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Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland

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Handbuch Kulturpolitik
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Zusammenfassung

Die Geschichte der Kulturpolitik in der BRD teilt sich in zwei Abschnitte: in die Zeit vor und nach der Propagierung der „Neuen Kulturpolitik“ bzw. der „Kulturpolitik als Gesellschaftspolitik“, um die Mitte der 1970er-Jahre. Einführend wird auf die begriffliche Besonderheit der „Kultusministerien“ eingegangen, mit denen die Ressorts der staatlichen Kulturpolitik zunächst überwiegend bezeichnet wurden. Daraus leitet sich die Verquickung von Bildungspolitik, Kulturpflege und Repräsentation ab, die die erste Phase geprägt hat und am traditionellen Wertekanon bürgerlicher Kultiviertheit orientiert ist. In ausdrücklicher Abgrenzung dazu wird in den 1970er-Jahren unter dem Motto „Kultur für alle“ eine Kulturpolitik gefordert und dann auch sehr weitgehend praktisch durchgesetzt, die auf die Teilnahme aller Gesellschaftsschichten am kulturellen Leben im Sinne eines „weiten Kulturbegriffs“ abzielt.

Gemeint ist hier nur die „alte“, westdeutsche Bundesrepublik von ihrer Gründung am 23. Mai 1949 bis zur staatlichen Wiedervereinigung mit der DDR am 3. Oktober 1990. Mit den Entwicklungen seither differenziert sich das Bild erheblich. Siehe dazu die Beiträge in diesem Band zur Kulturpolitik in der DDR (Wolf) und im Vereinigten Deutschland (Wolf und Heinicke). Auch die kurzen Perioden vom Ende des Krieges bis zu den Staatsgründungen 1949 sollten gesondert behandelt werden.

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Notes

  1. 1.

    Die Errichtung des Neben- oder Untergremiums der „Konferenz der Kulturminister“ seit dem 1. Januar 2019 lässt diese Tradition grundsätzlich unberührt, soll aber der Tatsache Rechnung tragen, dass inzwischen das Feld der „Kultur im weiteren Sinne“ als Gegenstand staatlicher Politik an Gewicht und damit auch an Selbstständigkeit gegenüber den Bereichen des Schul- und Bildungswesens sowie der Wissenschaften gewonnen hat. Diese jüngere Entwicklung ist aber nicht mehr Gegenstand dieser Ausführungen (https://www.kmk.org/aktuelles/kulturminister-konferenz.html, Zugriff: 25.05.2022).

  2. 2.

    Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland, Artikel 30, 70, 71, 72.

  3. 3.

    Noch 1987 führen acht Bundesländer (Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Schleswig-Holstein, Saarland) den Begriff des „Kultus“ in der Bezeichnung des Ressorts (Wahl 1987, S. 240–292).

  4. 4.

    Abelein schreibt diese Diagnose 1968 fort, wenn auch in etwas weniger dramatischer – und weniger verräterischer – Wendung: größte Mangel der Kultur- und Bildungspolitik in der Bundesrepublik bestünde im „Fehlen einer Bildungsidee für die verschiedenen Institutionen. Nur aus einer solchen grundlegenden Idee ließen sich sinnvolle einzelne Maßnahmen ableiten, die zu einer grundlegenden, zusammenhängenden und sinnvollen Reform führen könnten, die mehr wäre, als ein Herumkurieren an Symptomen“ (Abelein 1968, S. 235).

  5. 5.

    Eben dieser Gerhard Ritter veranlasste den damaligen Bundeaußenminister Gerhard Schröder (CDU) durch mehrere Briefe im Januar 1964, die – bereits bewilligte – Förderung des Auswärtigen Amtes für eine Vortragsreise zurückzuziehen, zu der das Goethe-Institut den Historiker Fritz Fischer in die USA eingeladen hatte. Dieser hatte in seinem Werk „Der Griff nach der Weltmacht“ dem Deutschen Reich eine Hauptschuld am Ausbruch des Ersten Weltkrieges zugeschrieben, was von Ritter skandalisiert wurde; Ritter nannte es „verheerend“ und ein „nationales Unglück“, dass Fischer mit seinen Thesen als „Repräsentant der deutschen Geschichtswissenschaft auftrete“ (Conze et al. 2010, S. 583–586, hier: S. 586).

  6. 6.

    Dokumentiert zum Beispiel in dem Versuch, 1960/61 einen zweiten Fernsehkanal unter Kontrolle der Regierung zu etablieren, Brenner 2013; Trommler et al. 1983, S. 381; Ratzke 1982, S. 333–337 und S. 485–488.

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Fülle, H. (2023). Kulturpolitik in der Bundesrepublik Deutschland. In: Crückeberg, J., Heinicke, J., Kalbhenn, J., Landau-Donnelly, F., Lohbeck, K., Mohr, H. (eds) Handbuch Kulturpolitik. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-34381-1_13-1

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