Zusammenfassung
Verfassungsgerichte werden von der Politik institutionalisiert; und müssen sich als Institution von ihren Schöpfern emanzipieren. Auch das BVerfG stand vor dieser Aufgabe. Es musste sich gegenüber der Regierung Adenauer behaupten, um die eigene Unabhängigkeit zu sichern. Im Dauerkonflikt der Anfangszeit hat es sich zu jener Autorität entwickelt, die es bis heute darstellt. Dieser Prozess wurde von den Verfassungsrichtern der ersten Generation initiiert, als sie ihren Anspruch, Hüter der Verfassung zu sein, formulierten und die anderen Akteure im politischen System mit diesem Anspruch konfrontierten – eine Konfrontation, die im Kern ein politischer Kampf um Anerkennung war.
Notes
- 1.
Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 156. Den weiteren Ausführungen liegt die folgende Arbeit zugrunde – Lembcke, Hüter der Verfassung, 2007.
- 2.
Siehe zum Synonym Karlsruhe für das BVerfG Roellecke, „Karlsruhe“. In: Etienne/Schulze (Hg.), Deutsche Erinnerungsorte, 2001, S. 549 ff.
- 3.
Häußler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994, S. 22–74. Vgl. dazu auch Collings, Democracy’s Guardians, 2015, S. 28 ff.
- 4.
Bundesverfassungsgericht (Hg.), Das Bundesverfassungsgericht, 1963, S. 1–4.
- 5.
Vgl. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 144 sowie die folgende Zusammenfassung ebd., S. 145–147.
- 6.
Vgl. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 148.
- 7.
Vgl. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 161–194 (Rechtsgutachten Thoma). Siehe außerdem Schiffers, Grundlegung der Verfassungsgerichtsbarkeit, 1984, S. 467–486.
- 8.
Vgl. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 182 f.
- 9.
Vgl. hierzu ausführlich Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß, 1968, S. 35–93.
- 10.
Aufschlussreich in diesem Zusammenhang ist die für den Parlamentarischen Rat gedachte Vorlage, die von Strauss erstellt und später mit dem Titel „Die oberste Bundesgerichtsbarkeit“ (Heidelberg 1949) publiziert wurde.
- 11.
PR-Drs. 340 (Carlo Schmid).
- 12.
Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 194.
- 13.
Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 198.
- 14.
Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 148.
- 15.
Vgl. z. B. Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, JöR 6/1957, S. 211 f. u. 217. Zu den einzelnen Änderungen siehe Leibholz, Der Status des Bundesverfassungsgerichts, in: Bundesverfassungsgericht (Hg.), Das Bundesverfassungsgericht, 1971, S. 31–58, S. 50–57.
- 16.
Vgl. Adenauers „Schicksals“-Rede vor dem Deutschen Bundestag am 3. Dezember 1952; BT-Prot. I, S. 240.
- 17.
Zu den verschiedenen Anträgen und ihren Abänderungen siehe von der Heydte, Der Kampf um den Wehrbeitrag, 3 Bde., 1952, 1953 und 1958.
- 18.
Vgl. von der Heydte, Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 1, 1952, S. 11–14.
- 19.
Zu den neuerlichen Anträgen vgl. von der Heydte, Der Kampf um den Wehrbeitrag, Bd. 2, 1953, S. 144–165, Bd. 3, 1958, S. 166 ff.
- 20.
Siehe hierzu Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß, 1968, S. 473 f.
- 21.
Zu den Hintergründen s. Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, 1969, S. 234–240.
- 22.
So Dehler im Oktober 1952 auf dem Parteitag der FDP, zitiert nach Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, 1969, S. 251.
- 23.
Vgl. Dehlers Bemerkungen über „das Ende der deutschen Verfassungsjustiz“ im Bulletin Nr. 185 vom 26. November 1952.
- 24.
Vgl. bereits die Leitsätze 3, 10-12 von BVerfGE 2, 143.
- 25.
Vgl. die Kommentare von Häußler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994, S. 35 und Wild, BVerfGE 2, 79 – Wiederbewaffnung Abs. 3, in: Menzel/Müller-Terpitz (Hg.), Verfassungsrechtsprechung, 3. Aufl., 2017, S. 70–74.
- 26.
Baring, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie, 1969, S. 250.
- 27.
„Nach den Unterredungen Höpker Aschoffs“. In: FAZ v. 22. Dez. 1952.
- 28.
„Höpker Aschoff weist die Kritik Dehlers zurück“. In: FAZ v. 16. März 1953, S. 1.
- 29.
Häußler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994, S. 37.
- 30.
Zur Dokumentation dieser Auseinandersetzung siehe Zehner, Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht, 2 Bde., 1964.
- 31.
BT-Prot. III, S. 8308.
- 32.
Vgl. hierzu Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß, 1968, S. 448 ff.
- 33.
Vgl. BVerfGE 12, 205 (216 ff.).
- 34.
Für eine kurze Würdigung siehe Müller-Terpitz, BVerfGE 12, 205 – Deutschland-Fernsehen, in: Menzel/Müller-Terpitz (Hg.), Verfassungsrechtsprechung, 3. Aufl., 2017, S. 143–149.
- 35.
Vgl. hierzu die Studie von Lembcke, Über das Ansehen des Bundesverfassungsgerichts, 2006.
- 36.
Vgl. Häußler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994, S. 52.
- 37.
Siehe hierzu Geiger, Zur Reform des Bundesverfassungsgerichts, in: Maunz (Hg.), Vom Bonner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung, 1956, S. 211–236.
- 38.
Vgl. etwa Gotto/Kleinmann/Schreiner (Hg.), Im Zentrum der Macht, 1989, S. 279, 293, auf den auch Häußler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994, S. 40 (m. w. N.) verweist.
- 39.
Vgl. Laufer, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß, 1968, S. 176–180.
- 40.
Zur Idee eines Beirates vgl. Häußler, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung, 1994, S. 44 f.
- 41.
„Bedenken aus Karlsruhe“. In: FAZ v. 18. Juni 1955, S. 4.
- 42.
Hauriou, Die Theorie der Institution, 1967, S. 27–66, v. a. S. 34–36 u. 47. Im Folgenden geht es nur um die von Hauriou so bezeichneten Personeninstitutionen (S. 34) im Unterschied zu den Sachinstitutionen (S. 35).
- 43.
Hauriou, Die Theorie der Institution, 1967, S. 49.
- 44.
Zum Vorrang der Verfassung siehe u. a. Wahl, Der Vorrang der Verfassung, Staat 20/1981, S. 485–516.
- 45.
Vgl. Wieland, Aporien der praktischen Vernunft, 1989, S. 36.
- 46.
Luhmann, Verfassung als evolutionäre Errungenschaft, RJ, 9/1990, S. 187.
- 47.
Zur Bedeutung der Autorität bezogen auf die Verfassungsgerichtsbarkeit: Lembcke, Autorität der Verfassungsgerichtsbarkeit, in: Boulanger/Wrase (Hg.), Politik des Verfassungsrechts, 2013, S. 34–62. Siehe zur Begriffsgeschichte der Autoritätsidee vor allem Arendt, Was ist Autorität? In: Dies.: Zwischen Vergangenheit und Zukunft, 1994, S. 159–200.
- 48.
Vgl. Gadamer, Wahrheit und Methode, 1999, S. 284.
- 49.
Für den europäischen Kontext siehe von Bogdandy, Strukturwandel des öffentlichen Rechts, 2022, v. a. §§ 42, 64.
- 50.
Sofsky/Paris, Figurationen sozialer Macht, 1994, S. 26 f.
- 51.
Aus wirkungsgeschichtlicher Perspektive: Grimm, Die Historiker und die Verfassung, 2022, S. 61 ff.
Literatur
Arendt, Hannah, Was ist Autorität? In: Dies., Zwischen Vergangenheit und Zukunft. Übungen im politischen Denken I, (hg. von Ursula Ludz), München/Zürich 1994, S. 159–200.
Baring, Arnulf, Außenpolitik in Adenauers Kanzlerdemokratie. Bonns Beitrag zur Europäischen Verteidigungsgemeinschaft, München/Wien 1969.
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Geiger, Willi, Zur Reform des Bundesverfassungsgerichts. In: Maunz, Theodor (Hg.), Vom Bonner Grundgesetz zur gesamtdeutschen Verfassung. FS Hans Nawiasky, München 1956, S. 211–236.
Gotto, Klaus/Kleinmann, Hans-Otto/Schreiner, Reinhard (Hg.), Im Zentrum der Macht. Das Tagebuch von Staatssekretär Lenz, 1951-1953, Düsseldorf 1989.
Grimm, Dieter, Die Historiker und die Verfassung. Ein Beitrag zur Wirkungsgeschichte des Grundgesetzes, München 2022.
Hauriou, Maurice, Die Theorie der Institution und zwei andere Aufsätze von Maurice Hauriou, (hg. von Roman Schnur), Berlin 1967.
Häußler, Richard, Der Konflikt zwischen Bundesverfassungsgericht und politischer Führung. Ein Beitrag zu Geschichte und Rechtsstellung des Bundesverfassungsgerichts, Berlin 1994.
von der Heydte, Karl August (Hg.), Der Kampf um den Wehrbeitrag, 3 Bde., München 1952, 1953 und 1958.
Laufer, Heinz, Verfassungsgerichtsbarkeit und politischer Prozeß. Studien zum Bundesverfassungsgericht der Bundesrepublik Deutschland, Tübingen 1968.
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Leibholz, Gerhard, Der Status des Bundesverfassungsgerichts. In: Bundesverfassungsgericht (Hg.), Das Bundesverfassungsgericht, Karlsruhe 1971, S. 31–58.
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Lembcke, Oliver W., Autorität der Verfassungsgerichtsbarkeit – eine Skizze in vergleichender Absicht, in: Boulanger, Christian/Wrase, Michael (Hg.), Politik des Verfassungsrechts. Interdisziplinäre und vergleichende Perspektiven auf die Rolle und Funktion von Verfassungsgerichten, Baden-Baden 2013, S. 34–62.
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Wild, Michael, BVerfGE 2, 79 – Wiederbewaffnung III. Das BVerfG und „Hohe Politik“ – Streit um das „letzte Wort“ im politischen System der Bundesrepublik. In: Menzel, Jörg/Müller-Terpitz, Ralf (Hg.), Verfassungsrechtsprechung. Ausgewählte Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts in Retrospektive, 3. Aufl., Tübingen 2017, S. 70–74.
Zehner, Günther, Der Fernsehstreit vor dem Bundesverfassungsgericht. Eine Dokumentation des Prozeßmaterials, 2 Bde., Karlsruhe 1964.
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Lembcke, O.W. (2023). Das Bundesverfassungsgericht und die Regierung Adenauer – vom Streit um den Status zur Anerkennung der Autorität. In: van Ooyen, R.C., Möllers, M.H. (eds) Handbuch Bundesverfassungsgericht im politischen System. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-37532-4_15-1
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