Einführung

Aktuelle Wertigkeit der CCTA

Die koronare Computertomographie-Angiographie („coronary computed tomography angiography“, CCTA) ist seit Jahren ein zuverlässiges nicht-invasives Verfahren zur direkten morphologischen Darstellung der Koronararterien [1,2,3,4,5]. Die anderen zur Verfügung stehenden nicht-invasiven diagnostischen Verfahren wie Stressechokardiographie, Belastungsmyokardszintigraphie [6] oder Stress-MRT (Magnetresonanztomographie) [6,7,8] dienen hingegen primär dem Ischämienachweis. Der diagnostische Wert der CCTA wurde in zahlreichen Studien der invasiven Koronarangiographie auch im Vergleich zur invasiven Bestimmung der fraktionellen Flussreserve (FFR) gegenübergestellt [4, 9]. Hierbei zeigte sich, dass sich die CCTA hervorragend eignet, um eine koronare Herzkrankheit (KHK) auszuschließen, da sie einen sehr hohen negativen prädiktiven Wert („negative predictive value“, NPV; nahe 100 %) und eine sehr hohe Sensitivität für den Nachweis einer Stenose aufweist, während die Spezifität mit zunehmenden Koronarveränderungen abnimmt und insbesondere der positive prädiktive Wert („positive predictive value“, PPV) niedrig ist (Abb. 1). Die alleinige morphologische Beurteilung der CCTA führt im Falle einer Stenosierung des Koronargefäßes oft zu einer Überschätzung des Stenosegrades und birgt die Gefahr in sich, dass sich dadurch die Anzahl unnötiger invasiver Herzkatheteruntersuchungen erhöht, wenn sich keine nicht-invasive Ischämiediagnostik zum Ausschluss einer hämodynamischen Relevanz der Stenose anschließt.

Abb. 1
figure 1

Übersicht der Sensitivitäten und Spezifitäten verschiedener bildgebender Verfahren im Vergleich zum Goldstandard der invasiven FFR(fraktionelle Flussreserve)-Messung. Beachte, dass die limitierte Spezifität der koronaren Computertomographie-Angiographie („coronary computed tomography angiography“, CCTA) durch Verwendung von ischämienachweisenden Verfahren wie Stress-MRT (Magnetresonanztomographie) oder CT-Perfusion, aber auch FFRCT („CT-derived FFR“) verbessert werden kann (SPECT „single photon emission computed tomography“). (Mod. n. [9, 17])

Die aktuellen 2019er Leitlinien der European Society of Cardiology (ESC) für die Diagnose und das Management des chronischen Koronarsyndroms (CCS) [10, 11] berücksichtigen dies sowie die Tatsache, dass in neueren großen Kohortenstudien, z. B. in prospektiven CT-Studien wie PROMISE und SCOT-Heart, die Prävalenz der KHK niedriger war, als bisher angenommen. Die aktuellen ESC-Leitlinien stärken somit alle nicht-invasiven bildgebenden Verfahren gegenüber dem Herzkatheter, aber insbesondere die CCTA. In den britischen NICE(National Institute for Health and Care Excellence)-Guidelines wird die CCTA sogar bereits seit 2016 als „first-line investigation“ bei Verdacht auf eine KHK empfohlen [9].

Zusammenfassend ist die CCTA somit bereits allein gut geeignet für den Ausschluss eines CCS bei Patienten mit niedriger intermediärer Vortestwahrscheinlichkeit, was sich auch schon seit Jahren im Indikationsspektrum großer Register wie dem der European Society of Cardiovascular Radiology (ESCR) zeigt [12]. Im Falle eines positiven Koronarbefunds in der CCTA muss dann ggf. der Nachweis der hämodynamischen Relevanz mittels eines nicht-invasiven ischämienachweisenden Verfahrens oder invasiv mittels FFR erfolgen. Mittels invasiver FFR konnte gezeigt werden, dass Patienten, die auf Basis der FFR therapiert wurden, eine insgesamt niedrigere Rate kardiovaskulärer Ereignisse nach 1 Jahr (13,2 %) aufwiesen im Vergleich zu den auf rein anatomisch gestützter Basis therapierten Patienten (18,3 %; p = 0,02) [13]. Es wäre also wünschenswert, wenn neben der rein morphologischen Beurteilung der Koronararterien auch eine Beurteilung der hämodynamischen Relevanz der Stenose mit der CT möglich wäre. Die Ergebnisse der PROMISE-Studie zeigten, dass dies eine viel gezieltere Selektion von Patienten zur invasiven Koronarangiographie erlauben würde [14].

FFR versus FFRCT

FFR

Die FFR gibt das Druckverhältnis zwischen dem distalen poststenotischen Mitteldruck und dem aortalen Mitteldruck an. Dieses wird invasiv über Drucksensoren, die in einen Führungsdraht integriert sind, abgeleitet. Die Analyse erfolgt in Echtzeit, in Ruhe und unter maximaler Gefäßdilatation bzw. Hyperämie, meist mittels kontinuierlicher intravenöser Gabe von 140 μg/kg/min Adenosin.

Neben dem morphologischen Stenosegrad ist der Druckgradient über einer Koronarstenose noch abhängig vom aktuellen Perfusionsdruck, vom peripheren Gefäßwiderstand und von möglichen Kollateralkreisläufen. Um die FFR bestimmen zu können, müssen diese Faktoren unter bestimmten Bedingungen abschätzbar werden, was durch eine maximale pharmakologische Dilatation der Gefäße erreicht werden kann. Zusätzlich müssen der aortale Mitteldruck sowie der zentralvenöse Druck (ZVD) bekannt sein. Letzterer wird zur Vereinfachung der Berechnung häufig auch weggelassen. Durch folgende Formeln kann die FFR somit beschrieben und berechnet werden [15]:

$$\mathrm{FFR}=\frac{\mathrm{Q}_{\mathrm{s}}+\mathrm{Q}_{\mathrm{Kol}}}{\mathrm{Q}^{\mathrm{N}}}=\frac{\mathrm{P}_{\mathrm{d}}-\mathrm{P}_{\mathrm{v}}}{\mathrm{P}_{\mathrm{a}}-\mathrm{P}_{\mathrm{v}}}\approx \frac{\mathrm{P}_{\mathrm{d}}}{\mathrm{P}_{\mathrm{a}}}$$

Es gilt:

FFR:

fraktionelle Flussreserve des Myokards

Qs:

maximaler antegrader Fluss durch die Stenose

QKoll:

maximaler Kollateralfluss distal der Stenose

QN:

maximaler hypothetischer Normalfluss

Pd:

mittlerer Druck in der Koronararterie distal der Stenose bei maximaler Vasodilatation unter Adenosin

Pa:

mittlerer Aortendruck bei maximaler Vasodilatation unter Adenosin

Pv:

mittlerer zentralvenöser Druck bei maximaler Vasodilatation unter Adenosin

Daraus ergibt sich, wie die FFR über den Koronarfluss definiert ist. Sie kann somit auch als das Verhältnis des maximalen Blutflusses im Myokard distal der Stenose (antegrader Fluss und Kollateralfluss) zum hypothetischen Normalfluss im nichtstenosierten Gefäß beschrieben werden.

Eine FFR von weniger als 0,75 gilt als zuverlässiges Kriterium für eine hämodynamisch relevante Stenose, ein Wert größer als 0,80 als Normbereich und eine FFR zwischen 0,75–0,80 als „Graubereich“.

FFRCT

Bei der FFRCT(„CT-derived FFR“)-Bestimmung erfolgt keine direkte invasive Messung, sondern eine Abschätzung bzw. Berechnung aus CCTA-Daten unter verschiedenen vereinfachenden Annahmen, die später noch erläutert werden. Als besonderen Vorteil der FFRCT ermöglicht sie eine simultane Berechnung von Druck und Fluss entlang des gesamten Koronarbaums (Abb. 2). Im Gegensatz dazu liefert die invasive FFR-Messung mittels eines Druckdrahts während der invasiven Herzkatheteruntersuchung in der Regel nur eine Messung in einem vorher festgelegten Gefäß [16]. Der Draht ist in der Regel nur für eine einmalige Anwendung zugelassen, was die Untersuchung entsprechend teuer macht. Sowohl in der CT wie auch in der invasiven Herzkatheteruntersuchung erfolgt die morphologische Stenosevermessung direkt am Ort der Stenose, während die invasive FFR-Messung distal der Stenose mit Hilfe des Druckdrahts beginnt und dann durch kontinuierlichen Rückzug bis zum Ostium die FFR entlang des gesamten Gefäßes ermittelt wird. Es bestehen insgesamt in den bisher veröffentlichten Vergleichsstudien eine hohe Per-vessel- und Per-patient-Übereinstimmung.

Abb. 2
figure 2

FFRCT(„computed tomography-derived fractional flow reserve“)-Koronarbaum eines Patienten mit morphologisch schwerer Stenose (>90 %). Die CFD(„computational fluid dynamics“)-basierte FFRCT-Bestimmung (HeartFlow®) 10–20 mm distal der Stenose ergibt einen Wert von 0,75 (Norm: >0,80)

Diskrepanzen zwischen der invasiven FFR und den in der FFRCT ermittelten Werten am Ort einer Stenose können aber durch unterschiedliche Lokalisationen der Messungen bedingt sein. Während in der FFRCT die Adenosinbelastung unter Berücksichtigung von Muskelmasse und Mikrovaskularisierung aus den CT-Daten mit Kontrastmittel anhand mathematischer Algorithmen und vereinfachenden Annahmen simuliert wird, erfolgt bei der invasiven FFR-Bestimmung eine reale, in der Regel intravenöse Adenosingabe. Koronarverschlüsse und Kollateralfluss finden bisher in den FFRCT-Algorithmen im Gegensatz zur invasiven FFR keine Berücksichtigung, weshalb in solchen Fällen keine Evaluation mittels FFRCT möglich ist [16, 17].

Standardisierung der Analyse

Vor der FFRCT-Analyse und -Auswertung ist zunächst eine rein morphologische Analyse der Koronarien entsprechend einem Koronarsegmentmodell, z. B. dem der Society of Cardiovascular Computed Tomography (SCCT), notwendig [18]. Es wird empfohlen, nur Segmente mit einem Diameter von 1,5 mm oder mehr in die Analyse einzubeziehen. Sollte allein mit Hilfe der CCTA ein sicherer Ausschluss einer KHK möglich sein, bedarf es keiner weiteren FFRCT. Für alle morphologisch moderaten (50–69 %) und schweren Stenosen (70–99 %) kann eine Bestimmung der FFRCT sinnvoll sein [16].

Wie bei allen bildgebenden Verfahren, bedarf es auch bei der FFRCT einer Standardisierung der Befundung und einer Interpretation der Ergebnisse. Die Radiological Society of North America (RSNA) empfiehlt deshalb [16]:

  1. 1.

    Standardisiert den Wert der FFRCT im Bereich 10–20 mm distal des Unterrandes der morphologischen Stenose für die Bewertung heranziehen, wie es auch für die invasive FFR-Messung üblich ist [15,16,17]. Hierdurch kann das sog. „pressure recovery phenomenon“, welches im unmittelbar poststenotisch dilatierten Gefäßabschnitt auftreten kann, vermieden werden.

  2. 2.

    FFRCT-Werte >0,80 werden als normal und Werte ≤0,75 als pathologisch angesehen. Bei FFRCT-Werten zwischen 0,76 und 0,80 wird eine zusätzliche Risikostratifizierung empfohlen. Dies ist deshalb besonders notwendig, da die mit der FFRCT ermittelten Werte im Vergleich zur invasiv gemessenen FFR geringfügig niedriger ausfallen ([15,16,17,18,19]; „bias range“: 0,03–0,05). Grundsätzlich gilt dieser Bereich aber auch bei der invasiven Messung als „Graubereich“.

  3. 3.

    Natürlich müssen auch die Ergebnisse der FFRCT im Hinblick auf die Koronaranatomie in ihrem klinischen Kontext, die Patientensymptome und die Möglichkeiten zur Revaskularisation hin bewertet werden.

Zusätzlich zeigen erste Studien, dass ein großer „pressure-drop“ (∆FFRCT ≥0,06) möglicherweise ein besserer „predictor“ für kardiovaskuläre Ereignisse in der Zukunft darstellt als der Absolutwert distal einer Stenose [16].

Auch in neueren Studien unter Einsatz von „machine learning“ (ML) ist die Bildqualität entscheidend. In den FFRCT-Studien der letzten Jahre schwankt die Ausschlussrate zwischen 7 und 12 % aller CT-Untersuchungen [20] (siehe auch Tab. 1), überwiegend wegen eingeschränkter Bildqualität. Dies hat sich seit Einführung der FFRCT nicht wesentlich verbessert.

Tab. 1 Chronologische Übersicht wichtiger CCTA(„coronary computed tomography angiography“, CCTA)/FFRCT(„CT-derived frational flow reserve“)-Studien der letzten Jahre. (Mod. n. [14])

Verschiedene Methoden der FFRCT-Bestimmung

CFD (HeartFlow®), CFD- und ML-basiert (Siemens), ML-basiert (DEEPVESSEL FFR®)

Fortschritte im „image-based modeling“ und in den „computational fluid dynamics“ (CFD) haben es in den letzten Jahren möglich gemacht, Blutfluss und -druck in den Koronargefäßen unter Ruhe sowie unter hyperämischen Bedingungen allein aus den morphologischen CT-Daten ohne zusätzliche Bildgebung, Modifikationen der Akquisitionsprotokolle oder den Einsatz von Pharmaka zu berechnen.

Die in der bisher einzigen kommerziell verfügbaren und von der Food and Drug Administration (FDA) zugelassenen Software der Firma HeartFlow® (HeartFlow Inc., Redwood, CA, USA) eingesetzte CFD-Technik [21], die auch in den ersten Studien zur FFRCT-Bestimmung – DISCOVER-FLOW (Diagnosis of Ischemia-Causing Stenoses Obtained Via Noninvasive Fractional Flow Reserve; [22]), DeFacto (Determination of Fractional Flow Reserve by Anatomic Computed Tomographic Angiography; [23]), NXT [17] oder Platform [24] – eingesetzt wurde, soll im Folgenden kurz beschrieben werden. Dem bisher kommerziell noch nicht verfügbaren CFD-basierten Algorithmus der Firma Siemens (cFR, Siemens, Erlangen, Deutschland), der auch „onsite“ genutzt werden kann, liegen ähnliche Prinzipien zugrunde [25]. Die Bestimmung der FFRCT erfolgt durch simulierte Berechnung des Verhältnisses von maximalem Koronarblutfluss entlang eines stenotischen Gefäßes zum Blutfluss eines normalen Blutgefäßes.

Zur Berechnung der FFRCT mittels CFD benötigt man ein anatomisches dreidimensionales (3-D) Modell des Koronarbaums (Abb. 3), ein mathematisches Modell zur Simulation der Koronarphysiologie, welches auch Grenzbedingungen der kardialen Auswurfleistung, des Aortendrucks und des mikrovaskulären Widerstands berücksichtigt, sowie eine numerische Lösung, die die physikalischen Gesetze der Strömungsmechanik berücksichtigt [21].

Abb. 3
figure 3

Dreidimensionale Rekonstruktion des Computertomographie-Koronarbaums (derselbe Patient wie in Abb. 2)

Diese Kombination aus anatomischer und physiologischer Information in Verbindung mit der Anwendung der Gesetze der Strömungsmechanik ermöglicht eine Berechnung von Koronarfluss und -druck unter verschiedenen physiologischen und pathologischen Bedingungen.

Es wird bei den verwendeten mathematischen Algorithmen vereinfachend angenommen, dass die Systeme des Kreislaufs der universellen Regel „form follows function“ folgen, die es dem Körperkreislauf ermöglichen, eine gleichmäßige Organperfusion unter verschiedenen physiologischen Bedingungen (Ruhe vs. Belastung) mit ausreichendem Blutfluss und Perfusionsdruck aufrechtzuerhalten [20, 26].

Als weitere Bedingung wird die Gültigkeit allometrischer Skalierungsgesetze, also die Übertragbarkeit der Beziehungen der Masse eines Organs zu seiner Form, Anatomie und Physiologie von großen auf kleinere Objekte, vorausgesetzt. Im Falle der FFRCT-Bestimmung wäre das z. B. die Übertragung von Messergebnissen aus großen Blutgefäßen auf die Simulation des Blutflusses in den Koronararterien.

Allometrische Skalierungsgesetze ermöglichen es, z. B. Rückschlüsse von der Organgröße auf die Organdurchblutung und damit den Blutfluss zu ziehen. So ist z. B. unter Ruhebedingungen der koronare Blutfluss proportional zur myokardialen Masse, welche durch einfache Segmentierung aus den CT-Daten bestimmt werden kann [21].

Weiterhin kann als allometrisches Skalierungsgesetz die direkte Proportionalität zwischen dem Blutfluss und dem Gefäßdiameter genutzt werden, welche weiterhin durch die Wandspannung und die Viskosität im Blutgefäß beeinflusst werden. Des Weiteren besteht eine inverse Korrelation zwischen dem Gefäßwiderstand, dem resultierenden Blutfluss und dem Gefäßdiameter [21] der Koronargefäße. Der Gefäßwiderstand und der Blutfluss distal einer Stenose stehen in direkter Beziehung zu Anzahl und Größe der distalen Gefäße und Seitenäste und können damit ebenfalls aus den morphologischen CT-Daten ermittelt werden.

CFD – numerische Strömungsmechanik und Simulation

Eine bezeichnende Eigenschaft von Gesetzen der Strömungsmechanik ist ihre Universalität, d. h. man kann mit ihnen ähnliche Strömungsphänomene (z. B. Wirbelbildungen) an Flugzeugen und in Flüssen genauso wie in Blutgefäßen beschreiben. D. h. viele Gesetze der Strömungsmechanik gelten in Gasen wie in Flüssigkeiten und lassen sich dementsprechend ähnlich berechnen bzw. simulieren.

Koronarer Blutfluss und -druck können also grundsätzlich mithilfe der seit über 150 Jahren bekannten Navier-Stokes-Gleichungen berechnet sowie physikalische Eigenschaften des Blutes wie Dichte und Viskosität abgeleitet werden. In großen Blutgefäßen kann Blut vereinfachend sogar als Newton-Flüssigkeit mit konstanter bzw. weitgehend belastungsunabhängiger Viskosität betrachtet werden, in kleineren Blutgefäßen wie den Koronararterien verhält sich Blut hingegen als Nicht-Newton-Flüssigkeit mit weit komplexeren rheologischen Eigenschaften. Um diese in mathematischen Gleichungen berücksichtigen zu können, sind Millionen von nichtlinearen partiellen Differenzialgleichungen simultan zu lösen und diese Prozesse für jeden Herzzyklus iterativ zu wiederholen [21]. Solche numerischen Methoden werden als CFD-Methoden der Strömungssimulation bezeichnet. Um die notwendigen Rechenoperationen einzugrenzen, müssen eine sog. „domain of interest“, im Falle der FFRCT-Bestimmung also das Koronargefäßlumen, und mathematische Grenzbedingungen, sog. „boundary conditions“, definiert werden. Aus dem bisher Genannten wird klar, dass hierzu eine immense Rechenleistung erforderlich ist, um zeitnah Ergebnisse erzielen zu können.

„Image-based modeling“ des Blutflusses im Blutgefäß

Die Berechnung der FFRCT aus CCTA-Daten benötigt also, gekoppelt an die CFD, auch Methoden, um Modelle aus den morphologischen CT-Daten zu extrahieren und die mathematischen Grenzbedingungen einbeziehen zu können, die dann auch den Effekt der Mikrozirkulation mitberücksichtigen [21]. Es wird somit klar, dass ein wesentlicher Bestandteil dieses „image-based modeling“ eine qualitativ hochwertige Segmentierung der Koronargefäße darstellt. Dies erfolgt bisher meist noch semiautomatisch und bedurfte zumindest initial noch einer zusätzlichen, teilweise aufwändigen manuellen Korrektur und bedarf auch jetzt noch einer entsprechend sorgfältigen Qualitätskontrolle, um valide Werte zu generieren. Deshalb ist die Rate der nicht verwertbaren CCTA aus den Studien mit 7–12 % (Tab. 1) immer noch sehr hoch.

Das daraus entstandene geometrische 3‑D-Modell für die FFRCT wird in „finite Elemente“ mittels eines Gitternetzes von Millionen Knoten und Elementen zerlegt, und die Flussgeschwindigkeiten und -drücke in jedem dieser Elemente werden mithilfe von parallelem „supercomputing“ berechnet.

FFRCT-Berechnung aus der CT

Die finale FFRCT-Bestimmung erfordert die Reduktion der Daten auf einige Hauptkontrollparameter („lumped-parameter model“). Dies ist ein gängiges Vorgehen zur topologischen Beschreibung räumlich verteilter physikalischer Systeme unter bestimmten vereinfachenden Annahmen. Dieses Vorgehen ist gebräuchlich zur Beschreibung von physikalischen Phänomenen aus der Elektronik, der Akustik oder auch – wie im Falle der FFRCT-Bestimmung – aus der Biomechanik.

Mathematisch ausgedrückt, überführt diese Simplifikation den Zustandsraum oder „state space“ in eine endliche Dimension und die partiellen Differenzialgleichungen in ordinäre Differenzialgleichungen mit einer endlichen Anzahl von Parametern.

Die verwendeten „lumped-parameter models“ des Herzens, des Systemkreislaufs, sowie der Mikrozirkulation werden mit einem patientenspezifischen Modell der Aortenwurzel, der Muskelmasse und der epikardialen Koronargefäße aus den CT-Daten gekoppelt. Der gesamte Koronarfluss unter Ruhebedingungen wird aus der muskulären Kammervolumetrie abgeschätzt, aus dem Gesamtkoronarfluss wird der Gesamtkoronarwiderstand und aus dem Armblutdruck der Aortendruck berechnet.

Final müssen die Grenzbedingungen für die Simulation der maximalen Hyperämie unter Adenosinbelastung definiert werden. Es konnte experimentell gezeigt werden [21, 26], dass in Koronargefäßen mit normaler koronarer Flussreserve (CFR) der Gesamtkoronarwiderstand unter maximaler Adenosinbelastung (140 μg/kg/min), wie sie auch für invasive FFR-Bestimmung, Stress-MRT oder Myokardszintigraphie unter pharmakologischer Belastung verwendet wird, auf 0,24 des Ruhewertes absinkt. Dieser Wert kann als maximale Reduktion auch im Falle einer mikrovaskulären Dysfunktion angesehen werden – eine vereinfachende Annahme, die auch Ergebnisse der FFR repräsentiert. Hierbei wird weiterhin angenommen, dass der mikrovaskuläre Widerstand distal einer Stenose unter Hyperämiebedingungen dem eines gesunden Gefäßes in Ruhe entspricht.

Am Ende ergibt sich aus den vielen Gleichungen eine räumliche Verteilung der FFRCT-Werte über den gesamten dreidimensionalen Koronarbaum (Abb. 4).

Abb. 4
figure 4

Patientin mit visuell schwerer Stenose in der proximalen LAD („left anterior descending artery“) im Bereich einer stark verkalkten Plaque vor TAVI(„transcatheter aortic valve implantation“): Sowohl der ML(„machine learning“)-basierte Algorithmus (DEEPVESSEL FFR®; Keya Medical Technology, Beijing, China) als auch der der Firma Siemens ergeben jeweils im Abstand von 10–20 mm von der LAD-Stenose eine FFRCT („computed tomography-derived fractional flow reserve“) zwischen 0,78 und 0,81 im Grenzbereich einer hämodynamischen Relevanz. Es erfolgte keine Koronarintervention

FFRCT-Bestimmung mittels ML

Die bisher einzige kommerziell zur Verfügung stehende und auch die FDA-Zulassung besitzende Software (HeartFlow®) ist eine CFD-basierte. Sie wird aktuell cloudbasiert angeboten, d. h. die DICOM-CT-Daten müssen hier hochgeladen werden, und die Ergebnisse werden dann in der Regel innerhalb eines Arbeitstages geliefert.

Nach sorgfältiger Off-site-Segmentierung der Datensätze erfolgt die Kalkulation der FFRCT, die, wie für die CFD-Simulation beschrieben, sehr zeitaufwändiger Rechenoperationen mittels „supercomputing“ bedarf. Die Preise für diese Leistung liegen in der Größenordnung einer invasiven FFR-Bestimmung mittels Katheter.

Um diese Leistung schneller und kostengünstiger anbieten zu können, wurden in den letzten Jahren von verschiedenen Geräteherstellern und zuletzt auch von einem geräteunabhängigen Anbieter – bisher allerdings nur für Forschungszwecke und nicht zur klinischen Nutzung – ML-basierte Algorithmen angeboten, die „onsite“ benutzt werden können. Die dazu notwendigen Rechenoperationen sind deutlich weniger aufwändig und können auf Standardcomputerhardware durchgeführt werden.

Die ML-basierten Algorithmen fußen in der Regel auf einer Kombination von Bildmustererkennung, v. a. für eine qualitativ hochwertige und weitgehend automatisierte Segmentierung der Koronararterien, und auf den eigentlichen ML-basierten Algorithmen [20, 27]. Der von der Firma Siemens benutzte Algorithmus beruht auf einem mittels „supervised learning“ an einem Datensatz aus 12.000 unterschiedlichen synthetischen 3‑D-Koronarbaum-Modellen mit zahlreichen anatomischen Varianten und unterschiedlichem Ausmaß an Koronarstenosen trainierten Datensatz mit den Ergebnissen der CFD-basierten FFRCT-Bestimmung als „ground truth“.

In einer der bisher größten Multizenterstudien dazu [20] mit 351 eingeschlossenen Patienten im direkten Vergleich unter Verwendung einer ML-basierten FFRCT- und einer bisher nichtkommerziell erhältlichen CFD-basierten Software (beide von der Firma Siemens) konnten mit einer „vessel-based accuracy“ von 78 % (Tab. 1) ähnlich gute Ergebnisse wie mit dem CFD-basierten Algorithmus erzielt werden, mit einer sehr guten Korrelation von 0,997 und einer identischen AUC („area under the curve“) von 0,84 (Abb. 5) im Vergleich zur invasiven FFR-Bestimmung mittels Herzkatheter. An die Ergebnisse der Metaanalyse von Cook et al. [19] unter überwiegender Nutzung der kommerziell erhältlichen CFD-basierten FFRCT (HeartFlow®) aus 4 Zentren sowie der nichtkommerziell erhältlichen CFD-Software der Firma Siemens mit insgesamt 536 eingeschlossenen Patienten und einer „vessel based accuracy“ von 82 % konnte sie jedoch noch nicht ganz heranreichen. Allerdings waren auch in dieser Metaanalyse die Ergebnisse im Bereich der ermittelten FFRCT-Referenzbereiche sehr unterschiedlich. In den Grenzbereichen von FFRCT-Werten zwischen 0,68 und 0,83, die am häufigsten bei Patienten mit morphologischen Stenosegraden zwischen 50 und 90 % auftraten, waren die Ergebnisse weniger gut.

Abb. 5
figure 5

ROC(„receiver operating characteristic“)-Analyse der CFD(„computational fluid dynamics“)-basierten (rote Kurve) und der ML(„machine learning“)-basierten (grüne Kurve) FFRCT(„computed tomography-derived fractional flow reserve“)-Bestimmung im Vergleich zur reinen/morphologischen Koronar-CTA (Computertomographie-Angiographie; blaue Kurve) ergibt jeweils eine vergleichbare AUC („area under the curve“) von jeweils 0,84 und einen deutlich niedrigeren Wert für die CCTA („coronary computed tomography angiography“) allein. (Mod. n. [20])

In einer neueren Einzelzenterstudie [28] mit lediglich 61 eingeschlossenen Patienten und unter Verwendung eines anderen ML-basierten Algorithmus (DEEPVESSEL FFR®; Keya Medical Technology, Beijing, China; Tab. 1) wurden allerdings bereits Ergebnisse erzielt, die mit einer „vessel-based accuracy“ von 88 % an die CFD-basierten Techniken heranreichen bzw. diese sogar übertreffen. Der Anteil der nicht auswertbaren CCTA lag mit 7 % aber immer noch sehr hoch. Trotzdem sind diese Algorithmen natürlich sehr vielversprechend, da sie den bisherigen deutlichen Nachteil der nicht unmittelbaren Verfügbarkeit der Ergebnisse nicht mehr aufweisen und kostengünstiger anbietbar sein werden.