Während sich beim Rektumkarzinom in den letzten Jahren enorme Verbesserungen der Behandlungsmöglichkeiten in der Zusammenarbeit interdisziplinär, aber auch innerhalb der einzelnen Disziplinen ergeben haben, schien der Fortschritt beim Kolonkarzinom langsamer voranzuschreiten.

Oberflächlich betrachtet ist die Behandlung des Kolonkarzinoms einfach

Bei oberflächlicher Betrachtungsweise ist die Behandlung des Kolonkarzinoms einfach: Der Tumor wird chirurgisch entfernt und je nachdem, ob ein Lymphknotenbefall vorliegt oder nicht, erfolgt eine leitliniengerechte adjuvante Chemotherapie. Diese Sichtweise ist aber nur vordergründig korrekt. Das Anliegen dieses Schwerpunkthefts ist es daher, von dieser eher simplifizierten Betrachtungsweise wegzukommen und dafür zu sensibilisieren, dass auch die Behandlung des Kolonkarzinoms durchaus komplex ist und ein erhebliches Fachwissen erfordert. Hierfür werden die folgenden Aspekte gezielt thematisiert:

  • Kolonkarzinom im Kontext genetischer Disposition,

  • differenzierte chirurgische Behandlung,

  • moderne Systemtherapie sowie

  • Möglichkeiten der stereotaktischen Radiotherapie bei Oligometastasierung.

In Deutschland werden familiäre und hereditäre Kolonkarzinome, welche nach aktuellen Analysen 20–30% der Erkrankungen ausmachen können, allgemein noch unzureichend identifiziert. Die zertifizierten Darmkrebszentren sind zwar gehalten, ein entsprechendes Screening durchzuführen, jedoch ist der Anteil, der Patienten, bei denen ein hereditäres oder familiäres kolorektales Karzinom diagnostiziert wird, in den meisten Zentren deutlich geringer, als epidemiologisch zu erwarten ist. Der Artikel von Gabriela Möslein aus Wuppertal, welche eine anerkannte Expertin für erbliche Darmkrebserkrankungen ist, gibt eine sehr informative Übersicht über die bisherigen molekulargenetischen Erkenntnisse sowie über hierauf basierende Präventionsstrategien und unterschiedliche chirurgische Vorgehensweisen.

Allgemein herrscht hinsichtlich der chirurgischen Therapie oft die Meinung vor, dass dies Brot-und-Butter-Chirurgie ist, die quasi jeder Bauchchirurg mit gleicher Qualität durchführen kann. Ziel ist aber, diese Erkrankung so zu behandeln, dass internationale Standards erreicht werden. Während bei der Rektumkarzinomchirurgie inzwischen offensichtlich ist, dass hierzu eine spezifische Expertise und ein Commitment nicht nur des Chirurgen, sondern auch von entsprechenden Kliniken nötig ist, fehlt diese Wahrnehmung für das Kolonkarzinom. Jörn Gröne aus Berlin stellt in seiner Übersicht die Standards einer adäquaten Kolonkarzinomchirurgie heraus: Diese sind adäquate Lymphknotenanzahlen in den Operationspräparaten, eine Quote an R0-Resektionen von über 95% sowie eine subtile Chirurgie unter Mitnahme des kompletten Mesenteriums (sog. mesorektale Exzision). Diese Standards verbesserten in vergleichenden Studien die onkologische Ergebnisqualität erheblich und sind daher generell bei einem Patienten mit nichtmetastasiertem Kolonkarzinom zu verfolgen.

Ziel ist die Behandlung nach internationalen Standards

Einer individuellen Therapieplanung ist der Patient in der Situation eines metastasierten Kolonkarzinoms zuzuführen. Hier sind unterschiedliche Szenarien zu unterscheiden. Bei bis zu 20% der Patienten befindet sich der Tumor bereits bei der Primärdiagnose in einem metastasierten Stadium. Hier ist weiterhin nicht entschieden, ob eine primäre Resektion des Primärtumors, sofern dieser asymptomatisch ist, sinnvoll ist oder primär mit einer Chemotherapie begonnen werden soll. Darüber hinaus kommen nach und nach neue Medikamente im Bereich der Targeted-Therapie auf den Markt, für die eine erhebliche Expertise in Bezug auf ihre Einsatzmöglichkeiten und -gebiete benötigt wird, damit sie den Patienten zum Vorteil gereichen. Die Arbeit von Thomas Ettrich und Thomas Seufferlein aus Ulm gibt hier eine umfassende Übersicht der aktuellen Therapiemöglichkeiten.

Während die Strahlentherapie beim kolorektalen Karzinom v. a. in der präoperativen und Rezidivtherapie des Rektumkarzinoms einen festen Stellenwert hat, gewinnt diese auch beim Kolonkarzinom für die multimodale Behandlung von Lebermetastasen an Bedeutung. Cordula Petersen aus Hamburg beschreibt in ihrem Artikel hierzu die Möglichkeiten der lokal ablativen Bestrahlung („stereotactic body radiation therapy“, SBRT). Dies ist eine weitere hochinteressante Behandlungsmöglichkeit, welche die chirurgische Therapie und andere lokal ablative Maßnahmen bei der Lebermetastasenbehandlung sinnvoll ergänzen kann.

Bewusst haben wir in diesem Schwerpunktheft spezielle Aspekte bei der Behandlung des Kolonkarzinoms thematisiert, wohl wissend, dass dies auf Kosten einer kompletten und umfassenden Darstellung geht. Trotzdem sind wir der festen Überzeugung, dass eine gute Detailkenntnis der Erkrankung und der Therapiemöglichkeiten erforderlich ist, damit wir zukünftig weitere Fortschritte bei der Behandlung des Kolonkarzinoms erzielen und darüber hinaus die derzeit verfügbaren Therapiemöglichkeiten flächendeckend allen Patienten zugutekommen.

Dabei ist aber auch festzuhalten, dass über die rein medizinische Therapie hinaus die psychologische Betreuung von Patienten nicht nur mit einem Rektum-, sondern auch mit einem Kolonkarzinom einen wichtigen Einfluss auf die Gesamtqualität der Versorgung besitzt. Diesem wichtigen Aspekt wird von Anna Beraldi aus München in der Rubrik „Psychoonkologie“ dieses Hefts in vielen Facetten Rechnung getragen.

Die psychologische Betreuung ist wichtig für die Gesamtqualität der Versorgung

Wir wünschen Ihnen somit eine fachliche Bereicherung beim Studieren der verschiedenen Arbeiten und hoffen, dass Sie davon v. a. auch für die Behandlung Ihrer Patienten direkt profitieren.

Martin E. Kreis

Für die Schriftleiter

Peter M. Schlag

Für die Herausgeber