Zusammenfassung
Die wissenschaftliche Erfassung der Politik wird bis heute erschwert durch den doppelten Ansatz des politischen Denkens. Für die eine Auffassung ist Politik die Methode, in gesellschaftlichen Entscheidungen den Willen gegenüber Widerstrebenden durchzusetzen; hier steht also die Macht im Mittelpunkt der Betrachtung. Für die andere Auffassung ist sie eine bestimmte gesellschaftliche Funktion neben anderen, im allgemeinen als die Funktion des Ordnens und Sicherns verstanden. Extreme Formulierungen lauten dann für die Machttheorie: »Die spezifisch politische Unterscheidung, auf welche sich die politischen Handlungen und Motive zurückführen lassen, ist die Unterscheidung von Freund und Feind1.« Für die Gestaltungstheorie heißt es etwa: Politik ist »Gestaltung des öffentlichen Lebens2«. Die Definition geht allerdings sofort weiter: »Diese Wissenschaft (von der Politik) hat insbesondere zu tun mit dem Erwerb, dem Gebrauch, dem Verbrauch der Macht...« Sie berücksichtigt also, daß zur Wirklichkeit der Politik beides gehört: Gestaltung und Macht, Macht als Mittel der Gestaltung. Umgekehrt hat auch Carl Schmitt als typischen Ort der politischen Entscheidungen ständig den Staat als Institution vor Augen, denn er lehnt ausdrücklich ab, das Freund-Feind-Verhältnis im Sinne der privaten Gegnerschaft, also als Kategorie der allgemeinen Soziologie, zu betrachten. Er will nur den hostis, den Feind der Gruppe, betrachten3, macht also »plötzlich und ohne verstehbaren Zusammenhang den Staat zum Träger jener Unterscheidung4«.
Access this chapter
Tax calculation will be finalised at checkout
Purchases are for personal use only
Preview
Unable to display preview. Download preview PDF.
Literatur
Carl Schmitt, Der Begriff des Politischen, München und Leipzig 1932, S. 14. (Im ursprünglichen Text der 1927 erschienenen Abhandlung, wieder abgedruckt in Position und Begriffe, Hamburg 1940, sind diese Formulierungen noch nicht enthalten gewesen.)
Feststellungen der Arbeitstagung der Deutschen Hochschule für Politik« in: Alfred Weber und Eugen Kogon, Die Wissenschaft im Rahmen der politischen Bildung (Schriftenreihe der Deutschen Hochschule für Politik Berlin [Heft 2]), Berlin 1950, S. 27.
Schmitt, a. a. O. (s. o. Anm. 1 ), S. 16.
Hermann Heller, Staatslehre, Leiden 1934, S. 206.
Hans Freyer, Soziologie als Wirklichkeitswissenschaft, Leipzig — Berlin 1930, S. 285.
Friedrich Engels, Der Ursprung der Familie, des Privateigentums und des Staates, Ausg. der Internationalen Bibliothek (J. H. W. Dietz Nachf.), zit. nach der 13. Aufl., Stuttgart 1910, S. 180. Vgl. hierzu die in derselben Richtung gehende Kritik von Heller, a. a. O. (s. o. Anm. 4 ), S. 172.
Friedrich Meinecke, Weltbürgertum und Nationalstaat, München und Berlin 1922, S. 239.
G. W. F. Hegel, Grundlinien der Philosophie des Rechts [im folgenden zit. Rechtsphilosophie], § 258 (Ausg. der Philosophischen Bibliothek, Leipzig 1921, S. 198 ).
Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, 3. Aufl., Tübingen 1947, Erster Teil, Kap. I, § 16, S. 28.
Friedrich Weser, Das Gesetz der Macht, Wien 1926, S. 5.
Alexander Rüstow, Ortsbestimmung der Gegenwart, Bd. 1: »Ursprung der Herrschaft«, Erlenbach — Zürich 1950, SS. 205 ff.
Eine derartige Politik hat Constantin Frantz Bismarck vorgeschlagen; vgl. Eugen Stamm. Constantin Frantz. Ein Wort zur deutschen Frage. 1857–1866, Berlin und Leipzig 1930, S. 139.
Karl Mannheim, Ideologic und Utopie, 2. Aufl., Bonn 1930, S. 32.
Leopold von Ranke, Politisches Gespräch, München und Leipzig 1924, SS. 37 f.
Vgl. Heller, a. a. O. (s. o. Anm. 4), S. 87: »Was von oben wie Herrschaft aussieht, präsentiert sich von unten immer als normative Ordnung.«
Also Hellers soziologischer Verfassungsbegriff von der »Grundstruktur des Staates«, seinem juristischen Begriff der »materiellen Verfassung« gegenübergestellt, — a. a. O. (s. o. Anm. 4), SS. 274 f.
Niccolo Macchiavelli, Der Fürst, 18. Kap. (Ausg. der Philosophischen Bibliothek, Leipzig 1941, S. 67 ).
Ernst Forsthoff, »Zur Einführung», in: Montesquieu, Vom Geist der Gesetze, Tübingen 1951, Bd. 1, S. X XI.
Montesquieu, a. a. 0., Buch XI, Kap. 4, (Bd. 1, S. 213 ).
Montesquieu, Betrachtungen über die Größe Roms und die Gründe seines Untergangs, Kap. VIII (Weltgeist-Bücher, Berlin o. J., SS. 55 ff.), s. auch bei Forsthoff (s. o. Anm. 29 ), S. XX VII.
Montesquieu, a. a. O. (s. o. Anm. 29), Buch XI, Kap. 5 (Bd. 1, S. 214 ).
Alexander Rüstow, Das Versagen des Wirtschaftsliberalismus, 2. Aufl. [Godesberg] 1950, S. 50.
Hegel, Rechtsphilosophie, (s. o. Anm. 8), § 257 (S. 195 ).
Hegel, Vorlesungen über die Philosophie der Weltgeschichte [im folgenden zit. Geschichtsphilosophie], Einleitung, II, 1, c (Ausg. der Philosophischen Bibliothek, Leipzig 1920, S. 40 ).
Friedrich Julius Stahl, Die gegenwärtigen Parteien in Staat und Kirche, Berlin 1863, 20. Vorlesung, S. 282.
Stahl, Philosophie des Rechts, 3. Aufl., Freiburg Br. [ 1854 ], II, 1, I. Buch, I. Abschn., II. Kap., § 6, SS. 22 f.
Stahl, Die gegenwärtigen… (s. o. Anm. 45), 21. Vorlesung, S. 286.
Stahl, Siebzehn parlamentarische Reden und drei Vorträge, Berlin 1862, IV. Abtg., 13. Rede: »Die En-bloc-Annahme der deutschen Bundesstaatsverfassung und der Liberalismus«, S. 162.
A. a. O., III. Vortrag: »Zum Gedächtnis Sr. Majestät des hodiseligen Königs Friedrich Wilhelms IV. und Seiner Regierung«, S. 268.
Heller, a. a. O. (s. o. Anm. 4 ), S. 180.
Hegel, Geschichtsphilosophie (s. o. Anm. 40), Einleitung, II, 1, c (S. 44).
Heller, a. a. O. (s. o. Anm. 4 ), S. 170.
Hegel, Geschichtsphilosophie (s. o. Anm. 40), Einleitung, II, 3, a (S. 93).
Rudolf Smend, Verfassung und Verfassungsrecht, München und Leipzig 1928, S. 20.
Eduard Spranger, Lebensformen, 3. Aufl., Halle 1922, S. 189.
Rudolf Stammler, Wirtsdiaft und Recht nach der materialistischen Geschichtsauffassung, 3. Aufl., Leipzig 1914, S. 554.
Adalbert Stifler, Witiko, Ausg. des Inselverlages, Leipzig o. J., S. 768.
Platon, Der Staat, 347 C.
Richard Kroner, Kulturphilosophische Grundlegung der Politik, Berlin 1931, S. 19.
Ernst von Harnack, Die Praxis der öffentlichen Verwaltung, 2. Aufl., Schwenningen 1951, S. 4.
Aristoteles, Politik, 1, 6, 1255a (Ausg. der Philosophischen Bibliothek, Leipzig 1943, S. 11 ).
Max Weber, »Politik als Beruf«, in: Gesammelte politische Schriften, München 1921, S. 435; ders., »Wissenschaft als Beruf«, in: Gesammelte Aufsätze zur Wissenschaftslehre, Tübingen 1922, S. 545 ( 2. Aufl., Tübingen 1951, S. 587 ).
Author information
Authors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 1964 Westdeutscher Verlag · Köln und Opladen
About this chapter
Cite this chapter
von der Gablentz, O.H. (1964). Macht, Gestaltung und Recht — die drei Wurzeln des politischen Denkens. In: Der Kampf um die rechte Ordnung. VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-322-98513-2_2
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-322-98513-2_2
Publisher Name: VS Verlag für Sozialwissenschaften, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-322-97948-3
Online ISBN: 978-3-322-98513-2
eBook Packages: Springer Book Archive