Zusammenfassung
Operationsziel
Ziel der Operation ist die Wiederherstellung des sagittalen Profils bei einem Mismatch der spinopelvinen Parameter und hohem Leidensdruck des Patienten.
Indikationen
Klinisch symptomatische, sagittale Imbalance bei Degeneration, Zustand nach Trauma oder nach stattgehabten Wirbelsäulenoperationen, welche durch eine konservative Therapie nicht adäquat zu behandeln sind.
Kontraindikationen
Schwere Allgemeinerkrankung des Patienten, lokale oder systemische Entzündungen.
Operationstechnik
Über einen dorsalen Zugang erfolgt zunächst die Instrumentation mit Pedikelschrauben. Anschließend die Resektion der dorsalen Wirbelkörperstrukturen und eine Osteotomie im Wirbelkörper bis an das vordere Längsband, worüber eine Relordosierung durchgeführt werden kann.
Weiterbehandlung
Schonung mit Belastungslimitation von 5 kg für 3 Monate. Verbot des tiefen Sitzens für diese Zeit.
Ergebnisse
Die Pedikelsubtraktionsosteotomie ist in der Literatur als zuverlässige Methode zur Behandlung einer sagittalen Imbalance beschrieben. Die hohe Rate an beschriebenen Komplikationen muss präoperativ mit dem Patienten besprochen werden.
Abstract
Objective
The aim of the surgery is to restore the sagittal profile in the event of a mismatch of the patient’s spinopelvic parameters and high patient suffering.
Indications
Clinically symptomatic sagittal imbalance due to degeneration, trauma or after spinal surgery which can not be adequately treated by conservative therapy.
Contraindications
Severe general disease of the patient; local or systemic inflammation.
Surgical technique
A dorsal approach is used to resect the dorsal vertebral structures and to perform an osteotomy to the anterior edge of the spine.
Postoperative management
Rest with a load limit of 5 kg for 3 months. Prohibition of deep sitting for this time.
Results
The pedicle subtraction osteotomy is described in the literature as a reliable method for the treatment of sagittal imbalance. The high rate of described complications should be discussed preoperatively with the patient.
Vorbemerkungen
Die enorme Bedeutung des sagittalen Profils und damit einhergehend die Relevanz der spinopelvinen Parameter sind in den letzten Jahren durch diverse Publikationen dargestellt worden [4, 6]. Wenn bei der Frakturversorgung oder bei der Versorgung degenerativer Wirbelsäulenerkrankungen mit einer Spondylodese nicht auf das patientenspezifische Wirbelsäulenprofil geachtet wird, kann ein Mismatch der spinopelvinen Parameter mit einem unbefriedigenden klinischen und radiologischen Ergebnis die Folge sein. Es können mit konservativer Therapie nicht zu beherrschende Beschwerden auftreten, so dass eine operative Revision notwendig wird. Dies sollte nur in Fällen erwogen werden, in denen sowohl klinisch als auch radiologisch die spinopelvinen Parameter auf eine sagittale Imbalance hinweisen. Hierbei spielt neben dem C7-Lot die Bestimmung der lumbalen Lordose im Verhältnis zur „pelvic incidence“ eine entscheidende Rolle [8]. Um solche Deformitäten in zuvor bereits operierten und fusionierten Wirbelsäulensegmenten zu korrigieren, hat sich die von E. Thomasen 1985 zur Korrektur der Wirbelsäulenfehlstatik beim Morbus Bechterew publizierte Operationsmethode durchgesetzt [10]. Hierbei wird die Osteotomie vor allem im Bereich der Lendenwirbelsäule (LWS) durchgeführt; nur in Ausnahmefällen ist eine Anwendung auch im Bereich der Brustwirbelsäule möglich. Der Vorteil hierbei ist, dass eine Korrektur über einen alleinigen dorsalen Zugang in einem einzeitigen Vorgehen möglich ist und aufwendige ventrale Osteotomien bei bereits fusionierter ventraler Säule entfallen. Bei einer Pedikelsubtraktionsosteotomie kann eine Korrektur von 30–40° erreicht werden [1]. Ziel bei jeder Operation muss die komplette Wiederherstellung der spinalen Balance in koronarer und sagittaler Ebene sein, um gute klinische Ergebnisse zu erreichen [9].
Operationsprinzip und -ziel
Durch die Verkürzung der dorsalen Säule wird eine Relordosierung bei kyphotischer Deformität erreicht und damit die sagittale Balance wiederhergestellt.
Vorteile
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Isoliert dorsaler Zugang
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Keine zusätzlichen Implantate notwendig
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Zeitgleiche Dekompression möglich
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Hoher Grad an Korrektur möglich
Nachteile
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Hohes perioperatives Komplikationsrisiko
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Hohes Risiko einer infektiösen Wundheilungsstörung
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Hohes Risiko einer Pseudarthrose
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Risiko neurologischer Defizite
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Möglicher hoher Blutverlust
Indikationen
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Posttraumatisch, postinfektiös, iatrogen oder degenerativ bedingte sagittale Imbalance bei konservativ ausgereizter Therapie nach individueller Diskussion mit dem Patienten über den zu erwartenden Nutzen
Kontraindikationen
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Kontraindikationen gegen eine längere Narkose in Bauchlage
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Schwere Allgemeinerkrankung des Patienten
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Floride Infektionen
Patientenaufklärung
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Allgemeine Operationsindikation
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Wundinfektion
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Pseudarthrose
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Implantatversagen
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Persistierende Schmerzen (keine Schmerzfreiheit)
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Proximale junktionale Kyphose
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Neurologische Defizite
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Liquorleck
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Belastungseinschränkung für mindestens 3 Monate postoperativ
Operationsvorbereitungen
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Röntgenbild der LWS in 2 Ebenen
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Röntgen-Wirbelsäulenganzaufnahme mit Hüftköpfen in 2 Ebenen
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Computertomographie (CT) des zu operierenden Bereichs inklusive quantitative CT (qCT) zur Bestimmung der Knochendichte
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Magnetresonanztomographie (MRT) des zu operierenden Bereichs
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Bestimmung der spinopelvinen Parameter und der notwendigen Korrektur
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Bestimmung des zu osteotomierenden Wirbelkörpers (ggf. computergestützte Planung) und Festlegung der Instrumentationstrecke
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Ggf. Abstützung bis auf das Becken erwägen
Instrumentarium
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Schrauben-Stab-System
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Klappbarer Tisch
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Ggf. spezielle Osteotomiesets, in jedem Fall aber L‑förmiger Stößel, Meißel
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Ggf. Neuromonitoring
Anästhesie und Lagerung
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Intubationsnarkose mit invasiver Blutdruckmessung, zentralvenösem Katheter und Blasenkatheter
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Bauchlage mit nach vorne ausgelagerten Armen
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Ggf. die geplante Osteotomie über einem Gelenk des Tischs lagern
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Perioperativ Tranexamsäure
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„Cell saver“ in der Abwesenheit von Kontraindikationen
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Kreuzblut und mindestens vier Erythrozytenkonzentrate vorhalten
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„Single-shot“-Antibiose nach Hausstandard 30 min vor Hautschnitt, ggf. Wiederholung nach einer Halbwertszeit
Besonderheiten
Jede Pedikelsubtraktionsosteotomie bedarf einer sehr genauen Planung und insbesondere in voroperierten und dekomprimierten Segmenten kann sich die Darstellung der Dura und der abgehenden Nervenwurzeln sehr erschweren. Hier ist ein Operationsmikroskop sehr hilfreich bei der Präparation. Es empfiehlt sich daher ein sehr genaues Studium des präoperativen MRT.
Postoperative Behandlung
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Rückenlage für 6 h
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Kein Bettgalgen
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Belassen der Drainagen bis zu einer Fördermenge <150 ml/24 h
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Röntgen LWS nach Drainagenzug in 2 Ebenen
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Röntgen-Wirbelsäulenganzaufnahme vor Entlassung
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Für 3 Monate maximal 5 kg heben und tiefes Sitzen vermeiden
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Röntgenaufnahme nach 6 Wochen, 6 Monaten und nach einem Jahr
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Von einer Materialentfernung sollte abgesehen werden
Fehler, Gefahren, Komplikationen
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Ausbrechen der Pedikelschrauben bei zu großen Repositionskräften: Entfernen der ausgebrochenen Schraube, Zementaugmentation mit dickerer Schraube
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Iatrogene Duraverletzungen: Wasserdichte Duranaht
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Persistierende Wundsekretion: Revision mit radikalem chirurgischen Débridement durch erfahrenen Operateur
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Pseudarthrose mit Stabbruch: Revision mit 4‑Stab-Konstrukt. Erneute Spondylodese durch Anlagern von Spongiosa/keramischem Knochenersatz
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Proximale junktionale Kyphose: Revision mit Verlängerung über den Kyphosescheitel hinaus, ggf. Zementaugmentation erwägen
Ergebnisse
Die Pedikelsubtraktionsosteotomie wurde in vielen Studien als gute Operationsmethode zur Korrektur sagittaler Imbalancen beschrieben [6]. Es sei jedoch zu berücksichtigen, dass eine lumbale Pedikelsubtraktionsosteotomie ein besseres klinisches Outcome ermöglicht als eine thorakale [12]. Patienten, die aufgrund einer postoperativen Fehlstellung eine Pedikelsubtraktionsosteotomie erhalten haben, haben schlechtere Ergebnisse als Patienten, die aufgrund einer adulten Deformität operiert werden [2]. Nach einer Pedikelsubtraktionsosteotomie sollte die sagittale Balance wiederhergestellt sein, um ein gutes klinisches Ergebnis zu erreichen [3]. Auch die Erfahrung des Operateurs scheint einen Einfluss auf das klinische Outcome und das Auftreten von Komplikationen zu haben [1]. Die Komplikationsrate bleibt dennoch sehr hoch. So sind in der Literatur für Patienten, die eine Pedikelsubtraktionsosteotomie erhielten bis zu 50 % perioperative Komplikationen beschrieben [7]. Die Langzeitergebnisse zeigen, dass die Patienten von der Operation profitieren, jedoch weiterhin deutliche Beschwerden haben und eine Schmerzfreiheit nach einem derartigen Eingriff eine Ausnahme ist [5]. Dies unterstreicht noch einmal die Wichtigkeit der präoperativen Aufklärung der Patienten über die möglichen Risiken und das zu erwartende klinische Ergebnis.
Literatur
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L. Viezens, S. Sehmisch, W. Lehmann und L. Weiser geben an, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Für diesen Beitrag wurden von den Autoren keine Studien an Menschen oder Tieren durchgeführt. Für die aufgeführten Studien gelten die jeweils dort angegebenen ethischen Richtlinien.
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K. Dresing, Göttingen
Zeichner
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Viezens, L., Sehmisch, S., Lehmann, W. et al. Pedikelsubtraktionsosteotomie zur Korrektur rigider Deformitäten. Oper Orthop Traumatol 31, 301–310 (2019). https://doi.org/10.1007/s00064-019-0609-5
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DOI: https://doi.org/10.1007/s00064-019-0609-5