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Die Innovative Funktion von Literatur. Eine Einführung in das Problem

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Zusammenfassung

Im Aufsatz von Hans Robert Jauß, der am Anfang der rezeptionstheoretischen Richtung innerhalb der Literaturwissenschaft steht, ’Literaturgeschichte als Provokation der Literaturwissenschaft’ (Jauß 1970), ist die Problematik, von der wir in dieser Untersuchung einige Aspekte näher beleuchten wollen, bereits vollauf da. Es handelt sich um die vornehmlich innovative Funktion, die das literarische Werk bei Jauß für die Leser hat. In ästhetischer Hinsicht liefert nach Jauß die Distanz eines literarischen Werkes zur literarischen Erfahrung des Lesers ein Kriterium, in der historischen Analyse den ästhetischen Wert dieses Werkes zu bestimmen. Es kommt hinzu, daß in seiner Auffassung ästhetische Distanz und ästhetischer Wert miteinander korrelieren.

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Anmerkungen zu Kapitel 1

  1. Schmidt widmet den literarischen Verfahren, die einen bestimmten Effekt bewirken, weniger Aufmerksamkeit; in Kapitel 2 gehen wir auf die Verfahren ein, die einen innovativen Einfluß ausüben können.

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  2. Äußerungen von Schriftstellera gibt es im Überfluß. Zwei willkürliche Beispiele: die Autoren des Nouveau Roman wollten mit ihren bewußt anderen literarischen Verfahren die Welt verändern (Netzer 1970; S. 106–108); Kundera bemerkt: “In einem Roman soll etwas entdeckt werden, etwas, das vorher noch nicht gesagt, gesehen oder verstanden worden ist. Ein Autor, der nicht den Ehrgeiz hat, etwas Neues zu entdecken, sollte nicht schreiben.” (Haagse Post, 17.10.1981) Eine Sammlung von Äußerungen mehrerer Schriftsteller gibt es bei Billen & Koch (1975). Indirekt, nämlich über die angebotenen Texte in den Kapiteln 3, 4 und 5, spielen Autor — ’Intentionen’ wohl eine Rolle.

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  3. Komplizierter wäre es, wenn man beabsichtigen würde, eine vollständige Übersicht von Funktionsauffassungen zu geben, wobei auch andere als innovative Funktionen und Funktionsauffassungen in nicht — rezeptionsästhetisch orientierten Theorien erörtert werden müßten. Zu denken wäre in diesem Zusammenhang an Gardner (1978), der, die Linie von Plato und Tolstoj fortsetzend, von der Kunst eine heilsame, moralische und die Daseinsqualität verbessernde Funktion fordert. Khatchadourian (1980) nennt einige humanistische Funktionen von Kunst; sie bringe u.a. Ordnung, Schönheit und Harmonie in einer vom Chaos erfüllten Zeit. Mooij (1982) unterstreicht den Wert von Literatur, die das geistige Leben bereichert: “Eine Bereicherung im Sinne einer gesteigerten Erkenntnis, einer besseren Einsicht, einer zugenommenen geistigen Vitalität, einer besseren Integration unserer geistigen Fähigkeiten.” (Übers., S. 26) Es folgt eine Zuspitzung auf die Moderne: “die aktive Fortsetzung einer Atmosphäre beherrschter und vernünftiger Rätselhaftigkeit” (Übers., S. 29). Er bezweifelt übrigens, ob Literatur einen bleibenden Effekt hat. Mooij widmet auch den Funktionsauffassungen anderer Autoren Aufmerksamkeit, z.B. der mehr auf den emotionalen Effekt gerichteten Auffassung von Richards. Olson (1978, Kap. 2) geht ausführlicher auf ’Expressionstheorien’ ein (neben Richards u.a. Langer): Literatur stelle Emotionen dar und rufe sie hervor; im Umgang mit Literatur werden Emotionen geläutert, bereichert, erkannt, und es erfolge eine Verbesserung und Bereicherung. Das genaue Verhältnis einer auf diese und ähnliche Weise umschriebenen Funktion von Kunst zum Innovationsgedanken muß allerdings näher festgestellt werden; es gibt Überschneidungen, die durch die verschiedenen Formulierungen nicht sofort sichtbar werden. Auch die eindeutige Beziehung zwischen — ästhetischer — Innovation und Bewertung und Erkenntnis wird wohl in Frage gestellt. Van den Bergh (1980–1981) vertritt einen Standpunkt, der unmittelbar an die Theorie Berlynes anschließt (siehe Kap. 3). Auch der Frage, wie man sich in den verschiedenen Paradigmen in der Literaturwissenschaft mit dem Aspekt der innovativen Funktion auseinandergesetzt hat, müßte in einer umfassenderen theoretischen Untersuchung nachgegangen werden. Dahrendorf (1974) behandelt z.B. neben der kommunikationsästhetischen Richtung auch die idealistische Ästhetik und die ’Ästhetik des Möglichen’. In der idealistischen Auffassung wird Literatur als ’Daseinsoffenbarung’ verstanden; ihre Funktion besteht darin, die ’Wahrheit und Ordnung der Dinge’ sichtbar zu machen. Nach Rusterholz (1978, S. 356) bietet die werkimmanente Richtung der innovativen Funktion keinen Raum: “Die Werkinterpretation bleibt allerdings einseitig und unkritisch, wenn sie sich darauf beschränkt zu begreifen, was uns ergreift. Dies bringt uns um die Chance, das zu verstehen, was uns vorerst nicht zusagt und damit die Möglichkeit, durch das befremdliche Kunstwerk herausgefordert, unsere Vorurteile zu erkennen, unseren Horizont zu erweitern und uns mit einem Kunstwerk auch kritisch und nicht nur affirmativ zu befassen.” Die genannten Beispiele geben einen Eindruck von der Beschaffenheit und dem Umfang des Problems der Funktion von Literatur als Gegenstand einer systematischen Untersuchung. Der Übergang von einer systematischen zu einer historischen Orientierung ist übrigens fließend. Die empirische Überprüfung der Annahme der innovativen Funktion, wie sie in den rezeptionsgerichteten Auffassungen begegnet, gibt indirekt auch Aufschluß über andere Auffassungen.

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  4. Eine scharfe Grenze läßt sich zwischen einer historischen und einer systematischen Ordnung nicht immer ziehen. Der genaue Wert des Werkes von Dewey (1958/1934) und Vygotski (1971/1924–25) in bezug auf unsere Fragestellung müßte festgestellt werden. Nach Schwarz (1981, S. 44) ist Dewey in seiner Auffassung über ästhetischen Wert mit Mukarovsky — und auch mit Iser und Lotman — verwandt. Wellek & Warren (1956, Kap. 3) geben eine allgemeine Einführung in die Geschichte der Literaturtheorie (cf. auch Mooij 1982); Olson (1982) behandelt die neben klassischen und modernen Theorien meistens wenig genannten Auffassungen des Mittelalters. Wichtige Informationen findet man weiter bei Jauß (1982), was die Geschichte der ästhetischen Erfahrung betrifft, und bei Assmann (1980). Müller (1981) stellt die rezeptionsästhetische Richtung vor den Hintergrund des Historismus, Positivismus und der Geistesgeschichte.

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  5. Hierfür ist Jäger (1974) illustrativ. Ein Beispiel dafür, wie voreilige Schlußfolgerungen gezogen werden und zu wenig selektiv vorgegangen wird bei der Wahl des Beweismaterials bietet Strelka (1971, S. 279–297); der von ihm erwähnte Einfluß der Arthusromane erweist sich bei seiner Quelle (Spearman 1966, S. 243f.) als äußerst dürftig dokumentiert.

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  6. Von der kognitiven Entwicklungspsychologie ausgehend gibt es ein stark zunehmendes Interesse für die Produktion und Rezeption von Kunst und Literatur durch vor allem junge Kinder; ein Beispiel dafür ist das Werk H. Gardners. Den Unterschied zwischen Jugend- und Kinderliteratur lassen wir hier auf sich beruhen. Ein interessantes Thema beim Studium von Jugendliteratur ist das Erlernen Uterarisch — ästhetischer Konventionen als Voraussetzung für das Sammeln neuer Erfahrungen (Viehoff 1982b; Wirrer 1982).

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  7. Textimmanente Durchbrechung der Erwartung wird als Spannung bezeichnet (Van den Bergh 1975). In einer empirischen Untersuchung hat sich Borringo (1981) mit Spannung — im engeren Sinne von ’suspense’ — befaßt. Verschiedenartige Untersuchungen haben dieses Thema zum Gegenstand; auch die empirische Stilforschung wäre in diesem Zusammenhang zu nennen (Frey 1980 und 1981).

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  8. Eine Übersicht von Theorien gibt — neben Schmidt 1982a — Müller 1981. Bei der soziologischen Betrachtung erhebt sich auch die Frage nach dem Ursprung normbrechender Literatur, den Voraussetzungen, unter denen sie sich entwickeln konnte. Man denke etwa an Fügens Typologie von Schriftsteller- und Literaturfunktionen; seine ’gesellschaftsabgewandte’ Literatur der Moderne ist für Groeben (1974) Anlaß, die empirische Literaturwissenschaft für die gewünschte utopische oder ’gegenideologische’ Funktion von Literatur einzusetzen.

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  9. Bei Heuermann et al. werden auch Gegner der empirischen Richtung genannt, ebd.

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  10. Für eine ausführliche Argumentation und Darstellung (auch in bezug auf die erkenntnistheoretischen Aspekte) sei auf das Werk Schmidts verwiesen. Auch in einigen kürzeren Veröffentlichungen stellt Schmidt seine Auffassung dar (Schmidt 1980, 1981, 1982b).

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  11. Die uns bekannten Klassifizierungen von Effekten ergeben nicht viel Brauchbares. Bauer et al. (1972) unterscheiden drei Arten von ’Wirkung’: ’Auswirkung’, eine abgeschlossene, historisch nachweisbare Veränderung einer Leserschicht; ’Effekt’, eine spontane Überraschung, negativ konnotiert (cf. Effekthascherei), und ’Einwirken’, den unmittelbaren Effekt zur Zeit des Kommunikationsprozesses. Waples, Berelson & Bradshaw (1942) unterscheiden fünf Effekte des Lesens (nicht spezifisch literarisches Lesen): 1. instrumenteile Effekte (Kenntniserweiterung); 2. Prestige — Effekte (Kompensation von Inferioritätsgefühl); 3. Bestätigung einer Attitüde; 4. ästhetische Erfahrung; 5. Spannungsentlastung. Die Begriffe Effekt und Funktion (nicht als Bezeichnung des Literarisch — Seins von Texten wie im Falle von Muka-rovskys ästhetischer Funktion) werden als solche kaum problematisiert. Die Aufarbeitung des Begriffs Funktion in der Textwissenschaft und der darin verarbeiteten Sprachhandlungstheorie (cf. z.B. Grosse 1976 und Landwehr 1975) und des Begriffs ’Anwendung’ oder ’Applikation’ in der von Jauß nach Gadamer entwickelten literarischen Hermeneutik gehören zu Teilbereichen zukünftiger Forschung.

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  12. Schmidt (1981) hat mehr die Soziologie im Auge: “[...] they [empirical studies, DS] must yield solutions that have functional relevance, i.e. provide argumentative achievements in the framework of more general theories of society by offering insights into the social system called ’literary life’ (or LITERATURE as in Schmidt 1980).” (S. 322)

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  13. Ein anderer Grund ist, daß wir in unsere Untersuchung Leser einbeziehen wollen, die das Stadium erreicht haben, in dem man sich allen Phasentheorien nach für das Lesen von Literatur für Erwachsene eignet, d.h. das Alter ab 16 Jahren.

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  14. Wir haben uns für eine ausführliche Besprechung nur einiger Repräsentanten rezeptionsorientierter Theorien entschieden. Es wäre nicht schwer gewesen, ihre Zahl zu vergrößern. Insbesondere weisen wir auf die Pionierarbeiten von Rosenblatt (1970 und 1978; siehe Klemenz — Belgardt 1982, S. 1–3) und Sartre (1948) hin. Schmidt (1982d) und Brackert & Stückrath (1981, im Teil ’Funktionsbestimmungen von Literatur’) geben eine Aufzählung von Funktionen, die Literatur zugeschrieben werden. Schmidt (1980) gibt auch viele Hinweise, u.a. auf das Werk von Enzensberger (S. 125–129). Neben einer Erweiterung der Diskussion wäre auch ihre Fortsetzung erwünscht, u.a. in der Weise, daß dem Band Funktionen des Fiktiven (Henrich & Iser 1983) in der Reihe Poetik und Hermeneutik entsprechende Aufmerksamkeit gewidmet würde.

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  15. Abschluß der Materialsammlung (mit Ausnahme einiger weniger Studien): Ende 1983.

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Schram, D.H. (1991). Die Innovative Funktion von Literatur. Eine Einführung in das Problem. In: Norm und Normbrechung. Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-663-14010-8_1

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  • Publisher Name: Vieweg+Teubner Verlag, Wiesbaden

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