Zusammenfassung
Dieser Beitrag betrachtet Rituale als konstitutive Elemente des Familienlebens, indem er kultur- und sozialanthropologische Positionen mit familiensoziologischen Überlegungen verbindet und diese auf empirische Untersuchungen bezieht. Nach einer ritualtheoretischen Einleitung werden nacheinander drei wesentliche Aspekte des rituellen Handlungsvollzugs erläutert: Rituale sind zugleich symbolische Inszenierungen, körperliche Aufführungen und performative Machtpraktiken, wobei das Zusammenspiel dieser Faktoren die symbolische und soziale Wirksamkeit von Ritualen bestimmt. Dabei wird allmählich ein Spektrum an Familienritualen aufgefächert, das graduelle Unterscheidungen hinsichtlich der Merkmale ritueller Praktiken erlaubt. Davon ausgehend, werden am Ende offene Fragen und Forschungsdesiderate aufgezeigt.
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Literatur zum Weiterlesen
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Audehm, K. (2020). Familienrituale. In: Ecarius, J., Schierbaum, A. (eds) Handbuch Familie. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-19416-1_57-1
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