Zusammenfassung
Patienten sind Menschen in Ausnahmesituationen. In diesem Kapitel geht es darum, wie sie sich zusammen mit ihren Unterstützern organisiert haben, wie und warum ihre Organisationen an der Gestaltung des Gesundheitssystems beteiligt sind und wie sich diese Beteiligung in Zukunft weiterentwickeln könnte. Warum ist das wichtig? Weil „der Patient idealtypisch im Mittelpunkt des für ihn unterhaltenen Gesundheitswesens steht“ und „sich durch sein Kranksein in einer Position der Schwäche und Abhängigkeit befindet und daher eines besonderen Schutzes bedarf“ (Sachverständigenrat 1992, S. 105). An dieser Aufgabe – Patienten sowohl zu schützen als auch zu stärken und unterstützen – sollten alle, die in diesem Gesundheitswesen tätig sind, mitwirken.
Demokratie heißt: Das Volk regiert. Genauer: die Mehrheit des Volkes. Minderheiten haben es oft schwer, Gehör zu finden. Sie müssen sich das Verständnis für ihre Anliegen nicht selten mühsam erkämpfen. Auch Patienten sind eine solche Minderheit – sie werden jedoch neuerdings ausdrücklich aufgefordert, sich an der Gestaltung des Gesundheitssystems zu beteiligen. Das skizziert der einleitende erste Teil.
Sich zu organisieren, ist für Patienten ungleich schwieriger als für andere gesellschaftliche Gruppen. Denn Patientin sind wir alle – mehr oder weniger häufig im Leben (und auch Patient; der männliche Vertreter ist hier immer mitgemeint). Davon handelt der zweite Teil dieses Beitrags.
Trotzdem haben sich Patienten zusammengeschlossen. Ihre wichtigsten Organisationen sind sogar im Sozialgesetz bzw. einer eigenen „Patientenbeteiligungsverordnung“ genannt und mit besonderen Beteiligungsrechten ausgestattet. Darum geht es im dritten Teil.
Im vierten Teil wird dargestellt, an welchen gesellschaftlichen Prozessen und Entscheidungen Patientenorganisationen beteiligt sind – sowohl durch Gesetz oder Richtlinie als auch auf freiwilliger Grundlage; sowohl auf Bundesebene als auch in den Ländern.
Im fünften Teil wird die Frage gestellt, ob es gegenwärtig angebracht wäre, Patientenvertretern in all den Gremien, in denen sie inzwischen Sitz haben, auch Stimme zu geben, also ob sie nicht nur rede- und antrags-, sondern auch abstimmungsberechtigt sein sollten.
Dank für Anregungen und Korrekturen gebührt Dr. Martin Danner von der BAG Selbsthilfe, Gregor Bornes von der BAG Patientenstellen und Jürgen Matzat von der DAG Selbsthilfegruppen.
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Kranich, C. (2018). Patientenorganisationen: Geschichte, Systematik, Perspektiven. In: Thielscher, C. (eds) Handbuch Medizinökonomie I. Springer Reference Wirtschaft . Springer Gabler, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-17975-5_27-1
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Patientenorganisationen: Geschichte, Systematik, Perspektiven- Published:
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