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Das Konzept des „kommunikativ-rationalen Subjekts“ — Eine Auseinandersetzung mit Habermas

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Selbstkrise und Individuationsprozeß

Part of the book series: Beiträge zur psychologischen Forschung ((BPF,volume 17))

  • 93 Accesses

Zusammenfassung

In diesem Abschnitt kann es nicht darum gehen, eine umfassende Darstellung oder Kritik kompetenztheoretischer Subjektmodelle zu leisten. Dafür sind die zugrundeliegenden theoretischen Ansätze, aber auch ihre Rezeption wie die daran sich anschließende Grundlagenforschung zu umfangreich und komplex.

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Anmerkungen zu Kapitel 2

  1. Vgl. hierzu z. B. die zusammenfassenden Darstellungen des Habermasschen Werkes bei Mc Carthy 1978, Gripp 1984 und auch Honneth 1985.

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  2. Diese Exkurse zu Freud /Lacan und Adorno /Horkheimer sind keine Gesamtdarstellungen der jeweiligen Ansätze, sondern eng auf die hier behandelte Thematik bezogen.

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  3. Dieses Vorhaben geht schon auf Arbeiten der 60er Jahre zurück. Verwiesen sei hier nur auf die Schrift „Arbeit und Interaktion“, in der es Habermas unter anderem um die Betonung der Unterschiede von „instrumentellem“ und „kommunikativem Handeln“ ging. Vor allem aber in „Technik und Wissenschaft als Ideologie’“ (Habermas 1968b) finden sich schon alle zentralen Thematiken und Fragestellungen, die auch die „Theorie des kommunikativen Handelns“ bestimmen. Auch hier bildet den Ausgangspunkt Webers Konzept der Rationalität und gesellschaftlicher Rationalisierung. Auch hier bezieht sich Habermas auf eine kritische Rezeption Webers durch Marcuse, der in Webers Rationalitätskonzept, vor allem in der technischen Rationalität selbst, die Ausbreitung der Herrschaft in technisch-wissenschaftlicher Form vermutet, in dem Sinne, daß die Produktivkräfte ihre Unschuld verlieren und in ihnen selbst sich Herrschaft materialisiert. Während Marcuse aber aus dieser Kritik bloß die Vorstellung eines anderen Verhältnisses zur Natur hervortreiben kann, eine Vorstellung, der Habermas sehr skeptisch gegenübersteht, bestimmt er doch gerade instrumentales Handeln als den im Umgang mit „objektiver Welt“ angemessenen Handlungstyp, zielt Habermas auf die Formulierung eines neuen Rationalitätsbegriffes, der auf „kommunikativem Handeln“ aufbaut (vgl. Habermas 1968b, S. 59ff.). Was dies bedeuten kann, deutet er hier lediglich an: „dieser Prozeß der Entfaltung von Produktivkräften kann dann und nur dann ein Potential der Befreiung sein, wenn er Rationalisierung auf einer anderen Ebene nicht ersetzt. Rationalisierung auf der Ebene des institutionellen Rahmens kann sich nur im Medium der sprachlich vermittelten Interaktion selber, nämlich durch eine Entschränkung der Kommunikation vollziehen. Die öffentliche, uneingeschränkte und herrschaftsfreie Diskussion über die Angemessenheit und Wünschbarkeit von handlungsorientieren-den Grundsätzen und Normen im Lichte der soziokulturellen Rückwirkungen von fortschreitenden Sub-Systemen zweckrationalen Handelns — eine Kommunikation dieser Art auf allen Ebenen der politischen und der wieder politisch gemachten Willensbildungsprozesse ist das einzige Medium, in dem so etwas wie Rationalisierung’ möglich ist.“ (Habermas 1968b, S. 98)

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  4. Diesen Zirkel legt Habermas im Versuch, eine sprach- bzw. kommunikationsunabhängiges Kriterium für „Wahrheit“ herauszuarbeiten, selbst offen: „Die Unterscheidung des wahren vom falschen Konsensus muß in Zweifelsfällen durch Diskurs entschieden werden. Aber der Ausgang des Diskurses ist wiederum von der Erzielung eines tragfähigen Konsensus abhängig. Die Konsensustheorie der Wahrheit bringt zu Bewußtsein, daß über die Wahrheit Aussagen nicht ohne Bezugnahme auf die Kompetenz möglicher Beurteiler, und über diese Kompetenz wiederum nicht ohne Bewertung der Wahrhaftigkeit ihrer Äußerungen und der Richtigkeit ihrer Handlungen entschieden werden kann. Die Idee des wahren Konsensus verlangt von den Teilnehmern eines Diskurses die Fähigkeit, zwischen Sein und Schein, Wesen und Erscheinung, Sein und Sollen zuverlässig zu unterscheiden, um Äußerungen und die Richtigkeit von Handlungen zu beurteilen. In keiner der drei Dimensionen können wir jedoch ein Kriterium namhaft machen, das eine unabhängige Beurteilung erlauben würde (d. h. unabhängig von einem Konsensus, der in einem Diskurs erzielt wird). Vielmehr müßte sich die Beurteilungskompetenz ihrerseits ausweisen an einem Konsensus der Art, für dessen Bewertung Kriterien gerade gefunden werden sollten.“ (Habermas 1971, S. 134f.)

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  5. Vgl. dazu detailliert die Ausführungen in Habermas 1971, 1976c und 1981 I, S. 385ff.

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  6. Diese Unterscheidung (vgl. Habermas 1971, S. 110ff.) differenziert und erweitert Habermas (vgl. Habermas 1981 I, S. 435ff.), ohne daß diese Differenzierung allerdings den grundlegenden Stellenwert dieser Sprechakt-Typologie berührt.

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  7. Während dieses „reine kommunikative Handeln“ in der Schrift von 1971 lediglich umrissen wird, bestimmt Habermas dasselbe 1981 in Anknüpfung an Austins Unterscheidung lokutionärer, illokutionärer und perlokutionärer Akte (vgl. Habermas 1981 I, S. 385–410). Er bestimmt: „Ich rechne also diejenigen sprachlich vermittelten Interaktionen, in denen alle Beteiligte mit ihren Sprechhandlungen illokutionäre Ziele und nur solche verfolgen.“

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  8. Kritik an diesen Abstraktions- und Idealisierungsschritten, die Habermas auf dem Weg einer Fundierung des rationalen Potentials im „reinen kommunikativen Handeln“ und im Diskurs gegenüber den alltäglichen Interaktionen vornehmen muß, übt vor allem Helga Bilden; insbesondere an der im Konzept der „kommunikativen Kompetenz“ vorgenommenen Reduktion konkret historischer Subjektivität auf ein „abstrakt isoliertes“ oder ein „abstrakt kompetentes Individuum“ (Bilden 1977, S. 122ff.). Sie faßt zusammen: „Mit dem Konzept der kommunikativen Kompetenz hat Habermas sein Gesellschaftsmodell der idealen herrschaftsfreien Kommunikation explizit universalpragmatisch-anthropologisch umformuliert. Die Bedingung der Möglichkeit herrschaftsfreier Kommunikation zwischen Subjekten, welche die gesellschaftlichen Beschränkungen der Kommunikation transzendieren können, die für Habermas immer schon in der Struktur der umgangssprachlichen Kommunikation begründet war, wird jetzt in Anlehnung an die Sprechakttheorie an bestimmte, universelle pragmatische Merkmale von Sprache als Regelsystem gebunden: durch Zugrundelegen des von Chomsky nur wenig modifiziert übernommenen Begriffs der Kompetenz erfolgt die Reduzierung auf ein, abgesehen von seiner umgangssprachlichen Kommunikationsfähigkeit bestimmungsloses Sprecher-Hörer-Individuum“ (Bilden 1977, S. 124). Vgl. zu einer ähnlichen Kritik auch Brüggemann 1977, bes. S. 197ff.

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  9. Vgl. etwa die Unterscheidung verschiedener Kompetenzen in Habermas 1972a.

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  10. Vgl. zur Kritik dieser „Idealisierungen“, besonders der Verankerung von „Rationalität“ in der Struktur der Sprache selbst wie deren sprachtheoretischer „Begründung“ auch die neueren Arbeiten von Christoph 1985, Kimmerle 1986, S. 123ff., Kunstmann 1986 und Gondek 1986.

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  11. Diese Problematik zeigt sich hinsichtlich verschiedener Bereiche. So etwa an der Vorstellung, daß im kommunikativen Handeln, der „sprachlichen Verständigung“ und „idealen Sprechsituation“ der Vorschein einer „idealen Lebensform“ zum Ausdruck kommt. Vor allem in Habermasens Kritik am Idealismus der Meadschen Vorstellung, daß das Individuum frei seine eigene Lebensgeschichte gestaltet und verantwortet, weist er auf die empirischen Beschränkungen einer freien Wahl der Lebensform hin: „In modernen Gesellschaften haben diese Lebensformen (als traditional eingewöhnte, W. H.) ihre totalisierende und damit ausschließende Kraft eingebüßt, sind dem Universalismus von Recht und Moral untergeordnet; aber als konkrete Lebensformen gehorchen sie einem anderem Maßstab als dem der Universalisierung. Ob diese Lebensform eines Kollektivs mehr oder weniger ‚gelungen‘ ist, mag eine generelle Frage sein, die sich an alle Lebensformen richten läßt; (...) Sinnlos ist aber die analoge Voraussetzung, daß wir Lebensformen in gleicher Weise wählen können. Keiner kann der Lebensform, in der er sozialisiert worden ist, in derselben Weise reflektiert zustimmen wie einer Norm, von deren Gültigkeit er sich überzeugt hat.“ (Habermas 1981 II, S. 166) Diese Äußerungen sind implizit auch kritisch gegen die eigenen Vorstellungen einer in „kommunikativer Rationalität“ wurzelnden idealen Lebensform gekehrt, da Lebensformen komplexer sind, und die Perspektive der Rationalität lediglich einen Aspekt von Lebensformen erfaßt (vgl. Habermas 1981 I, S. 112f.). Die Diskrepanz zwischen den idealen Typen sprachlich vermittelter Interaktion und alltäglichen Interaktionen versucht Habermas dadurch aufzufangen, daß er „die starken Idealisierungen, denen sich der Begriff des kommunikativen Handelns verdankt, kontrolliert rückgängig zu machen (versucht)“ (Habermas 1981 I, S. 441). Allerdings gehen genau dabei wesentliche Voraussetzungen verloren, die es ermöglichen, im kommunikativen Handeln ein umfassendes Rationalitätspotential zu verankern (vgl. ebd., S. 441f.).

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  12. Vgl. dazu, vor allem unter methodologischen Gesichtspunkten des Verstehens auch schon Habermas 1967, S. 188ff.

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  13. Vgl. hierzu Schütz/Luckmann 1979, auch Berger/Luckmann 1966. Auf das Verhältnis eines universellen Begriffes der Lebenswelt und dem Konzept der Lebenswelten kann hier nicht näher eingegangen werden. Festgehalten werden soll hier nur, daß Habermas mit seinem Versuch, einen kommunikationstheoretischen Begriff „der“ Lebenswelt zu konzipieren, einen universalistischen Lebensweltbegriff einführt.

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  14. Immer wieder spricht Habermas in Anlehnung an Mead von der Entfesselung oder „Entbindung“ des der Sprache innewohnenden Rationalitätspotentials (bes. ebd., S. 132–147): „Wir haben ferner gesehen, warum die der Sprache innewohnende Rationalität empirisch in dem Maße wirksam werden kann, wie die kommunikativen Akte die Steuerung sozialer Interaktionen übernehmen und Funktionen der gesellschaftlichen Reproduktion, der Erhaltung sozialer Lebenswelten erfüllen. Das Rationalisierungspotential verständigungsorientierten Handelns kann in dem Maße entbunden und in die Rationalisierung der Lebenswelten sozialer Gruppen umgesetzt werden, wie die Sprache Funktionen der Verständigung, der Handlungskoordinierung und der Vergesellschaftung von Individuen erfüllt und dadurch zu einem Medium wird, über das sich kulturelle Reproduktion, soziale Integration und Sozialisation vollziehen.“ (Habermas 1981 II, S. 132)

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  15. So z. B. in der folgenden Passage, die fast programmatisch am Ende der beiden Bände steht: „Nun läßt die Theorie der Moderne, die ich in sehr groben Umrissen skizziert habe, immerhin folgendes erkennen: In modernen Gesellschaften erweitern sich die Kontingenzspielräume für die aus normativen Kontexten entbundenen Interaktionen so weit, daß der Eigensinn kommunikativen Handelns sowohl in den entinstitutionalisierten Verkehrsformen der familialen Privatsphäre wie in der durch Massenmedien geprägten Öffentlichkeit ‚praktisch wahr wird‘“ (Habermas 1981 II, S. 593).

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  16. Habermas weist zwar an verschiedenen Stellen darauf hin, daß die Rationalisierung der Lebenswelt dem Individuum zunehmend Leistungen aufbürdet, die ehemals unbefragte Traditionen, Weltbilder oder sakral-religiöse Zusammenhänge leisteten. Allerdings mißt er diesen Konfliktpotentialen, die sich im Zusammenhang einer Lebensweltrationalisierung ergeben, keine grundlegende Bedeutung bei (vgl. Habermas 1981 II, S. 219ff.).

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  17. Die Theorie der „Kolonialisierung der Lebenswelt“, die bei Habermas die Stelle der Marxschen Werttheorie oder der Theorie der Verdinglichung einnimmt, kann hier nicht hinreichend dargestellt und befragt werden. Die Entstehung zweckrationaler politischer und ökonomischer Subsysteme, deren Ausdifferenzierung und auch Abkopplung von Lebensweltzusammenhängen verdankt sich nach Habermas selbst einer Rationalisierung der Lebenswelt, worin sich die Ausdifferenzierung eines spezifischen, zweckrational-instrumentellen Vernunftpotentials niederschlägt. Nicht die Herausbildung formal organisierter, zweckrationaler Subsysteme, die effektiv Probleme der Systemintegration und -Steuerung übernehmen, stellt nach Habermas das Problem dar, sondern die Tendenz, Reproduktionsvorgänge, die „notwendigerweise“ kommunikative Prozesse voraussetzen, auf Systemsteuerungsmechanismen umzustellen. Nicht die „Me-diatisierung der Lebenswelt“ stellt die Pathologie der Moderne dar, sondern deren spezifische Ausprägung als „Kolonialisierung“: „Die Deformationen, für die sich Marx, Durkheim und Weber je auf ihre Weise interessiert haben, sollen weder auf Rationalisierung der Lebenswelt überhaupt, noch aufwachsende Systemkomplexität als solche zurückgeführt werden. Weder die Säkularisierung der Weltbilder noch die strukturelle Differenzierung der Gesellschaft haben per sé unvermeidliche pathologische Nebenwirkungen. (...) Nicht die Entkopplung der mediengesteuerten Subsysteme, und ihrer Organisationsformen, von der Lebenswelt führt zu einseitiger Rationalisierung oder Verdinglichung der kommunikativen Alltagspraxis, sondern erst das Eindringen von Formen ökonomischer und administrativer Rationalität in Handlungsbereiche, die sich der Umstellung auf die Medien Geld und Macht widersetzen, weil sie auf kulturelle Überlieferung, soziale Integration und Erziehung spezialisiert sind und auf Verständigung als Mechanismus der Handlungskoordinierung angewiesen bleiben.“ (Habermas 1981 II, S. 488)

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  18. Die Entwicklungstheorie Piagets kann hier nicht dargestellt werden. Vgl. hierzu die zusammenfassenden Darstellungen Piagets selbst, bes. Piaget/Inhelder 1966, Piaget 1970. Umfassende Darstellungen der Piagetschen Theorie finden sich bei Furth 1976, Ginsburg/Opper 1969, vor allem auch in den zahlreichen Beiträgen in Steiner (Hrsg.) 1978.

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  19. Auf die Problematik dieser Übertragung weisen Joas/Honneth 1980 und vor allem Freitag hin. So merkt Freitag an: „Alle drei hier aufgezeigten Probleme (Personifizierung der Gesellschaft, Übertragung der Stadien der Psychogenese auf die Deutung der Gattungsgeschichte und der sich daraus ableitende Fortschrittsglaube) führen jedoch zu Fehlinterpretationen des realen historischen Prozesses. Eine strukturelle Homologie zwischen Psychogenese und Gattungsgeschichte kann es schon deshalb nicht geben, weil Piaget in seinem Modell keine Regression, keine abweichenden Entwicklungen, keine Perversionen oder Pathologien zuläßt. In der Psychogenese setzt sich die Fähigkeit und der Wille des vernünftigen Überlebens durch. Auf die Gesellschaft übertragen, würde das bedeuten, daß sich auch im geschichtlichen Prozeß die gesellschaftlichen Strukturen nur verbessern, vervollkommnen, bereichern, durchrationalisieren und damit immer fähiger werden, die Überlebensprobleme zu bewältigen und die anfallenden Konflikte innerhalb der Gesellschaft und in der Auseinandersetzung mit der Umwelt zu lösen.“ (Freitag 1983, S. 570f.)

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  20. Dies gilt vor allem für Piagets frühe Arbeiten, besonders für seine Studie „Das moralische Urteil beim Kinde“ (Piaget 1923) und „Urteil und Denkprozeß des Kindes“ (Piaget 1924), wo er vor allem die Theorie des „Egozentrismus“ des kindlichen Denkens herausarbeitet. Besonders hinsichtlich der Herausbildung moralischer Urteilsfähigkeit hat Piaget auf die besondere Bedeutung der reziproken und symmetrischen Beziehungen Gleichaltriger hingewiesen, also auf Interaktionsprozesse, ein Gedanke, den vor allem Youniss in seinen Arbeiten wieder aufgreift (vgl. Youniss 1982 und 1984). Auf dieses „sozialpsychologische Moment“ weist Piaget selbst — wenn auch relativierend — hin: „Wir haben also für den Anfang versucht, unsere Beschreibung unter den Gesichtspunkt der Sozialpsychologie zu stellen.“ (Piaget 1924, S. 202) In diesem Sinne versuchen Fatke/Schweitzer 1983 gegen eine verkürzte Rezeption Piagets seine Bedeutung für Sozialisationstheorie und Pädagogik herauszuarbeiten, wobei sie allerdings das „sozialpsychologische“ Moment gegenüber der doch deutlichen Dominanz des Piaget der „genetischen Episte-mologie“ überbetonen (vgl. auch Freitag 1983).

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  21. Vgl. hierzu vor allem Piaget 1970, 1975, und 1968.

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  22. Hier kann auf den Aspekt, daß Habermas mit dieser rationalistischen „Lerntheorie“ der Gesellschaft das Marxsche Modell der gesellschaftlichen Entwicklung als Widerspruchsverhältnis von Produktivkräften und Produktionsverhältnissen revidiert und umformuliert, nicht eingegangen werden. So formuliert Habermas zugespitzt: „Rationalitätsstrukturen verkörpern sich nicht nur in den Verstärkern zweckrationalen Handelns, also in Technologien, Strategien, Organisationen und Qualifikationen, sondern auch in den Vermittlungen kommunikativen Handelns, in den Konfliktregelungsmechanismen, in den Weltbildern, in den Identitätsformationen. Ich möchte sogar die These vertreten, daß die Entwicklung dieser normativen Strukturen der Schrittmacher der sozialen Evolution ist, weil neue gesellschaftliche Organisationsprinzipien neue Formen der sozialen Integration bedeuten; und diese ermöglichen ihrerseits erst die Implementierungvorhandener oder die Erzeugung neuer Produktivkräfte sowie die Steigerung gesellschaftlicher Komplexität.“ (Habermas 1976a, S. 35, auch 1976b, S. 157ff.) Sowohl für die damit zusammenhängenden theoretischen Probleme von Arbeit und Interaktion, die Kritik des Basis-Überbau-Verhältnisses, die „Träger“ des gesellschaftlichen Emanzipationspotentials, aber auch die Werttheorie als wesentliche Auseinandersetzungen Habermasens mit Marx kann hier nur auf einschlägige Arbeiten verwiesen werden: Rohrmoser 1974, Hahn 1974, Ottomeyer 1976, Arnason 1980, Honneth 1980, Cerutti 1983, Brunkhorst 1983.

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  23. Vgl. zum Verständnis des Äquilibrationsprozesses Piaget 1975. Eine knappe gut verständliche Zusammenfassung vor allem der Bedeutung des Gleichgewichts findet sich in Piaget 1964, S. 229ff. Vgl. zum Äquilibrationsmodell und grundlegenden Entwicklungstätigkeiten und -funktio-nen auch die Arbeiten von Seiler 1978 und Mischel 1978.

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  24. Mir scheint allerdings diese Tendenz bei Habermas selbst keineswegs eindeutig zu seinn, denn immer wieder verweist er auf die Priorität kommunikativer Verständigung, die letztlich nicht nach dem Modell kybernetischer Selbstregulierung zu fassen ist. Allerdings öffnet er dem Modell sich selbst regulierender kybernetischer Systeme zwei Pforten, durch die er ihnen Einlaß in sein Theoriegebäude gewährt, wenn er auch ihr Terrain zu begrenzen versucht: Zum einen mit der deutlichen Trennung des zweckrationalen von kommunikativen Handeln, wobei für den Bereich der Zweckrationalität das Modell kybernetischer Systemsteuerung und -regulierung übernommen wird. Dies wird aber zu einem relevanten Aspekt im Konzept „gesellschaftlichen Lernens“. Zum zweiten mit dem Bezug auf die Piagetsche Entwicklungslogik und das am Modell kybernetischer Selbstregulierung gewonnene Konzept des Äquilibrationsprozesses. Indem dieses die (zumindest zum Teil) implizite Folie des gesellschaftlichen Lernens bildet, gewinnt es unter der Hand entscheidende Bedeutung. Daß Habermas allerdings mit diesem Aspekt der Piagetschen Theorie selbst Probleme hat, zeigt sich in einer späteren Arbeit (vgl. Habermas 1983c, S. 42ff.).

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  25. Habermas bezieht sich hier auf Elkinds Konzept des Egozentrismus im Jugendalter (vgl. Elkind 1967). Dieser geht davon aus, daß sich als Folgeerscheinung des kindlichen Egozentrismus beim dezentrierten Jugendlichen eine spezifische Form des Egozentrisms ergibt, die im Laufe der Adoleszenz jedoch überwunden wird. Vgl. dazu auch Piaget, der davon ausgeht, daß sich der Egozentrismus auf jeder Stufe erneuert und auch abbaut (vgl. Piaget 1948, S. 63f.).

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  26. Diesen Bezug auf die Philosophie der Aufklärung und deren Vernunftkonzepte, vor allem auch auf Kants Theorie des Erkenntnis-Apriori stellt Piaget selbst her (vgl. Piaget 1965 und 1959, S. 13f. und 379ff.). Dabei weist er darauf hin, daß er die Konzepte und Fragestellungen der Philosophie auf wissenschaftlich-empirische Füße stellt. Auf den Zusammenhang der Philosophie der Aufklärung und dem Piagetschen Denken weist auch Wetzel in seiner informativen Arbeit hin: „Den Theoriensystemen der Aufklärung und Piagets ist gemeinsam, daß in ihnen die — letztlich ‚naturgegebene‘ bzw. sich unter ‚natürlichen‘, zwangsfreien Bedingungen entwickelnde — menschliche ‚raison‘ als Hauptinstrument der Befreiung von allen den Menschen beherrschenden psychischen und sozialen Zwängen, als Motor der Erweiterung des menschlichen Handlungsraums und der ‚vernünftigeren‘ Ordnung seiner Umwelt sowie schließlich als Grundmechanismus und Hauptursprung allen — technischen, geistigen und sozialen — Fortschritts angesehen wird. Beide Theoriensysteme betonen schließlich auch den spontanen, schöpferischen, aktiven, beweglichen, offenen und autonomen, gestalterischen, Ordnung schaffenden, nach einem Zuwachs an Erkenntnissen sowie nach der geistigen und konkreten Eroberung und Veränderung des Universums einschließlich der Verbesserung der Gesellschaft strebenden Charakters der menschlichen ‚raison‘.“ (Wetzel 1978, S. 54) Vgl. zum Verhältnis von Kant und Piaget auch die kritische Analyse von Müller 1977, S. 173ff.; zum Verhältnis von Piaget und Hegel besonders Kesselring 1981.

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  27. Dieses „Selbstverständnis“ formuliert Habermas implizit im Hinweis auf die sinnvolle Kooperation von Philosophen mit Einzelwissenschaften als „Zuarbeiter für eine Theorie der Rationalität“: „Sie arbeiten vielmehr in dem fallibilistischen Bewußtsein, daß sich, was sich die Philosophie einst im Alleingang zugetraut hatte, nurmehr von der glücklichen Kohärenz verschiedener theoretischer Fragmente erhoffen läßt.“ (Habermas 1983c, S. 23) Eben unter der Perspektive der Erzielung jener „glücklicher Kohärenz“ im Durchgang durch verschiedene „theoretsiche Fragmente“ ist Habermasens Versuch einer „Theorie des kommunikativen Handelns“ zu verstehen, im Bestreben, einen umfassenden Rationalitätsbegriff zu retten.

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  28. Diese Bestimmungen sollen hier noch einmal in ihren wesentlichen Komponenten in Erinnerung gerufen werden: „In Diskursen hingegen sind nur sprachliche Äußerungen thematisch zugelassen; die Handlungen und Expressionen der Beteiligten begleiten zwar den Diskurs, aber sie sind nicht dessen Bestandteil.“ (Habermas 1971, S. 115) Diese „sprachliche Reinigung“ des Handelns wird von weiteren kontrafaktischen Unterstellungen begleitet: „a) Wir erwarten, daß handelnde Subjekte allen Normen, denen sie folgen, intentional folgen. Wir sind also unfähig, in der Interaktion selber dem Gegenüber unbewußte Motive zuzuschreiben.(...) Die Intentionali-tätserwartung schließt außerdem die Annahme ein, daß alle extraverbalen Äußerungen erforderlichenfalls durch sprachliche Äußerungen substituiert werden können, b) Wir erwarten, daß handelnde Subjekte nur Normen folgen, die ihnen gerechtfertigt erscheinen. Wir sind also unfähig, in der Interaktion selber dem Gegenüber eine Befolgung von Normen zuzuschreiben, die er, wenn er ihnen wirklich folgt, nicht auch anerkennen würde.“ (ebd., S. 118f.) Dem Modell „reinen kommunikativen Handelns“ zufolge „unterstellen wir, kontrafaktisch, daß alle Handlungsmotive sprachlich, also innerhalb der Struktur möglicher Rede, organisiert sind. Wir lassen kein Motiv zu, das die Subjekte nicht nötigenfalls selbst zu ihrer Rechtfertigung mitteilen könnten: die Motive decken sich mit Intentionen, die ausgesprochen, zur Diskussion gestellt und durch die Angabe von Gründen gerechtfertigt werden können.“ (ebd., S. 128) Und bezüglich der damit zusammenhängenden „idealen Sprechsituation“: „Die ideale Sprechsituation schließt systematische Verzerrung der Kommunikation aus.“ (ebd., S. 137) Und: „Wir müssen zusätzlich annehmen, daß die Sprecher weder sich noch andere über ihre Intentionen täuschen dürfen.“ (ebd., S. 138)

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  29. Habermas unterscheidet Handlungen von “Körperbewegungen“ und „Operationen“, die selbst zwar Handlungselemente sind, aber keine eigenständigen Handlungen: „Handlungen nenne ich nur solche symbolischen Äußerungen, mit denen der Aktor ... einen Bezug zu mindestens einer Welt (aber stets auch zur objektiven Welt) aufnimmt.“ (Habermas 1981 II, S. 144)

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  30. Der „explikative Diskurs“, als eine „Form der Argumentationen, in der die Verständlichkeit, Wohlgeformtheit der Regelrichtigkeit von symbolischen Ausdrücken“ (vgl. Habermas 1981 I, S. 44) selbst zum Gegenstand wird, der sich also unmittelbar auf die Sprache selbst bezieht, wurde hier nicht berücksichtigt.

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  31. Dies verweist natürlich auf die in der Piaget-Tradition stehende Konzeption der Moralstufen bei Kohlberg in ihrer postkonventionellen Gestalt. Dabei ist das Modell das nicht mehr aufgrund spezifischer Normen gefällte moralische Urteil, sondern die Möglichkeit aufgrund formaler Prozeduren (praktische Diskurs) jede normative Situation daraufhin zu überprüfen, inwieweit sie von allen Betroffenen zwanglos akzeptiert werden kann. In diesem Sinne parallelisiert Habermas den diskursethischen Ansatz und Kohlbergs postkonventionelle Stadien (vgl. Habermas 1983a, S. 130ff.). Zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Kohlbergschen und Habermas-schen Formalismus und Kognitivismus vgl. Bilden 1977.

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  32. In diesem Sinne scheint die spezifische Subjektivität letztlich nur in ihrer sozial gebilligten Form rational zu sein: „Aktoren verhalten sich rational, solange sie Prädikate wie würzig, anziehend, fremdartig, schrecklich, ekelhaft usw. so verwenden, daß andere Angehörige ihrer Lebenswelt unter diesen Beschreibungen ihre eigenen Reaktionen auf ähnliche Situationen wiedererkennen würden. Wenn sie hingegen Wertstandards so eigenwillig verwenden, daß sie auf ein kulturell eingespieltes Verständnis nicht mehr rechnen können, verhalten sie sich idiosynkratisch. (...) Das Spektrum solcher Äußerungen reicht von harmlosen Ticks wie die Vorliebe für den Geruch fauliger Äpfel bis zu den klinisch auffälligen Symptomen, z. B. der entsetzten Reaktion auf offene Plätze. Wer seine libidinösen Reaktionen auf verfaulte Äpfel mit dem Hinweis auf den ‚betörenden‘, ‚abgründigen‘, ‚schwindelerregenden‘ Geruch, wer die panische Reaktion auf offene Plätze mit deren ‚lähmender‘, ‚soghafter‘, ‚bleierner‘ Leere erklärt, wird in den Alltags-kontexten der meisten Kulturen kaum auf Verständnis stoßen. (...) Diese Grenzfälle bestätigen nur, daß auch die Parteinahmen und Sensibilitäten von Wünschen und Gefühlen, die in Werturteilen ausgedrückt werden können, in einer internen Beziehung zu Gründen und Argumenten stehen.“ (Habermas 1981 I, S. 37, vgl. hierzu auch die kritischen Anmerkungen bei Hesse 1985 und 1986)

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  33. Vgl. E. Goffman 1959 und 1963.

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  34. Es soll hier nur darauf aufmerksam gemacht werden, daß es sinnvoll sein könnte, Habermasens Zentralperspektive der Rationalisierung einmal mit dem „bösen Blick“ Foucaults zu lesen, was in dieser Arbeit nicht leistbar ist. Es scheint Hinweise zu geben, daß im umfassenden Vernunft-Diskurs des Habermasschen Theoriengebäudes in bezug auf das „Andere der Vernunft“ jene Disziplinierungstechniken eine Rolle zu spielen scheinen, die Foucault am Beispiel des Umgangs mit Pest und Lepra als Ausgrenzung und Eingrenzung gefaßt hat (vgl. Foucault 1975). Wichtige Hinweise für diesen ein- und ausgrenzenden Zugang mit dem „Anderen der Vernunft“ in der Habermasschen Theorierezeption finden sich bei Kimmerle 1986, S. 102ff.

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  35. Vgl. hierzu vor allem Habermas 1968a, 1972a, bes. S. 206f., 1974a, S. 85f., Döbert/Habermas/Nunner-Winkler 1977, bes. S. 17f.

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  36. Dieser Bezug auf die Psychoanalyse wird vor allem in zwei Arbeiten von Habermas in den Mittelpunkt gerückt: In „Erkenntnis und Interesse“ (Habermas 1968c) und in „Der Universalitätsanspruch der Hermeneutik“ (Habermas 1970).

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  37. Stehen anfänglich beide Ansätze weitgehend unverbunden nebeneinander, so behauptet Habermas zunehmend die Konvergenz zwischen dem Konzept der Entwicklungslogik, dem symbolisch-interaktionistischen Konzept der Ich-Identität und der Freudschen Position der Reifungskrise (vgl. Döbert/Habermas/Nunner-Winkler 1977), S. 12). Nun sind aber neben der Herausarbeitung von Analogien und Gemeinsamkeiten im Denken Piagets und Freuds vor allem auch wesentliche Unterschiede herausgearbeitet worden (vgl. Cobliner 1967, Haynal 1975, Peters 1978, Decarie/Solomon 1978). Wenn es vor allem auch zwischen dem frühen Piaget und Freud Berührungspunkte gibt, darf nicht aus dem Auge verloren werden, daß die Zentralperspektiven der beiden Theoriegebäude grundlegende Unterschiede aufweisen. Kann diese für Piaget darin gesehen werden, daß sich in der aktiven Auseinandersetzung mit der Umwelt die vorgegebenen logischen, mathematischen und physikalischen Strukturen entsprechend kybernetischer Selbstregulierungsmechanismen entfalten, so muß diese für Freud in der vielfältigen Krisenhaftigkeit gesehen werden, die das Kind erlebt, wenn es seine sinnlich-sexuellen Wünsche an die kulturellen Anforderungen ankoppeln muß, wobei er vor allem die daraus resultierenden unbewußten Dynamiken in den Vordergrund rückt. Diese Diskrepanzen zeigen sich vor allem auch in einer unterschiedlichen Einschätzung affektiv-emotionaler Komponenten für die Subjektivierung: Während die affektive Komponente für Piaget in Analogie zur kognitiven Entwicklung begriffen wird (vgl. Piaget/Inhelder 1966, S. 85ff., vgl. auch Decarie/Solomon 1978), erscheint sie bei Freud als zentrale Dimension der psychischen Entwicklung mit weitreichenden Auswirkungen auf die gesamte Psyche. Deutlich wird diese Diskrepanz auch in der Zurückweisung der Theorie des Über-Ichs und der zentralen Bedeutung des Schuldgefühls für die moralische Entwicklung durch Kohlberg (vgl. Colby/Kohlberg 1978, S. 348ff.). Insgesamt kann damit gefolgert werden, daß besonders hinsichtlich der unterschiedlichen Zentralperspektiven eine Assimilierung der Theorien aneinander nur um den Preis der Aufgabe einer der zentralen Perspektiven möglich ist.

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  38. So formuliert Habermas: „Auf dem Wege der Identifikation und der Vorbildverinnerlichung (der Internalisierung der Erwartungen des Vorbildes) werden die Bedürfnisse interpretiert. Der Wunsch, zu haben, nämlich das jeweilige Triebobjekt zu besitzen und zu genießen, wird durch den kulturellen Wunsch, zu sein wie ein Vorbild, so vermittelt, daß Bedürfnisbefriedigung an die kulturelle Bedingung der Erfüllung anerkannter Normen gekoppelt werden kann. Dadurch werden die zunächst vorsprachlichen Bedürfnisse in intersubjektiv geltende Verhaltenserwartungen umgeformt. Diese nennt Parsons ‚kulturelle Werte‘“ (Habermas 1972a, S. 206).

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  39. Vgl. zu diesen Entwicklungen der Psychoanalyserezeption bei Habermas besonders die Arbeiten von Bonss 1982 (S. 406ff.), Christoph 1985 und Kimmerle 1986.

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  40. Dies wird besonders deutlich in der „Theorie des kommunikativen Handelns“ (Habermas 1981 I und II) und der daran anschließenden Arbeit „Moralbewußtsein und kommunikatives Handeln“ (Habermas 1983a). Wenn Freud und die Psychoanalyse auch noch als Bezugspunkt angeführt werden, so kommt der Theorie des Unbewußten bei Freud und dem zentralen Gedanken der Widersprüchlichkeit von Wünschen und kulturellem Prozeß kein systematischer Stellenwert mehr zu.

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  41. Vgl. zur Theorie der Abwehrmechanismen etwa Anna Freud 1936, Kernberg 1978.

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  42. Vgl. hierzu auch Ottomeyers Kritik an Habermas bezüglich der Ausblendung der Sinnlichkeit als „Rückfall hinter Feuerbach“ (Ottomeyer 1976). Vgl. auch dazu Brüggemann 1977, Badura 1974 und Nichols 1974.

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  43. Dies betrifft das Verhältnis von „Selbstreflexion“ als dem psychoanalytischen Prozeß entlehntes Prinzip und der „rationalen Nachkonstruktion“, die Habermas, mit der zunehmenden Orientierung an entwicklungslogischen Kompetenztheorien, in seinem 1973 geschriebenen Nachwort zu „Erkenntnis und Interesse“ einführt. Dabei wird die „rationale Nachkonstruktion“ zur Grundlage erklärt, während die Selbstreflexion auf einen Kritiktypus zusammenschrumpft, der sich lediglich auf partikulare Bildungsprozesse bezieht und die Selbsttäuschung eines einzelnen Subjekts unter restringierten oder verzerrten Kommunikationsfähigkeiten zum Gegenstand hat. Demgegenüber richtet sich die „Nachkonstruktion“ auf die universalistischen Bedingungen des Subjekts überhaupt, auf „die Bedingungen der Möglichkeit von Kompetenzen des erkennenden, sprechenden und handelnden Subjekts überhaupt“ (Habermas 1973b, S. 411). In der „Nachkonstruktion“ geht es somit um die quasi überindividuellen Regelsysteme, die die Bedingungen des kompetent-rationalen Subjekts angeben, also darum, universale Kompetenzstufen von Reflexions- und Kommunikationsmöglichkeiten zu bestimmen, während der „Selbstreflexion“ die Aufgabe zukommt, die Blockierung dieser Kompetenzen aufgrund systematisch verzerrter Kommunikation zu analysieren. Bonss hält beide Sichtweisen für miteinander vereinbar, wenn er auch, mit kritischen Untertönen gegenüber einer Ablösung des „Primats der Kritik“ (Bonss 1982, S. 414) und der Feststellung, daß der „Kompetenzbreite“ eine darin nicht aufgehende „Blockierungslogik“ entspricht, festhält: „Um diese Blockierungen bewußt und damit bearbeitbar zu machen, bedarf es notwendig der Selbstreflexion und hier liegt auch das Kernstück einer kritischen Gesellschaftstheorie — kann diese ihren eigenen Kritikanspruch doch letztlich nur dann wahren, wenn sie sich nicht in den Nachkonstruktionen erschöpft, sondern die Psychoanalyse in dem Sinne Bezugspunkt bleibt, daß der Primat der Kritik als ein solcher der Selbstreflexion reformuliert wird.“ (ebd., S. 415) Demgegenüber sieht Christoph die Prinzipien, die für die „rationale Nachkonstruktion“ zentral sind, also: Kognitivismus, Ausgrenzung des motivationalen Bereichs, insofern er nur unter der Perspektive von Reflexivität einholbar ist, zugleich Abstraktion von konkret-praktischen und nicht kognitiven Antriebspotentialen, auch als wesentliche Charakteristika des Habermasschen Selbstreflexionskonzeptes. Auch indem die Selbstreflexion im Rahmen des dominierenden Nachkonstruktionskonzpets das Irrationale, allzu Subjektive, „Un-bewußte“ auflösen und ins Rationale einführen soll, findet gerade auch mit dem Selbstreflexionskonzept eine kognitiv-vernünftige „Reinigung“ der Psychoanalyse statt (vgl. Christoph 1985). Der Versuch, das „szientistische Selbstmißverständnis“ der Psychoanalyse aufzulösen, verstärkt gerade das „cartesianische Selbstmißverständnis der Psychoanalyse“ (Kimmerle 1986, S. 122).

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  44. Hier konnte sich Habermas auf die frühen Arbeiten Lorenzers stützen, die tatsächlich das Mißverständnis einer sprachlichen Auflösung des „Unbewußten“ nahelegten (vgl. Lorenzer 1970 a und b), eine Interpretation seiner Schriften, von der sich Lorenzer allerdings nachträglich distanzierte.

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  45. Vgl. zur Widersprüchlichkeit bei Adorno, der letztlich nie die Vorstellung des ödipal-bürgerlichen Charakters aufgab, den Beitrag von Benjamin 1982. Damit hat die grundlegende Kritik Bildens am rationalistischen Menschenbild bei Habermas auch nach den Arbeiten der achtziger Jahre immer noch ihre Berechtigung (vgl. Bilden 1977, S. 206ff.)

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  46. Diese Ebenendifferenzierung erinnert — auch wenn unterschiedliche theoretische Bezüge vorhanden sind — an das Dreiebenenkonzept von Holzkamp (vgl. Holzkamp 1973) oder an die Ebenendifferenzierung bei Ottomeyer (vgl. Ottomeyer 1977).

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  47. Schon in vorhergehenden sozialisationstheoretischen Arbeiten zielte Habermas darauf ab, Beziehungen zwischen verschiedenen Dimensionen der psychischen Entwicklung und deren Stufenfolge herzustellen und besonders die Stufen des moralischen Urteils in handlungstheoretischen Ansätzen zu begründen (vgl. Habermas 1974a, S. 74ff.) Allerdings bleiben die Versuche hier auf einem vorläufigen Stand: „Ein Blick auf die soeben erläuterten Spalten (vgl. ebd., S. 83, W. H.) zeigt, daß sich die Rollenqualifikationen unter den formalen Gesichtspunkten a) der Reflexivität, b) der Abstraktion und Differenzierung und c) der Generalisierung in eine gewisse Hierarchie bringen lassen. Das begründet zunächst die Vermutung, daß eine tieferdringende Analyse ein im Sinne Piagets entwicklungslogisches Muster identifizieren könnte. Bei dieser Vermutung muß ich es an dieser Stelle bewenden lassen. Wenn sie zutrifft, müßte das Gleiche auch für die Stufen des moralischen Bewußtseins gelten, sofern sich diese aus den Niveaus der Rollenkompetenz ableiten lassen“ (Habermas 1974a, S. 82). Vgl. zur Problematik und weiteren Begründungsversuchen auch Habermas 1975.

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  48. Vgl. zum Versuch einer Begründung der Diskursethik Habermas 1983d.

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  49. Dazu Habermas: „Diese ist es, von der wir einen Beitrag zu vertikalen Rekonstruktion der Stufen des moralischen Urteils erwarten dürfen; denn sie bezieht sich auf Strukturen einer sprachlich vermittelten, normengeleiteten Interaktion, in den zusammengefügt ist, was die Psychologie unter Gesichtspunkten der Perspektivenübernahme, des moralischen Urteils und des Handelns analytisch trennt.“ (Habermas 1983d, S. 141)

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  50. Auf die Arbeiten Selmans kann hier nur kurz eingegangen werden (vgl. zusammenfassend Selman 1980). In Anknüpfung an Meads Konzept der Rollenübernahme, vor allem der Herausbildung des „generalizid other“ (vgl. auch Habermas II, S. 53ff.) und Piagets Theorie kognitiver Entwicklung versucht er, die der Interaktion zugrundeliegenden Perspektiven der Handelnden in einer Stufenfolge zu fassen (vgl. Selman/Byrne 1974). Dabei mißt er der Entwicklung der Sozialperspektiven eine zentrale Bedeutung für die Fähigkeit zu interagieren, zu „überzeugen“, aber auch für das Verständnis der Gefühle und Meinungen anderer und der Herausbildung der Moralität zu, wobei er besonders auch die Bedeutung der kognitiven Möglichkeiten zur Perspektivenübernahme für den Bereich psychisch-affektiver Probleme, die pädagogische und therapeutische Praxis behauptet (vgl. Selman 1976, zur Bedeutung der kognitiven Möglichkeiten zur Perspektivenübernahme auch Geulen 1982). Die letztlich allerdings kognitivistische Begrenzung des Ansatzes ließe sich gerade anhand der aufgeführten therapeutischen Fälle verdeutlichen, muß hier jedoch unterbleiben. In den letzten Jahren scheint Selman die eindeutig entwicklungslogisch-kompetenztheoretische Orientierung seines Ansatzes zu lockern, indem er darauf hinweist, daß die Herausarbeitung kognitiver Kompetenzniveaus für das Handeln und die „Handlungsniveaus“ nicht ausreicht. Dabei bezieht er sich auf den „orthogenetischen Ansatz“, der die Entwicklungskompexität besser fassen und vor allem auch den kontextuellen Einfluß berücksichtigen soll (vgl. Selman 1984).

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  51. „Ein wesentlicher Fortschritt auf Stufe 2 ist die Fähigkeit, das eigene Verhalten und die eigene Motivation von außerhalb, vom Standpunkt eines anderen zu reflektieren. Außerdem erkennt das Kind, daß der andere sich ebensogut an die Stelle des Kindes versetzen kann, so daß es nun imstande ist, die Reaktionen des anderen auf seine eigenen Motive und Absichten zu antizipieren. Freilich kommen diese Reflexionen nicht gleichzeitig bzw. wechselseitig vor, sondern nur nacheinander. Daher kann sich das Kind auch nicht außerhalb der Zwei-Personen-Situation stellen und sie aus der Perspektive einer dritten Person betrachten.“ (Selman 1976, S. 234)

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  52. In dieser Argumentation ist ungeklärt, wieso die präkonventionellen Interaktionstypen die Handlungskoordinierung nicht mehr gewährleisten können. Zudem ist genauso unklar, wieso es zuerst zu einer Umstellung auf strategisches Handeln kommen soll und der Ausgangspunkt nicht auch kooperatives Handeln zwischen Gleichaltrigen sein kann. Insgesamt verweist die Argumentation auf eine komplexe Einbettung in konkrete Interaktionsverhältnisse mit Erwachsenen und Gleichaltrigen, in denen sich die Bedingungen der Veränderung von Interaktionsstufen in den Interaktionen selbst entwickeln. Genau diese konkreten sozialisatorischen Interaktionsverhältnisses bleiben aber außer acht.

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  53. Vgl. dazu auch die Hinweise in Edelstein/Habermas 1984, wo ein zunehmendes Abrücken von der deutlichen Dominanz von Stufenkonzepten und -beschreibungen zugunsten einer stärkeren Orientierung an sozialer Interaktion konstatiert wird (vgl. ebd., S. IXff.).

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  54. Vgl. etwa Fromm 1936, Horkheimer 1936, Institut für Sozialforschung 1956, S. 116ff.

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  55. Besonders Thomas Ziehe (Ziehe 1975) weist auf die Veränderungen der familialen Sozialisation hin. Darauf wird noch einzugehen sein (vgl. Kap. 4.2.).

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  56. Diese Habermassche Argumentation ist keineswegs neu. Wie schon verdeutlicht wurde, daß der Entwurf einer Theorie kommunikativen Handelns und „kommunikativer Rationalität“ schon in „Technik und Wissenschaft als ‚Ideologie‘“als Entwurf angelegt ist, so sieht Habermas auch dort schon als Träger jenes „Entwurfes“ den Schüler- und Studentenprotest, der in anders strukturierten familialen Sozialisationsbedingungen wurzelt: „Nicht um einen höheren Anteil an sozialen Entschädigungen der verfügbaren Kategorien: Einkommen und arbeitsfreie Zeit, kämpfen Studenten und Schüler. Ihr Protest richtet sich vielmehr gegen die Kategorie der Entschädigung’ selber. Die wenigen Daten, die vorliegen, bestätigen die Vermutung, daß sich der Protest der Jugendlichen aus bürgerlichen Elternhäusern mit dem Muster des seit Generationen üblichen bürgerlichen Autoritätskonfliktes nicht mehr deckt. Die aktiven Studenten haben eher Eltern, die ihre kritischen Einstellungen teilen; sie sind relativ oft mit mehr psychologischem Verständnis und nach liberalen Erziehungsgrundsätzen aufgewachsen, als die nicht aktiven Vergleichsgruppen. Ihre Sozialisation scheint sich eher in den von unmittelbaren ökonomischen Zwang freigesetzen Subkulturen vollzogen zu haben, in denen die Überlieferung der bürgerlichen Moral und die kleinbürgerlichen Ableitungen ihre Funktion verloren haben, so daß das Training für das ‚Umschalten‘ auf Wertorientierungen des zweckrationalen Handelns dessen Fetischisie-rung nicht mehr einschließt.“ (Habermas 1968b, S. 102). In den mit dem Protest einhergehenden grundlegenden Infragestellungen gesellschaftlicher Prinzipien sieht Habermas ein Potential, daß die verdeckte Legitimationskrise aufbrechen lassen könnte: „Auf lange Sicht könnte deshalb der Studenten- und Schülerprotest diese brüchig werdende Leistungsideologie dauerhaft zerstören und damit die ohnehin fragile, allein durch Entpolitisierung abgedeckte Legitimationsgrundlage des Spätkapitalismus zum Einsturz bringen.“ (ebd., S. 103) Diese Perspektive entwickelt Habermas schließlich in „Legitimationsprobleme im Spätkapitalismus“ (vgl. Habermas 1973a) weiter (vgl. zur Kritik der Begründung der Legitimationskrise z. B. Bilden 1977). Habermas differenziert schließlich die Ableitung des jugendlichen Protestpotentials aus den veränderten familialen Verhältnissen. So unterscheidet er eine eher progressive Form, die deutlich als der „dezentriert“-kompetente Jugendliche zu sehen ist von einer regressiven Form, die eher durch Kompetenzdefizite gekennzeichnet ist, in Anlehnung an die These von der „befreiten“ und der These von der „vaterlosen Generation“: Während die familiale Sozialisation der „befreiten Generation“ der obigen Kennzeichnung entspricht, nimmt Habermas für die „kulturell Entfremdeten“ (Keniston) eine andere Form an: „Die Wertorientierungen der Eltern sind ebenfalls liberaler als bei den Vergleichsgruppen, drücken aber Unentschiedenheit angesichts eines verselbständigten Pluralismus unvereinbarer Werte aus. In gleicher Richtung verschieben sich die Erziehungstechniken, die zwar permissiv sind, aber Momente der Vernachlässigung enthalten und die für ein Autonomietraining unerläßlichen Einstellungen nicht einschließen. Die Balance in der Elternbeziehung ist soweit gestört, daß bei Koalitionsbildungen zwischen Kindern und einem Elternteil die Mutter bevorzugt ist; sie kann eine betont fürsorgliche Kontrolle übernehmen. Das Identifikationsmodell des Vaters bleibt unscharf, die Internalisierung von Vorbildern und Normen ist eher schwach, und die Ausbildung von Über-Ich-Strukturen wird gehemmt. Trotz des Scheins von Liberalität fördert ein solches Erziehungsmuster nicht die Autonomie der Ich-Organisation. Anstelle der neuen Sensibilität tritt vielmehr eine neue Insensibilität, die sich gerade in der Unfähigkeit ausdrückt, von den Intentionenen des anderen her zu handeln. Ein gewisser Narzißmus geht Hand in Hand mit der unbekümmerten Instrumentalisierung der empfindlichsten Zonen zwischenmenschlichen Umgangs und einer Verletzung kulturell tiefsitzender Tabuisierungen — wie etwa der der Integrität des menschlichen Leibes.“ (Habermas 1969, S. 36f.). Wenn es auch vielleicht zu weit geht vom Erschrecken des an diskursive Distanz gewöhnten Intellektuellen angesichts einer Entfesselung sinnlich-leiblicher (und vor allem auch sexueller) Interaktion zu sprechen, so wird doch deutlich, daß Habermas gegenüber den expressiv-sinnlichen Grenzüberschreitungen, Experimenten oder auch „Exzessen“ auf der Seite „tiefsitzender, kultureller Tabuisierungen“ bleibt. Zugleich verweisen diese Äußerungen Habermasens schon auf die im Anschluß an Ziehe 1975 geführte Diskussion um den „NST“, hier bei Habermas allerdings in einer Form, die die „Abweichungen“ vom „Normalmodell“ des ichstarken, kompetenten, sich selbst und vor allem die „Affekte“ kontrollierenden bürgerlichen Charakters als bloß pathologisch-defizitär erscheinen läßt.

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  57. Auf die Reformulierung der Begriffe „Verdinglichung“ und „Realabstraktion“ im Zusammenhang der Theorie der Kolonialisierung der Lebenswelt kann hier nur verwiesen werden (vgl. ebd., S. 548f.). Für die systematische Entfaltung einer Theorie des Alltagsbewußtseins sei hier auf die Arbeiten von Leithäuser verwiesen: vgl. vor allem Leithäuser 1976, Leithäuser u. a. 1977, Volmerg/Leithäuser 1983.

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  58. Als Testfall für eine Theorie der Rationalität hinsichtlich der gesellschaftlichen Evolution fordert Habermas: „wenn sich die opaken Gestalten des mythischen Denkens lichten, die bizarren Äußerungen fremder Kulturen aufklären, und zwar so aufklären ließen, daß wir nicht nur die Lernprozesse begriffen, die ‚uns‘ von ‚ihnen‘ trennen, sondern daß wir uns auch dessen innewürden, was wir im Zuge unserer Lernprozesse verlernt haben. Eine Gesellschaftstheorie, die diese Möglichkeiten des Verlernens nicht a priori ausschließen darf, muß sich auch gegen das Vorverständnis, das ihr aus der eigenen gesellschaftlichen Umgebung zuwächst, kritisch verhalten, also für Selbstkritik offen sein. Prozesse des Verlernens erschließen sich allein der Kritik an Verformungen, die in der selektiven Ausschöpfung eines einmal zugänglich gewesenen, aber verschütteten Rationalitäts- und Verständigungspotentiale begründet sind.“ (Habermas 1981II, S. 588f.). Wenn diese Forderung sich auf die gesellschaftliche Evolution bezieht — wobei sie nicht auf Rationalitätspotentiale einzugrenzen wäre, sondern auch auf gerade im Prozeß der Rationalisierung verloren gegangene Erfahrungspotentiale zu erweitern ist — so wäre das Gleiche auch für eine Theorie der Ontogenese zu fordern. Auch diese müßte offen dafür sein, was im Zusammenhang der Subjektivierung und Kompetenzentwicklung „verlassen“ werden muß, aufgegeben und verlernt wird.

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  59. In einer früheren Arbeit weist Keller darauf hin: „Es ist eine der Schwächen der bisherigen Arbeiten zur Entwicklung sozialkognitiver Prozesse, daß sie vorwiegend kognitivistisch orientiert waren und das Studium affektiver Reaktionen weitgehend vernachlässigt haben.“ (Keller 1980, S. 167) Wenn sie die stärkere Berücksichtigung der affektiven Kompetente auch fordert und in ihre theoretischen Überlegungen aufnimmt, so scheint diese jedoch — das bleibt kritisch anzumerken — in ihren empirischen Arbeiten keine entsprechende Berücksichtigung zu finden (vgl. Keller 1976 und 1984).

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  60. Darauf weisen Noam/Kegan in bezug auf das von ihnen konzipierte spiralenförmige Entwicklungsmodell des Verhältnisses Selbst-Andere deutlich hin: „Indem es aber beiden Strebungen gleichen Wert einräumt, bietet es zugleich ein Korrektiv zu allen vorhandenen Entwicklungstheorien, die Wachstum einseitig in Richtung Differenzierung, Trennung, zunehmende Autonomie bestimmen und außer acht lassen, daß der Anpassungsprozeß auch Integration, Bindung und Einbeziehung bedeutet.“ (Noam/Kegan 1982, S. 441). Vgl. demgegenüber etwa die Arbeiten von Blasi, der trotz der Orientierung am Konzept des Selbst als wesentlichem Bezugspunkt seiner Theorie sozialer Kognitionen weder die einseitige Gewichtung kognitiver Kompetenzen, noch die eindimensionale Betonung von Separation und progressiver Autonomisierung überwindet (vgl. Blasi 1982 und 1984).

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  61. Vgl. hierzu Habermas 1974a, S. 79f. und 1972a, S. 226f. Entsprechend diesen ontogenetischen Identitätsformationen konstruiert Habermas auch für die gesellschaftliche Evolution eine Abfolge gesellschaftlicher Identitätsstufen und des Verhältnisses von Gruppen- und personaler Identität (vgl. 1972a, S. 220ff.).

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  62. Das Verhältnis der verschiedenen Kompetenzen zueinander wie der einzelnen Kompetenzen zur Ich-Identität bleibt insgesamt eher unklar. So unterscheidet Habermas drei grundlegende Kompetenzen: die Sprach-, die kognitive und die Rollenkompetenz (Habermas 1972a, S. 195). Diese Kompetenzen bilden Voraussetzungen der Ich-Identität, wobei besonders das Verhältnis von Rollen- und kommunikativer Kompetenz nicht klar ist. Auch bleibt ungeklärt, ob die Ich-Identität sozusagen als Hyper-Kompetenz anzusehen ist, die sich aus allen partikularen Kompetenzen zusammensetzt und die Einheit und Handlungsfähigkeit der Person garantiert.

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  63. Vgl. zu den Grundqualifikationen der Ich-Identität Krappmann 1971. Dabei weist Krappmann darauf hin, daß die Grundqualifikationen der Erzeugung von Ich-Identität (Rollendistanz, Am-biguitätstoleranz, Empathie) zwar soziaHsatorisch erworben werden, daß Ich-Identität jedoch letztlich keine „Eigenschaft“ einer Person, also ein psychologischer Begriff sei, sondern in den Erfordernissen der Struktur von Interaktionsprozessen selbst verankert ist.

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  64. Diese Sichtweise wurde von mir an anderer Stelle unter den Stichworten der „Affirmation“ und des „Veraltens“ des Identitätskonzepts kritisiert (Helsper 1983a). Zu einer grundlegenden Kritik aus eher symbolisch-interaktionistischer Sicht vgl. de Levita 1965, Krappmann 1971. Aus psychoanalytisch-gesellschaftskritischer Perspektive vor allem Elrod u. a. 1978.

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  65. Vgl. hierzu Sohn-Rethel 1970, Müller 1977, zur Lippe 1975.

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  66. Diese Betonung der Kohärenz, Kontinuität, Integriertheit des Subjekts als wesentlichem Aspekt von Ich-Identität zieht sich durch zahlreiche subjekttheoretische Ansätze hindurch. Aus symbolisch-interaktionistischer Sicht etwa Goffman und Strauss: So ist für Goffman Ich-Identität eine subjektive und reflexive Angelegenheit, „das subjektive Empfinden seiner eigenen Situation und seiner eigenen Kontinuität und Eigenart.“ (Goffman 1963, S. 132) Strauss weist darauf hin, daß die Konstanz der Identität eher auf seiten des interpretierenden Beobachters seiner selbst, als im Verhalten und Handeln wurzelt: „Wenn vergangene Akte sich mehr oder weniger in irgendein Schema einzupassen, sich zum gegenwärtigen zusammenzufügen und zu ihm zu führen scheinen, dann ‚waren sie mein Ich, gehören zu mir, selbst wenn ich mich etwas verändert habe‘. Es ist, als ob man die Geschichte des eigenen Lebens, Epoche für Epoche, erzählte und einer jeden im Zeichen des Endprodukts einen Sinn gäbe. Das subjektive Gefühl der Kontinuität hängt nicht nur von der Anzahl oder dem Grad der Verhaltensänderung ab, sondern von dem begrifflichen Bezugsrahmen, innerhalb dessen sonst nicht übereinstimmende Ereignisse in Einklang gebracht und verknüpft werden können.“ (Strauss 1968, S. 158) Aus psychoanalytischer Sicht betont Erikson das Gefühl der Ganzheit: „Vor allem aber arbeitet das Ich ständig an der Aufrechterhaltung des Gefühls, daß wir (und das heißt: jeder von uns) im Fluß unserer Erfahrung im Zentrum stehen und nicht an irgendeiner Peripherie herumgeschleudert werden; daß die Handlungen, die wir planen, von uns ausgehen und wir nicht herumgestoßen werden; und schließlich, daß wir aktiv sind, andere aktivieren und uns von anderen aktivieren lassen, und uns durch schwierige Lagen nicht passiv oder untätig machen lassen. All dies zusammen macht den Unterschied zwischen einem Gefühl (und entsprechendem Handeln) der Ganzheit und der Fragmentiertheit aus.“ (Erikson 1974, S. 104). Ähnlich argumentieren auch Vertreter „neopsychoanalytischer Selbsttheorien“, die die psychoanalytische Diskussion (und nicht nur diese) der letzten Jahre beherrschen: So etwa Kohut in der Annahme „Kern-Selbst“. „Diese Struktur ist die Grundlage für unser Gefühl, daß wir ein unabhängiger Mittelpunkt von Antrieb und Wahrnehmung sind, ein Gefühl, das mit unseren zentralsten Strebungen und Idealen und unserer Erfahrung integriert ist, daß unser Körper und Geist eine Einheit im Raum und ein Kontinuum in der Zeit darstellen. Diese kohärente und bleibende psychische Konfiguration, gemeinsam mit einer damit verbundenen Gruppe von Begabungen und Fertigkeiten, die sie an sich zieht oder sich als Reaktion auf die Forderungen der Strebungen und Ideale des Kern-Selbst entwickeln, bilden den zentralen Sektor der Persönlichkeit.“ (Kohut 1977, S. 155) In ähnlicher Weise betont auch Rogers und die humanistische Psychologie Integriertheit und Kohärenz als wesentliche Momente der sich verwirklichenden und handlungsfähigen Person (vgl. Rogers 1961 und 1969, S. 268ff.). Zur zusammenfassenden Einschätzung und Kritik der Betonung der integrierten Person, von Kohärenz und Ich-Identität vgl. z. B. Wimmer 1979 und besonders Littmann 1980.

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  67. Dies gilt auch für Habermasens Reformulierung der Psychoanalyse auf der Basis der „Rationalen Nachkonstruktion“, in der diese zunehmend unter der Dominanz der Identitätsbildung und Wiederherstellung begriffen wird (vgl. Bonss 1982). Damit aber stellt Habermas die Psychoanalyse nicht nur unter der problematischen Perspektive einer Integrationstheorie dar, sondern bezieht ebenso eine historisch zunehmend fragwürde Persönlichkeitskonzeption ein. Kimmerle stellt dazu fest: „Ihre (der Psychoanalyse, W. H.) Bedeutung wird in allgemeingültigen Erinnerungskonstruktionen, die Ich-Identität als lebensgeschichtliches Kontinuum vorentwerfen, meta-hermeneutisch objektiviert. Folglich besteht die Aufgabe der therapeutischen Aufklärung darin, Erinnerungslücken auszufüllen, um, soweit dies möglich ist, die in Naturzwang und gesellschaftlicher Unterdrückung gebrochene Einheit eines umfassenden Lebenszusammenhangs wiederherzustellen. Habermas will nicht wahrhaben, daß das dabei zurgrundegelegte Ideal einer lebensgeschichtlich horizontierten Selbstverwirklichung bürgerliche Wunschvorstellungen aus längst vergangener Zeit konserviert. In der Kontinuität einer sich entwickelnden Lebensgeschichte ist weniger, wie Habermas wähnt, das Bühnenmodell eines Dramas angelegt, als vielmehr der Bildungsgang wieder aufgegriffen, den der bürgerliche Erziehungsroman vorgespiegelt hat. Einheitsdefinitionen und Ganzheitsutopien, die in den großen Romanen des beginnenden 20 Jahrhunderts unwiederbringlich abgetan schienen, kehren in der psychoanalytischen Erzählung als selbstverständlich vorausgesetzte Lebensnormierungen wieder.“ (Kimmerle 1986, S. 113f.)

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  68. Bezugspunkt ist hier oft die frühe Arbeit von Deutsch zur „Als-ob-Persönlichkeit“ (vgl. Deutsch 1934). Zur umfassenderen Charakterisierung der Borderline-Persönlichkeit als einer oftmals gesellschaftlich-funktionsfähigen, aber zutiefst fragmentierten Subjektformation vgl. Kernberg 1975, Masterson 1976; zusammenfassende Übersichten bieten Rohde-Dachser 1979 und Ammon 1979. Die Funktionalität derartiger Char akter struktur en in verdinglichten Alltagszusammenhängen arbeitet besonders Deutschmann heraus (vgl. Deutschmann 1977 und 1979).

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  69. Auf die Fassung eines antiödipal-nichtidentischen „Subjekts“, das nicht kohärent, aber auch nicht im Sinne der Borderline-Persönlichkeit gespalten ist, kann hier nicht eingegangen werden. Vgl. dazu Deleuze/Guattari 1972, Foucault 1977, Kamper 1981; kritisch zusammenfassend Frank 1984. Aspekte dieser Konzepte werden unter Abschn. 2.5. und 5. aufgegriffen.

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  70. Auf die Verschiebungen in dieser Anfangsphase der Psychoanalyse, besonders auf die Herausarbeitung der psychischen Mechanismen, der Konzeption des Unbwußten und der infantilen Sexualität kann hier nicht weiter eingegangen werden. Vgl. dazu z. B. Lorenzer 1973b, S. 18ff. und 1984a; Dahmer 1973, S. 29ff. bes. auch Erdheim 1982, S. 41ff.

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  71. Auf die Veränderungen der Freudschen Triebtheorie, wie auf die damit zusammenhängende Veränderung der Annahme grundlegender energetischer Prinzipien kann hier nicht näher eingegangen werden. Vgl. Freud 1915c, S. 83f., 1920, S. 264 und 272ff., 1923 S. 307ff.

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  72. Diese Sichtweise des Ich als „armes Ding“ wird von Freud zwar mehrfach relativiert, aber letztlich doch nicht aufgehoben, auch wenn Freud den Aspekt der „Ich-Stärkung“ in der analytischen Kur immer wieder hervorhebt. So relativiert er, um dann doch wieder zu bestätigen: „Das Ich beherrscht den Zugang zum Bewußtsein, wie den Übergang zur Handlung gegen die Außenwelt; in der Verdrängung bestätigt es seine Macht nach beiden Richtungen.“ (Freud 1926, S. 240) Dieser Position, die gegenüber der Schwäche des Ichs dessen Stärke betont, setzt er entgegen: „Hat der Akt der Verdrängung uns die Stärke des Ichs gezeigt, so legt er doch in einem auch Zeugnis ab für dessen Ohnmacht und für die Unbeeinflußbarkeit der einzelnen Triebregung des Es. Denn der Vorgang, der durch Verdrängung zum Symptom geworden ist, behauptet nun seine Existenz außerhalb der Ichorganisation und unabhängig von ihr.“ (Freud 1926, S. 242) Und zusammenfassend: „Die Scheidung des Ichs vom Es scheint gerechtfertigt, sie wird uns durch bestimmte Verhältnisse aufgedrängt. Aber andererseits ist das Ich mit dem Es identisch, nur ein besonders differenzierter Anteil desselben. Stellen wir dieses Stück in Gedanken dem Ganzen gegenüber oder hat sich ein wirklicher Zwiespalt zwischen den beiden ergeben, so wird uns die Schwäche dieses Ich offenbar. Bleibt das Ich aber mit dem Es verbunden, von ihm nicht unterscheidbar, so zeigt sich seine Stärke. Ähnlich ist das Verhältnis des Ichs zum Über-Ich.“ (ebd., S. 242)

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  73. Immer wieder wird darauf hingewiesen, daß Lacan ein „dunkler Denker“ ist, daß sich sein Werk nur schwer erschließt und noch dazu nicht gänzlich ausgeschöpft ist. Von daher können hier nur einige wesentliche Aspekte aus Lacans Reformulierung der Psychoanalyse skizziert werden, relativ isoliert und ohne Anspruch ihrem Zusammenhang in Lacans Werk gerecht zu werden. Zum Gesamtzusammenhang des Lacanschen Werkes kann inzwischen auf einige umfassende Darstellungen hingewiesen werden, die etwas Licht in das Lacansche Dunkel bringen. Vgl. hierzu vor allem die grundlegende Einführung von Lang 1973, die Übersicht von Weber 1978, die Herausarbeitung der Lacanschen Positionen im Zusammenhang seiner Diskurstheorie bei Lipowatz 1982. Zur Darstellung Lacans im Zusammenhang der strukturalistischen oder auch post- oder neostrukturalistischen Strömungen vgl. Wahl 1968 und besonders Frank 1984, der insbesondere die Zusammenhänge und Divergenzen zwischen Lacan und der Auflösung des Subjekts im „Schizo“ bei Deleuze/Guattari aufzeigt. Kurze, zumeist gut verständliche Zusammenfassungen bieten die Arbeiten von Moersch, 1974, Lipowatz 1976, Ruhs 1980, unter dem Aspekt der Dezentrierung des Subjekts auch Kamper 1983. Vgl. dazu auch diverse Beiträge in Zeta 02: Mit Lacan, Berlin 1982.

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  74. Sie schreiben: „Wir befinden uns im Zeitalter der Partialobjekte, der Bausteine und Reste. Dahin der Glaube an jene falschen Fragmente, die, wie Stücke antiker Statuen, darauf harren, zusammengefügt und geleimt zu werden, um neuerlicher eine Einheit, die gleichermaßen Einheit des Ursprungs ist, zu bilden. Dahin der Glaube an eine ursprüngliche wie eine Totalität aus Bestimmung. (...) Wir glauben nur an Randtotalitäten. Und sollten wir auf eine solche Totalität neben den Teilen stoßen, so wissen wir, daß es sich um ein Ganzes aus diesen Teilen handelt, das diese aber nicht totalisiert, eine Einheit aus diesen Teilen, die diese aber nicht vereinigt, vielmehr sich ihnen wie ein neues zusammengefügtes Teil angliedert.“ (Deleuze/Guattari 1972, S. 54) Das Subjekt ist bei Deleuze/Guattari randständig, verdankt sich der Ödipalisierung, der Triangulation, während sie die Bedeutung der Partialobjekte betonen: „Ihre Dispersion hat nichts mit Mangel zu tun, sie konstituiert ihren Modus der Präsenz innerhalb der Vielheit, die sie ohne Vereinheitlichung und Totalisierung herstellen. Weil sie jede Struktur abgelegt, jedes Gedächtnis abgeschafft, jeden Organismus zunichte gemacht, jede Verbindung zerstört haben, gelten sie als Partialobjekte, als verstreute Einzelteile einer selbst verstreuten Maschine. Mit anderen Worten, die Partialobjekte sind die molekularen Funktionen des Unbewußten.“ (ebd., S. 419)

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  75. Diese Unterscheidung verdeutlicht Lacan an anderer Stelle: „Sie können jetzt begreifen, daß die Regulierung des Imaginären von etwas abhängt, das transzendent situiert ist, wie J. Hyppolite sagen würde — wobei das Transzendente in diesem Falle nichts anderes wäre als die symbolische Verbindung zwischen den menschlichen Wesen. Was ist das — die symbolische Verbindung? Sie ist, um das Tüpfelchen aufs i zu setzen, was wir gesellschaftlich als die Vermittlung des Gesetzes definieren. Durch Symboltausch situieren wir unsere verschiedenen Ich in Beziehung zueinander. (...) Es ist das Sprechen, die symbolische Funktion, die den mehr oder weniger hohen Grad von Perfektion, von Vollständigkeit, von Näherung, des Imaginären bestimmt. Die Unterscheidung wird in dieser Darstellung zwischen dem Ideal-Ich und dem Ich-Ideal gemacht. Das Ich-Ideal kommandiert das Beziehungsspiel, von dem die ganze Beziehung zum anderen abhängt. Und von dieser Beziehung zum andern hängt der mehr oder weniger befriedigende Charakter der imaginären Strukturierung ab. (...) Das Ich-Ideal ist der andere als einer, der spricht, der andere als einer, der mit dem Ich eine symbolische, sublimierte Beziehung unterhält“ (Lacan 1953/54, S. 181ff.).

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  76. Diese Formulierungen Lacans zielen zugleich gegen jede Subjektkonzeption, die das Subjekt im Bewußtsein, in der Reflexion verankert, vor allem gegen Existenzialismus, besonders aber gegen die Ich-Psychologie. In dieser Kritik bis Polemik gegen die Ich-Psychologie trifft sich Lacan mit Impulsen der kritischen Theorie. Eine gemeinsame Stoßrichtung ist der Vorwurf, daß die Psychoanalyse hier zur bloßen Anpassungslehre verkomme und die Dynamik des Unbewußten immer mehr an den Rand gerückt wird: „Es erscheint jedenfalls unbezweifelbar, daß die Auffassungen der Psychoanalyse in den Vereinigten Staaten uminterpretiert wurden zu einer Anpassung des Individuums an seine soziale Umgebung, zur Untersuchung von pattern des Verhaltens ...“ (Lacan 1953, S. 82) Neben dieser Kritik wendet sich Lacan vor allem gegen die Einführung eines autonomen, konfliktfreien Ich: „Monsieur Hartmann, der Cherubin der Psychoanalyse, verkündet uns die große Neuigkeit, die uns erlauben wird, ruhig zu schlafen — die Existenz des autonomen Ego. Dieses Ego, das von Anbeginn der Freudschen Entdeckung an immer als konflikthaft angesehen worden ist, das, selbst als es als eine Funktion in Bezug auf die Realität situiert worden war, nie aufgehört hatte, für etwas gehalten zu werden, das, wie die Realität, in einem Drama errungen wird, wird uns auf einmal als eine zentrale Gegebenheit zurückerstattet.“ (Lacan 1954/55, S. 20)

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  77. Eine deatiUierte Beschreibung derartiger zentraler Szenen findet sich in Lacans früher Schrift „Die Familie“, in der Lacan verschiedene, für die kindliche Genese zentrale Komplexe unterscheidet: den Komplex der Entwöhnung, dem der Komplex des „Eindringlings“ mit dem Auftauchen des „moi“ und des „anderen“ (mit klein a) folgt und schließlich den Komplex der Ödipussituation“ (vgl. Lacan 1938). Eine ausgezeichnete, gut verständliche Analyse und Zusammenfassung dieser frühen Schriften unter der Zentralperspektive der Bedeutung des „Bildes“ und des Spiegelstadiums leistet eine neuere Arbeit Seitters (Seitter 1984 S. 9ff.). Dabei muß allerdings beachtet werden, daß Lacan diese Komplex-Szenen, besonders den Ödipuskomplex, historisiert. Im Gegensatz zu Freud, der die Ödipussituation in die Urgeschichte der Menschheit zurückprojiziert, versteht Lacan den Ödipuskomplex als eine spezifische, moderne Erscheinungsform des „strukturellen Väterlichen“ der Einführung in die symbolische Ordnung (vgl. auch Seitter 1984, Althusser 1964/65).

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  78. Dies faßt Lipowatz gut verständlich zusammen: „Der ‚eigentliche‘ Genuß des Subjekts muß wie immer in der Kindheit gesucht werden. Dieser Genuß ist (für den Mann die Mutter), durch das Inzestverbot, das Gesetz der Sprache, für immer verboten, unmöglich, unerreichbar geworden. Dadurch aber öffnet sich dem Subjekt die endlose Bewegung des Begehrens, die nur durch sich immer wieder verschiebende Ersatzobjekte zum vorläufigen Stoppen gebracht werden kann.“ (Lipowatz 1982, S. 69) Wesentlich ist in diesem Zusammenhang die Unterscheidung von „Bedürfnis“, „Anspruch“ und „Begehren“ in Lacans Theorie. Während das „Bedürfnis“ biologisch gefaßt ist (z. B. Hunger, Wärme usw.) wird der „Anspruch“ im Kontext der frühen symbiotischen Dualeinheit verortet, während das „Begehren“ gerade auf der Brechung dieses totalen „Anspruchs“ im Zusammenhang mit der Einführung in das „Gesetz der Sprache“ beruht. Dazu führt Lipowatz aus: „Das Bedürfnis ist nur auf der Ebene des Biologischen zu situieren, z. B. Nahrung. Dadurch, daß dem hilflosen Kleinkind die Nahrung durch jemanden (z. B. die Mutter) angeboten wird, entsteht jenseits der Bedürfnisbefriedigung der Anspruch nach der Präsenz der Mutter. So entsteht der geschlossene imaginäre Kreis der Dyade. Das Kind wird aber frustriert, muß frustriert werden in dieser Beziehung. Denn die Mutter wird in einer doppelten Bewegung von Absenz und Präsenz situiert, die zum Ursprung der Symbolisierung und des Begehrens wird, denn sie transformiert jede Nahrung und jede Handlung zu einem Symbol der Präsenz und des Wunsches der Mutter. Das ist nur möglich, weil die Abwesenheit möglich ist, d. h. es wird begehrt, nur weil es fehlen, abwesend sein kann (und nicht, weil es verboten ist). Das Begehren wird durch die Frustration des Anspruchs auf Präsenz, Liebesbeweis aufrechterhalten.“ (ebd., S. S. 69f.) Bedürfnis, Anspruch und Begehren verweisen damit zugleich auf die strukturale Differenzierung von Realen, Imaginären und Symbolischen in Lacans Theorie.

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  79. Was hier vor allem eine nur sehr unzulängliche Behandlung erfahren konnte, ist die struktural-linguistische Neuinterpretation des Unbewußten durch Lacan, besonders seine Reinterpretation und „Übersetzung“ der frühen Freudschen Schriften (insbesondere die „Traumdeutung“ und „Zur Psychopathologie des Alltagslebens“) in die Begrifflichkeit der strukturalistischen Linguistik, etwa seine Übertragung der Begriffe „Verdichtung“ und „Verschiebung“ als wesentliche Aspekte der Traumarbeit in die Begriffe „Metonymie“ und „Metapher“, mittels der er die zentralen Mechanismen der Traumarbeit (damit des „Unbewußten“) als Strukturelemente der Sprache begreift und somit verallgemeinert. Vgl. hierzu besonders Lacan 1957 und 1960; zur Zusammenfassung Lipowatz 1982, S. 33–73.

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  80. Diese Anknüpfung, die unterschwellige bis zuletzt deutliche Distanzierung von den „Urvätern“ der kritischen Theorie, insbesondere Marcuse, Horkheimer und Adorno zieht sich durch die Habermasschen Schriften. So etwa im Vorwort zu „Antworten auf Herbert Marcuse“ (Habermas, Hrsg., 1968), in „Technik und Wissenschaft als ‚Ideologie‘“ (Habermas 1968b), zu Horkheimer und besonders Adorno die Studien „Ein philosophierender Intellektueller“ und „Urgeschichte der Subjektivität und verwilderte Selbstbehauptung“ (Habermas 1963 und 1969), Kap. IV in „Theorie des kommunikativen Handelns“, Bd. I (Habermas 1981) und schließlich die der „Dialektik der Aufklärung“ gewidmete Schrift „Die Verschlingung von Mythos und Aufklärung“ (Habermas 1983e).

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  81. Dieser Bezug findet sich bei Adorno tatsächlich immer wieder, etwa hinsichtlich der Frage von Autorität und ödipalem Charakter: „Die Art in der man — psychologisch gesprochen — zu einem autonomen, also mündigen Menschen wird, ist nicht einfach das Aufmucken gegen jede Art von Autorität (...) Der Prozeß ist doch der, daß Kinder — Freud hat das als normale Entwicklung bezeichnet — im allgemeinen mit einer Vaterfigur, also mit einer Autorität sich identifizieren, sie verinnerlichen, sie sich selbst zu eigen machen, und dann in einem sehr schmerzhaften und nie ohne Narben gelingenden Prozeß erfahren, daß der Vater, die Vaterfigur dem Ich-Ideal, das sie von ihm gelernt haben, nicht entspricht, dadurch sich davon ablösen und erst auf diese Weise überhaupt zum mündigen Menschen werden. Das Moment der Autorität ist, meine ich, als ein genetisches Moment von dem Prozeß der Mündigwerdung vorausgesetzt.“ (Adorno 1969, S. 139f.)

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  82. Die Habermasschen Überlegungen setzen an den Aporien und Paradoxien des Denkens von Adorno und Horkheimer an. Besonders daran, daß die Kritik der Vernunft, die mit der instrumenteilen identifiziert wird, in der „Dialektik der Aufklärung“ in die Urgeschichte der Subjektivität und Vergesellschaftung verlagert und damit so tief angesetzt wird, daß das „identifizierende Denken“ sich „auf die Auseinandersetzung des zielgerichtet handelnden Subjekts mit der äußeren Natur überhaupt erstreckt“ (Habermas 1981 I, S. 507). Damit wird die Zivilisationsgeschichte zugleich als Entfaltung und Durchdringung aller Lebensbereiche mit instrumentell-identifizierender Vernunft konzipiert. Daraus folgt nach Benhabib eine grundlegende Aporie: „Wenn Aufklärung und kulturelle Rationalisierung nur die Vollendung einer Identitätslogik sind, durch die die Vernunft sich selbst konstituiert, dann setzt die Theorie der Dialektik der Aufklärung, die als theoretische Anstrengung sich eben dieser Vernunft bedienen muß, dieselbe Herrschaftsstruktur voraus, die sie am Ende verurteilt.“ (Benhabib 1982, S. 142). Diese Kritik am begrifflich-abstrahierenden, instrumenteilen Denken, am „zurüstenden“ und „abschneidenden“ Charakter des Allgemeinbegriffs, der das Konkrete zum Verschwinden bringt, läßt begriffliches Denken, Theorie und Vernunft kaum noch als Träger von Emanzipationsprozessen zu. So konstatiert Wellmer, den Habermasschen Anregungen folgend: „So kann es scheinen, daß das Denken aufgrund seines ‚identifizierenden‘ Charakters, daß also der normale Gebrauch der Sprache der geschichtlich-sozialen Wirklichkeit der Menschen notwendigerweise dieselbe Gewalt antut, die es der in einem Netzwerk nomologischer Beziehungen erfaßten Natur antut, und daß es dieser Natur — Gewalt antut. Aus dieser gedanklichen Grundkonstellation erklärt sich die versöhnungsphhilosophische Perspektive Adornos, erklären sich zugleich die unauflösbaren Aporien von Adornos Philosophie: Adorno kann das bessere Andere des instrumentellen Geistes nur als ein Jenseits der diskursiven Vernunft denken, und er kann den Gedanken einer gewaltlosen Einrichtung der Gesellschaft nur als den einer im ganzen erlösten Natur denken.“ (Wellmer 1985, S. 87F.). Demgegenüber fordert Adorno unter der Perspektive einer „Negativen Dialektik“, die sich aller positiven Bestimmungen entschlägt, das „Eingedenken der Natur im Subjekt“ und unter der Perspektive einer Befreiung des „Nicht-Identischen“ eine Überschreitung des begrifflichen Denkens, indem das Denken über den Begriff hinaus, durch das Ausschöpfen des Begriffes, gelangen soll. Indem Adorno hier die Vorstellung der „Mimesis“, die er am ehesten in der Sphäre des Ästhetischen und des Kunstwerks angedeutet sieht, in enger Verbindung mit einer Versöh-nungs-Metaphorik entwickelt, rückt sein Denken nach Wellmer und Habermas in die Nähe theologisch-metaphysischer Entwürfe, verlöre darin gerade seine Negativität (vgl. Belgrad 1985): „Adorno wird diese Selbstüberschreitung der Vernunft an der Verschränkung von Mimesis und Rationalität in der Philosophie wie im Kunstwerk erläutern; aber einen Bezug zu gesellschaftlichen Veränderungen kann er nur herstellen, indem er die ‚gewaltlose Synthesis‘ des Kunstwerks und die konfigurative Sprache der Philosophie — aporetisch — als Aufscheinen eines messiani-schen Lichts im Hier und Jetzt, als Vorschein realer Versöhnung deutet. Die Kritik der instrumenteilen Vernunft bedarf einer Geschichtsphilosophie der Versöhnung“ (Wellmer 1985, S. 76). Gerade in den Andeutungen Adornos zu Versöhnung und Mimesis (die in dieser Sichtweise in einem ‚Jenseits der Vernunft“ angesiedelt sind) sieht demgegenüber Habermas Anknüpfungspunkte für „kommunikative Rationalität“, also ein unausgeschöpftes Rationalitätspotential, das Adorno nicht ausloten kann, weil er Rationalität eindimensional mit instrumenteller Rationalität gleichgesetzt habe (vgl. Habermas 1981 I, S. 523). So fordert Habermas: „Adorno kann das mimetische Vermögen nicht aus dem abstrakten Gegensatz zur instrumenteilen Vernunft aufhellen. Die Strukturen einer Vernunft, auf die Adorno nur anspielt, werden der Analyse erst zugänglich, wenn die Ideen der Versöhnung und der Freiheit als Chiffren für eine wie auch immer utopische Form der Intersubjektivität entziffert werden, die eine zwanglose Verständigung der Individuen im Umgang miteinander ebenso ermöglicht wie die Identität eines sich zwanglos mit sich selbst verständigenden Individuums — Vergesellschaftung ohne Repression.“ (Habermas 1981 I, S. 524) An Habermas anknüpfend fordert auch Wellmer, daß das „Eingedenken der Natur im Subjekt“ durch das „Eingedenken der Sprache im Subjekt“ abzulösen sei, wodurch der „Bann der Subjektphilosophie“ gebrochen werden könne und mit dem Blick auf „kommunikative Praxis“ die emanzipativen Möglichkeiten wieder im Kontext von Rationalität verortbar wären. So Wellmer: „Das ‚Zurüstende‘ und ‚Abschneidende‘ wäre dann nicht dem Allgemeinbegriff als solchem, sondern einem spezifischen Gebrauch allgemeiner Begriffe anzulasten; und das ‚Unwahre‘ an einem solchen Sprachgebrauch müßte sich als Unwahrheit in der Sprache (und nicht als Unwahrheit durch die Sprache) verstehen lassen. Adornos Kritik läßt sich entsprechend reformulieren (und differenzieren), wenn wir das ‚Gewaltätige‘ des identifizierenden Denkens im Sinne von spezifischen Blockierungen, Pathologien oder Perversionen der sprachlichen Kommunikation oder der gesellschaftlichen Praxis verstehen. Dann und nur dann läßt sich auch begreiflich machen, in welchem Sinne durch die Allgemeinheit sprachlicher Bedeutungen die Integrität eines ‚Nicht-Identischen‘ verletzt oder das Besondere eines Phänomens verdeckt werden kann. Erst wenn wir das ‚Nicht-Identische‘ Adornos gleichsam aus dem Jenseits der Sprache in den Horizont einer intersubjektiven sprachlichen Praxis zurückholen, wird deutlich, wann und in welchem Sinne die Disproportion zwichen Allgemeinem und Besonderem jeweils eine ‚Verletzung‘ oder ‚Zurichtung‘ des Nicht-Identischen bedeuten kann, und welche spezifischen Störungen, Blockierungen oder Einschränkungen der Kommunikation in solchen Disproportionen zum Ausdruck kommen können. In dem Maße aber, in dem es uns gelingt, das ‚Unrecht‘ zu benennen, das durch den verdinglichenden Gebrauch sprachlicher Klischees oder Generalisierungen dem jeweils Besondern zugefügt wird, haben wir implizit bereits auch die sprachimmanenten Ressourcen benannt, auf die wir zurückgreifen können, um dem Besondern zu seinem Recht zu verhelfen.“ (Wellmer 1985, S. 88f.). Allerdings wage ich zu bezweifeln, ob sich durch diese handlungstheoretische Reformulierung der Dialektik der Aufklärung deren Aporien als unnötige wegwischen lassen (vgl. auch Schwep-penhäuser 1985). Denn schließlich arbeitet Breuer detailliert heraus, daß etwa Adornos „negative Anthropologie“ gerade nicht im Sprachlichen aufgeht, sondern gerade auch das gegenüber Sprache Nicht-Identische umfaßt (Breuer 1984) und konnte in der bisherigen Auseinandersetzung mit Habermas verdeutlicht werden, daß gerade die „kommunikative Rationalität“, als Kernstück der Habermasschen „Theorie des kommunikativen Handelns“, eben nicht frei ist von jenen Abstraktionsprozessen gegenüber dem Konkreten des Subjekts, gegenüber dessen zerrissener „Gesamtheit“, sondern daß gerade Verständigung konstitutiv auf der Abstraktion vom konkreten, bedürftigen, leiblichen Subjekt gegründet ist. Das, was nicht in Sprache und öffentlicher Rede aufgeht, muß im Diskurs, im idealen verständigungsorientierten Handeln gerade ausgeschlossen bleiben — Identität verdankt sich so dem Ausschluß des Nicht-Identischen. Auch gegen die kommunikationstheoretische Reformulierung Adornos und Horkheimers durch Wellmer und Habermas behalten die Überlegungen der ‚Dialektik der Aufklärung‘ ihren kritischen Stachel — zurecht!

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  83. Hier kann natürlich nicht die ganze Tiefe und Bandbreite der „Dialektik der Aufklärung“, des daran anschließenden Denkens von Horkheimer und Adorno und der daran geknüpften subjekttheoretischen Konsequenzen ausgelotet werden. Ohne Anspruch auf Vollständigkeit soll hier lediglich auf einige wichtige Arbeiten in diesem Zusammenhang verwiesen werden: Eine ausgezeichnete Darstellung der zentralen Gedanken der „Dialektik der Aufklärung“ — vor allem unter der Perspektive einer zivilisatorischen Zurichtung des Selbst, der Sinne, Affekte und des Körpers (eng verknüpft mit Überlegungen von Elias) — findet sich bei Rittner 1975. Unter der Zentralperspektive einer Analyse von Tauschprinzip und Verdinglichung findet sich eine kritische Auseinandersetzung bei Müller 1977 (S. 190ff.). Auf die aus handlungstheoretischer Sicht und im Anschluß an die Theorie des kommunikativen Handels erfolgende kritische Auseinandersetzung mit Horkheimer und insbesondere Adorno wurde schon hingewiesen (vgl. Habermas 1981 I, S. 489ff. und 1983e). In diesem Kontext sind auch Arbeiten zu verorten, die sich vor allen den Aporien der „Dialektik der Aufklärung“ zuwenden und diese in Anschluß an Habermas handlungstheoretisch aufzulösen versuchen. Hierzu zählt etwa die Arbeit von Benhabib 1982 (mit Einschränkungen), besonders aber die Arbeiten von Wellmer 1985 und die vergleichenden Studien von Honneth zu Adorno und Habermas (Honneth 1982 und 1985). Eine grundlegend kritische Auseinandersetzung sowohl mit Adorno wie mit Habermas bietet die Studie von Kimmerle 1986. Eine weitere zentrale Kontroverse um die „Dialektik der Aufklärung“, die hier nur angedeutet werden kann, bildet deren Verhältnis zu „Moderne“ oder „Postmoderne“. Erscheint Habermas als der profilierteste Verteidiger des Aufklärungsprojektes, des Projekts der Moderne, der auf dessen unausgeschöpfter Potentialität beharrt und in der kulturellen bzw. Lebensweltrationalisierung die Entfaltung eines eigensinnigen, kommunikativen Rationalitätspotentials verortet, so stellen Adorno und Horkheimer demgegenüber die schärfsten Kritiker der Moderne dar, die ihr aber zugleich — wenn auch mit den ihnen eigenen Paradoxien — verhaftet bleiben (vgl. Bürger 1983, Wellmer 1985). Ob die „Dialektik der Aufklärung“, besonders das Denken Adornos, als der Moderne noch „vorgeschriebenes“ Philosophieren mit deutlich „postmodernistischen“ Klängen zu interpretieren ist, so daß es in die Nähe von — mit dem problematischen Etikett des „Poststrukturalismus“ oder „Postmodernismus“ gefaßten — Autoren wie Faucoult, Lyotard oder Baudrillard rückt oder es in der kommunikationstheoretischen Wende à la Habermas, Wellmer oder Honneth aus seinen Aporien „erlöst“, eher im Kontext einer Verteidigung der Moderne anzusiedeln ist, kann hier lediglich als unabgeschlossene Kontroverse festgehalten werden. In diesem Zusammenhang ist auf einige neuere Arbeiten zu verweisen, die gerade das Verhältnis zwischen Horkheimer/Adorno, der Habermasschen kommunikationstheoretischen „Wende“ und diversen „poststrukturalistischen“ Positionen zum Gegensatnd haben: Zum Verhältnis von Habermas und Lyotard etwa die Arbeit von Rüb 1986, zu Adorno/Horkheimer, Habermas und Foucault die umfassende Arbeit von Honneth 1985. Das Verhältnis von „postmodernem“ Denken (besonders Lyotard) und Adorno wird vor allem bei Wellmer 1985 thematisiert. Hier muß besonders auch auf die unlängst erschienene Auseinandersetzung von Habermas selbst mit der „französischen Herausforderung“ verwiesen werden, vor allem die kritische Diskussion der Ansätze von Bataille, Derrida und Foucault, die leider im Rahmen dieser Arbeit nicht mehr berücksichtigt werden konnte (vgl. Habermas 1985b). Wichtig erscheint mir in diesem Kontext auch eine erste umfassende Sichtung des Verhältnisses von französischem „Poststrukturalismus“ und „Postmodernismus“ und den unterschiedlichen Varianten kritischer Theorie, in der sowohl Berührungspunkte wie Differenzen herausgearbeitet werden (vgl. Raulet 1986).

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  84. Dies wird etwa deutlich in der scharfen Auseinandersetzung Adornos mit dem Wiederaufleben der Formen von Magie und Okkultem (vgl. Adorno 1951, S. 321ff. und ders. 1962). In ähnlich deutlicher Form kritisiert Horkheimer die „Revolte der Natur“, die sich nur allzu gut mit faschistischer Naturbegeisterung verträgt (vgl. Horkheimer 1947, S. 116ff.). Vgl. hierzu auch Breuer 1984, S. 345ff.

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  85. Einen guten Einblick in die radikale Kritik gibt der Band „Der Tod der Moderne“ (Tübingen 1983), der in Form von Tonbandaufzeichnungen die Diskussion um Baudrillards Arbeiten „Der Tod tanzt aus der Reihe“ (Baudrillard 1976) und der ausgeweiteten und komplettierten Arbeit. „Der symbolische Tausch und der Tod“ (ders. 1983) entfaltet. Daß die radikale Kritik der Moderne — in ihrer „modern“-aktuellen Form — wie auch die Diagnose ihres Ablebens nicht zu einer naiven Haltung der „Wiederverzauberung“ führen darf, verdeutlicht Dietmar Kamper: „Bei dem, was man probeweise ‚Wiederverzauberung der Welt‘ nennen könnte, gilt es zu beachten, ob und wieweit die entsprechenden Strategien bloß alternativ sind und derart historisch und kulturgeographisch immer schon praktizierten Projektionen aufsitzen. Zwar sind Rückkehrbewegungen zu frühen geschichtlichen Entscheidungen und Exkursionen an den Rand der abendländischen Zivilisation notwendig, aber nicht um da oder dort festzumachen und die gesamte Geschichte und die vollzogene Entbarbarisierung zu überspringen — das Mittelalter ist geschichtlich so unwiderbringlich wie jede untergegangene primitive Kultur —, sondern in der Tiefe die unaufgegangenen ‚Reste‘ und die scheinbar fremden ‚Marginalien‘ aufzuspüren und auf ihre Zukunftsträchtigkeit hin zu prüfen.“ (Kamper 1981, S. 258)

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  86. Dies verweist nicht nur auf die Analyse von Böhme/Böhme, auf die schon mehrfach eingegangen wurde, sondern auch auf die Überlegungen von Habermas zu einem nicht zweckrational verkürzten Umgang mit Natur. Dabei gerät er in folgende Schwierigkeiten: Eine Versöhnung mit Natur im Sinne eines nicht instrumentell-ausbeutenden Umgangs mit Natur, ist in der spezifisch rationalen Form der Naturauseinandersetzung, nämlich Zweckrationalität, nicht erreichbar. Damit aber ist die Frage eines anderen Verhältnisses zur Natur an den moralisch-praktischen Diskurs verwiesen. Nun würde aber ein anderes Verhältnis zur Natur eines mimetischen Potentials bedürfen, mittels dessen der Mensch sich als Bestandteil der Natur selbst verstehen könnte. Da aber die Diskursethik nur allgemeine diskursive Prinzipien kennt, formal ist, kann eine mimetisch, mitleidende Beziehung zur Natur und daraus abgeleitete Handlungsformen nur den Status einer konkret-inhaltlichen und eben diskursiv zur Debatte stehenden Natur-Ethik beanspruchen. Da letzten Endes mit Natur kein moralisch praktischer Diskurs führbar ist, sind gegenüber Natur zwar „moralisch-analoge Empfindungen“ möglich, aber es ist kein Zusammenhang herstellbar, der „unter dem Gesichtspunkt der normativen Geltung zu Gerechtigkeitsfragen abstrahiert werden“ kann (vgl. Habermas 1980b, S. 514ff.).

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  87. Dabei muß berücksichtigt werden, daß Adorno und Horkheimer diese „finale“, geschichts-philosophische Konstruktion natürlich aus der Retrospektive entwerfen, eine durchaus problematische Reinterpretation der griechischen Mythologie (vgl. kritisch dazu Kimmerle 1986, S. 49ff.).

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  88. Diese raum-zeitliche Strukturierung des pädagogischen Raumes, vor allem der Schule im Laufe deren gesellschaftlicher Durchsetzung ist z. B. von Aries (Aries 1960) und Foucault im Zusammenhang von Disziplinierungs- und Überwachungsstrategien herausgearbeitet worden (vgl. Foucault 1975). Deutliche Hinweise einer solchen Zurichtung des Körpers finden sich auch in den Dokumenten einer „schwarzen Pädagogik“, wie sie von Katharina Rutschky zusammengestellt wurden (vgl. Rutschky 1978). Das Verhältnis von Körperlichkeit und Schule wird vor allem in den Untersuchungen Rumpfs zum Schicksal der Wahrnehmungsorganisation und Sinnlichkeit in den schulischen Lernprozessen herausgearbeitet (vgl. Rumpf 1981 und 1986).

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  89. Weitere wesentliche Beiträge und Überlegungen zum Schicksal des Körpers im Zivilisations-prozeß finden sich in den Arbeiten zur Lippes (vgl. zur Lippe 1974) und besonders in zwei Sammelbänden zur Geschichte, zum Verschwinden und zur gegenwärtig auffindbaren Tendenz der Wiederkehr des Körpers (vgl. Kamper, Hrsg., 1976, Kamper/Wulf, Hrsg., 1982).

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  90. Aber auch hier geben sich Horkheimer und Adorno dialektisch, denn der Versuch, sich dem Opfer vollends zu entziehen und damit auch dem Selbst, bedeutete keine Überwindung der Herrschaft, sondern den Entzug jeder Grundlage von Selbsterhaltung: „Es bedarf all der überflüssigen Opfer: gegen das Opfer. Auch Odysseus ist eines, das Selbst, das immerzu sich bezwingt und darüber das Leben versäumt, das es rettet und bloß noch als Irrfahrt erinnert. Dennoch ist er zugleich Opfer für die Abschaffung des Opfers. Seine herrschaftliche Entsagung, als Kampf mit dem Mythos, ist stellvertretend für eine Gesellschaft, die der Entsagung und der Herrschaft nicht mehr bedarf: die ihrer selbst mächtig wird, nicht um sich und anderen Gewalt anzutun, sondern zur Versöhung.“ (Horkheimer/Adorno 1944, S. 52).

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  91. Vor diesem Hintergrund schlägt Heinrichs vor, weder von „Postmoderne“ noch von der „Krise der Moderne“ zu sprechen — seiner Meinung nach Verharmlosungen des gegenwärtigen gesellschaftlichen Zustandes —, sondern von der „katastrophalen Moderne“, die in das Stadium — unter dem Deckmantel der Rationalität verborgener — selbsterzeugter Katastrophen eingetreten ist (vgl. Heinrichs 1984).

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  92. Die ichstarke, mit sich identische, rationale und durchsetzungsfähige Persönlichkeit wird von Adorno, obwohl er an anderer Stelle wieder als letztem Bezugspunkt des Widerstandes sich darauf bezieht, kritisiert. Adorno mißtraut der utopischen Kraft des „Integrationsideals“, als dem „fadenscheinigen Nachbild der schlechten alten Persönlichkeit“, ebenso wie dem „Genitalcharakter“ ödipaler Herkunft, „dem ganzen, vollen, allseitig entwickelten Menschen“ (vgl. Adorno 1955, S. 66). Die Bestimmung: „Jedes Menschenbild ist Ideologie außer dem negativen.“ (ebd., S. 67) führt zu den aporetischen Bestimmungen, die Benjamin (Benjamin 1982) kritisiert. Und doch gibt es deutliche Stellen gegen den ichstarken, integrierten, ödipalen Charakter: „Zart wäre einzig das Gröbste: daß keiner mehr hungern soll. Alles andere setzt für einen Zustand, der nach menschlichen Bedürfnissen zu bestimmen wäre, ein menschliches Verhalten an, das am Modell der Produktion als Selbstzweck gebildet ist. In das Wunschbild des ungehemmten, kraftstrotzenden, schöpferischen Menschen ist eben der Fetischismus der Ware eingesickert, der in der bürgerlichen Gesellschaft Hemmung, Ohnmacht, die Sterilität des Immergleichen mit sich führt. (...) Denkt man die emanzipierte Gesellschaft als Emanzipation von gerade solcher Totalität (Steigerung der Produktion, W. H.) dann werden Fluchtlinien sichtbar, die mit der Steigerung der Produktion und ihren menschlichen Spiegelungen wenig gemein haben. (...) Rien faire comme une bête, auf dem Wasser liegen und friedlich in den Himmel schauen, ‚sein, sonst nichts, ohne alle weitere Bestimmung und Erfüllung‘ könnte anstelle von Prozeß, Tun, Erfüllen treten“ (Adorno 1951, S. 206ff.).

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  93. Dies markiert auch genau den entscheidenden Unterscheidungspunkt zwischen Adorno und Habermas. Stellt bei Adorno das Verhältnis von Herrschaft und Natur zumindest ein wesentliches Zetrum seines Denkens dar, so verschiebt sich dieses Zentrum bei Habermas in dessen kommunikationstheoretischer Wendung — die trotz allem, wie verdeutlicht werden konnte, geschichtsphilosophische Momente behält — zum Verhältnis kommunikativen Handelns und Herrschaft. Diese wesentlichen Unterscheidungen werden in einer detaillierten Analyse bei Honneth herausgearbeitet (vgl. Honneth 1982 und 1985).

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  94. Daß das Nichtidentische auch bei Adorno und Horkheimer nicht einfach das Jenseitige, bloß Unzivilisierte ist, sondern daß auch im Nichtidentischen, gesellschaftliche Formierungsprozesse walten, verdeutlichen sie, indem sie gerade die gesellschaftliche Durchdringung des Es, die funktionale Zurichtung der Wünsche herausarbeiten (vgl. zusammenfassend Breuer 1984, S. 344ff.).

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  95. Denn, wie Belgrad formuliert, stehen Identität und Nichtidentität in einer „vertrackten Dialektik“ zueinander: „Identität, vorsichtiger: der Versuch einer Identitätsbildung, produziert Nichtidentität, durch jene schält sich diese heraus, das Nichtidentische wird dadurch bemerkbar; so wie jedes Ich im Verlaufe seiner Bildung aus dem Nicht-Ich sich kristallisieren kann, freudianisch gesprochen aus dem ‚Es‘ (...) Und umgekehrt: gelungene Identitätsbildung kann nie eine vollständige sein — zumal in der bürgerlichen Gesellschaft —, auch wenn das Identitätsprinzip ihr eigenes ist, das sie — so Adorno — gleichwohl ‚eindämmt‘. Insofern produziert gerade der ‚unversöhnte Zustand‘ Nichtidentität: sowohl als ‚Abfallprodukt‘ des nicht gelungenen, zerfallenen, zerstörten, kranken Lebens, als auch als Widerstand gegen dieses. Die Formen von Nichtidentität sind dabei allemal ambivalent.“ (Belgrad 1985, S. 85).

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  96. Diese Sichtweise, die „Vielheit des Verschiedenen“, die ungezwungene Gleichzeitigkeit des Disparaten, ja Widersprüchlichen, das nicht zwanghaft synthetisiert, zum „Einen“ gemacht werden muß, erinnert an den antiödipalen Entwurf des „Schizo“ an die Struktur des „Rhizom“ bei Deleuze und Guattari (vgl. Deleuze/Guattari 1972 und 1976). Allerdings soll damit keineswegs behauptet werden, daß die Partialobjekteuphorie und Wunschmaschinenmetaphorik von Deleuze und Guattari mit Adornos Denken weithin deckungsgleich ist. Denn während Deleuze und Guattari das identische Selbst im Strömen der Wünsche und maschinenhaften Wunschproduktion des Unbewußten aufgelöst sehen und dessen Zerfall „feiern“, ist es Adorno, der „kritischste Apologet der Bürgerlichkeit“ (Belgrad 1985, S. 74), der die gesellschaftlich fortschreitende Auflösung des identischen Selbst betrauert und zugleich in dem, was schwindet — Grundlage der Freiheit —, wie kaum ein anderer Subjekttheoretiker auch die Grundlage von Zwang und Unterwerfung kritisiert. Den Unterschied in der Identitätskritik Adornos und der des „Poststrukturalismus“ faßt Wellmer in der Differenzierung einer an Freud angelehnten psychologischen Kritik, die Adorno und Horkheimer ihrerseits kritisch überbieten, indem sie auch die darin noch enthaltenen identitätslogisch-rationalistischen Elemente kritisieren, wobei allerdings die „sprachphilosophische“ Kritik etwa Wittgensteins und Derridas noch grundlegender ansetzt, indem sie die Autonomie des Subjekts nicht nur ideologiekritisch noch als Schein und gesellschaftliches Gewaltverhältnis festhält, sondern das Subjekt vielmehr gegründet sieht in allgemeinen Regelsystemen, in einer vorab instituierten sprachlichen Ordnung oder einer Wirkung von Macht- und Disziplindiskursen. Eine knappe, wenn auch aufschlußreiche Analyse, der identitätstheoretischen Positionen von Habermas, Adorno, und „Poststrukturalismus“ findet sich auch in Kamper 1980.

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  97. Vgl. hierzu die bisherige Analyse zu Habermas.

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  98. Dies wäre eine Sichtweise, die auf Adornos Überlegungen einer „Gesundheit zum Tode“, auf sein Postulat, „daß die zeitgemäße Krankheit gerade im Normalen besteht“ (Adorno 1951, S. 69) anzuwenden wäre. Mit dieser Sichtweise wäre auch das zu beantworten, was bei Adorno offen bleibt: „Keine Forschung reicht bis heute in die Hölle hinab, in der die Deformationen geprägt werden, die später als Fröhlichkeit, Aufgeschlossenheit, Umgänglichkeit, als gelungene Anpassung ans Unvermeidliche und als unvergrübelt praktischer Sinn zutage kommen. Es ist Grund zur Annahme, daß sie in noch frühere Phasen der Kindheitsentwicklung fallen als der Ursprung der Neurosen: sind diese Resultate eines Konflikts, in dem der Trieb geschlagen ward, so resultiert der Zustand, der so normal ist wie die beschädigte Gesellschaft, der er gleicht, aus einem gleichsam prähistorischen Eingriff, der die Kräfte schon bricht, ehe es zum Konflikt überhaupt kommt, und die spätere Konfliktlosigkeit reflektiert das Vorentschiedensein, den apriorischen Triumph der kollektiven Instanz, nicht die Heilung durch Erkennen.“ (ebd., S. 69f.)

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  99. Hier soll nur noch daraufhingewiesen werden, daß nicht alle sozialisatorischen und Subjektproblematiken durch die Kolonialisierungsperspektive erfaßt werden. Denn jenseits des Eindringens systemischer Imperative in sozialisatorische Interaktion gibt es auch eine lebensweltliche, milieu- oder familienspezifische Tradierung sozialisatorischer Probleme, subjektiver Defizite und „Pathologien“, die unter der Perspektive von Familien- und Milieugeschichten zu analysieren sind und nur mittelbar mit Kolonialisierungstendenzen in Zusammenhang stehen.

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  100. Vgl. hierzu die Ausdifferenzierung der Zusammenhänge zwischen Lebensweltreproduktion, Krisenerscheinungen und Reproduktionsstörungen in Habermas 1981 II, S. 212 ff.

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Helsper, W. (1989). Das Konzept des „kommunikativ-rationalen Subjekts“ — Eine Auseinandersetzung mit Habermas. In: Selbstkrise und Individuationsprozeß. Beiträge zur psychologischen Forschung, vol 17. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-88889-1_2

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