FormalPara Hintergrund und Ziel der Arbeit

Die prospektive Biomarkerstudie von Chera und Kollegen hatte zum Ziel, den Stellenwert von im Blutplasma zirkulierender HPV-Tumor-DNA zur Diagnose eines Rezidivs bei Patienten mit HPV-positiven Plattenepithelkarzinomen des Oropharynx zu bestimmen [1].

FormalPara Patienten und Methoden

In dieser prospektiven einarmigen Studie wurden von März 2016 bis August 2018 insgesamt 115 Patienten mit einem nicht metastasierten HPV-assoziierten Plattenepithelkarzinom des Oropharynx eingeschlossen, die mittels definitiver Radio- oder Radiochemotherapie (RCT) behandelt wurden. Begleitend zur regulären Nachsorge wurde die Menge an im Plasma zirkulierender HPV-Tumor-DNA alle 6–9 Monate mittels Polymerase-Kettenreaktion (PCR) analysiert. Der primäre Endpunkt der Studie war die Ermittlung des negativen (NPW) und positiven prädiktiven Werts (PPW) von zirkulierender HPV-Tumor-DNA zur Vorhersage eines histologisch gesicherten Tumorrezidivs.

FormalPara Ergebnisse

Nach einer medianen Nachbeobachtungszeit von 23 Monaten entwickelten 15 der 115 eingeschlossenen Patienten ein lokoregionäres Rezidiv oder eine Fernmetastasierung. Während es bei den 87 Patienten mit nicht detektierbarer HPV-Tumor-DNA zu keinem Rezidiv kam, entwickelten 15 von 16 Patienten, bei denen zwei aufeinanderfolgende positive HPV-Tumor-DNA-Nachweise vorlagen, ein histologisch gesichertes Rezidiv. Der PPW für zwei konsekutive positive HPV-Tumor-DNA-Tests betrug demzufolge 94 %, während der NPW für negative HPV-Tumor-DNA im Plasma bei 100 % lag. Durchschnittlich vergingen 3,9 Monate zwischen dem Nachweis von zirkulierender HPV-Tumor-DNA und der Diagnose eines Tumorrezidivs.

FormalPara Schlussfolgerung der Autoren

Der Nachweis von zirkulierender HPV-Tumor-DNA in zwei aufeinanderfolgenden Untersuchungen bei Patienten mit einem HPV-assoziierten Oropharynxkarzinom hat eine sehr hohe Sensitivität und Spezifität für die Detektion eines Tumorrezidivs nach definitiver RCT. Auf der anderen Seite ist die Abwesenheit von zirkulierender HPV-Tumor-DNA im Plasma mit einem rezidivfreien Überleben nach zwei Jahren von 100 % verbunden.

Kommentar

In der vorliegenden Studie wurden 1006 Blutproben von 115 Patienten mit einem nicht fernmetastasierten HPV-positiven Oropharynxkarzinom vor und nach definitiver RCT analysiert und damit das Potenzial von zirkulierender HPV-Tumor-DNA als Biomarker in der Rezidivdiagnostik von Patienten mit HPV-positiven Oropharynxkarzinomen gezeigt. Die Studienautoren verwendeten hierfür ein patentiertes PCR-Verfahren (NavDx®, Naveris, Waltham, MA, USA), das von Tumorzellen freigesetzte HPV-DNA von nicht tumorassoziierter HPV-DNA unterscheiden kann [2].

Insbesondere die Tatsache, dass HPV-assoziierte Oropharynxkarzinome tendenziell später fernmetastasieren und häufiger atypische extrapulmonale Metastasierungsorte aufweisen, lässt eine biomarkerbasierte Rezidivdiagnostik gegenüber einer alleinigen bildgebenden Nachsorge vorteilhaft erscheinen [3]: Die Lokalisation der Rezidive in der vorliegenden Studie zeigt, dass viele Tumormanifestationen nicht in der regulären Nachsorge bzw. erst später erkannt worden wären, auch weil nach aktuellen Empfehlungen häufig Bildgebungen nur für die Kopf-Hals-Region sowie in größeren Intervallen für die Lunge erfolgen. So befanden sich in dieser Studie 4 der 15 Rezidive in Körperregionen außerhalb des Scanbereichs der eingesetzten Bildgebung. Anhand der hier diskutierten Studienergebnisse scheint eine Testung von HPV-Tumor-DNA im Blutplasma gegenüber dem HPV-DNA-Nachweis in Speichelproben für die Rezidivdiagnostik Vorteile zu bieten; insbesondere scheint die distante Metastasierung besser detektierbar zu sein [4].

Interessant in der vorliegenden Studie erscheint uns auch die Tatsache, dass etwa 10 % der Patienten posttherapeutisch einen vorübergehenden Anstieg der HPV-Tumor-DNA zeigten, welcher im weiteren Nachsorgeverlauf jedoch verschwand. Diesbezüglich spekulieren die Autoren, dass es sich um transiente subklinische Rezidive und nachfolgend immunologische Prozesse handeln könnte, die zur Beseitigung solcher Prozesse beitragen. Inwieweit sich die Immunogenität zwischen HPV-positiven und HPV-negativen Oropharynxkarzinomen unterscheidet, ist Gegenstand laufender Diskussionen. Während sich weder die PD-L1-Expression noch die Tumormutationslast zwischen den beiden Tumortypen unterscheidet, lässt sich eine höhere Anzahl an tumorinfiltrierenden T‑Lymphozyten bei HPV-assoziierten Tumoren zumindest in einigen Studien beobachten [5]. Zudem ist das Therapieansprechen HPV-positiver Oropharynxkarzinome bei Immuncheckpoint-Inhibitoren besser als bei HPV-negativen Tumoren [6, 7]. Zu diesem Themenkomplex und konkret dem in dieser Studie beobachteten Phänomen des transienten HPV-Tumor-DNA-Nachweises mit nachfolgender Clearance sind allerdings sicherlich weitere Studien nötig.

In weiteren Studien muss ferner untersucht werden, ob eine frühzeitige Detektion eines Tumorrezidivs auch in verbesserten onkologischen Ergebnissen mündet. Theoretisch könnte mit dieser biomarkerbasierten Nachsorge ein höherer Anteil sowohl von Patienten mit Oligometastasierung als auch von Patienten mit einem lokoregionären Rezidiv detektiert werden, bei denen potenziell kurative Situationen vorliegen. Bei einem lokoregionären Rezidiv nach einer primären RCT besteht mit der Salvage-Resektion weiterhin eine kurative Therapieoption mit relativ guten Langzeitüberlebensraten [8]. Oligometastasierte Patienten können mit lokal ablativen Therapieverfahren ebenfalls kurativ behandelt werden, sodass eine biomarkerbasierte Früherkennung von Tumorrezidiven zumindest in der Theorie die Überlebensraten dieser Patienten erhöhen sollte.

Weitere aktuell rekrutierende Studien untersuchen aufgrund dieser beeindruckenden Ergebnisse die Bedeutung von HPV-Tumor-DNA-Bluttests sowohl in der Primär- als auch in der Rezidivdiagnostik verschiedener HPV-assoziierter Karzinome (z. B. NCT03749720 und NCT03853915 bei HPV-assoziierten Zervixkarzinomen) [9]. Die Autoren haben zudem in einer anderen kürzlich publizierten Studie zeigen können, dass auch die Kinetik der HPV-Tumor-DNA unter laufender RCT möglicherweise einen prädiktiven Wert hinsichtlich des lokoregionären Therapieansprechens bei HPV-positiven Oropharynxkarzinomen hat [2].

Trotz der beeindruckenden Daten der hier diskutierten Studie müssen wenige Kritikpunkte angemerkt werden. Die Tatsache, dass der PPW und NPW erst für zwei konsekutiv positive HPV-Tumor-DNA-Tests und nicht bereits für ein positives Testergebnis berechnet wurde, war eine post-hoc durchgeführte Änderung des Endpunkts: Von den 28 Patienten mit lediglich einem posttherapeutischen HPV-Tumor-DNA-Nachweis entwickelten 15 Patienten ein Tumorrezidiv, sodass der PPW hierfür nur 54 % betrug. Die bereits erwähnte Gegebenheit, dass HPV-assoziierte Oropharynxkarzinome zu Spätrezidiven neigen, lässt die mediane Nachbeobachtungszeit von knapp 2 Jahren in dieser Studie als zu kurz erscheinen, um die Wertigkeit von negativen HPV-Tumor-DNA-Tests zu beurteilen.

Aufgrund der Tatsache, dass sich ein Teil der Studienpopulation zusätzlich in einer Deeskalationsstudie befand, war die Studienkohorte hinsichtlich der Bestrahlungsdosis inhomogen. Das Intervall zwischen den HPV-Tumor-DNA-Tests war ebenfalls nicht einheitlich und lag zwischen 6 und 9 Monaten, was bei einer medianen Zeit von knapp 4 Monaten zwischen HPV-Tumor-DNA-Detektion und Rezidivnachweis als zu lang angesehen werden muss. So wurde bei einem Patienten ein Rezidiv diagnostiziert, nachdem noch 3,5 Monate zuvor ein negativer HPV-Tumor-DNA-Test vorgelegen hatte. Erst 1,5 Monate nach Rezidivnachweis konnte im zirkulierenden Plasma HPV-Tumor-DNA nachgewiesen werden. Zudem wurden diese beeindruckenden Ergebnisse bisher nicht in einer weiteren unabhängigen Kohorte bestätigt. Zwar könnte das patentierte PCR-Verfahren zur spezifischen Detektion von tumorassoziierter HPV-DNA eine standardisierte Anwendung in anderen Behandlungszentren ermöglichen, jedoch müssen die Kosten dieser Tests gegenüber dem erwarteten Nutzen abgewogen werden. In Anbetracht des relativ neuen Testverfahrens ist es essenziell, dass eine multizentrische Studie die Reproduzierbarkeit dieser Ergebnisse evaluiert.

Fazit

Die vorliegende Biomarkerstudie zeigt das Potenzial von zirkulierender HPV-Tumor-DNA in der Rezidivdiagnostik von Patienten mit HPV-positiven Oropharynxkarzinomen und könnte somit zu einer früheren und suffizienteren Erkennung von Behandlungsrückfällen führen.

Auf der Basis dieser Ergebnisse könnten zukünftig die Nachsorgeintervalle verlängert und die Anzahl von Schnittbilduntersuchungen vermindert werden, um die Belastung der Patienten zu vermindern und auch Kosten einzusparen.

Es bleiben jedoch noch die Langzeitergebnisse dieser hier diskutierten Studie sowie weitere konfirmierende Studien mit größeren Patientenzahlen abzuwarten, bis ein routinemäßiger Einsatz dieses Biomarkers in der Nachsorge von Patienten mit HPV-assoziierten Oropharynxkarzinomen zu empfehlen ist.

Alexander Rühle und Nils H. Nicolay, Freiburg/Brsg.