen OXA-48 und OXA-23 werden aufgrund ihrer Fähigkeit, Carbapeneme zu spalten, zur Gruppe der Carbapenemasen gerechnet (Abb. 1).

  3. 3.

    Carbapenemasen stellen eine potente Waffe der Erreger gegenüber vielen häufig eingesetzten Antibiotika dar ([46]; Tab. 4). Die Assoziation der Klasse-A-Carbapenemasen mit K. pneumoniae führte zur Benennung dieses Typs als K.-pneumoniae-Carbapenemase (KPC). Entgegen ihrem Namen hydrolysieren sie effektiv Penicilline, alle Cephalosporine, Monobactame, β‑Lactamase-Inhibitoren (BLI) und Carbapeneme [7]. Von den diversen Subgruppen spielen v. a. NDM, Verona-Integron-Metallo-β-Lactamasen (VIM), IMP und die bereits genannten OXA-Typen eine Rolle, während andere Varianten Einzelnachweise bei Nonfermentern und Enterobacterales sind.

Gruppe C.

Gemäß der Ambler-Klassifikation (Tab. 3) werden hierzu insbesondere AmpC-β-Lactamasen gerechnet. Funktionell sind sie Cephalosporinasen, die aber auch Resistenz gegenüber BLI und Penicillinen vermitteln können. AmpC-hyperproduzierende Spezies sind auch gegen Aztreonam und 3.-Generation-Cephalosporine (Cefotaxim, Ceftriaxon, Ceftazidim) resistent [7].

AmpC-β-Lactamasen treten klassischerweise in Erregern wie P. aeruginosa, Enterobacter, Citrobacter, Proteus- und Serratia-Spezies (SPICE-Erreger) auf. An dieser Stelle wird darauf verwiesen, dass AmpC-BLM bei SPICE-Erregern häufig Ausdruck einer intrinsischen Resistenz sind (Citrobacter-Spezies oder Serratia marcescens). Die Expertenkommentare („expert rules“) des European Committee on Antimicrobial Susceptibility Testing (EUCAST; www.eucast.org) geben hierzu eine erschöpfende Übersicht. Neben der chromosomalen Variante der AmpC-β-Lactamasen sind mittlerweile auch plasmidische Varianten in E. coli und K. pneumoniae identifiziert worden. Außer dem Risikofaktor der antibiotischen Vorbehandlung und des damit erhöhten Selektionsdrucks existieren für AmpC-BLM auch Spontanmutationen [53].

Gruppe B.

Die zu dieser Gruppe gerechneten MBL (Tab. 3) zeichnen sich durch ein katalytisches Zinkion aus. Sie hydrolysieren alle Carbapeneme, sind durch BLI wie Tazobactam oder Clavulansäure nicht inhibierbar und stellen damit in der Behandlungsrealität ein enormes Problem dar. Aztreonam ist das einzige β‑Lactam, das gegenüber MBL stabil ist, und wird daher therapeutisch eingesetzt wird. Anzumerken ist allerdings, dass viele Erreger mehrere BLM mit teils überlappenden Spektren exprimieren (z. B. MBL und KPC) und damit eine Wirksamkeit von Aztreonam nicht immer antizipiert werden kann [54]. Klinisch relevante Varianten sind (Abb. 1):

  • Verona-Integron-Metallo-β-Lactamasen (VIM),

  • IMP-Typ-Metallo-β-Lactamasen (Pseudomonas spp., Acinetobacter spp.) und

  • Neu-Delhi-Metallo-β-Lactamase (NDM).

Neben den erwähnten Resistenzmechanismen existieren zahlreiche weitere, die hier nicht im Detail besprochen werden sollen. So werden Resistenzen gegenüber Fluorchinolonen und Aminoglykosiden durch Effluxpumpen, Veränderung der ribosomalen Untereinheiten, aktiven transmembranösen Transport des Antibiotikums und Veränderung der Zielstruktur vermittelt [7]. Zusätzliche Mechanismen der Carbapenemresistenz sind in Infobox 1 zusammengefasst.

Infobox 1 Zusätzliche Mechanismen der Carbapenemresistenz

  • Effluxpumpen: aktiver Transport von Antibiotika nach extrazellulär (z. B. P. aeruginosa, ca. 80 %)

  • Porinverlust: Mutation in Poringenen führen zu Porinverlust und damit zu verminderter Permeabilität der bakteriellen Zellmembran (Enterobacter aerogenes >90 %, K. pneumoniae). Ein Porinverlust kann bei ESBL- oder AmpC-Bildnern zur Carbapenemresistenz (Meropenem, Ertapenem) führen

Vor diesem Hintergrund muss jedwede Antibiotikatherapie kritisch hinterfragt und deren Indikation ständig reevaluiert werden. Jeder Arzt sollte sich darüber bewusst sein, dass durch die Therapie ein vermehrter Selektionsdruck auf Erreger ausgeübt wird. Dieser Druck fördert die Entstehung und die Weitergabe von Resistenzgenen zwischen Erregern [46, 48, 55]. Daher gehört die Deeskalation schon deshalb zum festen Bestandteil eines rationalen Antibiotikaeinsatzes [56].

Bedeutung der Resistenzverbreitung durch Plasmide

Da es sich bei Plasmiden um mobile Elemente handelt, können Resistenzen schnell und über eine Spezies hinaus per Konjugation ausgetauscht werden. Es wird davon ausgegangen, dass viele Resistenzdeterminanten, die auf Plasmiden zu finden sind, chromosomalen Ursprungs waren. Beispiele sind u. a. die SHV-BLM von K. pneumoniae. Die AmpC-BLM von Klebsiella-Spezies und E. coli erscheinen z. B. plasmidisch-erworbene Resistenzen von Citrobacter freundii, Morganella morganii und Enterobacter cloacae zu sein. Auch ESBL und aminoglykosidmodfizierende Enzyme sind größtenteils plasmidcodiert [57, 58]. Plasmidische Resistenzen besitzen nach dem oben Gesagten daher eine besondere epidemiologische Bedeutung, da sie sich besonders leicht ausbreiten. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die globale Ausbreitung von KPC-tragenden Klebsiella-Stämmen.

Merke.

  • Multiresistente Erreger sind zunehmend Auslöser lebensbedrohlicher Infektionen, deren Behandlung erhebliche Probleme bereiten.

  • Der Einsatz von Breitspektrumantibiotika ist eine maßgebliche und treibende Kraft der Selektion dieser Erreger. Daher ist ein rationaler Einsatz dieser Substanzen ein Schlüssel zur MRE-Prävention.

  • Neben anderen sind es v. a. die BLM, die bei gramnegativen Erregern häufig zum Therapieversagen der klassischen Breitspektrumantibiotika (β-Lactame wie z. B. Cephalosporine, Penicilline, Carbapeneme) führen.

  • Die Kenntnis über relevante bakterielle Resistenzmechanismen ist zur Therapiesteuerung, zur effektiven Behandlung und zur sinnvollen Anwendung von Antibiotika essenziell.

Enterobacterales mit Expression von β-Lactamasen mit erweitertem Spektrum

Epidemiologie

Ein Problem stellen Enterobacterales mit ESBL-Expression dar. Gramnegative ESBL-Erreger sind gegen nahezu alle Cephalosporine und teilweise auch Acylaminopenicilline wie Piperacillin-Tazobactam resistent (Abb. 2). Die Resistenzgene für diese Gruppe der BLM sind meist auf Plasmiden lokalisiert, was eine relativ schnelle Übertragung zwischen Bakterien ermöglicht. Heute sind bereits über 50 % der isolierten E. coli aus ambulant erworbenen Harnwegsinfektionen ampicillinresistent [11]. Zwischen 2002 und 2014 stieg der Anteil von ESBL-bildenden E. coli aus Blutkulturen von 1,7 auf 10,5 % an. Das ARS verzeichnete einen relevanten Anstieg cefotaximresistenter E.-coli-Stämme (CTX-resistent) in Krankenhäusern allgemein (6,5 % in 2008 auf 12,6 % in 2014) und auf Intensivstationen im Speziellen (2,9 % in 2008 auf 7,5 % in 2014). Dabei werden in über 90 % der Fälle CTX-M-Enzyme isoliert, von denen der Subtyp CTX-M-15 mit über 50 % und CTX-M‑1 (>30 %) die häufigsten Varianten sind.

Therapieoptionen

Über viele Jahre herrschte Diskurs darüber, wie eine Infektion mit ESBL-Bildnern effektiv zu behandeln sei. Da einige ESBL-Bildner (TEM, SHV, CTX‑M; Abb. 2) gegenüber Piperacillin-Tazobactam sensibel sind (in höherer Dosis, [7]), wurde lange gehofft, bei der Behandlung dieser Untergruppe ein carbapenemsparendes Regime sicher durchsetzen zu können. Entgegen den Ergebnissen einer Studie von Tamma et al. [59], die einen Vorteil der Therapie mit Carbapenemen bei ESBL-BSI demonstrierten (OR für Tod bei Piperacillin: 1,92; 95 %-KI 1,07–3,45), zeigte eine weitere, prospektive multizentrische Studie [60] keinen Nachteil der Therapie mit Piperacillin-Tazobactam im Vergleich zu Meropenem. Die Publikation der MERINO-Studie durch Harris et al. [61] wirft ein neues Licht auf die Therapie von ESBL-Infektionen. Die Therapie der BSI mit Piperacillin-Tazobactam führte im Vergleich zu Meropenem zu einem schlechteren Behandlungsergebnis (Mortalität 12,3 vs. 3,7 %). Dies galt nicht nur für die Mortalität der BSI, sondern auch für nosokomiale (16,8 vs. 3,7 %), Harnwegs- (6,9 vs. 3,1 %) und Nichtharnwegsinfektionen (18,8 vs. 4,8 %). Damit kann eine Behandlung mit Piperacillin-Tazobactam bei ESBL-BSI nicht mehr empfohlen werden.

Auch bei Infektionen außerhalb der Blutbahn erscheinen Carbapeneme effektiver zu sein. Die Therapie von ESBL-Bildnern mit Piperacillin-Tazobactam ist daher eine individuelle Entscheidung unter Einbeziehung klinischer Infektiologen/Mikrobiologen. Ein carbapenemsparendes Therapieregime wäre z. B. weiterhin bei Infektionen der ableitenden Harnwege möglich (Harnwegsinfektion, Pyelonephritis), da die Elimination von Piperacillin (und Tazobactam) überwiegend renal erfolgt und somit in diesem Bereich mit hohen Konzentrationen am Infektionsort zu rechnen ist [62].

Abb. 2
figure 2

Schematische Darstellung der Wirksamkeit bei Vorliegen verschiedener Klassen von β‑Lactamasen. Rot keine Wirkung, grün wirksam, orange intermediär bzw. nicht vorhersagbar. AmpC beta-Laktamase mit Wirkung ggü. Penicillin, einigen Cephalosporinen und Oxymino-beta-Laktamen, CTX‑M Cefotaxim-München-b-lakatamase, KPCKlebsiealla-pneumoniae-Carbapenemasen, MBL Metallo-β-Lactamasen, OXA-48 Oxacillinase-48, TEM Temoniera-BLM

Carbapenemresistente Erreger

Epidemiologie

Carbapenemresistente Erreger zählen heute zu den drängenden Problemerregern weltweit [45]. Die bereits 2015 veröffentlichte Studie von Maechler et al. [63] zur Prävalenz von CRE zeigte anhand der Daten von 341 deutschen Intensivstationen eine Zahl von 848 Fällen. Hiervon wurden 325 Erreger auf der Intensivstation erworben, und insgesamt 373 (44 %) der Patienten erlitten eine Infektion mit einem CRE. Die Prävalenz der CRE betrug 0,29/100 Patienten. Nach Zahlen des Nationalen Referenzzentrums für gramnegative Krankenhauserreger (NRZ) aus dem Jahr 2017 [64] sind Enterobacterales (E. coli und K. pneumoniae) mit insgesamt 1427 carbapenemresistenten Isolaten (44,4 %) vertreten. Es folgen P. aeruginosa und A. baumannii mit jeweils 360 (24,7 %) bzw. 431 (93,9 %) carbapenemresistenten Isolaten.

Therapieoptionen

Die genannten Erreger werden als 4‑MRGN (multiresistente, gramnegative Erreger mit Resistenz gegenüber 4 Kennantibiotika) zusammengefasst. Sie entstehen aus 3‑MRGN durch Erwerb einer Carbapenemase. Die häufigsten Carbapenemasen bei Enterobacterales sind OXA-48, VIM‑1, KPC-2/3 und NDM‑1 ([64]; Abb. 1). Damit sind die Erreger fast komplett resistent, und ihre Behandlung ist auf wenige Substanzen beschränkt (Abb. 1 und 3).

Entsprechend hoch ist die Patientensterblichkeit bei Infektionen mit CRE (BSI 31,2 %; „hospital-aquired pneumonia“ [HAP] 33,3 %; „ventilator-associated pneumonia“ [VAP] 35 %; „complicated urinary tract infection“ [cUTI] 17,3 %). Allerdings bedeutet – wie bereits oben erwähnt – der Nachweis einer Carbapenemase nicht automatisch das Vorliegen eines phänotypisch resistenten Erregers. Daher ist es wichtig, dass die MHK gegenüber Imipenem und Meropenem ermittelt und kommuniziert werden (MHK <8 mg/l gegenüber Meropenem bedeutet z. B. Wirksamkeit als Kombinationspartner).

Abb. 3
figure 3

Therapieoptionen relevanter carbapenemresistenter, gramnegativer Erreger (CRE). + Sensibilität gegenüber Substanz; Resistenz gegenüber Substanz. aBei Vorliegen einer Metallo-β-Lactamase (MBL) sind erhöhte Carbapenemdosen und prolongierte (möglicherweise kontinuierliche Infusionen) Applikation sinnvoll. Beträgt die minimale Hemmkonzentration (MHK) des Carbapenems über 8 mg/l, ist eine Therapie mit Carbapenemen nicht sinnvoll. AGS Aminoglykosid, AMP-SB Ampicillin-Sulbactam, AZT Aztreonam, CFT-TAZ Ceftolozan-Tazobactam, CFZ-AV Ceftazidim-Avibactam, COL Colistin, ERT Ertapenem, FCH Fluorchinolon, FOS Fosfomycin, GES Guiana extended-spectrum-Carbapenemase, IMI Imipenem, KPC Klebsiella-pneumoniae-Carbapenemase, MER Meropenem, MIN Minocyclin, OXA-48 Carbapenemase vom Oxacillinasetyp, TIG Tigecyclin. (Mod. nach [65])

Zur Therapie einer Infektion mit CRE existieren insgesamt kaum kontrollierte Studien. Eine aktuelle, prospektive kontrollierte Studie [66] fand keinen Vorteil einer Kombinationstherapie von Colistin und Meropenem gegenüber der Colistinmonotherapie. Das Therapieversagen der Monotherapie betrug 79 % (156/198 Patienten) und 73 % (152/208 Patienten), wenn eine Kombinationstherapie erfolgte. Eine weitere Studie rekrutiert aktuell Patienten (NCT01597973).

Prinzipiell stehen für die Therapie von CRE Aminoglykoside, Tigecyclin, Colistin und Fosfomycin zur Verfügung. Aber auch Ceftazidim/Avibactam stellt eine Alternative dar. Eine primäre Kombinationstherapie scheint nach aktueller Datenlage vorteilhaft zu sein. So zeigte die retrospektive Arbeit zur K.-pneumoniae-BSI mit KPC von Tumbarello et al. [62], dass eine Kombination von 2 sensiblen Substanzen die Letalität deutlich senkte konnte (34 vs. 54 %). Die niedrigste Sterblichkeit (OR 0,27) ergab sich unter einer Triple-Therapie mit Meropenem, Colistin und Tigecyclin [62]. Entsprechend der Empfehlung oben war die Kombination mit einem Carbapenem nur sinnvoll, wenn die MHK ≤8 mg/l betrug.

Bei Vorliegen carbapenemresistenter K. pneumoniae konnte ein günstiger, synergistischer Effekt von Colistin (interagiert mit äußerer Zellwand) mit Tigecyclin (Hemmung der Proteinbiosynthese) nachgewiesen werden [54]. Die retrospektive INCREMENT-Studie an 437 Patienten mit einer CPE-BSI aus dem Jahr 2017 [67] zeigte, dass Risikopatienten und schwer betroffene Patienten (hoher INCREMENT-Score) im Fall einer CPE-BSI von einer Kombinationstherapie profitierten (OR 0,56; p = 0,02). Die am häufigsten verwendeten Kombinationen waren Colistin-Tigecyclin (31 %), Aminoglykoside-Tigecyclin (35 %) und Colistin-Carbapenem (44 %).

Bei Pneumonien durch carbapenemaseproduzierende MRE sollte auch an die Möglichkeit der inhalativen Colistinapplikation (zusätzlich zur systemischen Therapie) gedacht werden. Bei systemischer Gabe erzielt Colistin nur unzureichende Spiegel im Lungengewebe [68], was sich durch eine (zusätzliche) inhalative Therapie verbessern lässt und den Behandlungserfolg erhöhen kann [69]. Ein Effekt der inhalativen Applikation auf die Serumspiegel von Colistin scheint kaum zu existieren [70]. Der inhalative Einsatz von Colistin ist allerdings nicht evidenzbasiert und der Einsatz damit eine individuelle Entscheidung auf Basis der Erkrankungsschwere und dem isolierten Erreger [71]. Obwohl CRE-Resistenzen gegenüber Aminoglykosiden aufweisen, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass neben Colistin die Aminoglykoside wie Tobramycin und Amikacin inhalativ appliziert werden können [72].

Die Therapie einer Infektion mit carbapenemresistentem A. baumannii stellt in Abwesenheit prospektiver Studien praktisch immer eine individuelle Maßnahme dar. Neben den „klassischen“ CRE-Antibiotika Tigecyclin und Colistin spielen Sulbactam und Trimethoprim/Sulfamethoxazol hier eine Rolle. Sulbactam besitzt als einziger β‑Lactamase-Inhibitor eine Aktivität gegenüber A. baumannii. Trimethoprim-Sulfamethoxazol wirkt ebenfalls gegen carbapenemresistenten A. baumannii. Studien fehlen auch hier. Dennoch ist die Substanz eine Therapieoption, die v. a. bei cUTI erfolgreich angewendet werden kann (überwiegend renale Elimination).

Weiterhin muss bei kritisch kranken Patienten an eine individualisierte Anwendung und Dosisanpassung einiger Antibiotika – allen voran der β‑Lactame – gedacht werden [73, 74]. Hierzu zählen neben der durch therapeutisches Drugmonitoring (TDM) gesteuerten Dosisanpassung [75] des Antibiotikums auch die prolongierte oder kontinuierliche Applikation von z. B. β‑Lactamen [76, 77, 78] oder Vancomycin [22]. Bewährte Präparate, neue Antibiotika, individualisierte Therapiestrategien mit TDM und Dosisoptimierung sowie die Einbindung infektiologischer Teams in die Behandlung von Patienten mit MRE-Infektionen sind Kernaspekte der rationalen Therapie auf der Intensivstation [79].

Fazit für die Praxis

  • Die zunehmende Inzidenz von Infektionen mit multiresistenten Erregern (MRE) stellt die Intensivmedizin vor große Herausforderungen.

  • Neben grampositiven Erregern (insbesondere Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus [MRSA] und Vancomycin-resistente Enterokokken [VRE]) sind es v. a. gramnegative Erreger mit Expression von „extended spectrum beta-lactamases“ (ESBL) und Carbapenemasen, die zum Therapieversagen führen können.

  • Außer der Kenntnis von Resistenzmechanismen sind Maßnahmen zum rationalen Einsatz antimikrobieller Substanzen ein wichtiger Schritt zur Eindämmung der rasanten Ausbreitung resistenter Erreger. Hier hat sich insbesondere das Antibiotic Stewardship (ABS) oder auch das Infectious Diseases Stewardship (IDS) als interprofessioneller Ansatz etabliert.

  • Obwohl neue Antibiotika zugelassen wurden und viele aktuell klinisch erprobt werden, müssen bekannte Substanzen effektiver als bisher eingesetzt werden. Daher sind Erregerdetektion, Resistenztestung und entsprechende (de-)eskalierende Maßnahmen relevant. Hierfür steht eine Vielzahl an Therapieleitlinien nationaler und internationaler Fachgesellschaften zur Verfügung.

  • Zunehmend rücken individuelle Dosierungen und die Nutzung von therapeutischen Spiegelbestimmungen in den Vordergrund der Betrachtungen.