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Was sagen wir, um das Geschlecht zu sein? Geschlechtskörper und Diskurs

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Sexy Bodies

Part of the book series: Reihe Geschlecht und Gesellschaft ((GUG,volume 23))

  • 174 Accesses

Zusammenfassung

Im vorausgegangenen Kapitel war der Zusammenhang zwischen Handeln und Körpergeschlecht ausgeleuchtet worden. Der Geschlechtskörper ist uns also auf der ersten Station der Reise weniger als natürliche Gegebenheit, sondern als Ergebnis von Interaktionen begegnet. In dieser handlungszentrierten mikrosoziologischen Perspektive wird die Geschlechterdifferenz als immerwährendes Tun, als Darstellungsarbeit mehrerer Personen im Alltag begriffen. Wie sich weiterhin gezeigt hatte, finden diese Interaktionen immer in sozialen Settings (z.B. Institutionen) und Räumen (z.B. öffentlichen Plätzen) statt, die ihrerseits von sozialer Ungleichheit — als relationale und distributive Ungleichverteilung von Ressourcen (Kreckel) — konstituiert sind. Erweitert man also die mikrosoziologische Perspektive des ‘doing gender’ um den Aspekt sozialer Ungleichheit, dann hat man es auch immer mit ‘doing inequality’ zu tun. Die Darstellung des Geschlechts ist demnach zum einen durch die Ungleichverteilung der für die Darstellungen benötigten Ressourcen strukturiert, zum anderen verweist die Darstellung immer auch auf handlungsrelevante Dimensionen sozialer Ungleichheit i.S. von Distinktionsstrategien (Bourdieu). In der handlungszentrierten Geschlechtersoziologie waren allerdings Fragen nach Konstitution und Bedeutung sozialer Normen für die Geschlechtsdarstellungen offen geblieben: Woher kommen die Dichotomisierungsregeln, denen die Darstellungen folgen und die sie (re-)produzieren?

„Paradoxically, it is language that speaks us...“

(Gunew nach Braidotti 1994:15)

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Literatur

  1. Die Unterscheidung von Sprache und Diskurs ist, wie sich zeigen wird, von zentraler Bedeutung. Ich werde im Nachfolgenden immer dann den Begriff ‘Sprache’ verwenden, wenn es um soziale Kommunikation als konkrete Tätigkeit geht, ‘Diskurs’ hingegen, wenn es sich um Bedeutungsgehalte (semiotische Gehalte), Denkformen und Formen der Wissenskonstitution handelt, die in Sprache enthalten sind bzw. durch Sprache produziert werden. Vgl. Maihofer 1995:81f; Foucault 1976; Dreyfus/Rabinow 1987:69–104; Weedon 1990:138ff. Für eine anders gelagerte Unterscheidung zwischen Rede als Kommunikation und Diskurs vgl. Habermas 1971 sowie Fußnoten 86 und 87 in diesem Kapitel.

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  2. Vgl. Bourdieu 1990:71ff.; Kreckel 1997:78ff. Hierfür gibt es auch den simplen Ausdruck ‘Wissen ist Macht’.

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  3. Wo die Frage gelautet hatte: ‘Wer tut etwas womit und von wo aus?’.

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  4. Butler als Sozialkonstruktivistin zu bezeichnen, ist nicht ganz unproblematisch. Sie ist Linguistin und Philosophin (derzeit Professorin für Rhetorik in den USA) und verortet ihre Arbeiten selbst nicht in den Sozialwissenschaften. Ihr Werk ist aber sowohl im deutschsprachigen wie internationalen Kontext in der sozialwissenschaftlichen Frauenforschung rezipiert worden (vgl. Gildemeister/Wetterer 1992; Feministische Studien 11/1993; Knapp 1995). Im Rahmen dieser Arbeit betrachte ich ihr Werk als Beitrag zur Analyse der diskursiv-symbolischen Ebene des Geschlechterverhältnisses, wobei mein erkenntnisleitendes Interesse die soziale Relevanz der von ihr analysierten Diskurse ist und nicht die immanente Rekonstruktion der Diskurstheorie im Zusammenhang von Poststrukturalismus und postmoderner Philosophie. Zu letzterem vgl. Alcoff 1988; Flax 1992; Weedon 1990.

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  5. Butlers erkenntnisleitenden Motive sind politischer und akademisch-theoretischer Natur. Politisch ist es die Auseinandersetzung um die Kategorie ‘Frau’, die zunächst insbesondere in den USA durch die Kritik schwarzer und lesbischer Frauen sowie anderer von der Frauenbewegung und der feministischen Theorie (vermeintlich oder tatsächlich) marginal isier-ter Gruppen ausgelöst wurde. Diese Kritik richtete (und richtet sich noch) gegen den Universalismus der Frauenbewegung, der darin besteht, dass diese Bewegung sowohl implizit wie z.T. explizit den Anspruch hat, im Namen ‘der Frau’ zu agieren. Genau dieser Anspruch erweist sich aber bei genauerem Hinsehen als weiße, heterosexuelle und mittelschichtorientierte Perspektive: „das Insistieren auf der Kohärenz und Einheit der Kategorie ‘Frau(en)’ hat praktisch die Vielfalt der kulturellen und gesellschaftlichen Überschneidungen ausgeblendet, in denen die mannigfaltigen konkreten Reihen von ‘Frauen’ konstruiert werden. (…) Es wäre falsch, von vornherein anzunehmen, daß es eine Kategorie ‘Frau(en)’ gibt, die einfach mit verschiedenen Bestandteilen wie Bestimmungen der Rasse, Klasse, Alter, Ethnie und Sexualität gefüllt werden muß, um vervollständigt zu werden.“(Butler 1990:34f). Zur Kritik am Universalismus der Frauenbewegung und -forschung vgl. An-zaldua 1990; Collins 1990; Grewal/Kaplan 1994. Zur deutschsprachigen Auseinandersetzung vgl. beitrage zur feministischen théorie und praxis 27/1991; Gutierrez Rodriguez 1996; Kalpaka/Räthzel 1985; Lenz/Germer 1996. Allerdings ist der Universalismus-Vorwurf mit Vorsicht zu genießen. Zumindest im Falle Butlers greift er zu kurz und dient m.E. dazu, die eigene Position vor der Kontrastfolie einer ‘repressiven’ Frauenbewegung deutlicher zu pointieren. Auf die Homogenisierung komplexer und ambivalenter Phänomene sowie die z.T. monolithische Betrachtungsweise komme ich weiter unten im Zusammenhang mit dem Diskurs der Heterosexualität zurück.

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  6. Zur Unterscheidung zwischen Hermeneutik und Genealogie vgl. Ferguson 1992.

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  7. Vgl. Fausto-Sterling 1992; Fox-Keller 1989; Laqueur 1992; Lewontin/Rose/Kamin 1988; Oudshoorn 1994; von Glasersfeld 1997.

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  8. „Weder die gesellschaftliche Realität noch die ‘natürliche’ Welt haben feste inhärente Bedeutungen, die durch die Sprache widergespiegelt oder zum Ausdruck gebracht werden. Verschiedene Sprachen und verschiedene Diskurse innerhalb derselben Sprache unterteilen die Welt in verschiedene Weise und schreiben ihr in unterschiedlicher Weise Bedeutungen zu.“(Weedon 1990:36). Die hier formulierte Vorstellung von Sprache (bzw. Diskurs) als realitäts-, weil bedeutungsschaffende Instanz anstatt als Abbildung einer gegebenen Realität, ist ein wesentliches Grundmoment dessen, was ‘postmoderne’ von ‘modernen’ Episte-mologien unterscheidet. Vgl. Flax 1992:74f; Fuss 1989:2ff.

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  9. Neben der Diskurstheorie, die hier behandelt wird, ist für sprachsoziologische Fragestellungen die sprechakttheoretisch orientierte Soziologie bzw. Sozialphilosophie von Habermas zentral. Auf diese systematisch einzugehen würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen, sie wird aber in Fußnoten an gegebener Stelle in die Darstellung einbezogen. Vgl. Habermas 1971; 1981.

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  10. Zur Darstellung der „semiologischen Perspektive“Butlers vgl. Maihofer 1995:47ff. Maiho-fer folgt der Butlerschen sprachtheoretischen Auffassung allerdings nicht, weil sie einen „semiologischen Idealismus“(ebd.: 48) bei Butler am Werke sieht, der letztendlich nicht über eine „traditionelle Ideologiekritik“(ebd.: 52) hinausreiche und überdies reduktio-nistisch dazu führe, die „doch gelebte ‘existentielle bzw. materielle Realität’ des Ge-

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  11. schlechts“(ebd.) auszublenden. Maihofer verkennt meines Erachtens die Pointe der Butler-schen Argumentation, die die materielle Realität des Geschlechts eben nicht idealistisch verkennt, sondern auf der diskursiven Produktion bestimmter Materialitäten besteht. Vgl. 3.5. 11 Butler 1995:296; Dreyfus/Rabinow 1987:137.

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  12. Ganz allgemein wird der Begriff ‘soziale’ Macht hier zunächst im Sinne Webers verstanden, nämlich als Jede Chance, innerhalb einer sozialen Beziehung den eigenen Willen auch gegen Widerstreben durchzusetzen, gleichviel worauf diese Chance beruht.“(Weber 1985:28f). Worauf es mir bei der Unterscheidung zwischen epistemologischer und sozialer Macht ankommt, ist der in der Weberschen Definition enthaltene Verweis auf die ‘soziale’ Beziehung. Bei der ‘epistemologischen’ Macht hingegen handelt es sich um eine Beziehung zwischen der Sprache und dem/r Sprecher/in, nicht um eine zwischen Menschen. Vgl. ausführlicher Kapitel 3.6.

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  13. Vgl. Bourdieu 1990 und Kapitel 3.6.

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  14. Der Begriff des ‘diskursiven Guerilla-Kriegs’ stammt von Seifert 1992.

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  15. Vgl. Butler 1993b: 126ff.; 1995:298.

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  16. Zum Begriff der Manipulation von Diskursen vgl. Kaplan 1982 in Seifert 1992:281.

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  17. Zum Zitat als (postmoderne) Form vgl. Eco 1988.

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  18. So auch Butler 1995:295.

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  19. Hier im Text also ein Beispiel für die diskursive Strategie der Anführungszeichen. Die Intention hinter ihrer Verwendung ist in diesem Falle, deutlich zu machen, dass ich die normativen Implikationen, die in der Bezeichnung ‘verrückt’ stecken, zwar wiedergeben, aber nicht ungebrochen reproduzieren möchte. Im übrigen sind nicht nur Anführungszeichen zur diskursiven Strategie der Kritik von innen heraus geworden, auch ‘quasi’, ‘sozusagen’, ‘in gewissem Sinne’ werden als diskursive Mittel genutzt, um anzudeuten, dass der/die Autor/in tradierte Begriffe verwendet, sich aber kritisch von ihnen distanziert.

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  20. Zur kritischen Auseinandersetzung mit den Queer Studies aus feministischer Perspektive vgl. Walters 1996.

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  21. Zur Strategie des ‘as if im feministischen Kontext vgl. Braidotti 1994:5f, 173–190. Ein weiteres Beispiel für die subversive Verwendung von normativen (Identitäts-)Begriffen lässt sich anhand des Wortes ‘nigger’ im Kontext afroamerikanischer Rap-Musik gut nachzeichnen.

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  22. Für eine ausführlichere Version dieser Kritik vgl. Benhabib 1992:203–241.

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  23. Vgl. auch Braidotti 1994:6f.

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  24. Foucault 1977; 1986.

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  25. Foucault 1977:19ff; lOlff.

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  26. Foucault 1977:98ff. All diesen Wissensinstanzen der Moderne ist die Technik des Geständnisses gemein: „Das Geständnis war und ist bis heute die allgemeine Matrix, die die Produktion des wahren Diskurses über den Sex beherrscht.“(Foucault 1977:81). Vgl. auch Dreyfus/Rabinow 1987:205–209. Die Unterscheidung zwischen dem modernen Umgang mit dem Sex und der vor-modernen, antiken Form, faßt Foucault in den Begriffen ‘ars erotica’ (erotische Kunst) versus ‘scientia sexualis’ (Wissenschaft vom Sex) zusammen. In ersterer steht der Genuss als Selbstzweck im Vordergrund, in letzterer die Analyse, Nützlichkeit, Moral und Wahrheit der Sexualität. Vgl. Dreyfus/Rabinow 1987:207f; Foucault 1986. Trotz der historischen Analysen Foucaults bin ich skeptisch, ob diese Gegenüberstellung nicht auch einer gewissen Romantisierung bzw. ‘Exotisierung’ nicht-westlicher und/oder nicht-moderner Vergesellschaftungsformen des Sexes entspringt.

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  27. „So daß sich am Ende in (der) ‘Frage’ des Sexes (…) zwei Prozesse entwickeln, die stets aufeinander verweisen: Wir fordern den Sex auf, seine Wahrheit zu sagen, (…) oder vielmehr die Wahrheit, die tief unter jener Wahrheit unserer selbst vergraben liegt, die wir im unmittelbaren Bewußtsein zu haben vermeinen. Wir sagen ihm seine Wahrheit, indem wir entziffern, was er uns von sich sagt; (…) Aus diesem Spiel hat sich im Verlauf mehrerer Jahrhunderte langsam ein Wissen vom Subjekt gebildet.“(Foucault 1977:89). Vgl. auch Foucault 1977:98. 28 Vgl. Foucault 1977:61f.

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  28. So Hirschauer (1993a:351f), der die gewachsene Flexibilität des Geschlechts hinsichtlich Tätigkeiten, Räume, Normen usw. konstatiert und behauptet, die Transsexualität läge einen „schützenden Schatten“über die real existierende Geschlechtsmigration vieler Individuen in der westlichen Kultur. In diesem Sinne markiert die Transsexualität die Grenze der individuellen Freiheit bzgl. der Gestaltung des eigenen Geschlechts: so ziemlich alles ist erlaubt, doch der Wechsel des Geschlechts ist mit einer Zerstörung des Körpers verbunden. Zur Diskussion um die Diagnose Hirschauers vgl. Kapitel 5.

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  29. Unter expliziter Bezugnahme auf Foucault formuliert Hirschauer diese Logik ganz analog. Vgl. Hirschauer 1993a:347.

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  30. Damit folgt Butler nicht nur Foucault, sondern auch Derrida. Vgl. Wartenpfuhl 1996. Interessant ist, dass Butler hier den produktiven, ermöglichenden Aspekt von Identitätskategorien nicht erwähnt. Denn Identitätskategorien haben einen großen Vorteil, weswegen sie ja auch so zentral sind: sie schaffen eine Subjekt-Position, ohne die es kein ‘Ich’ gibt.

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  31. Für eine ausführliche Analyse lesbischer Identität aus der Perspektive diskurstheoretischer Subjektkonstitution i.S. Butlers und Foucaults vgl. Hark 1996. Ausgangspunkt ihrer Arbeit ist die Frage: „Welches sind also die Bedingungen, die ‘lesbische Frauen’ erfüllen müssen, um in den Diskurs eintreten zu können? Was qualifiziert sie bzw. ihr Sprechen als ein hörbares?“(Hark 1996:25).

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  32. Vgl. auch Hark 1996:23.

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  33. Vgl. Seifert 1992:272.

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  34. Dies gilt allerdings nur bedingt für die neueren Arbeiten von Hirschauer, in denen er auf soziale Trägheitsmomente eingeht, die die Konstruktion der Differenz stabilisieren und damit einen Grund für die Reproduktion derselben liefern. Vgl. Hirschauer 1994 und Kapitel 2.4. dieser Arbeit.

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  35. Zum Leben im Sinne einer sinnlichen Erfahrung des Begehrens und der Geschlechterdifferenz vgl. Lindemann 1993a; Kapitel 4 dieser Arbeit.

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  36. „Hegemonial ist ein Diskurs, wenn er innerhalb einer Gruppe, Klasse oder Gesellschaft oder gar gesellschaftsübergreifend dominiert, indem er z.B. die herrschenden Normen, Werte und Verhaltensstandards einer Gesellschaft konstituiert.“(Maihofer 1995:81). Zur Diskussion um Hegemonie und symbolische Herrschaft vgl. Kapitel 3.6.

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  37. Dies gilt grundsätzlich zunächst ebenso für Männer. Allerdings ist anzunehmen, dass die Norm der Heterosexualität in bezug auf Männer im einzelnen anders wirkt, worauf ich hier nicht eingehen kann. Vgl. Bell/Valentine 1995; Connell 1999:165–184 und die dort angegebene Bibliographie sowie Foucault 1986.

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  38. Vgl. Butler 1990:219f, Fußnote 7.

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  39. Vgl. auch Daly 1982; Millet 1974.

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  40. Ich danke insbesondere Ilse Lenz für beharrliche Hinweise zu diesem Punkt.

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  41. Wittig 1996:148.

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  42. Vgl. Butler 1990:36–48. Für die Diskussion um die politischen Implikationen einer auf der lesbischen Existenz gründenden Identitätspolitik im deutschsprachigen Kontext vgl. Hark 1996.

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  43. Zur differenzierten Darstellung und kritischen Diskussion der politisch verwendeten Definitionen lesbischer Identität im Kontext der Frauenbewegung vgl. Hark 1996:87–141.

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  44. Dies ist wohl die politisch umstrittenste Dimension von Butlers Arbeiten. Wenngleich Butler von Anfang an zwischen Parodie und Politik unterscheidet (Butler 1990:209ff.; auch 1995:169ff.), bleibt sie — gemessen an ihren eigenen politischen Ansprüchen — hinter der feministischen Diskussion um soziale Macht- und Herrschaftsverhältnisse zurück. Vgl. Kapitel 3.6 und Kapitel 1.

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  45. Butler 1990:201; 1995:170.

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  46. Ein im übrigen interessantes Beispiel für die eigenständige Rezirkulation von Bedeutungen, weil der deutschsprachige Titel (‘Das Unbehagen der Geschlechter’) mit der Freud-schen Formulierung vom ‘Unbehagen in der Kultur’ spielt, was im englischsprachigen Original nicht der Fall ist.

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  47. Die feministischen Analysen des zum ‘Kult’ avancierten Film ‘Paris is Burning’ umfassen bei Butler (1995), hooks (1992), Vinken (1993), Frye und Raymond (nach Butler 1995:171) nicht nur die Dimension des Geschlechts, sondern auch dessen Verknüpfung mit Aspekten ethnischer und sexueller Gewalt.

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  48. Vgl. Butler 1995:170–185.

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  49. Zur Analyse des Geschlechts als andauernde Inszenierung vgl. Kapitel 2.

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  50. Vgl. Butler 1995:171.

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  51. CSD steht für ‘Christopher Street Day’. An diesem Tag gehen Lesben und Schwule auf die Straße, um für politische Anerkennung, Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung zu demonstrieren. Dabei spielt auch das Ziel, schlicht in der Öffentlichkeit sichtbar zu sein, eine wichtige Rolle.

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  52. Butler 1990:204.

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  53. Zur weiteren Darstellung der Butlerschen Position im Kontext der US-amerikanischen sex/gender-Debatte vgl. Bordo 1992:167f.

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  54. Auf eine Darstellung der Butlerschen Diskussion des Materie-Begriffs bei Aristoteles, Platon, Lacan, Freud, Foucault und Irigaray, die der genealogischen Methode folgt, verzichte ich hier. Die kritische Lektüre der genannten Autor/innen folgt dem Ziel herauszufinden, wie „sexuierte Morphologien durch regulierende Schemata“produziert werden. Vgl. Butler 1995:41–130.

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  55. Hier muss darauf hingewiesen werden, dass sich Butler selbst nicht systematisch mit der Dimension des subjektiven Erlebens des Geschlechtskörpers befasst. Ihr geht es zwar darum, auf die diskursive Konfiguration von Erfahrungen aufmerksam zu machen, die Erfahrungen selbst werden aber aus den Überlegungen ausgeblendet. Diese Kritik bildet den Ansatzpunkt für die mikrosoziologische Leib-Phänomenologie von Lindemann, die im nächsten Kapitel (4) ausführlich behandelt wird.

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  56. Vgl. Oudshoorn 1994.

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  57. Butler 1995:54, 99.

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  58. Dies ist selbstverständlich keine universal gültige Tatsache. Auch die Bedeutung von Natur im Kontext der Naturwissenschaften unterliegt einem fortwährenden Prozess. Ich danke Ute L. Fischer für Hinweise zu diesem Punkt.

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  59. „(So) können Darstellungen für einen Betrachter einen geschlechtlichen Körper hervorbringen als habe er ihnen zugrundegelegen und als seien sie nur sein natürlicher ‘Verhaltensausdruck’.“(Hirschauer 1989:111, Hervorh. i.O.).

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  60. Um diese Frage auszuleuchten, wendet sich Butler ausgewählten psychoanalytischen und feministischen Theorien zu (Freud, Kristeva, Lacan und Wittig), deren Darstellung hier zu weit führen würde. Vgl. Butler 1990:122–140, 164–188; 1995:85–127.

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  61. Butler interessiert sich, wie gesagt, weniger dafür, wie dieses Wissen subjektiv empfunden wird. Dieser Aspekt ist demgegenüber die Hauptfrage der phänomenologischen Mikroso-ziologie. Vgl. Kapitel 4.

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  62. Vgl. Butler 1995:96; Laqueur 1992 und Exkurs I.

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  63. Butler 1990:193 ff..

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  64. Douglas 1981:106.

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  65. Die diskursiven Konfigurationen sind entweder medizinisch (also nicht alltagssprachlich) oder aber wertend konnotiert: ‘Zum Kotzen, beschissen, anpissen, Arschloch’ etc. sind deutliche Beispiele für die Konfiguration körperlicher Vorgänge oder Morphologien. Diese Begriffe konfigurieren zudem das subjektive Erleben der gemeinten Körperregionen bzw. der körperlichen Vorgänge. D.h., sie bewirken Scham, Ekel, Lust usw. Zum Zusammenhang von metaphorischer Sprache und Kultur, allerdings aus einer streng sprachwissenschaftlichen Perspektive, vgl. Lakoff/Johnson 1998.

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  66. Als ein Beispiel unter vielen kann die Verwendung von ‘Sex’ in der Ratgeberliteratur zum Thema Schwangerschaft dienen. Es geht unter diesem Stichwort immer um Spermien in der Vagina und damit um die Penetration.

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  67. Vgl. Richardson 1996.

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  68. Im Internet debattieren Teenager in (ernsthaften) Diskussionsforen die Frage, ob z.B. oraler Sex ‘richtiger’ Sex ist. Die Lebhaftigkeit dieser Diskussionen verweist auf die Ambivalenz hegemonialer Sexualität i.S. von heterosexueller Penetration. Denn einerseits gibt es dort ein Ringen darum, nicht-penetrative Formen von Sexualität als ‘richtigen’, durchaus ‘eigentlichen’, echten Sex zu verteidigen, aber andererseits macht gerade die Tatsache des Ringens darum und die Auseinandersetzung darüber deutlich, dass dies nicht selbstverständlich ist. Nachzulesen unter http://www.maximag.com/cgi-bin/maximag/frame2.

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  69. Eine Synekdoche ist eine rhetorische Figur, die das „Mitverstehen und Mitaufnehmen eines Ausdrucks durch einen anderen Ausdruck“meint. Dadurch wird entweder ein engerer Begriff für den weiteren gesetzt (‘Tempo’ für Taschentuch z.B.) oder umgekehrt. „So setzt man statt der Gesamtvorstellung das Einzelmerkmal, statt des Ganzen das Teil (‘pars pro toto’), statt des Vielfachen das Einfache, statt der Mehrzahl die Einzahl (‘singularis pro pluralis’), statt der Gattung die Art, statt der Art das Exemplar.“Entscheidend ist, dass der Unterschied zwischen „eigentlich gemeintem und synekdochisch bezeichnetem Begriff nicht im Begriffsinhalt, sondern innerhalb desselben Feldes im Begriffsumfang (Vereinzelung und Zusammenfassung) besteht.“(von Wilpert 1989:913). Kurz: Der Phallus ist eine Synekdoche, weil es die Verdichtung eines größeren und komplexeren Zusammenhangs auf einen einzelnen Begriff ist.

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  70. Die Verknüpfung der männlichen Morphologie (Penis) mit normativen Gehalten des Geschlechtsseins mittels des Begehrens (Penetration, Aggression) spielt in der phänomenologischen Perspektive Lindemanns eine zentrale Rolle. Dies wird in Kapitel 4 dargestellt und kritisch diskutiert.

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  71. Die Konstruktion von Weiblichkeit als verletzungsoffen wird im vierten Kapitel eine zentrale Rolle spielen, dann allerdings in ihrer leiblich-affektiven Dimension. Vgl. Kapitel 4.3.1.

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  72. Waldby 1996: 14; 76ff; 104f.

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  73. So nachzulesen in diversen sog. ‘sex Education’-Büchern, die lesbische Erotik und Sexualität (mehr oder weniger) didaktisch darstellen. Vgl. Califia 1998; Newman 1999; Wink/Semans 1994.

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  74. Z.B. Duden 1993; Maihofer 1995:48–51.

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  75. Vgl. Baldauf/Weingartner 1998:17f. Die Autorinnen beschreiben präzise die Ambivalenzen und unauflöslichen Spannungen, die sich aus dem Anspruch ergeben, innerhalb einer Kulturindustrie subversive Politik zu betreiben.

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  76. Zur weiteren Diskussion um die Verwendung des Begriffes ‘bitch’ im Kontext der Popkultur vgl. die spannenden Diskussionen im elektronischen Forum von ‘Maxi’ (www.maximag.com). Maxi ist eine sog. ‘grrrl’-site im Internet innerhalb des ‘chickklick’-Netzwerks. Dort findet sich vieles zum Thema girl-movement im Kultur- bzw. Pop-Business. Besonders aufschlussreich ist die graphische Gestaltung der Seiten, weil sie mit Geschlechterstereotypen spielen, so z.B. Tampon-Schachteln oder Putzmittel bei b.r.i.l.l.o. (www.virago-net.com/brillo), einer elektronischen Zeitschrift zum Thema Frauen/Mädchen und Technik/Internet. ‘Bitch’, eine weitere feministische Pop- und kulturkritische Zeitschrift (www.bitchmagazine.com) schreibt explizit zu ihrem Namen: „If being an outspoken woman means being a bitch, we’ll take that as a compliment, thanks.“Spannend ist auch der Resignifikationsprozess von ‘Tussi’, wie er in der Zeitschrift „Tussi Deluxe“betrieben wird. Vgl. http://www.tussi-deluxe.de/.

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  77. Ausführlich vgl. Levy/Lawless/Storm in ebd.: 52–59.

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  78. Zur Definition von sozialer Macht im Vergleich zur epistemologischen Macht vgl. Fußnote 12 dieses Kapitels.

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  79. Butler 1990:213.

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  80. Allerdings fragt sie dies im Zusammenhang mit politischen Strategien, die auf — von der Norm abweichenden — sexuellen Identitäten basieren wie Lesbenbewegung im Kontext der Frauenbewegung.

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  81. Bourdieu 1990.

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  82. Ebd.: 8, 18.

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  83. Zur Gruppe der Sprachwissenschaften zählen so heterogene Felder wie vergleichende Typologie, Soziolinguistik, Sprachphilosophie in allen Varianten, kognitive Perspektiven, Phonologie usw. Von ‘der’ Sprachwissenschaft zu sprechen, macht also ebenso wenig Sinn wie von ‘der’ Soziologie o.a. Bourdieu ist in dieser Hinsicht einerseits vom französischen Rezeptionskontext geprägt wie andererseits gegen die vor allem in der Ethnologie und Anthropologie zeitweilig starken Rezeption der ‘generativen Grammatik’ Chomskys. Diese geht von universellen kognitiven Sprachkompetenzen aus, die angeboren sind. Für klärende Hinweise zu diesem Themenkomplex danke ich Michael Cysouw.

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  84. Bourdieu 1990:16.

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  85. Bourdieu stützt seine Argumentation an dieser Stelle mit dem expliziten Rückbezug auf Austin, dem Begründer der Sprechakttheorie. Vgl. Bourdieu 1990:52f.

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  86. Im Unterschied zu den von Habermas im Rahmen seiner Diskursethik entfalteten Geltungsansprüchen ‘Wahrheit, Aufrichtigkeit, Richtigkeit und Verständlichkeit’, die mit sprachlichen Äußerungen einhergehen. Vgl. Habermas 1971:11 Iff.

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  87. Auch hier ist der Hinweis auf Habermas zwingend, der die in Fußnote 87 genannten Geltungsansprüche von Sprechakten als lebensweltliche Bindung der Sprache überhaupt auffasst. Diese Geltungsansprüche werden in der interaktionsgebundenen Kommunikation der Lebenswelt naiv vorausgesetzt und können dort nicht oder nur sehr schwer problematisiert werden. Diskurs ist bei Habermas hingegen die Form sprachlicher Äußerungen, bei der lebensweltliche Handlungszwänge suspendiert und damit Geltungsansprüche (evtl. herrschaftsfrei) als solche thematisiert werden können. Vgl. Habermas 1971:115.

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  88. Zum Ressourcen-Begriff vgl. Kapitel 1.2.1.

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  89. Bourdieu 1990:40. Grundsätzlich tritt kulturelles Kapital in drei Formen auf: als inkorporiertes, als objektiviertes und als institutionalisiertes kulturelles Kapital. Vgl. Kapitel 1.2.1.

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  90. Aus seinen verschiedenen Arbeiten zusammengetragen in Bourdieu 1990:11–70, 74–114.

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  91. Ohne hierzu fundierte empirische Analysen gemacht zu haben, verweise ich doch auf die Erfahrung, die die meisten kennen, die z.B. aus einem nicht akademischen Milieu stammen und an der Universität studieren. Spätestens dort wird auch der sprachliche Ausdruck zu einem ‘verräterischen’ Bestandteil des Habitus. Im Ruhrgebiet z.B. machen viele Studierende und Jungakademiker/innen die Erfahrung, dass ihre ‘Muttersprache’ des Arbei-ter/innen-Milieus an der Universität quasi nicht passt und haben demnach das Gefühl, eine neue Sprache erlernen zu müssen. Dabei spielen Inhalte des Lebensstils ebenso eine Rolle wie die konkrete Art zu sprechen (deutlich, eloquent, selbstsicher). Die alltagsweltliche Relevanz solcher Prozesse ist kaum zu überschätzen, denn es gehen damit z.B. reale Verluste von familiären Bindungen einher.

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  92. So habe ich selbst die Erfahrung gemacht, dass dies im akademischen Milieu nicht ohne weiteres einsichtig ist. Gerne spotten gestandene Soziologen/innen über das Thema ‘Geschlechtskörper’. Im Kontext der sozialwissenschaftlichen Frauenforschung hingegen ist das Thema meistens als würdiges Forschungsobjekt anerkannt worden, womit ich vom Zwang der Rechtfertigung entlastet war. Dies sind nur Beispiele für die Bedeutung der sozialen Orte, in denen man/frau spricht und schreibt — weder vorschnelle Verallgemeinerungen noch Lamenti sind hier gemeint.

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  93. Vgl. Kapitel 2.

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  94. Dieser Sachverhalt korrespondiert auch mit dem Geltungsanspruch auf Authentizität in der lebensweltlich verankerten Kommunikation bei Habermas. Vgl. Fußnote 87.

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  95. Vgl. Cavarero 1990; Irigaray 1979; Libreria délie donne de Milano 1991.

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  96. Für eine hierzulande seltene empirische Arbeit aus differenztheoretischer Perspektive vgl. Keil 1996.

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  97. Vgl. Kapitel 2.1.

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  98. Vgl. Kapitel 2, 4, 5.

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  99. So vor allem Benhabib 1993:106ff. Sie fragt: „Was befähigt das Selbst, die Geschlechtercodes zu variieren, hegemonischen Diskursen zu widerstehen?“und weiter: „Kann diese Theorie (von Butler, d.V.) die Fähigkeit und Umdeutung, die sie Individuen zuschreiben will, begründen, (…)?“(ebd.: 109f). Allerdings argumentiert Benhabib m.E. an Butler vorbei, denn Butler kann diese Fragen durchaus beantworten und sei es ‘nur’ theoretisch durch den Verweis auf die Prozesshaftigkeit und kontingente Funktionsweise performativer Sprechakte. Was Butler nicht kann, ist, die sozialen Bedingungen und Machtverhältnisse sehen, die über den Erfolg oder Misserfolg der Variationen des Geschlechtercodes entscheiden. Benhabib argumentiert ebenso unsoziologisch wie Butler, was diesen Punkt betrifft, sondern normativ-politisch. Ihre Hauptkritik gilt dem Verlust an normativ-utopischer Kraft eines Feminismus a la Butler, weil dieser die Möglichkeit eines ‘Außerhalb’ vom Patriarchat abstreitet und somit keine autonome feministische Vision entwickeln kann; es gibt bei Butler in der Tat keinen sozialen Ort, der nicht von hegemonialen Diskursen konstituiert wäre und somit keine Chance auf einen autonomen feministischen ‘Gegenentwurf. Vgl. hierzu Benhabib 1992.

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© 2001 Leske + Budrich, Opladen

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Villa, PI. (2001). Was sagen wir, um das Geschlecht zu sein? Geschlechtskörper und Diskurs. In: Sexy Bodies. Reihe Geschlecht und Gesellschaft, vol 23. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-97533-1_4

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