Zusammenfassung
Das Leben in Amerika steht zur Zeit unter dem Zeichen von Kampf und Unbeständigkeit. Amerika hat keine Traditionen, die es in feste Bahnen lenken könnte. Es hat weder gute noch schlechte Traditionen und keine Überlieferungen, die den Fortschritt aufhalten oder kulturelle Ideale gedeihen lassen könnten. Ohne Hemmung stürmen die Winde über die weiten Ebenen der neuen Welt. Kein Windbrecher hält sie auf oder mindert ihre Gewalt. Diese Erscheinungen können größtenteils schon allein durch die Tatsache erklärt werden, daß in unverhältnismäßig kurzer Zeit Millionen von Menschen meist einfacher Herkunft, die aus ihrer Heimat entwurzelt und von irgendeiner Unterdrückung befreit waren, einen so weiten und reichen Kontinent besiedelt haben. Aber wenn man ihre naiven Begriffe von Demokratie in politischer, gesellschaftlicher und geistiger Hinsicht und ihren beispiellosen Reichtum bedenkt, der sie plötzlich überflutet hat, und ferner die Auflockerung ihrer ethischen und religiösen Vorstellungen und die Komplikationen, die sich aus der Anwendung der modernen Wissenschaft ergeben haben, und wenn man schließlich bedenkt, daß Europa durch den Krieg und die nachfolgende Verarmung wie gelähmt ist, so kann man nicht über rascht sein, daß Amerika einem brodelnden Chaos gleicht, in dem die Materie siegt und die Idee unterliegt.
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Literatur
J. Middleton Mürry, The Evolution of an Intellectual (London, 1927), S. 184. Mr. Murry fährt fort: „Vierzig Meilen Kattun sind wirklich keiner größeren Begeisterung wert, als ein halber Meter; und wenn der Kattun auch noch so abscheulich bedruckt ist — occidit miseros. Es kommt nur auf die Unterschiede in der Qualität an.“
Mr. Babbit ist die Hauptfigur in dem Buche „Babbit“ von Sinclair Lewis, in dem der Verfasser den Durchschnittsamerikaner der Mittelklasse zu charakterisieren versucht hat. (Anm. d. Übers.)
Anm. d. Übers.: Die amerikanischen Schulen sind folgendermaßen gegliedert: 1. Elementarschulen, 2. high schools (4 Jahre), 3. colleges (4 Jahre) und 4. graduate schools. Wenn man studieren will, müssen alle diese Schulen hintereinander besucht werden. Das collegre-Abschlußexamen wird mit ungefähr 20 Jahren gemacht und berechtigt zu dem Titel Bakkalaureus. Nach Ansicht von Professor Tout (siehe S. 56), Dibelius und anderen Fachleuten, entspricht es in der Qualität bestenfalls dem deutschen Abiturium. Weitere Einzelheiten siehe im Text.
C. H. Haskins, The Rise of Universities (New York, 1923), S. 30.
Siehe Fußnote 1, S. 30.
„Count“ und „credit“ (hier mit „Nummer“ und „Leistungsnachweis“ übersetzt) sind Amerikanismen. Sie bedeuten, daß ein bestimmtes Fach in der Schule in so und so viel Wochenstunden, während sound so vieler Wochen oder Monate, studiert worden ist; am Ende dieser Zeit wird eine schriftliche Prüfung abgehalten. Studenten, die sie bestehen, sind mit dem betreffenden Fach fertig, und zwar gewöhnlich ein für alle Mal. Es ist unwahrscheinlich, daß sie je wieder etwas darüber hören werden, und sie dürfen es, wenn sie wollen, völlig vergessen. Die meisten amerikanischen high schools und colleges bestimmen hiernach die Leistung und Eignung für einen Titel, wenn sich auch neuerdings eine Reaktion dagegen bemerkbar macht. Wenn in einem college-Prospekt steht, daß zur Aufnahme 15 „Einheiten“ high-school-Studiums verlangt werden, dann bedeutet die „Einheit“, nach der Definition der Aufnahmeprüfungskommissien für colleges (College Entrance Examination Board) ungefähr ein einjähriges Studium in irgendeinem Fach der high school, das ungefähr ein Viertel des ganzen Jahresstudiums ausmacht. Ein vierjähriger high-school-Kurs ergibt demnach 16 „Einheiten“; und 15 „Einheiten“ genügen zur Aufnahme in ein college. Was für eine Beziehung hat die Erziehung zu dieser arithmetischen Berechnung von 15 mehr oder weniger zusammenhangslosen „Einheiten“?
Um in die Heimstudiumabteilung (Home Study Department) der Columbia Universität aufgenommen werden zu können, muß man sich eine schriftliche. Erlaubnis vom Aufnahmedirektor beschaffen. Columbia kündigt folgendes an: „Unsere Heimstudiumabteilung gewährleistet eine vollständige high-school-Erziehung und Vorbereitung zum college mittels Kurse, die dasselbe Gebiet umfassen, wie vier Jahre auf der high school“ (New York Times, 20. Juli 1930.) Die Universität Chicago annonzierte 1929/30: „Es ist nur selten nötig, die Bewerber für einen Heimstudiumkursus zu prüfen, oder Zeugnisse über frühere Ausbildung zu verlangen (S. 7). Jeder Schüler kann jede beliebige Anzahl der 15 „Einheiten“ des high-school-Studiums, die für die Zulassung zur Universität nötig sind, in der Heimstudiumabteilung erwerben (S. 11)“.
John Dewey, The School and Society (Chicago, 1900).
In einem glänzenden Aufsatz mit dem Titel „Die Amerikaner sind Kinder“ (Harpers Magazine, Juli 1928).
Siehe die New York Times vom 25. Februar 1930.
Der aufrechte und furchtlose Superintendent der Schulen von Chicago, Mr. William McAndkew, ist kürzlich durch eine schamlose politische Intrige aus seiner Stellung vertrieben worden; der ebenso furchtlose und intelligente Superintendent, Dr. John L. Tildsley, wurde vor ein paar Jahren abgesetzt, weil er Mut und Intelligenz bewiesen hatte. Er deckte den empörenden Tiefstand der New Yorker Schulen auf, der seiner Meinung nach hauptsächlich auf die „Parteipolitik“ zurückzuführen ist.
„Ich habe Universitätsstudenten und selbst Promovierte ein Englisch schreiben sehen, das an einer englischen Elementarschule streng gerügt worden wäre.“ Edwin Deller, Universities in the United States (London, 1927), S. 36.
Alle die Prüfungen, die über das Wissen des high-school-Schülers angestellt werden, zeigen nur, wie mittelmäßig er ist. Man vergleiche die Beispiele, die der so optimistische Professor Briggs angeführt hat: T. H. Briggs, The Inglis Lecture, 1930 (Harvard University Press, 1930), S. 124–136.
E. A. Fitzpatrick und P. W. Hutson, The Scholarship of Teachers in Secondary Schools (New/York, 1927).
Englische Abkürzung für Bachelor of Arts (Bakkalaureus der Künste).
Siehe S. 44–46.
Anm. d. Übers.: Englische Abkürzung für Bachelor of Science (Bakkalaureus der Wissenschaft).
Siehe Fußnote 1, S. 33.
Die mit * versehenen Kurse dürfen nur mit Erlaubnis des Dekans oder Direktors für Examina angerechnet werden.
The New York Herald-Tribune.
Columbia University Bulletin of Information, Report of the Praesident, 1928, S. 25.
Bekanntmachung von 1927/28, S. 12.
Die kürzlich im Weißen Haus abgehaltene Konferenz über „Schutz und Gesundheit des Kindes“ (White House Conference on Child Health and Protection) schlägt als neues college-Fach. „Die Ausbildung zur Elternschaft“ vor. Siehe die Erziehungsbeilage der New York Times vom 13. Juli 1930.
„Das graue Buch“ (The Gray Book) genannt.
Im großen Oxforder Wörterbuch gibt es das Wort „hippers“ nicht. Für alle Nichtamerikaner und viele Amerikaner sei gesagt, daß ein „hipper“ jemand ist, der eine Flasche mit dem in Amerika verbotenen Whisky in der Hüftentasche seiner Hosen (hip pocket) trägt. Bei einer solchen Sprache in offiziellen studentischen Dokumenten und Veröffentlichungen braucht man sich nicht mehr zu wundern, daß die amerikanischen college-Absolventen nur selten ihre Muttersprache fließend, gepflegt und mit Würde sprechen oder schreiben können.
Auf die Schulen, welche zu technischen oder freien Berufen ausbilden, werde ich später eingehen. Siehe S. 59 ff.
Percy Lubbock, Shades of Eton (London, 1920), S. 219.
Neulich fragte ich einen unserer besten jungen griechischen Sprachforscher, wieviele seiner Studenten „wertvoll“ seien. Er antwortete: „Von denen, die das college absolviert haben, niemand, und von den college-Studenten 10%.“
Siehe S. 45–46.
Weiteres siehe in: Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching, American College Athletics, Bulletin No. 23.
Siehe S. 147.
Die Unkosten wurden aus den Eintrittsgeldern bestritten, doch tut das nichts zur Sache.
Anm. d. Übers.: Das tutor-System ist englischer Herkunft. Der tutor ist ein Lehrer, der eine Anzahl Studenten bei ihrem Studium und in ihrer Freizeit überwacht und anleitet.
„Ich finde, daß der französische Student mehr arbeitet als der Amerikaner“, sagte kürzlich Henri Bergson bei einem Besuch der amerikanischen Universitäten.
Über Personalfachleute siehe S. 27–73.
Anm. d. Übers.: Ph. D. ist die englische Abkürzung für Dr. phil.
Er wird in der Liste als Professor für Erziehung geführt.
Das Minneapolis Journal macht sich darüber lustig, und schlägt vor, auch „wenigstens eine Vorlesung über die edle Kunst des Zurückgebens“ abzuhalten.
The Meaning of Euthenics, Vassar College, 1929, S. 7.
Siehe Fußnote 1, S. 30.
Die Harvard Graduate School wurde dem Namen nach im Jahre 1872 gegründet; ihre endgültige Entwicklung begann aber erst 1877/78. Siehe C. H. Haskins in Morisons The Development of Harvard University 1869–1929 (Harvard University Press 1930), S. 454. In Yale wurde die graduate school 1847 gegründet.
Es wurde auch ein bescheidenes college gegründet, weil es damals keine wissenschaftlich vorgebildeten Studenten gab. Heute ist das college aber überflüssig und schadet der Universität mehr, als es ihr nützt, weil es der Anstalt ihren einheitlichen Charakter nimmt. Hätte man das college wieder aufgegeben und statt dessen die graduate school besser entwickelt, dann könnte ich heute eine andere Geschichte erzählen.
„Es kommt nicht auf den Käfig an, ob ein Vogel singen kann.“
History and Historians in America, Präsidentenrede vor der Royal Historical Society, gehalten am 14. Februar 1929 (London, 1929), S. 10/11.
Professor Tout (loc. cit., S. 2) macht darauf aufmerksam, daß von den 800 Mitgliedern der Royal (British) Historical Society über 100 Amerikaner und Kanadier sind, und daß von den 300 Bibliotheken, die von dort ihre Bücher beziehen, 1/3 „jenseits des Atlantiks“ liegen. Von der „Bibliography of Modern History“, die eins „unserer ehrgeizigsten Unternehmen“ ist, wurde der Band über das 16. Jahrhundert in Philadelphia und der über das 17. in Chicago abgeschlossen.
Loc. cit., S. 4/5.
2Siehe Fußnote 1, S. 30.
Dean Gordon J. Laing, The Standards of Graduate Work, eine Rede, abgedruckt in den Problems in Education, Western Reserve University Press, 1927, S.201.
The Endowment of Research, von verschiedenen Verfassern (London, 1876), S. 165.
Siehe S. 133 ff.
Anm. d. Übers.: A. M. ist die englische Abkürzung für Master of Arts (Meister der Künste).
Loc. cit., S. 199.
Graham Wallas, The Art of Thought (London, 1926), ist ein wertvoller Beitrag zu diesem Thema. Für den Amerikaner sind besonders die Stellen interessant, wo er sagt, daß „Fleiß“ nicht immer mit „Benken“ gleichbedeutend sein muß, und daß „Ruheperioden, in denen man nicht bewußt über seine Probleme nachdenkt“, für das Denken geradezu lebenswichtig sind.
Briefliche Mitteilung vom 8. Januar 1930, mit Erlaubnis zitiert. Die Zahl der Studenten und ihre Begrenzung bespricht Präsident Lowell in seinem Annual Report für 1927/28, S. 16–18.
Annual Report of the Dean of the Graduate Faculties, Columbia University, 1927, S. 14.
Harvard Memories (Harvard University Press, 1923), S. 28.
Ich habe den „full-time“-Plan und seine bisherigen Resultate ausführlich besprochen in Medical Education, A Comparative Study (New York, 1925), S. 55 bis 58, 322/23.
Auch die medizinischen Kliniken von Columbia und Vanderbilt stehen auf „full-time“-Basis, und zwar in dem im Text gebrauchten Sinn.
Anm. d. Übers.; post-graduate-schools sind Fortbildungsschulen für im Berufsleben stehende Akademiker.
Trustees of Bush Medical College versus University of Chicago, Illinois Report, Vol. 312, S. 109.
Siehe Alfred E. Cohn, Medicine and Science (Journal of Philosophy, Flexner, Universitäten. 5 Bd. XXV, 19. Juli 1928), ferner Rufus Cole, Progress of Medicine During the Past Twenty-five years as exemplified in the Harvard Society Lectures (Science, Vol.LXXI).
Loc. cit., S. 50.
Der einflußreichste und bedeutendste Professor der neuen Bewegung machte kürzlich die „prahlerische europäische Kultur“ verächtlich. Es gibt wohl keine dümmeren Worte, die man an die Professoren für Pädagogik in den Vereinigten Staaten richten könnte.
Der offizielle Bericht lautet wie folgt: „Dieser Kursus soll die Theorie, Beobachtung und Praxis des chemischen Unterrichts umfassen. Er ist besonders für diejenigen bestimmt, die an der Universität, am college oder an großen high schools chemischen Unterricht erteilen wollen.“
Siehe S. 142 ff.
Darin sind die Lehrer der Volkshochschulkurse, der Ferienkurse usw. nicht mit einbegriffen.
Die Lehrer der Ferienkurse usw. sind nicht mit einbegriffen.
Francis T. Spaulding, The Small Junior High School (Harvard Studies in Education, Vol. IX, Harvard University Press, 1927), S. 31.
Der Autor dieses Produkts, der Dekan der Frauenabteilung eines Lehrer-colleges ist, stellt mit in Rechnung, ob es in den Häusern, aus denen die Studenten stammen, Grasmähmaschinen, Teppiche, eingebaute Bücherschränke, Blumenstöcke und Gesellschaftsgedecke gibt. Unter Beschäftigung in Mußestunden wird aufgeführt: „Einkaufen“, „Intime Gespräche“, „Nur eben allein sein“, „Nachdenken und Träumen“, „Zu Picknicks gehen“, „Belanglose Unterhaltungen (über alles Mögliche plaudern)“, „Verabredungen mit Freunden“, „Witze erzählen“, „Jemanden Necken“, „Ungefähr bei allem mittun, was die Freundinnen unternehmen“ und „Lesen“.
Bei diesem Thema muß ich einen Augenblick verweilen. Warum gerade Elementarschulen? Der Grund dafür liegt auf der Hand: man kann dieses Thema variieren, wie z. B. die Pflichten eines Junior High School Pedells, eines High School Pedells usw., und neue Themen sind bei dem Anwachsen der Studentenziffern immer erwünscht. Ich fragte einmal einen Professor für Schulverwaltung, ob das wirklich verschiedene Themen wären. „0 ja,“ antwortete er, „das Problem der Toiletten ist z.B. bei kleinen Jungens ganz anders als in der high school!“
Anm. d. Übers.: Y. M. C. A. ist die englische Abkürzung für Young Men Christian Association (Verein christlicher junger Männer).
Der Band heißt Analysis of Secreterial Duties and Traits, geschrieben von W. W. Charters und I. ß. Whitley, beziehbar durch den Verlag Williams and Wilkins Company, Baltimore, Preis 2,50 $.
Ich will damit nicht gesagt haben, daß der Lehrer nicht wirklich 1001 Dinge zu tun hat.
Der Band heißt The Commonwealth Teacher-Training Study. Er ist von der University of Chicago Press herausgegeben worden und kostet 4,00 $.
Mein früherer Vorgesetzter, der verstorbene Dr. Wallace Buttrick, der mehr als 20 Jahre an der Spitze des General Education Board (Allgemeiner Er-ziehungsausschuß) gestanden hat, pflegte ein solches Englisch als „pedagisisch“ zu bezeichnen.
Ich kann diese Gelegenheit nicht vorbei gehen lassen, ohne auf einige Schriften aufmerksam zu machen, wie auf die Job Analysis and the Curriculum, worin gesagt wird, wie „junge Leute für führende und gehobene Stellungen“ ausgebildet werden müssen. Noch beachtenswerter sind vielleicht, weil vom Bureau of Publications of Teachers College, Columbia University, veröffentlicht, die folgenden Bände: Sturtevant and Strang, A Personal Study of Deans of Girls in High Schools, Buckton, College and University Bands, Their Organzation and Aministration, Goodwin Watson, Happiness Among Adult Students of Education. Es wäre ungerecht, diesen unsinnigen Veröffentlichungen so viel Aufmerksamkeit zu schenken, wenn sie nicht so zahlreich wären und einen großen Teil der soziologischen und pädagogischen Literatur repräsentierten, so daß Gefahr besteht, daß sie die wissenschaftliche Weiterentwicklung auf diesen Gebieten aufhalten. Man findet auch manchmal auf anderen Gebieten und sogar in den exakten Wissenschaften gelegentlich Unsinn; aber dort haben solche Arbeiten keine Bedeutung und verschwinden bald wieder; und ihre Autoren werden in der Regel keine Professoren an führenden Universitäten.
Loc. cit., S. 617–27.
Ich habe niemanden gefunden, der mir den Unterschied zwischen Apartment und Etage hätte erklären können.
A. Harnack: Vom Großbetrieb der Wissenschaft (Preußische Jahrbücher, 1905), S. 193/94. Professor Harnack ist kürzlich gestorben, nachdem dieser Absatz geschrieben war. Was gesperrt gedruckt ist, stammt von mir.
„Die Forschung wird stets in erster Linie mehr oder weniger individuell bleiben, genau so wie sie auch heute in den verschiedenen Abteilungen des Instituts betrieben wird. Man kann z. B. von keinem Psychologen oder Soziologen verlangen, daß er eine angefangene wissenschaftliche Arbeit unterbricht oder aufgibt, nur weil er in das Institut eingetreten ist. Man würde ihn auch nicht zwingen, eine Arbeit anzufangen, für die er kein Interesse hat, nur weil die anderen Mitglieder des Instituts es wünschen. Trotzdem liegt es natürlich in der Natur der Sache, daß die Mitglieder des Instituts immer auf nahe verwandten Gebieten arbeiten werden. Es besteht die ausgesprochene Absicht, von vornherein die wissenschaftliche Zusammenarbeit besonders auf solchen Gebieten zu begünstigen, die ein besseres Verständnis des menschlichen Lebens und der gesellschaftlichen Ordnung versprechen. Solche Forschungen mögen einerseits von Gelehrten, die nur vorübergehend an das Institut herangezogen werden, um einen speziellen Teil des Programms durchzuführen, und andererseits, und das wird die Regel sein, von den ständigen Fakultätsmitgliedern und deren Assistenten ausgeführt werden. Das läßt sich am besten an einem der ersten Gebiete illustrieren, das jetzt bearbeitet werden soll — nämlich der Familie.“ (The Yale Alumni Weekly vom 29. April 1929).
Hans Zinsser; In Defense of Scholarship (Brown University Papers VII, herausgegeben von der Universität, 1929), S. 12.
In der Science (No. LXXI, 1930, S. 235–36) wird einem der Befürworter dieses Planes folgendes in den Mund gelegt: „Bits Institut wird als Dynamo und Sammelbecken für jene Universitätsorganisationen dienen, die sich mit der Forschung, Lehre oder der Behandlung von Problemen, die das menschliche Wohlergehen betreffen, befassen wollen.“ „Dynamo“ und „Sammelbecken“! Die Unklarheit der Metapher entspricht der darin enthaltenen gedanklichen Unklarheit.
Ein berühmter Professor in Yale schreibt: „Ich wage wirklich nicht, schriftlich niederzulegen, was ich, und mit mir viele andere, wie ich glaube, über das jüngste und größte Unternehmen denken, das ganz unfaßbaren Zwecken dienen soll.“
Ein Mitglied der Yale-Kommitees schreibt mir, man habe angenommen, daß man das Kommitee um Rat fragen werde. „Aber man hat uns nicht gefragt. Nach den neuesten Veröffentlichungen habe ich vielmehr das unsichere Gefühl, daß ich nur die Rolle einer „Schaufensterdekoration“ spielen werde.“
Loc. cit., S. 624.
Wie unzulänglich die Umfragen sind, hat ein Mitarbeiter der School Review klar dargelegt: „Gewissenhafte Soziologen sind durch lange Erfahrung belehrt worden, daß man sich auf Aussagen, die durch Umfragen zustande gekommen sind, nicht verlassen kann. Es gibt nur sehr wenig Menschen, die ihre eigenen Erfahrungen richtig analysieren können, und die sich darüber klar werden können, wie sie zu ihrer heutigen Denkart gekommen sind.“
Biese Frage ist tatsächlich neu eintretenden Studenten der Columbia Universität (1930) vorgelegt worden, und zwar in einer Rundfrage, die von einem Professor für Psychologie verfaßt war.
Ich möchte besonders auf den intellektuellen Charakter der Zusammenarbeit Nachdruck legen. Technische Hilfskräfte, die nach Anweisungen arbeiten, gehören nicht dazu.
Ein Autor sagte am Ende seines Vortrages vor den Soziologen des ganzen Landes: „Was wir nun eigentlich gemessen haben, weiß ich nicht; ich bin auch nicht einmal sicher, ob wir überhaupt etwas gemessen haben.“
Ich kann mir nicht versagen, noch einige weitere gelehrte Abhandlungen anzuführen, die ich im Text nicht erwähnt habe: einen Vortrag über „Experimente über die Wechselwirkung von Mensch auf Mensch“, gehalten vor der Amerikanischen Soziologischen Gesellschaft (American Sociological Society) im Dezember 1929, und einen anderen über „Empfindlichkeit für Unglücksfälle“, gehalten von einem Professor der Universität Syracuse, „Familientrauer“ — ein neues Forschungsgebiet —, gehalten von einem Professor einer nordwestlichen Universität, „Kulturelle Wege zum Studium von Persönlichkeitsfragen“ (Universität Chicago), „Geschick in der Entwicklung des Familienlebens“ (Tulane University). Die Krone scheint mir eine auf Umfragen basierte Untersuchung, „Grund und Natur der gemeinen Plagen“, von Professor Cason von der Universität Kochester. Professor Cason hat diese wichtige Arbeit auf dem Neunten Internationalen Psychologen-kongreß (Ninth International Congress of Psychology) im September 1929 vorgetragen. Er konnte in mehrjähriger Arbeit eine Liste von 21 000 Plagen zusammenstellen. Da sich Duplikate und „eine Reihe unechter Plagen“ darunter fanden, strich er die Liste auf 507 zusammen und ordnete sie auf einer Skala, die mit 30 bis 0 beziffert war. „Ein Haar im Essen finden“ ist 29, „Ein schmutziges Bett“ 28, „Küchenschaben“ 24 und der „Anblick eines Kahlkopfes“ 2. Diese Untersuchung ist jetzt als Monographie von der Psychological Review Company herausgegeben worden und kostet 3,25 $.
Der Unsinn ist aber nicht nur auf Soziologie und Pädagogik beschränkt. Ich erhielt gerade eine Dissertation, wie sie zu den Anforderungen gehört, die das Kansas State Agricultural College zur Erlangung des Doktors der Wissenschaften vorschreibt. Sie heißt: „Eine Untersuchung über Bakterien in baumwollener Unterwäsche.“ Äußerlich stimmt sie völlig mit dem akademischen Typ überein. Sie setzt ihre Probleme auseinander, führt die einschlägige Literatur an, beschreibt den Gang der Untersuchung und schließt mit einer Zusammenfassung und mit Schlußfolgerungen. Es fehlt auch nicht an den nötigen Kurven, Tafeln, Referenzen usw. Von den Schlußfolgerungen erwähne ich nur: „Auf Grund der Resultate darf man annehmen, daß die Unterwäsche, die direkt auf der Haut getragen wird, verschiedene Mengen Mikroorganismen enthält. — An heißen Tagen, wenn der Körper aller Wahrscheinlichkeit nach stärker schwitzt, kann man mit einer rapiden Vermehrung der Mikroorganismen rechnen. — Ein Vergleich, zwischen Hemden, die verschieden lange getragen waren, zeigt, daß die Menge der Bakterien zunimmt mit der Zeit, die die Kleidungsstücke getragen werden.“
Der neue Präsident einer staatlichen Universität, der, um seine eigenen Worte zu gebrauchen, „unschuldig“ daran ging, den Stundenplan durchzusehen, entdeckte, daß einige „Kurse geteilt und untergeteilt waren, bis sie so sehr verdünnt waren, daß sie mit Universität nichts mehr zu tun hatten. Die Berufsschulen und -abteilungen waren ganz unfruchtbar geworden, weil sie Kurse eingeführt hatten, die in die technischen und kommerziellen Schulen gehören, nicht aber auf die Universität.“ (Das Zitat ist etwas abgekürzt.)
Aus einem Brief von dem verstorbenen Präsidenten W. H. P. Faunce von der Brown Universität vom 16. Januar 1928 (mit Erlaubnis zitiert).
In einem pompösen Heft, das 1929 herausgegeben wurde, wird gesagt, daß 7519 Personen für Heimstudiumkurse eingeschrieben seien. Die Sorgfalt, mit der das „Individuum“ „persönlich“ ausgefragt wird, geht aus der Tatsache hervor, daß bei 884 das Alter, bei 794 die Vorbildung und bei 1361 der Beruf als „ungewiß“ angegeben sind. Dabei wird die „persönliche“ Note immer wieder betont. Ein kleines Flugblatt, das in der New York Public Library aufgelegt war, enthielt folgendes: „Die Columbia Universität ist dazu übergegangen, reguläre Universitätskurse für Heimstudenten abzuhalten, die dem besonderen Bedürfnis eines brieflichen Unterrichts angepaßt sind. Dadurch können auch solche Männer und Frauen im ganzen Lande, die nicht an der Universität selbst hören können, an den erzieherischen Vorteilen der großen Universität teilnehmen. Persönlicher Unterricht. Das Heimstudium beruht auf sorgfältig ausgearbeiteten Methoden, und gewährleistet dem Schüler alle Vorteile, die mit dem Universitätsunterricht, mit gründlichen Lehrern, stetiger Führung und Anregung und mit der Kritisierung durch Universitätslehrer verbunden sind.“
Wenn der Student in Oklahama leben kann, kann sein Lehrer logischer Weise auch von Maine aus unterrichten. Aber wie kann der Direktor unter dieser Voraussetzung für „Universitätsniveau“ garantieren?
Mit solchen Zeugnissen sind mehrere Seiten gefüllt. Man wundert sich nur, warum so viele von den Zeugnissen, die ein Mitglied „des regulären Kollegiums“ der Universität zur Veröffentlichung bestimmt hat, in so schlechtem Englisch geschrieben sind. „Die Universität versichert, daß sich viele von den Kursen in kürzester Zeit in bare Münze umsetzen werden.“ Ankündigung vom Oktober 1930, S. 10.
Siehe Treasures Report, 1929.
Man kann „Schrittmacher“ sowohl auf Gut wie auf Böse beziehen. In den Ann Arbor Daily News vom 25. August 1930 wird angezeigt, daß die Universität Michigan im Begriff sei, „Korrespondenzkurse nach dem Muster von Columbia“ einzurichten.
Folgende Worte stehen wörtlich in einem Bericht des Special Curriculum Commutee an die Kuratoren von Trinity College (15. Juni 1929): „Einer von ihnen (offenbar vom Lehrkörper) leitete seine Ausführungen damit ein, daß er behauptete, daß college sei eine kommerzielle Körperschaft zum Verkauf von Bildung.“ Zu seiner Ehre sei gesagt, daß die New York Times im redaktionellen Teil dagegen Protest einlegte: „Es (Trinity College) ist eine Erziehungsanstalt und hat keine geschäftlichen Funktionen.“ Trotzdem hat der genannte Bericht die Wahrheit gesagt — wenn auch zum Glück nicht die ganze Wahrheit. Columbia, Harvard, Chicago, die staatlichen Universitäten und viele andere Anstalten von gleichem oder geringerem Ansehen und Einfluß „verkaufen“ Bildung. Aber ihr kaufmännischer Standard ist niedriger, als der von angesehenen geschäftlichen Unternehmen; denn die letzteren geben dem Käufer sein Geld zurück, wenn die „Ware“ nicht dem Wortlaut der Reklame entspricht. Es ist unseren Universitäten offenbar noch nicht zum Bewußtsein gekommen, daß auch die „Religion“ einst „verkauft“ wurde, und zwar mit denselben Folgen für die Kirche, die wahrscheinlich auch die Universitäten erleben werden. Eines Tages werden aber die „Geldwechsler“ aus dem Tempel der Universität vertrieben — oder ausgelacht werden.
Diese Organisation umfaßt 422 colleges in den Vereinigten Staaten, darunter Stanford, Yale, Universität Chicago, Amherst, Williams, Harvard, Radcliffe, Dartmouth, Princeton, Columbia, Cornell, Bryn Mawr, Swarthmore, Vanderbilt usw.
Anm. d. Übers.: Main Street ist der Titel eines Buches von Sinclaire Lewis, in dem das Leben in einer amerikanischen Kleinstadt beschrieben wird.
Siehe Anm. 1, S. 27.
Unter den großen amerikanischen Universitäten ist eine einzige, Princeton, die keinerlei „Dienste“ der beschriebenen Art leistet; sie ist auch heute noch im wesentlichen ein college, wenn sie auch in einigen Abteilungen gute Fortschritte gemacht hat; eine andere, Yale, auch im wesentlichen ein college, befaßt sich damit nur nebenher und hat auch „keinen Ehrgeiz in dieser Richtung.“ (Aus einem Brief des Präsidenten.)
Die Universität Wisconsin gibt Gelegenheit zu einem äußerst reizvollen Kursus in „Teestuben- und Kaffeehausleitung“, worin „eine Exkursion nach Chicago eingeschlossen ist“.
Die Tätigkeit der Johns Hopkins Universität auf dem Gebiet der Hauswirtschaft beschränkt sich offenbar auf „einen Übersichtskurs über die neuen Richtungen (gesperrt gedruckt von mir) in der Hauswirtschaft, inklusive Material, Methoden und Lehrpläne für Nahrungsmittel und Kochen, Kleidung und Textilien, Haushalt und Kinderpflege“. Man fragt sich, was wohl aus der höheren Erziehung in den Vereinigten Staaten werden würde, wenn das Wort „Richtung“ aus dem akademischen Sprachgebrauch gestrichen würde. Man kann nicht voraussagen, wieviel unnötige Mühe und Ausgaben dadurch gespart würden.
Teachers College Record, Januar 1930, S. 320–331.
Teachers College Record, Februar 1930, S. 472.
George Herbert Palmer: The Life of Alice Freeman Palmer (Boston, 1908), S. 225/26.
Anm. d. Übers.: B. Lit. ist die englische Abkürzung für Bachelor of Literature (Bakkalaures der Literatur).
Anm. d. Übers.: M. Sc. ist die englische Abkürzung für Master of Science (Meister der Wissenschaften).
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf aufmerksam machen, daß der Direktor der Handelsschule an der Columbia Universität gleichzeitig auch Direktor der Volkshochschule und Professor für Latein (Epigraphie) ist. Man bedenke, wie ganz Europa lächeln würde, wenn Professor Gilbert Murray zum Direktor einer Handelsschule in Oxford gemacht würde, oder Professor Wilamowitz zum Direktor der Handelshochschule Berlin. Was denkt sich eine Universität eigentlich bei den Klassikern oder beim Geschäft, wenn sie so lächerliche Pflichtenverbindungen zuläßt?
Auch die anderen im Text erwähnten Handels- und Geschäftsschulen geben Unterricht zur Erlangung eines höheren Titels.
Fast die gleichen Kriterien sind angegeben von Professor F. Gay, Social Progress and Business Education, Proceedings of Northwestern University, Conference on Business Education, Juni 1927, S. 84. Professor Gay, der erste Dekan der Handelshochschule Harvard, ist, was diese Schulen betrifft, voller Hoffnungen — oder vielleicht besser voller frommer Wünsche; auf Einzelheiten geht er aber nicht ein.
De Madariaga, loc. cit., S. 8.
Ein Student der Handelshochschule schreibt wie folgt: „Ich war enttäuscht, daß die Studenten nicht einmal im ersten Jahr dazu angehalten werden, das System, mit dem sie sich beschäftigen, irgendeiner Wertung zu unterziehen. — Es herrscht noch immer die analytische Anschauung vor, mit einem Blick aufs Praktische. Bas kapitalistische System gilt als der einzig wahre Ausgangspunkt. Es gibt zu viele Professoren, die sich über das „Philosophieren“, wie es einer in meiner Gegenwart genannt hat, lustig machen zu müssen glauben. Es wird „abgebrühtes“ Nachdenken über das „Wie“ verlangt; ein Nachdenken über das „Warum“ gilt als akademisch.“
Die Schrift enthält zwei kurze Bemerkungen über moderne Sprachen: bei der Beschreibung der „Vorstudien“ werden moderne Sprachen als „nützlich“ bezeichnet; zur Erlangung des Doktors (nicht des Bakkalaureus) ist erforderlich, daß „der Kandidat wenigstens auf seinem Spezialgebiet eine moderne Fremdsprache sprechen kann“. Das ist ein rein technisches Erfordernis, das sich auch nur auf den höchsten Grad bezieht. Im Jahre 1926/27 wurden nur zwei Doktortitel verliehen, bei im ganzen 785 Studenten.
Harvards Reklamepreise werden aus einem Fonds bezahlt, der 1923 gegründet wurde. Die Verteilung wird jedes Jahr durch ein Preiskollegium vorgenommen, das aus Reklameleitern, Reklamedirektoren und aus bestimmten Mitgliedern der Fakultät der Handelsschule besteht.
Harvard Advertising Awards for 1930, S. 9.
Wenn ich die Handelsschule von Harvard herausgegriffen habe, muß ich darauf aufmerksam machen, daß auch die Handelsschulen anderer Universitäten nicht besser sind. So lehrt Columbia z. B. Verkaufspsychologie und will damit „mit wissenschaftlichen Methoden diejenigen Tatsachen der Psychologie, die mit dem Vorgang des Verkaufs zu tun haben, darstellen;“ „die Tätigkeit des Frühjahrssemesters (in „Reklameforschung“) wird aus einer Reihe von Versuchen mit Anzeigen und Schlagworten bestehen,“ usw.
Obgleich die Handelsfakultät ihre Finanzen so schlecht verwaltet hatte, daß kein Geld für diesen Zweck übrig war. Siehe S. 121 f.
In weniger als 10 Jahren produzierte die Schule 15 dicke Bände über „Probleme“ in der Reklame, Verkaufsorganisation usw. „Im Verlauf von 10 Monaten kamen nicht weniger als acht Bände dieser Serie heraus.“ (The Harvard ProblemsBooks.) Kann man solche Fruchtbarkeit noch überbieten? Sie schwanken zwischen 386 bis 1050 Seiten. Ihr Zweck ist offen angegeben und dient „der Vorbereitung des Studenten für die Geschäftspraxis“. In dem gesamten Dokument findet sich nicht die leiseste Andeutung von sozialen, ethischen, philosophischen, historischen oder kulturellen Interessen. Es ist „Reklame“, die sich weder dem Buchstaben, noch dem Geiste nach von der Reklame für Pariser Strumpfbänder, Patentmedizinen oder kunstseidene Strümpfe unterscheidet.
Die angeführten Zitate stammen alle aus einem kürzlich veröffentlichten Dokument mit dem Titel: The Two Hundred Fifty Associates of the Harvard Business School.
„Es wird allen Mitgliedern Gelegenheit gegeben werden, die Experimente der Schule aus erster Hand zu verfolgen, und soweit es praktisch möglich ist, auch daran teilzunehmen.“
Gehört die Ausbildung zu Bibliothekaren auf die Universität? Wenn sie nicht unbedingt dorthin gehört, hat sie dort überhaupt nichts zu suchen — so wichtig ist es, die Universitätsideale rein und unbefleckt zu erhalten. Die Carnegie Corporation hat — unklug, meiner Meinung nach — der graduate school für Bibliothekswesen (Graduate School of Library Science) an der Universität Chicago 1410 000 $ zur Verfügung gestellt; ähnliche Schulen wurden auch an Columbia, Western Reserve und an den staatlichen Universitäten gegründet. Trotzdem sagt der Präsident der Carnegie Corporation in seinem letzten Jahresbericht (1929), S. 12, 13: „Das Pratt-Institut verleiht keinerlei Grade und behauptet trotzdem seinen Platz als eine der besten Schulen für die Berufsausbildung von Bibliothekaren.“ Damit gibt er das Bibliotheksstudium als Universitätsstudium völlig auf. Und weiter — und damit vernichtet Präsident Keppel nicht nur die Universitätsschule für Bibliothekswissenschaft, sondern zeigt auch auf den wesentlichen Punkt: „Man sollte es geeigneten Männern mit wissenschaftlichen Neigungen und literarischer Ausbildung erleichtern, von dem überfüllten Fach des englischen Sprachunterrichts (oder irgendeines anderen, würde ich hinzufügen) zur Bibliothekslaufbahn überzugehen usw.“
Anm. d. Übers., B. Sc. dasselbe wie B. S., siehe Anmerkung 2, S. 37.
Bulletin of Information — Professorial Courses in Optometry, 1929/30, S. 5.
Loc. cit., S. 6.
Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf aufmerksam machen, daß ich mich praktisch auf die führenden amerikanischen Universitäten beschränkt habe; wäre das Bild wohl heller oder dunkler geworden, wenn ich auch die anderen mit besprochen hätte — konfessionelle Anstalten und staatliche Universitäten wie Mississippi, wo der Staatspräsident die Professoren und den Universitätspräsidenten grundlos und formlos „entläßt“?
Man vergleiche aber Dr. Henry S. Pritchetts Preface zum Bulletin Numher Twenty-three, herausgegeben von der Carnegie Foundation for the Advancement of Teaching.
Das Manuskript dieses Buches wurde von mehreren prominenten amerikanischen Akademikern durchgelesen. Sie haben mir zugegeben, daß sie von den Tatsachen, die hierin enthalten sind, völlig überrascht waren.
Siehe S. 146 ff.
Eine gerechte und scharfe Analyse des Universitätspräsidenten in Amerika
findet man bei Edwin Deller, loc. cit., S. 20 ff. Dr. Dellers Ansichten über akademische Freiheit sind ebenfalls richtig.
Anm. d. Übers.: Unter fellows wird vielfach dasselbe verstanden wie unter members (siehe Anmerkung im Vorwort). In Amerika entsprechen sie auch den deutschen Volontären.
Die Universität Chicago hat das Amt eines Vizepräsidenten eingeführt und dadurch den Präsidenten weitgehend von seinen Verwaltungspflichten befreit.
Biesen Satz verdanke ich Dr. Beardsley Ruml aus New York City.
Die New Yorker World brachte kürzlich in ihrem Leitartikel folgendes Zitat: „Hieraus folgt, daß die Lage unserer colleges ernst ist und auch nicht besser wird. Um Interesse zu erwecken, und auch um Stiftungen zu bekommen, haben sich die Präsidenten größte Mühe gegeben, Studentenvereine ins Leben zu rufen, und sie haben erreicht, was sie wollten. Aber jetzt, wo sie bestehen, merken sie, daß sie damit eine Reihe „Frankenstein Monster“ gegründet haben. Denn diese Verbindungen denken fast nur ans Fußballspielen. Durch eine solche Voreingenommenheit richten sie in der Universität allerhand Unheil an und stören die akademische Arbeit. Wie diese Frage schließlich gelöst werden wird, kann man heute noch nicht voraussagen. Aber es ist sicher, daß diese Frage, und zwar besonders die Einstellung der Studenten, daß ihnen das college irgendwie gehöre, von unseren colleges geklärt werden muß, wenn sie weiterhin von Nutzen sein wollen.“
Siehe S. 139 bis 148.
Loc. cit., S. 13. Bei der kürzlichen Feier des 175. Jubiläums der Columbia Universität wurden über 100 Ehrentitel verliehen und der Anstalt 47 Porträts gestiftet; der Vorsitzende des Kuratoriums machte dabei mit sichtlichem Stolz folgende Bemerkung: „Vor einem Vierteljahrhundert bestand die Universität aus 11 Fakultäten, 455 Lehrern und 4709 Studenten. Heute haben wir 12 Fakultäten, 5 unabhängige colleges, 9 angegliederte Anstalten, fast 2800 Lehrer und 50000 Studenten.“
Es ist unmöglich, die Ziffern, die vom U. S. Education Office angegeben wer-
den, mit denen der Universitäten zu vergleichen, weil sie ganz verschieden klassifiziert sind. Die im Text angegebenen Ziffern geben die Verhältnisse so genau wie möglich wieder.
„Nach den gegenwärtigen Bestimmungen werden fast alle Ferienkurse zur Hälfte angerechnet zur Erlangung des A. B.-, A. A.- und S. B.-Grades. Eine größere Anzahl wird auch für den Harvarder A. M. und Ed. M. (Master of Education) angerechnet.“ So tun sich Geduld und Rechenkunst zusammen, um Harvarder A. B. und M. A. zu produzieren! (Vorläufige Ankündigung der Ferienkurse 1930). Ich habe nichts gegen Ferienkurse als solche; aber so, wie sie gehandhabt werden, gehören sie nicht auf die Universität. Die Fakultäten setzen sich aus Lehrern der verschiedensten Herkunft zusammen, und die Studenten können unmöglich gut ausgewählt sein. Man sollte ihnen daher auch keine im amerikanischen Sinn akademische „Leistungsnachweise“ dafür erteilen.
Presidents Report 1928/29, S. 11.
Um gerecht zu sein muß ich hinzufügen, daß Präsident Lowell in demselben Bericht auch die Frage aufwirft, ob man nicht auch die Zahl der graduate-school-Studenten beschränken sollte, wie es im college (3233 Studenten!), in der Medizinschule (515 Studenten!), in der juristischen Fakultät (1589 Studenten!) und in der Handelshochschule (868 Studenten!) bereits geschieht. (Ebenda S. 10.) In allen führenden Medizinschulen ist die jährlich aufzunehmende Studentenzahl bereits begrenzt; durch gewisse Anforderungen an Intelligenz und Gelehrsamkeit könnte man auch andere Abteilungen einer Beschränkung unterwerfen.
R. S. und H. Lynd, Middletovm (New York, 1929).
Die Inflation im college- und Universitätsbesuch ist zum Teil die Folge der wachsenden Anforderungen, die die verschiedenen Berufe stellen. Zur Zeit drängt man die Pflegerinnenschulen, als Aufnahmebedingung zwei Jahrecollege zu verlangen. Die Schulen für Bibliothekare fangen an, nur solche Studenten aufzunehmen, die ihren Bakkalaureus gemacht haben. Dadurch kommt es, daß college und Universität mit ungeeigneten Studenten und unwichtigen Abteilungen überschwemmt werden. Es ist dazu gekommen, daß die Aufnahmebedingungen der Schule für angewandte Künste (School of Practical Arts) an der Columbia Universität (das Bakkalaureat) oder der Schule für Bibliothekare (School of Librarianship) größere Anforderungen stellen, als die Medizinschule (School of Medicine) an Columbia (zwei Jahre college)!
Die Schulen für die akademischen Berufe (Recht, Medizin und Theologie) sind nicht dabei.
Die akademischen Berufsschulen mit eingerechnet.
Ich habe im Text abgerundete Ziffern angegeben.
Ich lasse einige Posten aus, die nicht hierher gehören, wenn sie auch merkwürdigerweise unter „Allgemeine Universitätsverwaltung“ rubriziert sind: z. B. Staatliche Beihilfe für blinde Schüler, Klub zur Förderung des Kindergartens der Dozentenkinder, Humanistische Forschung, Journalistische Forschung usw.
Dahin gehören z. B. die internationalen Beziehungen, die Maison Francaise, die Casa Italiana, das Deutsche Haus, das Institut für Zahnheilkunde, Ferienkurse usw.
Siehe S. 102.
Ob es unter den gegebenen Verhältnissen richtig war, neue Gebäude zu errichten, ist höchst fragwürdig. Die Universität konnte sie sich nicht leisten, und das hätte den Fall entscheiden müssen. Gewisse Einzelheiten grenzen geradezu ans Lächerliche: es war vorgeschlagen worden, ein Studentenheim zu bauen, das 500000 $ kosten sollte; die Studenten brachten aber nur 107 000 $ auf; anstatt nun den Plan fallen zu lassen, entzogen die Kuratoren dem allgemeinen Fonds fast 400000 $ durch eine Anleihe.
Anm. d. Übers.: Der Colonialstyle ist ein Baustil, der sich im 18. Jahrhundert in Amerika entwickelt hat. Er ist auf englischem Kolonialboden entstanden und gehört zu dem künstlerisch Wertvollsten, was Amerika hervorgebracht hat.
Seit 1900. Professor W. A. Noyes, Are Equitable Salaries Paid to Professors? Ein Bericht an die Amerikanische Gesellschaft zur Förderung der Wissenschaften.
Occasional Papers, Nr. 8 (Veröffentlichungen des General Education Board). Eine vorzügliche und eingehende Studie über die Gehaltsverhältnisse an einer repräsentativen Universität ist: Henderson and Davie: Incomes and Living Costs of a University Faculty (Yale University Press, 1928).
Loc. cit., S. 171–75.
Anm. d. Übers.: Der Übersetzer kann das nur bestätigen. Die Kaufkraft war zu der Zeit, als das Buch geschrieben wurde, nicht viel mehr als 20–30 000 Mark.
Eine kluge und gemäßigte Besprechung dieses Problems ohne Berücksichtigung der Gehälter, von denen meiner Meinung nach die Lösung abhängt, findet sich in dem Aufsatz: Academic Obligations, von Edwin R. A. Seligman, im Bulletin of the American Association of University Professors, Vol. XVI, Nr. 5, Mai 1930. Ich möchte in diesem Zusammenhang noch einmal darauf hinweisen, wie unklug es ist, daß die Kuratoren der Handelshochschule Harvard (Harvard Business School Associates) — Männer, die im Handel und Verkehr stehen und staatliche Betriebe verwalten — trotz ihrer sicher sehr löblichen Absichten, die Verwaltung der enormen Summe in ihrer Hand behalten, die sie zur Förderung von Untersuchungen ausgeben wollen, auf einem Gebiet, auf dem viele von ihnen ein großes finanzielles Interesse haben.
Professor Paul H. Douglas von der Universität Chicago schildert im Vorwort zu seinem Buch Real Wages (1930), wie schwer es ist, ohne Rücksichten auf persönlichen Nutzen zu forschen: „Hätte ich vorausgesehen, daß ich fast 6 Jahre und — den größten Teil meines Einkommens opfern mußte, um meine Arbeit zu Ende zu führen, hätte ich vielleicht nicht den Mut gehabt, sie anzufangen.“
The Over-Population of the College (Harpers Magazine, Oktober 1927.)
Rede betitelt Ave Mater Immortalis, gehalten am 31. Oktober 1929.
Auszug aus einem Brief von Professor Wilhelm HiS vom 22. April 1899 an Professor Franklin P. Mall. Eine Kopie dieses Briefes verdanke ich Dr. Florence R. Sabin vom Rockefeller Institute for Medical Research.
Siehe „ßtudent Mortality“, eine von der Universität Minnesota herausgegebene Studie vom 17. März 1924 und „Student Survival“, ebenda, vom 10. Februar 1925. Biese Untersuchungen zeigen, daß nur ¼ der Studenten den regulären vierjährigen Kursus mit einem Grad abschließen.
Ein Professor von Harvard schreibt mir wie folgend: „Ich glaube, daß es augenblicklich sehr wichtig ist, der Absicht der Verwaltung entgegenzutreten, die gewisse akademische Funktionen übernehmen will, die nur von Gelehrten richtig ausgeführt werden können. Ich hatte schon oft den Eindruck, daß es vielleicht gut für uns wäre, wenigstens teilweise auf das deutsche System zurückzugreifen, das in Deutschland so lange erfolgreich funktioniert hat — daß nämlich der reine Haushalt der Erziehungsanstalten und ihre Finanzen Geschäftsleuten und Sekretären überlassen bleiben, und daß auf ein oder zwei Jahre Dekane und Eektoren ernannt werden, die aus den älteren Fakultätsmitgliedern zu wählen wären, für diese Zeit von der reinen Lehrpflicht befreit würden und sich während ihrer Amtszeit mit der Leitung der Erziehungspolitik zu beschäftigen hätten, in enger Fühlung mit einem Komitee ihrer Kollegen.“
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Flexner, A. (1932). Die amerikanischen Universitäten. In: Die Universitäten in Amerika · England · Deutschland. Springer, Berlin, Heidelberg. https://doi.org/10.1007/978-3-642-50926-1_2
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