Zusammenfassung
In einem Rechtsstaat werden Meinungsverschiedenheiten zwischen Bund und Ländern nicht ausschließlich politisch, sondern gerichtlich gelöst. Die Wahl der Richter des Bundesverfassungsgerichts steht wegen der hervorgehobenen Stellung des Gerichts im Staatsaufbau, dem besonderen Entscheidungsgegenstand und der Beteiligung der beiden Gesetzgebungskörperschaften im Fokus der politischen Parteien, aber auch der Öffentlichkeit und in der Wissenschaft. In so gelagerten Spannungsfeldern erlangt die Ausgestaltung von Verfahren eine besondere, funktionssichernde Bedeutung.
Notes
- 1.
Siehe zu den Änderungsvorhaben die Übersicht der BT-Drs. bei Haratsch, in: Maunz/Schmidt-Bleibtreu/Klein/Bethge, BVerfGG, 60. EL Juli 2020, § 6.
- 2.
Häberle, Das Bundesverfassungsgericht als Muster einer selbständigen Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Badura/Dreier (Hg.), FS 50 Jahre Bundesverfassungsgericht, 2001, S. 325.
- 3.
Helms, Entwicklungslinien der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Jesse/Löw (Hg.), 50 Jahre Bundesrepublik Deutschland, 1999, S. 148: „Die Mehrheit der relevanten Beobachter geht davon aus, daß die Parteimitgliedschaft von Bewerbern bzw. deren spezifischer Nominierungshintergrund keinen entscheidenden Einfluß auf die spätere Spruchpraxis von Richtern hatte.“
- 4.
- 5.
Preuß, Die Wahl der Mitglieder des BVerfG, ZRP 1998, S. 389.
- 6.
So bereits in Art. 100 HChE. Zu den zahlreichen Änderungen des Wahlverfahrens in den ersten Jahren siehe G. v. 12.3.1951 (BGBl. I, S. 243); G. v. 21.7.1956 (BGBl. I, S. 662); G. v. 26.6.1959 (BGBl. I, S. 297); G. v. 21.12.1970 (BGBl. I, S. 1765). Siehe zu den aktuellen Verfahrensregelungen §§ 5 bis 9 BVerfGG.
- 7.
BVerfGG vom 1.11.1977, neugefasst am 11.8.1993 (BGBl. I S. 1473), zul. geänd. d. G. v. 20.11.2019, BGBl. I, S. 1724, DRiG i. d. F. der Bekanntmachung v. 19.4.1972 (BGBl. I S. 713), zul. geänd. d. G. v. 22.11.2019 (BGBl. I S. 1755) – dort auch zu den Wählbarkeitsvoraussetzungen; Einigungsvertrag vom 31.8.1990 (BGBl II, S. 885, Anlage I); Geck, Wahl und Amtsrecht, 1986, S. 15; Pieper, Verfassungsrichterwahlen, 1998, S. 23; Czermak, Zum Begriff der „Befähigung zum Richteramt“, NJW 1967, S. 1842 f.; Geiger, Das Bundesverfassungsgericht im Spannungsverhältnis zwischen Recht und Politik, EuGRZ 1983, S. 399 ff.; Maunz/Schmidt-Bleibtreu et al. BVerfGG, 35. EL Mai 2011 § 3 Rn. 2. In den Ländern sind z. T. niedrigere Altersgrenzen vorgesehen. In Bremen beispielsweise ist als Mindestalter die Vollendung des dreißigsten Lebensjahrs vorgesehen. Regelungen zum Mindestalter finden sich erstmals im Referentenentwurf vom 6.12.1949. Zu den besonderen Qualifikationsvoraussetzungen siehe Geck, Wahl und Status der Bundesverfassungsrichter, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR II, 1987, S. 697 (698); Stern, Gedanken zum Wahlverfahren für Bundesverfassungsrichter, in: Fiedler/Ress (Hg.), Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, S. 889 f. Kritisch dazu Kröger, Richterwahl, in: Starck (Hg.), Bundesverfassungsgericht und Grundgesetz, Bd. I, 1976, S. 85; Geiger, Wortmeldung zum Vierten Thema: Die Bedeutung der Legitimation des Bundesverfassungsgerichts, insbesondere die Wahl der Richter, in: Frowein/Meyer/ Schneider, Das Bundesverfassungsgericht im dritten Jahrzehnt, 1973, S. 74; Klein, Bundesverfassungsgericht und richterliche Beurteilung politischer Fragen, 1966, S. 27, 32 f.; BR-Drs. 678/69, S. 15 Ziff. 2; Rupp-von Brünneck, Darf das Bundesverfassungsgericht an den Gesetzgeber appellieren?, in: Ritterspach/Geiger (Hg.), FS Gebhard Müller, 1970, S. 377 f.
- 8.
BVerfGE 131, 230 f.
- 9.
Siehe Gesetz vom 24.6.2015, BGBl. I S. 973. Zum Gesetzentwurf siehe BT-Drs. 18/2737.
- 10.
- 11.
Art. 52 Abs. 3 GG, § 29 GOBRat.
- 12.
Beachte zu dieser Problematik ohne entsprechende Regelung die Vorgänge in den USA nach dem Tod der Richterin am Supreme Court Ruth Bader Ginsburg unmittelbar vor der Präsidentenwahl im Jahr 2020.
- 13.
- 14.
Preuß, Die Wahl der Mitglieder des BVerfG, ZRP 1998, S. 392.
- 15.
Böckenförde, Die Methoden der Verfassungsinterpretation, NJW 29/1976, S. 2099.
- 16.
Massing, Politik als Recht – Recht als Politik, 2005, S. 49.
- 17.
In Befragungen nach dem Vertrauen in Institutionen befragt, schneidet das BVerfG deutlich besser ab als der Bundestag, der Bundesrat, die Bundesregierung oder die politischen Parteien, vgl. Vorländer/Brodocz, Das Vertrauen in das Bundesverfassungsgericht, in: Vorländer (Hg.), Die Deutungsmacht der Verfassungsgerichtsbarkeit, 2006, S. 261.
- 18.
BVerfGE 83, 60 (72 ff.).
- 19.
BVerfGE 49, 89 (124 ff.); E 68, 1 (86 f.); Benda/Klein, Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl. 2001, S. 7.
- 20.
Epping verweist darauf, dass das Bundesverfassungsgericht durch Bundestag und Bundesrat legitimiert werde, weil es die Befugnis habe, die „Entscheidung des besser demokratisch legitimierten Gesetzgebers“ zu verwerfen, vgl. Epping, Demokratische Legitimation der Dritten Gewalt der Europäischen Gemeinschaften, Der Staat 36 (1997), S. 366.
- 21.
Vgl. Schorr, Die Rolle des Bundesrates bei der Wahl der Bundesverfassungsrichter, 2023.
- 22.
„Unterwanderung der staatlichen und öffentlichen Institutionen“, so Schröder, Die Stellung der Parteien, in: Merten/Papier (Hg.), Handbuch der Grundrechte in Deutschland und Europa, Bd. V, 2013, § 118 Rn. 4.
- 23.
Huber, Parteien in der Demokratie, in: Badura/Dreier (Hg.), Verfassungsgerichtsbarkeit – Verfassungsprozess, Bd. II, 2001, S. 611.
- 24.
Böckenförde sieht Volksentscheide und unmittelbare Volkswahlen von Amtsträgern als Gegenmittel, Böckenförde, Demokratie als Verfassungsprinzip, in: Isensee/Kirchhof (Hg.), HStR II, 3. Aufl. 2004, S. 489.
- 25.
- 26.
Schiedermair, Das Bundesverfassungsgericht auf der Grenze zwischen dem Recht und der Politik, in: Huber/Brenner/Möstl (Hg.), Der Staat des Grundgesetzes, 2004, S. 488.
- 27.
- 28.
Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 1998, S. 90.
- 29.
Benda/Klein; Verfassungsprozeßrecht, 2. Aufl. 2001, S. 44 ff.
- 30.
Ely, Democracy and Distrust, 4. Aufl. 1982, S. 74.
- 31.
Schambeck, Österreichs Verfassungsgerichtsbarkeit zwischen Recht und Politik, in: Schäffer (Hg.), Im Dienst an Recht und Staat, 1983, S. 203.
- 32.
- 33.
Geiger, Zum verfassungsrechtlichen Status der Richter, in: Schiffer (Hg.), Verfassung, Verwaltung, Finanzkontrolle, 1975, S. 80.
- 34.
Preuß, Die Wahl der Mitglieder des BVerfG, ZRP 1998, S. 390.
- 35.
Shapiro/Stone Sweet, The New Constitutional Politics of Europe, in: Comparative Political Studies 26 (1994), S. 403 sprechen von „judicialized legislative deliberation.“
- 36.
Dabei ist Bryde zuzustimmen, dass Generalisierungen zur Korrelation zwischen Parteinähe der Richter und den Ergebnissen der Rechtsprechung schwer möglich sind. Bryde, Die Verfassungsgerichtsbarkeit in der Rechtssoziologie, in: Brand/Strempel (Hg.), Soziologie des Rechts, 1998, S. 496.
- 37.
Limbach, Die Akzeptanz verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Brand/Strempel (Hg.), Soziologie des Rechts, 1998, S. 219.
- 38.
Einordnung der Verfassungsgerichtsbarkeit „als Teilverfahren des politischen Prozesses im Gesamtsystem“; dazu Häberle, Grundprobleme der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Häberle (Hg.), Verfassungsgerichtsbarkeit, 1976, S. 24.
- 39.
Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß, 1968, S. 207.
- 40.
- 41.
Schnellenbach, Personalpolitik in der Justiz, NJW 1989, S. 2228.
- 42.
Dazu von Arnim: „Des Menschen Egoismus bei den täglichen Aktionen macht institutionelle Regelungen nötig, seine Vernunft macht solche Regelungen möglich.“, von Arnim, Politische Parteien, DÖV 1985, S. 605. Zur Notwendigkeit eindeutiger Vorgaben und Regelungen aus sozialwissenschaftlicher Sicht, Crozier/Friedberg, Macht und Organisation, 1979.
- 43.
Geiger, Zur Reform des Bundesverfassungsgerichtes, in: Maunz, FS Nawiasky, 1956, S. 231.
- 44.
Sonst wird gegen den Grundsatz der adäquaten Funktionensicherung verstoßen. Siehe Böckenförde, Verfassungsfragen der Richterwahl, 2. Aufl. 1998, S. 91.
- 45.
Stern, Gedanken zum Wahlverfahren für Bundesverfassungsrichter, in: Fiedler/Ress (Hg.), Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, S. 889 f.
- 46.
Limbach, Die Akzeptanz verfassungsgerichtlicher Entscheidungen, in: Brand/Strempel, Soziologie des Rechts, 1998, S. 219.
- 47.
Preuß, Die Wahl der Mitglieder des BVerfG, ZRP 1998, S. 390.
- 48.
Diesen Ausdruck verwendet Stern, Gedanken zum Wahlverfahren für Bundesverfassungsrichter, in: Fiedler/Ress (Hg.), Verfassungsrecht und Völkerrecht, 1989, S. 891.
- 49.
Kloepfer, Zur Veränderung von Verfassungsinstitutionen durch politische Parteien, in: Kloepfer/Merten et al. (Hg.), Das parlamentarische Regierungssystem der Bundesrepublik Deutschland auf dem Prüfstand, 1984, S. 65.
- 50.
Vgl. Kap. 4.
- 51.
- 52.
Bettermann, Opposition und Verfassungsrichterwahl, in: Bernstein/Drobnig/Kötz (Hg.), FS Zweigert, 1981, S. 746.
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Schorr, A. (2024). Die Wahl der Bundesverfassungsrichter und ihre Folgen für die Legitimität der Verfassungsgerichtsbarkeit. In: van Ooyen, R.C., Möllers, M.H. (eds) Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37532-4_31-1
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