Zusammenfassung
Der Begriff der sozialen Ordnung gehört neben sozialem Handeln und sozialem Wandel zu den soziologischen Grundbegriffen. Der Beitrag macht zunächst deutlich, warum das so ist. Anschließend wird gezeigt, welche unterschiedlichen soziologischen Paradigmen sich aus dem Begriff der sozialen Ordnung ergeben. Auf dieser Grundlage kann nach der Zeitlichkeit sozialer Ordnungen gefragt und untersucht werden, wie vergangene Ordnungen in der Gegenwart handlungsrelevant werden. Abschließend wird der Zusammenhang von sozialem Gedächtnis, der Geschichtlichkeit sozialer Ordnung und deren Legitimation erörtert.
Notes
- 1.
Für Schütz steht nicht nur der subjektiv gemeinte Sinn im Mittelpunkt soziologischen Interesses, sondern auch der von ihm so genannte „objektive“ Sinn, d. h. der von anderen interpretierte Sinn einer Handlung (vgl. Schütz 2004, S. 115 ff.; 429 ff.). Dieser einer Handlung von anderen zugeschriebene Sinn wird ihr nach Schütz auf der Grundlage eines in der Vergangenheit erworbenen Wissensvorrates zugeschrieben, d. h. die Grundlage der Deutung in der Gegenwart ist das früher erworbene Wissen.
- 2.
Ich gehe im Folgenden nur auf zeitliche Aspekte von sozialer Ordnung ein. Zur Raumdimension sei an dieser Stelle kurz angemerkt, dass hier ein wesentlicher Vorzug des Begriffs der sozialen Ordnung gegenüber dem Gesellschaftsbegriff liegt: Mit Gesellschaft wird bis in die Gegenwart oft ein nationalstaatlich begrenzter Raum verbunden, während der Begriff der sozialen Ordnung indifferent gegen diese Art von räumlichem Bezug ist.
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Weyand, J. (2022). Soziale Ordnung. In: Berek, M., et al. Handbuch Sozialwissenschaftliche Gedächtnisforschung. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-26593-9_4-1
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