Zusammenfassung
Im Rahmen der subjektiven Psychologie ist vor allem der Werdegang des Wahrsagers von Interesse, wobei naturgemäß eine Scheidung zwischen gläubigen und nicht gläubigen Wahrsagern zu machen ist. Die Entwicklung letzterer ist nicht besonders bedeutsam, da es sich um eine nach ganz materiellen Gesichtspunkten orientierte Berufswahl handelt, zu der als Vorbereitung nur ein mehr oder minder gutes Studium der gewählten Wahrsagemethode gefordert wird. Die zur Ausübung außerdem nötigen Fähigkeiten, insbesondere gute Menschenkenntnis und Redegewandtheit, werden vielfach erst im Laufe der Praxis erworben. Günstige Konjunktur, wie allgemein gesteigertes Bedürfnis nach Mystizismus, ferner Zeiten großen Arbeitsmangels usw., veranlaßt eine Reihe von Leuten, sich ohne höhere Eingebung, sondern von praktischen Erwägungen geleitet, einen derartigen Erwerbszweig zu suchen; ihre immerhin beträchtliche Zahl scheint zu beweisen, daß sie damit keinen Fehlgriff getan haben. Sie spekulieren durchwegs auf den Aberglauben und die Dummheit ihrer lieben Mitmenschen und betreiben ihr Wahrsagegeschäft mit den primitivsten Hilfsmitteln — die ad hoc angeschafft werden (Traumbücher, astrologische Schriften obskurster Herkunft usw.) — sowie unter weitestgehender Heranziehung freier Phantasie. Allerdings kann sich mitunter aus einem solchen Wahrsager im Laufe der Praxis ein halb oder auch ganz gläubiger Prophet entwickeln, sei es, daß die intensive Beschäftigung den Glauben an die Richtigkeit erweckt und kräftigt, sei es, daß darauf gerichtete fremde Einflüsse vorliegen. Gerade für letztere Erscheinung bietet uns wieder der Spiritismus ein analoges Bild, wenn das Medium auf Grund ganz belangloser Leistungen durch Dritte künstlich — oft gegen seinen Willen — großgezüchtet wird, bis es schließlich die ihm aufoktroierte Rolle — gutgläubig oder auch nicht — weiterspielt.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Author information
Authors and Affiliations
Additional information
Besonderer Hinweis
Dieses Kapitel ist Teil des Digitalisierungsprojekts Springer Book Archives mit Publikationen, die seit den Anfängen des Verlags von 1842 erschienen sind. Der Verlag stellt mit diesem Archiv Quellen für die historische wie auch die disziplingeschichtliche Forschung zur Verfügung, die jeweils im historischen Kontext betrachtet werden müssen. Dieses Kapitel ist aus einem Buch, das in der Zeit vor 1945 erschienen ist und wird daher in seiner zeittypischen politisch-ideologischen Ausrichtung vom Verlag nicht beworben.
Rights and permissions
Copyright information
© 1926 Springer-Verlag Berlin Heidelberg
About this chapter
Cite this chapter
Streicher, H. (1926). Die subjektive Psychologie. In: Das Wahrsagen. Kriminologische Abhandlungen, vol 1 . Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-662-41829-1_5
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-662-41829-1_5
Publisher Name: Springer, Berlin, Heidelberg
Print ISBN: 978-3-662-41692-1
Online ISBN: 978-3-662-41829-1
eBook Packages: Springer Book Archive