Zusammenfassung
Wollen wir nachforschen, wann die Behauptung heimlich Gebärender, im bewusstlosen Zustande geboren zu haben, als Entlastungsmoment vor Gericht Eingang zu finden und beachtet zu werden anfing, so werden wir eben sowohl auf die frühesten Phasen strafrechtlicher Anschauungen, als auch besonders auf eben so frühe, zu gerichtlichen Zwecken bekundete und auf wissenschaftlicher Beobachtung basirte Aeusserungen der berufenen Vertreter der medicinischen Wissenschaften zurückzugehen haben. Allein bei dieser Forschung begegnen wir weit grösseren Schwierigkeiten, als wir sie bei der historischen Entwickelung mancher anderen, specifisch gerichtsärztlichen Materien zu gewärtigen hätten. Wenn wir uns, um ein Beispiel zu wählen, die Aufgabe gestellt hätten, in ähnlicher Weise die Frage nach dem Gelebthaben des neugeborenen Kindes zu erforschen, so würden wir wenigstens in der officiellen Einführung der Lungenschwimmprobe in die gerichtliche Praxis einen historischen Markstein besitzen, von dem aus die ersten Anfänge dieser Frage sich leicht zurück verfolgen Hessen. Einen ähnlichen Markstein giebt es für unsere Frage nicht.
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Literatur
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In Betreff des Kindesmordes im Wahnsinn beruft er sich ausser auf Zittmann (dessen Fall 92 in der Centur. I.) noch auf den berühmten Kriminal-Rechtslehrer Carpzov, in Betreff der Epilepsie auf Harprecht und auf eine Begutachtung der Hallenser Fakultät, die annimmt, dass Personen, die früher an Epilepsie gelitten, zumal Erstgebärende, auch während des Geburtsaktes mit Benehmung ihres Verstandes und der Gedanken von dieser Krankheit befallen werden können.
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Büttner’s vollständige Anweisung, wie durch anzustellende Besichtigungen ein verübter Kindermord auszumitteln sei etc. Herausgegeben von Metzger. Königsberg. 1804.
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Wie human übrigens schon in früheren Jahrhunderten erleuchtete Staatsmänner über unseren Gegenstand dachten, und wie weit sie auch darin ihrem Zeitalter voraus waren, ergiebt folgender merkwürdige Ausspruch Friedrichs des Grossen in dessen Schreiben an Voltaire, datirt vom 11. October 1777: „Unter den Personen, welche in Preussen hingerichtet werden, sind die meisten Kindesmörderinnen. Aber von den Geschöpfen, die so grausam gegen ihre Leibesfrucht verfahren, werden nur die hingerichtet, denen man die Mordthat beweisen kann. Ich habe Alles gethan, was ich nur konnte, um diese Unglücklichen zu verhindern, ihre Kinder bei Seite zu schaffen. Die Herrschaften müssen es gerichtlich anzeigen, wenn ihre Mägde schwanger sind; ehemals zwang man diese armen Mädchen, öffentliche Kirchenbusse zu thun, aber davon habe ich sie befreit; es giebt in jeder Provinz Entbindungshäuser für sie, und man sorgt auch für die Erziehung ihrer Kinder. Doch ungeachtet aller dieser Erleichterungsmittel habe ich noch nicht dahin kommen können, ihnen das unnatürliche Yorurtheil aus dem Kopfe zu treiben, das sie dahin führt, ihre Kinder umzubringen. Ich beschäftige mich jetzt mit dem Gedanken, die Schande abzuschaffen, als die es ehemals galt, sich mit Frauenzimmern zu verheirathen, die Mütter waren, ohne verehelicht zu sein; ich weiss nicht, ob mir dies nicht gelingen wird.
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Freyer, M. (1887). Geschichtliche Entwickelung der Frage nach dem Einwande der des Kindesmordes Angeklagten, während des Greburtsvorganges ohnmächtig gewesen zu sein. In: Die Ohnmacht bei der Geburt vom gerichtsärztlichen Standpunkt. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-91565-9_1
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