Zusammenfassung
Durch Untersuchung der Serum-Glutamat-Oxalacetat-Transaminase und Serum-Glutamat-Pyruvat-Transaminase, der Aldolase und der Cholinesterase wurde festgestellt, inwieweit die Bestimmung dieser Fermente für die Diagnose und Beurteilung der Tetrachlorkohlenstoffvergiftung Bedeutung gewinnen kann, und inwieweit sie einen Einblick in die biochemischen Störungen, vor allem in der Leber gestattet. Die toxische Leberschädigung führt zu steilem Anstieg der genannten Fermente mit Ausnahme der Cholinesterase, die sich uneinheitlich verhält; das Maximum dieses Anstiegs liegt bereits in den ersten Tagen der Vergiftung und erklärt sich durch eine verstärkte Fermentfreisetzung aus nekrotischen Zellen. Zugleich spricht aber der schnelle Abfall und das Unterschreiten der Ausgangswerte im weiteren Verlauf für eine Störung der Synthese, vor allem der SGPT und der Aldolase. In den meisten Fällen kam es während der Beobachtungsdauer von etwa einem halben Jahr zu einer völligen Normalisierung aller Befunde (Überwachung des Verlaufes erfolgte neben den Fermentbestimmungen durch Elektrophoresen, Thymoltest, Gesamteiweißbestimmung, Bromthaleintest, histologische Untersuchungen, Gewichtskontrollen, Blutbildüberwachung). Zugleich ergaben sich hierbei interessante Einblicke in das Verhalten des tierischen Organismus bei der subakuten Tetrachlorkohlenstoffvergiftung, wobei hervorzuheben ist, daß die mit den genannten Untersuchungen feststellbaren Veränderungen erst später als die Fermentsteigerungen ein eindeutiges Ausmaß erreichen, so daß gerade für die Beurteilung des Krankheitsbildes während der ersten Tage den Fermentuntersuchungen besondere Bedeutung beizumessen ist. Zwischen der Intensität der Tetrachlorkohlenstoffeinwirkung und der Höhe des Fermentspiegels besteht ein offensichtlicher Zusammenhang, so daß anzunehmen ist, daß der Anstieg der Serum-Fermente einen Hinweis auf das Ausmaß der eingetretenen Leberparenchymschädigung gibt.
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Herrn Professor Dr. Holstein zum 60. Geburtstag gewidmet.
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Töppich-Straub, D., Minden, H. Serumfermentbestimmungen bei Tetrachlorkohlenstoffvergiftung. Arch. Gewerbepath. Gewerbehyg. 18, 442–457 (1961). https://doi.org/10.1007/BF00318113
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