Zusammenfassung
Der politische Extremismus (E.) ist dadurch gekennzeichnet, dass er den demokratischen Verfassungsstaat ablehnt oder ihn einschränken will – die demokratische Komponente und/oder die konstitutionelle. Alle Varianten des E. stehen demzufolge im Kern mit der Pluralität der Interessen, der Gewaltenteilung oder/und den Menschenrechten auf Kriegsfuß. E. basiert auf der Identitätstheorie der → Demokratie, auf Freund-Feind-Stereotypen, auf einem hohen Maß an ideologischem Dogmatismus und in der Regel auf einem Missionsbewusstsein: Wer vom Glauben an ein objektiv erkennbares und vorgegebenes Gemeinwohl beseelt ist und sich im Besitz vermeintlich objektiver Gesetzmäßigkeiten wähnt, kann die Legitimität unterschiedlicher Meinungen und Interessen schwerlich dulden. Meistens ist auch die Akzeptanz von Verschwörungstheorien für extremistische Bestrebungen charakteristisch: Der eigene Misserfolg wird mit der Manipulation durch finstere Mächte erklärt. Der Begriff E. ist für antidemokratische Ideologien und Bewegungen besser geeignet – weil weniger konnotativ vorbelastet – als der des Radikalismus, welcher in der BRDtl. bis Mitte der 1978er-Jahre weite Verbreitung gefunden hatte und heute teilweise immer noch synonym gebraucht wird. Es gibt mit Blick auf Organisation, Ideologie und Strategie schwach und stark ausgeprägten E. Käme der E. an die Macht, schaffte er den demokratischen Verfassungsstaat ab oder schränkte wesentliche seiner Prinzipien ein.
This is a preview of subscription content, log in via an institution.
Literatur
Ackermann, Jan, et al. 2015. Metamorphosen des Extremismusbegriffes. Diskursanalytische Untersuchungen zur Dynamik einer funktionalen Unzulänglichkeit. Wiesbaden: Springer VS.
Backes, Uwe, und Eckhard Jesse. 2006. Vergleichende Extremismusforschung. Baden-Baden: Nomos.
Backes, Uwe et al. 1989 ff. Jahrbuch Extremismus & Demokratie. Bonn (bis 1994)/Baden-Baden (seit 1995): Bouvier/Nomos.
Brandstetter, Mark. 2013. Die NPD unter Udo Voigt. Organisation, Ideologie, Strategie. Baden-Baden: Nomos.
Fuhrmann, Maximilian. 2019. Antiextremismus und wehrhafte Demokratie. Kritik am politischen Selbstverständnis der Bundesrepublik Deutschland. Baden-Baden: Nomos.
Flemming, Lars. 2005. Das NPD-Verbotsverfahren. Vom „Aufstand der Anständigen“ zum „Aufstand der Unfähigen“. Baden-Baden: Nomos.
Gerlach, Julia 2012. Die Vereinsverbotspraxis der streitbaren Demokratie. Verbieten oder Nicht-Verbieten. Baden-Baden: Nomos.
Jesse, Eckhard, und Tom Mannewitz, Hrsg. 2018. Extremismusforschung. Handbuch für Wissenschaft und Praxis. Baden-Baden: Nomos.
Meier, Horst, et al. 2017. Das zweite Verbotsverfahren gegen die NPD. Analyse, Prozessreportage, Urteilskritik. Berlin: Duncker & Humbolt.
Pfahl-Traughber, Armin, Hrsg. 2008 ff. Jahrbuch für Extremismus- und Terrorismusforschung. Brühl: Hochschule des Bundes für öffentliche Verwaltung.
Verfassungsschutzbericht 2018, Hrsg. 2019. vom Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat. Berlin.
Author information
Authors and Affiliations
Corresponding author
Editor information
Editors and Affiliations
Rights and permissions
Copyright information
© 2020 Springer Fachmedien Wiesbaden GmbH, ein Teil von Springer Nature
About this entry
Cite this entry
Jesse, E. (2020). Extremismus. In: Andersen, U., Bogumil, J., Marschall, S., Woyke, W. (eds) Handwörterbuch des politischen Systems der Bundesrepublik Deutschland. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-23670-0_45-1
Download citation
DOI: https://doi.org/10.1007/978-3-658-23670-0_45-1
Received:
Accepted:
Published:
Publisher Name: Springer VS, Wiesbaden
Print ISBN: 978-3-658-23670-0
Online ISBN: 978-3-658-23670-0
eBook Packages: Springer Referenz Sozialwissenschaften und Recht