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Medienkonstellationen zeitgenössischer Musik- und Klangkunstformen

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Zusammenfassung

Die Musik des 20. Jahrhunderts ist von dem Medienwandel geprägt, der mit der Erfindung der Tonträger und ihrer Begleitmedien im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts einsetzt. Mit diesem Wandel geht der Prozess einer medialen Ausdifferenzierung der Musik einher, der sich nicht allein in der Überschreitung der künstlerischen und musikalischen Gattungsgrenzen manifestiert, sondern darüber hinaus in der Erweiterung der Darbietungsformen. In dem Beitrag werden anhand vieler Beispiele Fragestellungen zur Mediensituation der musikalischen Gegenwartskultur diskutiert. Dabei wird die ästhetische Perspektive der Integration medialen Materials in den künstlerischen Prozess thematisiert. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf der Diskussion möglicher „Verbreitungsdefizite“ und „Verbreitungsmöglichkeiten“ neuer zeitgenössischer Musik- und Klangkunstformen.

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Notes

  1. 1.

    Von wann an es sinnvoll ist, von der Notenschrift als dem musikalischen Leitmedium zu sprechen, ist strittig. Anna Maria Busse Berger konnte überzeugend darlegen, dass die Musikkultur des Mittelalters noch in hohem Maß von der Mündlichkeit geprägt ist, auch wenn bereits schriftliche Quellen vorliegen (Busse Berger 2005). Der Übergang von der Mündlichkeit zur Schriftlichkeit stellt sich aus dieser Sicht als langwieriger, komplexer Prozess dar.

  2. 2.

    Die Frage nach dem medialen Status von Schrift und (gesprochener) Stimme ist zwar der Anlass für eine der fruchtbarsten Diskussionen der Medienwissenschaft, die zu kontroversen Positionen führte. (vgl. z. B. Derrida 1972 und de Kerckhove 1995). Über die Differenz von gesprochenem Wort und musikalischer Aufführung sind sich jedoch alle Theoretiker einig.

  3. 3.

    Vergleichbar wäre die schriftliche Niederlegung von Theaterstücken, die ebenfalls eine Aufführung ermöglichen. Hier ist allerdings die innere Ausdifferenzierung selbst nicht in der Weise dynamisiert wie in der Musik, weil in der Dichtung die Grundlage des Sprachcodes nicht in der Weise modifiziert wird wie in der musikalischen Entwicklung.

  4. 4.

    Was nicht ausschließt, dass die Musik auf Tonträgern auch zu ganz anderen, gegebenenfalls entgegen gesetzten Zwecken eingesetzt werden kann.

  5. 5.

    Im Falle Nonos zeigt sich darüber hinaus eine weitere „mediale Bruchstelle“: Was die räumlichen Komponenten betrifft, sind Nonos Angaben in den Partituren recht ungenau, so dass sich eine zweite orale Praxis herausgebildet hat, in der Interpreten, die mit dem Komponisten zusammengearbeitet haben, ihre Kenntnisse mündlich an nachfolgende Interpretengenerationen weitergeben. Dieser Sachverhalt stellt eine Herausforderung für die Herausgeber der Gesamtausgabe dar. Für „Das atmende Klarsein“ existiert neben der Partitur eine DVD mit Angaben für die Realisation des Stückes.

  6. 6.

    vgl. die CD: KAIROS 0012562KAI.

  7. 7.

    zur Wellenfeldsynthese vgl. http://www.kgw.tu-berlin.de/baalman/

  8. 8.

    Helmut Oehring, „Weit auseinander liegende Tage“, Symphonieorchester des BBAYERISCHEN RUNDFUNKS, Leitung: Martin Brabbins, Ingo Metzmacher, Filme: Peider A. Defilla, WERGO NZ 61.

  9. 9.

    Für die Musikwissenschaft ergeben sich aus dieser Situation vielfältige, neue Forschungsfragen. Welche Rolle etwa die verwendeten Medien für die ästhetische Verortung der künstlerischen Arbeiten spielen, lässt sich nicht leicht klären. Rolf Großmann hat bereits zu Recht wiederholt darauf hingewiesen, dass die bloße Benennung eines medialen Settings keinerlei zwingende ästhetische Zuordnung zulässt. Werden die Reproduktionsmedien in die Aufführungspraxis integriert, also „wie Instrumente“ benutzt, dann stellt sich zudem die Frage, ob diese Praxis eine Modifikation der traditionellen Systematik der Musikinstrumente erfordert (vgl. Großmann 2010).

  10. 10.

    Der Titel des Werks ergibt sich aus dem Begriff „Harpsichord“ (Cembalo), bei dem die Vokale weggelassen wurden.

  11. 11.

    vgl. die LP: H-71224-A.

  12. 12.

    Important Records.com (PO Box 1281), Newburyport, MA 01950, USA).

  13. 13.

    Wie etwa in der Reihe „Consecutio temporum I-VI“, in der sie geschichtsträchtige Orte wie z. B. das Alte Kurhaus Kleve, in dem sich ein ehemaliges Atelier Beuys befindet, die ehemalige Akademie der Künste Ost-Berlin, den Paco Imperial in Rio de Janeiro oder das Eastern State Penitentiary Philadelphia klangkünstlerisch bearbeitet (vgl. dazu Kubisch 1996).

  14. 14.

    jörg-niehage@online.de, Ottostr.12, 60329 Frankfurt am Main.

  15. 15.

    http://mugi.hfmt.hamburg.de

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Saxer, M. (2018). Medienkonstellationen zeitgenössischer Musik- und Klangkunstformen. In: Schramm, H. (eds) Handbuch Musik und Medien. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-21943-7_16-1

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