1 Die Grundlagen des E-Marketplace

Der E-Marketplace steht allgemein als Begriff für die marktliche Organisation des elektronischen Handels von Produkten bzw. Dienstleistungen durch einen Marktplatzbetreiber über digitale Netzwerke (Kollmann 2001b). Damit erfolgt eine Integration innovativer Informations- und Kommunikationstechnologien zur Unterstützung bzw. Abwicklung von operativen, taktischen und strategischen Aufgaben im Handels- bzw. Marktbereich. Während reale Marktplätze durch örtliche Gegebenheiten (z. B. Messe oder Wochenmarkt) gekennzeichnet sind, setzen elektronische Marktplätze als virtuelle Plattformen auf die digitale Vernetzung der Marktteilnehmer. Jeder dieser Teilnehmer kann auf elektronischem Wege von jedem beliebigen Punkt im Datennetz einen beliebigen E-Marketplace „betreten“ (z. B. per Mausklick am heimischen Computer), ohne sich real zu einem bestimmten Ort begeben zu müssen. Dieser nicht-reale Zutritt kann dabei zu jedem Zeitpunkt erfolgen (7 Tage die Woche/24 Stunden am Tag/365 Tage im Jahr), da elektronische Marktplätze eine permanent vorhandene und durchgehend geöffnete Einrichtung darstellen. Anbieter und Nachfrager treffen sich somit nicht mehr persönlich zur Abwicklung einer Transaktion, sondern treten über digitale Datenwege im Internet unter einer spezifischen Adresse (marktplatz-name.de) in Kontakt. Unter dem Begriff des E-Marketplace wird somit „ein konkreter aber nicht-realer Ort der Zusammenkunft von nur über vernetzte elektronische Datenleitungen miteinander verbundenen Anbietern und Nachfragern zum Zwecke der Durchführung von wirtschaftlichen Transaktionen verstanden, wobei diese von realen Restriktionen losgelöste Durchführung indirekt und unter Hinzunahme einer übergeordneten marktlichen Instanz (Marktplatzbetreiber) vollzogen wird, die die Transaktionsanfragen aktiv koordiniert“ (Kollmann 2001a, S. 39).

Man kann also vereinfacht sagen, dass ein E-Marketplace der virtuelle Handelsraum eines Marktplatzbetreibers ist, den Anbieter und Nachfrager digital betreten können. Die Grundidee des elektronischen Handelsplatzes ist also gerade darin zu sehen, dass die Koordination von marktrelevanten Abläufen zwischen einem Anbieter (Unternehmen/Privatperson) und einem Nachfrager (Unternehmen/Privatperson) über die mit Hilfe des Internets vernetzten Computer und den damit einhergehenden Rahmenbedingungen des elektronischen Informationsaustausches abgewickelt werden (s. Abb. 1). Der elektronische Handel über einen E-Marketplace unterscheidet sich vom realen marktplatzorientierten Handel in zwei wesentlichen Faktoren (Kollmann 2000): Die Rahmenbedingungen der virtuellen Marktplatzkoordination ermöglichen gerade einen uneingeschränkten Handel ohne physische Restriktionen. Während reale Marktplätze örtlichen (z. B. Teilnahme an einer Messe) und zeitlichen Begrenzungen (z. B. Wochenmarkt) unterliegen, da sie einen physischen Kontakt zwischen Anbietern und Nachfragern erfordern, werden diese geografisch-kalendarischen Raum-Zeit-Restriktionen im elektronischen Handel ausgeräumt. Anbieter und Nachfrager brauchen nicht mehr in einen direkten persönlichen Kontakt zu treten, vielmehr können sie digitale Daten über die weltweiten Kommunikationsnetze von jedem Ort aus und zu jeder Zeit über die E-Marketplace-Plattform austauschen. Ferner gehen die Möglichkeiten des Marktplatzbetreibers aufgrund der elektronischen Informationsverarbeitung weit über die eines realen Marktanbieters (z. B. Messegesellschaft) hinaus. Während ein realer Marktplatzbetreiber lediglich den Handelsraum zur Verfügung stellt und den Teilnehmern damit einen Überblick zu einem bestimmten Themenfeld verschafft, kann der E-Marketplace-Betreiber aktiv in das Marktgeschehen eingreifen. Er sammelt dabei Angebote und Gesuche in seiner Datenbank und ordnet diese nach einem bestimmten Koordinationsmechanismus (sog. Matching) zu (Kollmann 2005). Diese aktive Vermittlungsleistung zwischen Angebot und Nachfrage wird als unternehmerisches Produkt offeriert. Er bietet den Marktteilnehmern somit nicht nur einen Überblick zu einem Themenfeld, sondern übernimmt aktiv die konkrete Vermittlung von Angebot und Nachfrage und bietet somit Unterstützung bei jeder einzelnen Transaktion.

Abb. 1
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Die Grundidee des E-Marketplace

Hintergrund für die Zunahme des Einsatzes elektronischer Informationstechnologien im Handelsbereich und damit Kerntreiber für den E-Marketplace waren zahlreiche Probleme im realen Handel, die mit Hilfe der elektronischen Informationsverarbeitung gelöst werden sollten. Zu diesen Problemen gehören insbesondere die folgenden Aspekte:

  • Kapazitätsbegrenzungen: Im realen Handel sind die Handelsflächen eines Marktplatzes begrenzt, da die zur Verfügung stehende Handelsfläche durch räumliche Gegebenheiten und Abgrenzungen bestimmt ist. Mit Rücksicht auf die limitierte Handelsfläche muss der Marktplatzbetreiber sich für eine Auswahl an Objekten entscheiden, die er auf seinem Marktplatz (z. B. Messehallen) zum Handel zulässt und hat u. U. nicht die Möglichkeit, jedem Anbieter zu ermöglichen, die gesamte Objektpalette seines Sortiments den Nachfragern angemessen zu präsentieren.

  • Vermittlungsrestriktionen: In der Regel stellen Marktplatzbetreiber lediglich den Handelsraum zur Verfügung. Die Vermittlungsaufgabe im realen Handel konzentriert sich somit darauf, den Kunden einen Überblick über Handelspartner und -objekte zu verschaffen, ohne dass jedoch auf den individuellen Transaktionswunsch eingegangen wird. Eine konkrete Vermittlungsleistung für das einzelne Transaktionsobjekt wird dabei nicht geboten.

  • Marktintransparenz: Aufgrund der vielen Akteure auf der Anbieter- und Nachfragerseite und dem daraus resultierenden unübersichtlichen Gesamtmarkt ist es für den Einzelnen nicht oder nur unter sehr hohen (Opportunitäts-)Kosten möglich, sich eine Marktübersicht zu verschaffen. Dies unterminiert einen effektiven Preiswettbewerb unter konkurrierenden Anbietern, was die Nachfrager dazu zwingt, Transaktionen auf einem hohen Preisniveau zu tätigen.

  • Koordinationsineffizienzen: Einem Anbieter ist es in der Regel nicht möglich zu allen potenziellen Nachfragern direkte Beziehungen zu unterhalten. Im umgekehrten Fall ist es für den Nachfrager ebenso schwierig, alle Anbieter zu identifizieren und zu kontaktieren. Darüber hinaus kann der Nachfrager nicht von jedem Anbieter selbst einzeln ein Angebot einholen und prüfen. Dies müsste er allerdings, um sicherzustellen, dass er den bestmöglichen Preis erhält. Im Ergebnis kann kein idealer Transaktionspartner gefunden werden und es kommt entweder zu gar keinem Leistungsaustausch oder es müssen weniger bedarfsgerechte Objekte gekauft werden.

Bezüglich dieser Problemfelder soll ein E-Marketplace eine deutliche Verbesserung darstellen. Um dies zu erreichen, müssen jedoch spezifische Anforderungen bezüglich der fünf Bausteine „Systeme“, „Prozesse“, „Management“, „Marketing“ und „Implementierung“ erfüllt werden, auf die im Folgenden eingegangen wird.

2 Die Systeme beim elektronischen Handel

Die Systemebene im elektronischen Handel unterstützt jegliche Prozesse, die mit der elektronischen Koordination von Produkten und Dienstleistungen zusammenhängen. Die zentrale Herausforderung ist dabei zunächst die technische Anbindung der Anbieter und Nachfrager, der Aufbau von Handelskatalogen und die multimediale Darstellung von elektronischen Koordinationsprozessen für die Anbieter bzw. Nachfrager, damit diese das Vermittlungsangebot im digitalen Handelsraum nachvollziehen können. Die technische Basis eines E-Marketplace ist damit unmittelbar ausschlaggebend für den nachhaltigen Erfolg. Damit der gesamte Marktprozess und somit die Zusammenführung von Angebot und Nachfrage über das Internet abgewickelt werden kann, muss das Marktplatz-System spezifische Anforderungen erfüllen und eine Reihe von Funktionen bereitstellen, die in der Regel auf verschiedene Systemkomponenten aufgeteilt sind. Von der vorliegenden Marktsituation ausgehend gilt es, die für die Realisierung des E-Marketplace benötigten funktionalen Komponenten zu identifizieren und Entscheidungen hinsichtlich ihrer Beschaffung bzw. Implementierung zu treffen. Die resultierende Systemarchitektur beschreibt den zugehörigen Aufbau der Hard- und Software sowie das Zusammenspiel des Marketplace-Systems mit bereits bestehenden Informationssystemen auf Seiten der Marktplatzteilnehmer. Zusammenfassend ergeben sich auf der Systemebene im elektronischen Handel folgende Fragen, die die Lernziele dieses Kapitels darstellen:

  • Welche Anforderungen an die zugrunde liegenden Systemlösungen bringen elektronische Koordinationsprozesse mit sich?

  • Welche Methoden zum Betrieb eines E-Marketplace-Systems können grundsätzlich unterschieden werden?

  • Über welche Basisfunktionen sollte ein E-Marketplace generell verfügen?

  • Wie können die technischen Komponenten eines E-Marketplace-Systems beschrieben werden und wie interagieren diese miteinander?

  • Wie gestaltet sich der Datenaustausch zwischen Marktplatzsystem und den bereits existierenden Informationssystemen auf Seiten der Anbieter und Nachfrager?

3 Die Systemanforderungen beim elektronischen Handel

Auf einem E-Marketplace werden in der Regel das Angebot mehrerer Anbieter und die Anfragen mehrerer Nachfrager unter einer einheitlichen Benutzeroberfläche zusammengefasst präsentiert. Im Gegensatz zu E-Procurement-Plattformen werden Bedarfe auf elektronischen Marktplätzen somit nicht nur von dem betreibenden Großunternehmen generiert, sondern es finden sich mehrere Nachfrager auf einer Handelsplattform ein. Anders als bei E-Shop-Systemen existieren auf einem elektronischen Marktplatz darüber hinaus mehrere Anbieter. Generell kann eine Online-Koordination dabei nur dann stattfinden, wenn der Anbieter ein oder mehrere seiner Produkte in eine vom Marktplatz betreute anbieterübergreifende Datenbank einbringen und der Nachfrager die gewünschten Produkte in diesem Katalog entsprechend suchen, betrachten, verhandeln und letztendlich kaufen bzw. bestellen kann. Dieses Kernprinzip beeinflusst dann auch direkt die mehrdimensionalen Systemanforderungen (s. Abb. 2). Auf der einen Seite muss das technische Marktplatzsystem alle vom Anbieter benötigten Handelskomponenten beinhalten (z. B. Produkteinstellung und -verwaltung, Kontakt- und Kommunikationstools, Auftragsbestätigung, Handelsdaten usw.). Auf der anderen Seite muss das technische Marktplatzsystem aber auch alle vom Nachfrager benötigten Handelskomponenten beinhalten (z. B. Produktsuche und -auswahl, Preis- und Produktinformationen, Kontakt- und Kommunikationstools, Bestell- bzw. Lieferbestätigung usw.). Daneben gibt es aber auch aus Sicht des Marktplatzbetreibers zusätzliche Anforderungen an das technische Marktplatzsystem. Hierzu zählen insbesondere übergreifende Anforderungen an die Abwicklung der Koordination zwischen Anbieter und Nachfrager wie z. B. Aspekte aus den Bereichen Sicherheit, Bezahlung und Logistik.

Abb. 2
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Die mehrdimensionalen Systemanforderungen an einen E-Marketplace. (Quelle: in Anlehnung an Rayport und Jaworski 2002, S. 374)

Erste übergreifende Systemanforderungen im elektronischen Handel ergeben sich aus den allgemeinen Qualitätsmerkmalen internetbasierter Software, wie sie bereits auf der Systemebene des elektronischen Verkaufs erläutert wurden. Besondere Anforderungen stellen E-Marketplaces dabei vor allem an die Sicherheit: So ist bei einer Online-Auktion zum einen die Verfügbarkeit der Plattform von entscheidender Bedeutung. Eine Nichterreichbarkeit in der Endphase von Online-Auktionen führt zwangsläufig zu einer suboptimalen Vermittlung, da nicht alle (potenziellen) Bieter die Möglichkeit wahrnehmen konnten, ein Gebot abzugeben. Zum anderen werden beim Handel von Produkten sensible Daten wie bspw. Preisinformationen oder Abteilungsbudgets ausgetauscht.

Die Marktplatzsoftware muss gewährleisten, dass Informationen nur für diejenigen Marktplatzteilnehmer zugänglich sind, für die sie bestimmt sind. SSL-Verschlüsselung, Sicherheitszertifikate, Passwortschutz und Firewalls sind insofern unabdingbare Elemente eines Marktplatzsystems (Otto et al. 2000, S. 78).Vor allem die Umsetzung benutzerfreundlicher Koordinationsprozesse bzw. die Implementierung der entsprechenden elektronischen Informations-, Kommunikations- und Transaktionsprozesse bringt jedoch eine ganze Reihe noch spezifischer Anforderungen mit sich, auf die im Folgenden näher eingegangen wird.

3.1 Online-Systemschnittstellen

Der Aufbau elektronischer Marktplätze bringt das Problem mit sich, dass das Füllen der Datenbank mit produktbezogenen Daten aufwendig und teuer ist. Insbesondere in Fällen, in denen das Produktspektrum eines Anbieters nicht nur wenige zu vermittelnde Handelsobjekte, sondern mehrere tausend (eventuell niedrigpreisige) Produkte umfasst, steht eine manuelle und damit kostenintensive Katalogpflege in keinem Verhältnis zu dem über den Marktplatz erzielbaren elektronischen Vermittlungsergebnis. Vor diesem Hintergrund müssen insbesondere B2B- und B2C-Marktplätze ihren Lieferanten entsprechende Online-Systemschnittstellen anbieten, über die die Übermittlung der entsprechenden Produktdaten weitgehend automatisiert abgewickelt werden kann. B2B-Marktplätze, die mit nachfragerseitigen E-Procurement-Systemen gekoppelt sind, müssen darüber hinaus zusätzliche Systemschnittstellen anbieten, über die die entsprechenden Buy-Side-Lösungen über Round Trip oder Punch Out-Verfahren aktuelle Kataloginhalte abrufen können. Zudem können angebotsbezogene Objektdaten wie Verfügbarkeit, Lieferzeit oder Standort auf der einen Seite sowie die konkrete Nachfrage auf der anderen Marktseite nur auf diese Weise automatisiert auf einem aktuellen Stand gehalten werden.

Um für alle potenziellen Anbieter und Nachfrager nutzbar zu sein, muss ein Marktplatz also gerade eine „technische Offenheit“ besitzen. Im Vordergrund steht das Ziel, möglichst vielen Teilnehmern die Partizipation zu ermöglichen. Kennzeichnend für E-Marketplaces ist die Verwendung von E-Business-Standards und die daraus resultierende hohe Flexibilität in der Interaktion mit den verschiedenen Akteuren in der Digitalen Wirtschaft (Abrams 2002; Arndt 2002, S. 245 ff.). Ähnlich wie ein einkaufendes Unternehmen im E-Procurement muss der Marktplatzbetreiber klären, auf welchen Wegen Produktdaten automatisiert in die Datenbank eingepflegt werden können und welche Schnittstellen zu Geschäftsanwendungen der Marktplatzteilnehmer standardmäßig unterstützt werden sollten. Elektronische Marktplätze können ihre Vorteile nur dann richtig ausspielen, wenn es ihnen gelingt, die bestehenden Informationssysteme der Marktteilnehmer in den Online-Koordinationsprozess zu integrieren (Kollmann 2001a).

Vor diesem Hintergrund stellt die Integrationsfähigkeit eine wesentliche Anforderung an eine technische Marktplatz-Lösung dar. Dabei geht es nicht nur darum, dass verschiedene Systeme miteinander kommunizieren müssen, sondern vor allem auch um die Forderung, unternehmensübergreifende Geschäftsprozesse miteinander zu verbinden. Die Integrationsfähigkeit einer Marktplatzsoftware äußert sich in drei Bereichen (Otto et al. 2000, S. 78):

  • Systemseitige Integration: Die Marktplatzsoftware muss eine Anbindung von ERP-Systemen, Warenwirtschaftssystemen, E-Procurement-Systemen und externen Katalogsystemen unterstützen. Die bilaterale Ausrichtung des E-Marketplace zwischen den beiden Marktparteien erhöht dabei die Komplexität, da die Systeme von Anbietern und Nachfragern gleichermaßen integriert werden müssen. Die Integration der Informationssysteme der Marktsubjekte ist eine vielschichtige und schwierige Aufgabe, da nicht alle Kundensysteme über die gleichen Schnittstellen zur Anbindung verfügen. Selbst innerhalb eines Unternehmens ist in der Regel keine homogene Systemlandschaft anzutreffen, vielmehr existieren mehrere verschiedene und möglicherweise interdependente Systeme, die mitunter nicht auf allgemein anerkannten Standards basieren, sondern proprietäre Individuallösungen darstellen.

  • Prozessbezogene Integration: Die Marktplatzsoftware muss eine reibungslose Verknüpfung von Prozessen gewährleisten, so z. B. hinsichtlich der Übermittlung von Bestellungen, Lieferscheinen oder Rechnungen. Workflows, die den Fluss von Geschäftsdokumenten innerhalb einer Organisation regeln, müssen auf elektronischen Marktplätzen (analog zu elektronischen Beschaffungsprozessen) über die Unternehmensgrenzen hinaus ausgedehnt werden. Nur durch eine unternehmensübergreifende Verknüpfung der Wertschöpfungsketten können die Rationalisierungs- und Effizienzsteigerungspotenziale, die mit dem E-Marketplace intendiert sind, optimal ausgeschöpft werden (Schwickert und Pfeiffer 2000).

  • Informationstechnische Integration: Beim Austausch von Produktdaten und beim Durchführen von Transaktionen müssen verschiedene Formate und Protokolle unterstützt werden. Dies begründet sich in erster Linie darin, dass eine nachfrager- bzw. anbieterseitige Reorganisation der Datenhaltung mit einem enormen Kosten- und Zeitaufwand verbunden ist. Als unternehmensexterner Intermediär kann der Marktplatzbetreiber die Reorganisation der Datenhaltung bzw. die Substitution vorhandener Altsysteme durch Lösungen mit aktuellen Standards oder gar marktplatzspezifischen Schnittstellen nicht durchsetzen. Es ist also der E-Marketplace, der seine Schnittstellen möglichst offen gestalten muss, um möglichst viele Kunden erreichen zu können.

Im Sinne der informationstechnischen Integration hängt das Funktionieren elektronischer Marktplätze von der Verfügbarkeit bzw. dem Einsatz von Standards ab. Damit Informationen mit den Marktteilnehmern problemlos ausgetauscht werden können, müssen sich auch die an einen Marktplatz angeschlossenen Systeme an formale Vorgaben halten; Inhalte sind also stets in einem einheitlichen Format oder einer bestimmten Syntax zu übersenden. Je vollständiger es gelingt, Informationen über Angebot und Nachfrage in einer einheitlichen Formalsprache über kompatible Schnittstellen zu vermitteln, desto besser ist die Unterstützung hinsichtlich einer vollständigen Abbildung des Koordinationsprozesses (Zemanek 1992, S. 72 ff.). Eine besondere Rolle spielen in diesem Zusammenhang Standards zur Produktklassifikation sowie Katalogaustauschformate, deren Rolle im Folgenden näher erläutert werden soll.

3.2 Online-Produktklassifikation

Bei der Erstellung der anbieterübergreifenden Datenbank gilt es, die Suchfunktionalität zu berücksichtigen, die dem Kunden auf dem Marktplatz geboten werden soll. Dabei besteht die Möglichkeit, dass jeder Anbieter seine Produktdaten gemäß einer eigenen Produktklassifizierung und in seinem eigenen Format einstellt. In diesem Fall muss der Nachfrager bei der Suche nach einem bestimmten Produkt jeden Katalog separat durchsuchen. Werden allerdings die Produktklassifizierung und die Katalogaustauschformate harmonisiert, kann dem Kunden eine anbieterunabhängige Produktsuche geboten werden. Der Nachfrager nimmt das Produktangebot als einen einzigen Multilieferantenkatalog (MSPC) wahr, obwohl es sich aus verschiedenen Produktdatenquellen zusammensetzt.

Die Erstellung eines MSPC erfordert in einem ersten Schritt insbesondere die Konsolidierung der Produktdaten verschiedener Anbieter zu einer einheitlichen Metastruktur. Vergleichbare Produkte verschiedener Anbieter werden innerhalb des MSPC dazu mit Hilfe eines Produktklassifizierungssystems in eine Klassenhierarchie eingeordnet. Die resultierende Klassenstruktur ist anbieterneutral und bildet die Schnittmenge der proprietären Klassifizierungsmodelle der einzelnen Anbieter (s. Abb. 3). Eine leistungsfähige Artikelklassifizierung beeinflusst direkt die Akzeptanz des elektronischen Marktplatzes beim Kunden (Otto und Beckmann 2001, S. 351). Vor dem Aufbau eines proprietären Produktklassifizierungssystems sollte der Marktplatzbetreiber vorhandene Systematiken wie eCl@ss oder UN/SPSC anhand definierter Merkmale evaluieren. Dabei können zur Beschreibung von Klassifizierungssystemen für Produktdaten folgende Merkmale identifiziert werden (Otto und Beckmann 2001, S. 352):

  • Hierarchieebenen: Klassifizierungssysteme verfügen meist über eine baumartige, hierarchische Struktur. Am Ende eines Pfades befindet sich eine Artikelklasse (s. Abb. 3). Je größer die Zahl der Hierarchieebenen, desto feiner ist eine einzelne Klasse bestimmt. Dabei gilt die Forderung, dass sich eine Klasse dadurch auszeichnet, dass sie sich in mindestens einem Merkmal von jeder anderen Klasse unterscheidet. Wie in einer Verzeichnisstruktur bieten die Hierarchieebenen dem Kunden die Möglichkeit, Suchanfragen selbstständig durch Produktgruppen und Artikelklassen zu verfeinern.

  • Merkmalsystem: Neben einer einheitlichen Klassenstruktur zur Systematisierung der Artikel muss ein Produktklassifikationssystem zudem über ein einheitliches System zur Beschreibung der Artikel verfügen. Dabei wird meist zwischen Basismerkmalen und Standardmerkmalen unterschieden, um die Einteilung in kaufmännische und technische Stammdaten zu berücksichtigen. Basismerkmale sind kaufmännische Stammdaten und für jeden Artikel innerhalb des Klassifizierungssystems gleich, diese beschreiben die Grundeigenschaften aller Artikel. Zu ihnen gehören z. B. ein Beschreibungstext sowie die European Article Number (EAN). Standardmerkmale hingegen sind technische Stammdaten, die innerhalb einer Artikelklasse in ihrer Zusammenstellung eindeutig sind, z. B. das Merkmal „Strichdicke“ bei einem Stift.

  • Branchenbezogenheit: Produktklassifikationssysteme unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit für verschiedene Branchen. Bestimmte Klassifizierungssysteme sind speziell auf die Anforderungen einer einzelnen Branche zugeschnitten, andere wiederum versuchen, einen möglichst breiten, branchenübergreifenden Nutzerkreis anzusprechen.

  • Geographische Ausrichtung: Klassifizierungssysteme unterscheiden sich in ihrer internationalen Einsetzbarkeit, weil sie durch die Aufteilung ihrer Klassen oder die Struktur ihrer Merkmalsleisten oft auf ein bestimmtes Land bzw. eine bestimmte Region zugeschnitten sind.

  • Funktionale Ausrichtung: Einige Produktklassifikationssysteme sind für einen bestimmten funktionalen Betriebsbereich konzipiert. Klassifikationssysteme, die speziell für den elektronischen Einkauf entwickelt wurden, versuchen z. B. die in ERP-Systemen gängige Warengruppensystematik zu übernehmen.

    Abb. 3
    figure 3

    Klassenstruktur von eCl@ss für die Online-Produktklassifikation. (Quelle: Otto und Beckmann 2001, S. 354)

3.3 Online-Katalogaustausch

Durch die Verwendung eines lieferantenneutralen, einheitlichen Klassifikationssystems kann dem Nachfrager auf einem E-Marketplace also ein Mehrwert geschaffen werden, weil er so in einem einzigen Datenbestand nach Produkten unterschiedlicher Anbieter suchen kann. Ein herstellerübergreifender Ansatz ist zudem Ausdruck der Neutralität des Intermediärs. Neben der einheitlichen Klassifikation muss jedoch auch ein Vorgehen für den Online-Katalogaustausch der Produktdaten gefunden werden. Dies muss es den Anbietern ermöglichen, ihre Produktdaten konform mit der geforderten Struktur zur Verfügung zu stellen, sowie eine Schnittstelle zwischen den Systemen der Kunden und dem elektronischen Marktplatz definieren, die einen möglichst automatisierten Austausch der Artikeldaten zulässt. Dies ist für die Akzeptanz elektronischer Markplätze insofern von Bedeutung, als dass die Teilnahmebereitschaft der Anbieter und Nachfrager von dem daraus resultierenden Aufwand abhängt (Otto und Beckmann 2001, S. 354).

Die Nutzung einheitlicher Katalogaustauschformate ist für den effizienten Marktplatzbetrieb aus zwei Gründen unabdingbar: Erstens kann der Marktplatzbetreiber nur dann Produktdaten mit minimalem Aufwand in die eigene Datenbank überführen, wenn ihm die Daten in einem definierten Format zur Verfügung gestellt werden. Liefert jeder Lieferant die Produktdaten in einem proprietären Format, wird der Aufwand zur Konsolidierung und Rationalisierung der Produktdaten zu groß. Zweitens ist die Existenz eines Standards für den Austausch von Produktdaten für die Anbieter bedeutsam, die ihre Produktdaten oft nicht nur einem Marktplatz, sondern mehreren verschiedenen Plattformen zur Verfügung stellen. Wenn jeder Marktplatzbetreiber ein eigenes Format verlangt, werden die Mehrwerte einer Marktplatzteilnahme durch die Komplexität der Datenbereitstellung entscheidend reduziert (Otto und Beckmann 2001, S. 354). Für Nachfrager, die die Katalogdaten im Rahmen eigener E-Procurement-Anwendungen weiterverarbeiten möchten, gilt dies analog. Zur Beschreibung von Katalogdatenaustauschformaten identifizieren Otto und Beckmann (2001, S. 351) fünf Merkmale:

  • E-Business-Eignung: Da elektronische Marktplätze nur über das Internet zugänglich sind, sollte deren Systemarchitektur auf die Anforderungen des Internets zugeschnitten sein. Aus diesem Grund sollte das verwendete Übertragungsformat für Produktkatalogdaten die üblichen Anforderungen des E-Business erfüllen. Hierzu gehören ein Datenformat auf Basis von XML sowie die Übertragung von Multimediadaten. Multimediale Inhalte setzen die Unterstützung von MIME (Multipurpose Internet Mail Extensions) voraus, einem Kodierstandard, der es ermöglicht, zwischen Sender und Empfänger Informationen über den Typ der übermittelten Daten auszutauschen (z. B. ASCII-Textdaten oder JPEG-Bilddaten) und gleichzeitig eine für den verwendeten Übertragungsweg sichere Kodierung (z. B. base64 für die Binärdaten eines JPEG-Bildes) festzulegen. Darüber hinaus sollte das Katalogformat von gängigen ERP-Systemen lesbar und erzeugbar sein, da die Artikelstammdaten gewerblicher Anbieter üblicherweise in deren ERP- bzw. Warenwirtschaftssystemen verwaltet werden.

  • Kompatibilität zu Klassifizierungsstandards: Die Übertragung von Produktkatalogdaten kann nicht losgelöst von den verwendeten Klassifizierungsstandards betrachtet werden. Zur Berücksichtigung des Produktklassifikationssystems stehen zwei Möglichkeiten zur Verfügung: Entweder das Klassifikationssystem wird im Modell für Katalogdatenbereiche einschließlich seines Merkmalssystems als Teil des Katalogdokuments übertragen. Die zweite Alternative setzt voraus, dass das Klassifizierungssystem sowohl auf Seiten der Datenquelle (Anbieter) als auch auf Seiten der Datensenke (Marktplatz) eindeutig bekannt ist. In diesem Fall ist es ausreichend, lediglich die Identifikation der jeweiligen Artikelklasse zu übertragen. Die Einordnung in die hierarchische Struktur sowie die Zuordnung der Merkmale zu dem jeweiligen Artikel wird dann nach der Übertragung vorgenommen.

  • Aktualisierungsfähigkeit: Aktualisierungsfähige elektronische Austauschformate machen bei Produkt- oder Preisänderungen nicht die Übertragung des kompletten Katalogs erforderlich, sondern nur die Übertragung derjenigen Daten, die tatsächlich geändert wurden. Dieses Merkmal, oft auch Update-Fähigkeit genannt, reduziert die Menge der diesbezüglich zu übertragenden Daten und senkt den Pflegeaufwand.

  • Internationale Anwendbarkeit: Die internationale Anwendbarkeit des Katalogaustauschformats wird bspw. in der Unterstützung mehrerer Sprachen, der Unterstützung mehrerer Währungen oder der Unterstützung mehrerer Layouts für unterschiedliche Verkaufsregionen zum Ausdruck gebracht.

  • Komplexität der Datentypen: Das Katalogdatenaustauschformat muss unterschiedliche Datentypen übertragen können, so z. B. Einzelwerte, Enumerationswerte und Intervallwerte. Einzelwerte werden bspw. von dem Merkmal „Gewicht“ angenommen. Enumerationswerte hingegen können nur einen bestimmten Wert aus einer genau spezifizierten Menge an möglichen Werten annehmen. So könnte z. B. ein Stift in genau spezifizierten Farben angeboten werden. Von besonderer Relevanz sind darüber hinaus Intervallwerte. Beispielsweise müssen bei bestimmten Artikeln Längenmaße so übertragen werden, dass bei einer Kundenanfrage nach einer Artikellänge von 20 mm ein Artikel gefunden werden muss, der ein Längenmaßintervall von 10 mm bis 30 mm angibt. Daraus folgt, dass die Intervallgrenzen nicht als Zeichenkette, sondern als Zahlenwerte übertragen werden.

Die hier vorgestellten Merkmale können sowohl Lieferanten als auch Marktplatzbetreibern dabei behilflich sein, ein für ihren Anwendungszweck geeignetes Katalogaustauschformat zu wählen. Die strukturelle Komplexität des einem spezifischen E-Marketplace zugrunde liegenden Produktkataloges hängt letztendlich jedoch nicht nur von dessen Format, sondern auch von dessen Spezifikation und seinen eigentlichen Inhalten ab. Je nach Zielsetzung und Zielgruppen des Marktplatzes gestalten sich der entstehende Multilieferantenkatalog und damit auch dessen Pflege mehr oder weniger komplex. Basierend auf dem Modell für Katalogdatenbereiche fasst Abb. 4 die zentralen Faktoren, die die Katalogkomplexität letztendlich beeinflussen, nochmals anschaulich zusammen.

Abb. 4
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Strukturelle Komplexität von elektronischen Produktkatalogen. (Quelle: in Anlehnung an Leukel 2004, S. 23 ff.)

3.4 Online-Katalogmanagement

Im heutigen, von multimedialen Inhalten geprägten Web gehen die auf Marktplatz-Plattformen präsentierten Anbieter- und Produktdaten weit über rein textuelle Beschreibungen hinaus. Hochwertiger Content setzt sich heutzutage aus einer Reihe von integrierten visuellen und ggf. auditiven Elementen zusammen, so z. B. Text, Ton und (Bewegt-)Bild (Gerst 2002, S. 61 f.). Dabei werden nicht nur direkte Objekteigenschaften, sondern auch verschiedene indirekte, produktbezogene Informationen bereitgestellt, so z. B. bezüglich Serviceleistungen, logistischen Informationen oder neutralen Produktbeurteilungen. Das marktplatzorientierte Online-Katalogmanagement und die darin enthaltende Content-Betrachtung stellen somit einen der kritischen Erfolgsfaktoren dar.

Dabei kommt es keineswegs nur darauf an, auf dem E-Marketplace möglichst viele Daten vieler Anbieter bereitzustellen. Vielmehr muss der Marktplatzbetreiber den „Spagat“ schaffen, einerseits eine einheitliche Darstellung der angebotenen Objekte zu gewährleisten, um den Nachfragern einen möglichst objektiven und benutzerfreundlichen Überblick über die Angebote zu bieten, andererseits den Anbietern aber auch die Möglichkeit bieten, ihre Offerten umfassend und zu den anderen Anbietern differenziert darzustellen (Ewers und Longwitz 2002, S. 77). Die Aufgabe des Marktplatzbetreibers, einen neutralen Überblick zu geben, entwickelt sich vor diesem Hintergrund zu einem komplexen Problem. Nur diejenigen Produkte, die über gleich oder zumindest ähnlich strukturierte Produktbeschreibungen verfügen, können effizient miteinander verglichen werden. Je präziser ein Produkt mit den für eine bestimmte Branche wichtigen Kerncharakteristika beschrieben ist, desto leichter können Nachfrager eine adäquate Objekt-und Anbieterauswahl treffen. Wenngleich sich aus Anbietersicht über gut beschriebenen Content enorme Potenziale zur Differenzierung gegenüber dem Wettbewerb eröffnen, erweist es sich für den Marktplatzbetreiber in der Praxis oftmals als schwierig, von den Anbietern qualitativ hochwertigen Content zu bekommen. Die Gründe für eine fehlende Contentqualität sind vielfältig (Ewers und Longwitz 2002, S. 80):

  • Die Daten entstammen verschiedenen, sehr heterogenen Datenquellen. Dies kann sogar dann der Fall sein, wenn es sich um Daten desselben Anbieters handelt, wobei die gelieferten Formate von den beim Anbieter eingesetzten Informationssystemen abhängen.

  • Die Daten zeichnen sich durch einen geringen Standardisierungsgrad, Unvollständigkeit und viele Abkürzungen aus. Die Datensätze sind gekennzeichnet durch synonyme bzw. homonyme Bezeichnungen (für dasselbe Produkt werden verschiedene Begriffe verwendet bzw. ein Begriff steht stellvertretend für mehrere verschiedene Produkte).

  • Unvollständige oder gar fehlerhafte Datensätze zu identifizieren und zu verbessern ist für die Anbieter ein kosten- und zeitaufwendiger Prozess.

  • Oft enthalten die Datensätze nicht-produktrelevante Daten, die eine marketinggerechte Darstellung in elektronischen Produktkatalogen erschweren.

  • Die Anbieter liefern ihre Produktdaten in verschiedenen Datenformaten, die nicht auf den E-Business-Standards basieren und zudem proprietär sind (z. B. Excel-Tabellen, Word-Dokumente, CSV-Dateien, PDF-Dokumente oder SQL-Statements), die zunächst in eine Form zu übertragen sind, die alle anderen Systeme verarbeiten können.

Ist ein Anbieter nicht in der Lage, seine Produktinformationen in einem vom Marktplatzbetreiber vorgegebenen Format zur Verfügung zu stellen, kommt auf den Marktplatzbetreiber in Abhängigkeit seiner Wettbewerbsposition im Rahmen des Online-Katalogmanagements also die Aufgabe zu, die heterogenen Datenformate trotz mangelhafter Form der Informationsvermittlung zusammenzuführen.

3.5 Online-Koordination

Die vom Katalogaustauschformat unterstützen Datentypen sowie das auf diesen aufbauende Vokabular zur Definition einzelner Datenelemente bilden die Grundlage des (in der Regel XML-basierten) Katalogdokuments und weiterer für einen effizienten Online-Katalogaustausch benötigter Dokumente (z. B. für die Aktualisierung und Anforderung von Katalogen). Zu denen für einen E-Marketplace im Rahmen der Online-Koordination relevanten Geschäftsdokumenten gehören aber auch Preis- und Verfügbarkeitsabfragen sowie die für das letztendliche Zustandekommen einer Transaktion notwendigen Gebote und Gebotsbestätigungen bzw. Bestellungen und Bestellbestätigungen. Auch hier hat sich XML inzwischen als Standardsyntax zur Interaktion durchgesetzt (Thome et al. 2005, S. 86 ff.). Auf den Geschäftsdokumenten aufbauend wiederum gilt es, Prozessreihenfolge und Prozesslogiken des Austausches der Geschäftsdokumente festzulegen. Wie bei den Katalogaustauschformaten bietet es sich auch für die Definition transaktionsbezogener Geschäftsdokumente bzw. der damit zusammenhängenden elektronischen Prozesse an, die Transaktions- bzw. Prozessstandards hinsichtlich ihrer Eignung für das angestrebte Marktplatzsystem zu evaluieren.

Abb. 5 zeigt ein für die Gestaltung der Online-Koordination anwendbares Schichtenmodell, das die für die Marktplatzkoordination nötigen Datentypen, Elementtypen, Dokumente und Prozesse in einen logischen Zusammenhang bringt. Die Framework-Schicht dieses Schichtenmodells hat dabei die Aufgabe, jene Festlegungen für die Durchführung der Online-Koordination zu treffen, die nicht fachliche, sondern primär technische Fragestellungen betreffen. Die Framework-Schicht sollte dabei weitgehend unabhängig von den zu übertragenden Inhalten und der Geschäftslogik sein und lediglich unterstützende Dienste anbieten. Zu nennen sind an dieser Stelle grundlegende Protokolle und Standards wie HTTP, SSL, SQL sowie Web-Service-Technologien. Diese sind für die Kommunikation der beteiligten Informationssysteme relevant, betreffen allerdings nicht die für einen E-Marketplace spezifische Geschäftslogik.

Abb. 5
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Schichtenmodell zur Standardisierung der Online-Koordination. (Quelle: in Anlehnung an Leukel 2004, S. 83 ff.)

Ein weiterer Aspekt im Hinblick auf die Online-Koordination ist die benutzerfreundliche und intuitive Menüführung, die zu den Mindestanforderungen gehört, die seitens der Marktteilnehmer an den E-Marketplace bestehen. In Form einer leichten Bedienbarkeit der Marktplatz-Funktionalität wird durch den Marktplatzbetreiber eine hohe Nutzungswirksamkeit sichergestellt (Kollmann 2001a, S. 112). Durch die Gewährleistung der Einfachheit der Kommunikation wird ein möglichst günstiges Verhältnis zwischen dem Aufwand zum Erlernen des Systems und dem Ergebnis einer Nutzung erzielt. Nur durch eine intuitive und benutzerfreundliche Menüführung auf der Plattform können Nachfrager ihre Kaufentscheidungen wesentlich schneller und effizienter treffen und dadurch Prozesskosten nachhaltig senken.

Vor diesem Hintergrund muss der Marktplatzbetreiber gewährleisten, dass sich die Nutzer auf dem Marktplatz bestmöglich und schnell orientieren können. Dabei sieht sich der Marktplatzbetreiber aufgrund seiner bilateralen Ausrichtung auf die beiden Marktparteien (Anbieter und Nachfrager) einer besonderen Problematik ausgesetzt: So existiert in der Praxis über die Marktplatz-Website ein gemeinsamer Zugang für Anbieter und Nachfrager. In der Regel interessiert sich jedoch jedes Marktsubjekt, das den Marktplatz betritt, entweder nur für das Einstellen eines Angebots (Anbieter) oder für die Artikulation eines Gesuchs (Nachfrager). Bei der Gestaltung der Plattform muss der Marktplatzbetreiber beiden Aktivitäten gleichermaßen gerecht werden und somit beiden Marktparteien einen leichten Zugang und eine einfache Nutzung ermöglichen. Damit ein optimales Vermittlungsergebnis erzielt werden kann, muss der Marktplatzbetreiber gewährleisten, dass die Anbieter ihre Offerten auf dem E-Marketplace wie gewünscht einstellen können und die Nachfrager alle relevanten Angebote finden und miteinander vergleichen können. Sowohl Anbieter und Nachfrager müssen die benötigten Daten unkompliziert und ggf. durch auf die Aufgabe zugeschnittene Hilfefunktionen unterstützt eingeben können. In einer differenzierteren Sichtweise sollten den Anbietern entsprechende Einstellformulare zur Verfügung gestellt werden, während für die Nachfrager die Eingabe von Suchkriterien sowie die Navigation innerhalb der Hierarchie des elektronischen Kataloges möglichst transparent gestaltet werden sollte.

4 Die Systemlösungen beim elektronischen Handel

Im Hinblick auf mögliche Systemlösungen können in Abhängigkeit von der Ausgestaltung der elektronischen Vermittlungs- bzw. Koordinationsleistung grundsätzlich zwei Arten von E-Marketplaces unterschieden werden: vertikale und horizontale Marktplätze (s. Abb. 6). Diese Bezeichnungen haben sich – ohne einen historischen Definitionshintergrund – in der Praxis allgemein durchgesetzt.

Abb. 6
figure 6

Die Unterschiede zwischen vertikalen und horizontalen E-Marketplaces. (Quelle: in Anlehnung an Simon 2000, S. 29)

Vertikale Marktplätze fokussieren dabei eine ganz bestimmte geschlossene Nutzergruppe (z. B. Mitglieder einer Branche oder Industrie). Sämtliche Funktionen des E-Marketplace sind voll auf diese Nutzergruppe zugeschnitten, sodass eine spezifische, meistens nach bekannten Regeln (z. B. Lieferkonditionen) ablaufende Zusammenführung von Angebot und Nachfrage branchenintern erfolgt (Kollmann 2000, S. 816). Im Zentrum der vertikalen Marktplätze steht deshalb die Identifikation und Lösung gruppen- oder branchenspezifischer Probleme, wozu eine spezifische Kenntnis der Sachprobleme unabdingbar ist (Simon 2000, S. 26). Vertikale Marktplätze sollen dabei alle Stufen der Wertschöpfungskette dieser Nutzergruppe mit elektronischen Serviceleistungen abdecken und somit entsprechend in die Tiefe gehen (s. Abb. 6). Vertikale Marktplätze entstehen in der Regel nur in stark fragmentierten Branchen, auf denen Anbieter und Nachfrager sonst nur unter Inkaufnahme sehr hoher Transaktionskosten in Verbindung treten können. Das Entstehen von vertikalen B2B-Marktplätzen ist zusätzlich darauf zurückzuführen, dass die Unternehmen mit starken Schwankungen in ihrer Kapazitätsauslastung konfrontiert sind, sodass durch die Vermarktung der überschüssigen Kapazitäten eine deutliche Verbesserung der Gewinnsituation herbei geführt werden kann (Kollmann 2001a, S. 83). Die Dienste der vertikalen Marktplatzbetreiber sind auf die Lösung dieser speziellen Unternehmensprobleme ausgerichtet.

Im Rahmen von ausgewählten Beispielen für vertikale Marktplätze kann Newtron (newtron.net) genannt werden. Dabei handelt es sich um einen vertikalen E-Marketplace für den Maschinen- und Anlagenbau. Der B2B-Marktplatz dient als zentrale Schaltstelle zwischen Herstellern und Zulieferern im Maschinen- und Anlagenbau und verbindet dabei über 50.000 registrierte Lieferanten mit ihren Kunden. Weitere Beispiele in Europa und den USA sind verschiedene Börsen, auf denen die Transportkapazitäten der ansonsten leer fahrenden LKW vermittelt werden (z. B. teleroute.com). Für die Straßengüterverkehrsunternehmen (Anbieter) besteht der Vorteil der Inanspruchnahme der Vermittlungsleistung darin, dass der Leerfahrtenanteil reduziert und zusätzliche Einnahmen generiert werden können. Für den Nachfrager besteht der Vorteil darin, dass seine Güter kostengünstiger transportiert werden, da der Transporteur in der Regel erhebliche Abschläge von dem offiziellen Transportpreis gewährt. Weitere wichtige vertikale B2B-Marktplätze sind sowohl im Ausland als auch in der Bundesrepublik Deutschland vor allem für die Bereiche Chemie/Pharmazie, Stahl und Lebensmittelhandel entstanden.

Die auf vertikalen Marktplätzen angebotenen Vermittlungsdienste werden vom Marktplatzbetreiber häufig um zusätzliche spezifische Informationsangebote erweitert. Derartige Informationen reichen von weitergehenden Transaktionsinformationen über technische Spezifikationen, bis hin zu den in einschlägigen Fachzeitschriften abgedruckten Inhalten. Durch diese Zusatzleistungen werden der Informationsstand sowie die Markttransparenz für die Teilnehmer insgesamt verbessert und die Nachfrageentscheidung unterstützt. Da die Vertrautheit des Marktplatzbetreibers mit den gruppen- bzw. branchenspezifischen Besonderheiten eine unbedingte Voraussetzung für den Markterfolg darstellt, entwickeln sich vertikale Marktplätze gelegentlich auch aus vertikalen Portalen (Berlecon 2000, S. 9 f.). Zusammenfassend betrachtet, werden unter vertikalen E-Marketplaces die Handelsplattformen verstanden, die die gesamte Wertschöpfungskette einer meist geschlossenen Nutzergruppe abdecken und die für die jeweilige Branche spezifische Handelslösungen anbieten (Kollmann 2001a, S. 83).

Horizontale Marktplätze konzentrieren sich dagegen nicht auf die Bedürfnisse einer bestimmten Nutzergruppe bzw. Branche, sondern auf bestimmte Produktgruppen (z. B. Büromaterial oder Computerhardware) oder bestimmte Funktionen und Prozesse, denen in bestimmten Branchen ein hoher Stellenwert zukommt (z. B. Beschaffungswesen). Alle Funktionen auf dem horizontalen E-Marketplace sind hier voll auf die Vermittlung dieser Objekte bzw. auf den spezifischen Prozess zugeschnitten, sodass eine eher branchenübergreifende Zusammenführung von Angebot und Nachfrage erfolgt. Horizontale Marktplätze richten sich dabei auf eine bestimmte Stufe in der Wertschöpfungskette (Kaufakt) aus, an der aber möglichst viele Mitglieder aus unterschiedlichen Branchen teilnehmen sollen (Kollmann 2000, S. 818). Damit geht die elektronische Serviceleistung eher in die Breite. Folglich handelt es sich bei den Teilnehmern auf horizontalen Marktplätzen um einen offenen Nutzerkreis, wenngleich für die Anbieter und Nachfrager zumeist aber eine Registrierung obligatorisch ist (Simon 2000, S. 26).

Im Rahmen von Beispielen für horizontale Marktplätze kann zunächst der deutsche B2B-Marktplatz resale.de genannt werden. Der E-Marketplace handelt mit gebrauchten Maschinen und Anlagen aller Art und verbindet dabei über 16.000 Unternehmen aus den verschiedensten Branchen und mittlerweile insgesamt 132 Ländern. Pro Monat besuchen etwa 600.000 potenzielle Anbieter und Nachfrager den E-Marketplace. Die Basis der B2B-Plattform bildet ein Online-Catalog-System. Der E-Marketplace resale.de bietet den Teilnehmern auf Wunsch ebenfalls die Möglichkeit, Online-Auction-Prozesse durchzuführen. Weitere Beispiele für horizontale Marktplätze in Europa und den USA sind insbesondere E-Procurement-Marktplätze, auf denen die industrielle Beschaffung organisiert wird (z. B. mercateo.com). Das Beschaffungswesen ist nämlich der Prozess in Unternehmen, der mittels horizontaler B2B-Marktplätzen am häufigsten vereinfacht und automatisiert wird (Amor 2004, S. 133 f.). Da Unternehmen einen kontinuierlichen Bedarf an Ersatzteilen, Verbrauchsgütern und Büroartikeln haben, bildet gerade die Beschaffung dieser sog. C-Artikel einen Schwerpunkt der Vermittlungsaktivitäten (Berlecon 2000, S. 10). Da das Beschaffungswesen in den Unternehmen höchst unterschiedlich organisiert ist, muss sich der Betreiber eines horizontalen Marktplatzes eine genaue Kenntnis des Beschaffungsvorgangs aneignen, um ein optimales Vermittlungsergebnis erzielen zu können. Einen besonders hohen Mehrwert können horizontale Marktplatzbetreiber für ihre Kunden dann generieren, wenn möglichst viele Funktionen des Beschaffungsprozess übernommen werden. So entsteht z. B. ein Großteil der Kosten bei der Beschaffung von Büromaterial dadurch, dass der Bedarf jedes einzelnen Sachbearbeiters geprüft und zu einer Gesamtbestellung eines Unternehmens bei einem bestimmten Lieferanten zusammengefasst wird, bevor die Bestellung an die den Lieferanten versendet wird. Die Kosten eines derartigen Bestellvorgangs können von einem horizontalen Vermittler z. B. dadurch gemindert werden, dass er die Bedarfsprüfung bei jedem Bestellvorgang übernimmt. Durch die zusätzliche Möglichkeit der zeitlich direkten Bestellung eines Sachbearbeiters bei einem Lieferanten über den Intermediär kann zudem auf die Aggregation der in der Regel zeitlich versetzt anfallenden Einzelbedarfe zu einer Gesamtbestellung verzichtet werden, wodurch die Gesamtbeschaffungszeit reduziert wird und die benötigten Objekte schneller verfügbar sind.

Diese Potenziale sind allerdings nur zu realisieren, wenn dem Marktplatzbetreiber ein tiefer Einblick und Eingriff in Unternehmensinterna gewährt wird, was von vielen kleinen und mittleren Unternehmen aus Wettbewerbsgründen als höchst problematisch angesehen wird. Gerade diese kleinen und mittleren Unternehmen können jedoch durch die Inanspruchnahme eines horizontalen Vermittlers große Einsparungspotenziale realisieren, da sie im Gegensatz zu Großunternehmen aus Kostengründen zumeist nicht in der Lage sind, eigene E-Procurement-Systeme z. B. in Form eines Extranets, d. h. ein Netzwerk zwischen einem Unternehmen und seinen Zulieferanten zum Zwecke der Reduzierung des Beschaffungsaufwandes, aufzubauen (Berlecon 2000, S. 10). Die Betreiber von horizontalen B2B-Marktplätzen sind entweder freie, unabhängige Intermediäre, wie z. B. der Gebrauchtwarenmarktplatz surplex.com oder aber Vermittler, die über einen entsprechenden industriellen Hintergrund verfügen, wie z. B. e2open.com, einer Plattform für die IT-Industrie, die u. a. von IBM, LG Electronics und Hitachi initiiert wurde. Horizontale elektronische Marktplätze sind somit insbesondere Handelsplattformen, die sich auf einen bestimmten Punkt der Wertschöpfungskette für eine offene Nutzergruppe konzentrieren und damit branchenübergreifende Handelslösungen anbieten (Kollmann 2001a, S. 85).

Der aufgezeigte unterschiedliche Hintergrund der Betreiber von horizontalen Marktplätzen führt zu einer weiteren grundsätzlichen Unterscheidung von Systemlösungen bei E-Marketplaces. Der Betrieb eines elektronischen Marktplatzes muss nicht zwangsläufig durch einen neutralen Intermediär erfolgen. Auch einzelne Objekt-Anbieter und/oder Nachfrager können durchaus ein originäres Interesse daran haben, eigene elektronische Marktplätze zu etablieren bzw. den E-Marketplace eines Intermediärs an sich zu binden. Für jede der drei Marktparteien bestehen spezifische Anreize zur Investition in Marktplätze. Auf der Anbieterseite besteht die Aussicht auf eine Gewinnerhöhung, auf der Nachfragerseite zur Nutzenmaximierung und auf der Seite des Intermediärs zur Gewinnerzielung. Ähnlich wie bei den anderen Plattformen des E-Business lassen sich auch die Systemlösungen eines E-Marketplace anhand der Frage differenzieren, wer die resultierenden Geschäftsprozesse durch die Implementierung der Systemlösung ermöglicht. In Abhängigkeit von der Partei, welche die Marktplatzlösung in ihrem System hält bzw. maßgeblichen Einfluss auf das Marktplatzgeschehen ausübt, können zwischen den beiden Extrema „E-Shop“ und „E-Procurement“ insgesamt drei Grundmodelle bzw. Ausprägungen von internetbasierten E-Marketplace-Lösungen unterschieden werden (s. Abb. 7), auf die im Folgenden jeweils detailliert eingegangen werden soll.

Abb. 7
figure 7

Mögliche Systemlösungen für den Betrieb eines E-Marketplace. (Quelle: in Anlehnung an Abrams 2002, S. 33)

4.1 Anbieter-Modell

Bei einem Anbieter-Modell versucht ein bzw. versuchen wenige Anbieter einen E-Marketplace zu betreiben. Hintergrund ist die Tatsache, dass der Abbau von Informationsasymmetrien und die Verringerung der Suchkosten zwei zentrale Motive für die Partizipation von Nachfragern an einem E-Marketplace sind. Die daraus resultierende Anbieter- und Produktpreistransparenz vergrößert den Kostendruck auf die Anbieter und ist somit unvorteilhaft für die Anbieterseite. Die Anbieter werden folglich tendenziell versuchen, die Form und Ausrichtung des E-Marketplace zu ihren Gunsten zu beeinflussen und anstelle von E-Marketplaces mit überwiegender Preisvergleichsfunktion informationsorientierte E-Marketplaces zu gestalten (Bakos 1991, S. 302). Dabei soll insbesondere die Produktdifferenzierung in den Mittelpunkt gestellt werden. Durch die Etablierung eigener E-Marketplaces, die diesem Anbieter-Modell folgen, soll letztendlich auch die Entstehung neutraler oder nachfragerseitige Marketplaces verhindert, resp. ein Gegengewicht zu bereits bestehenden E-Marketplaces geschaffen werden. Über die passive, strategieinduzierte Argumentation hinaus, werden die Anbieter darauf zielen, einen Teil des messbaren Mehrwerts als Betreiberrendite abzuschöpfen (Bakos 1997, S. 1686 f.). Zu diesem Zwecke schließen sich Anbieter zusammen und betreiben gemeinsam einen Marktplatz (s. Abb. 7). Der Betreibergewinn für die einzelnen Anbieter ist dabei abhängig von der Gruppengröße. Je mehr Anbieter sich zusammenschließen, desto geringer fällt der Individualgewinn aus. So entstehen Anreize zur Gestaltung eines individuellen E-Marketplace. Dieses Extremum eines geschlossenen, individuellen E-Marketplaces kann ebenfalls als E-Shop-Lösung bezeichnet werden.

Es ist evident, dass angebotsseitige Marktplätze insbesondere in Märkten mit hoher relativer Marktmacht und -konzentration der Anbieter entstehen. Kann ein einzelner Anbieter keinen E-Marketplace mit ausreichender Reichweite etablieren, sind Zusammenschlüsse von Anbietern noch immer vorteilhafter als die Zwischenschaltung eines unabhängigen Intermediärs mit eigenem Gewinnziel. Da ein neutraler, herstellerunabhängiger Intermediär auf aktuelle Informationen über Produkte, Preise und Konditionen angewiesen ist, haben die Anbieter einen Informationsvorsprung. Aufbauend auf diesem Informationsvorsprung haben kooperierende Anbieter das Potenzial, einen höherwertigen E-Marketplace gestalten zu können, als ein unabhängiger Intermediär.

Durch die Ablehnung der Partizipation an neutralen E-Marketplaces haben die anbietenden Unternehmen bei hoher Marktmacht darüber hinaus die generelle Möglichkeit, die Entwicklung neutraler Marktplatzlösungen ad absurdum zu führen, da auf diesen keine Objekte angeboten werden würden und dadurch kein Handel stattfinden kann. Dieser Verzicht auf die Nutzung zusätzlicher Vertriebskanäle durch Intermediäre ist jedoch vor dem Hintergrund der Potenziale zur Einsparung von Kosten und Zeit sorgfältig zu prüfen. Als Beispiel für ein Anbieter-Modell kann der Online-Reiseservices opodo.de genannt werden. Das Unternehmen stellt im Internet ein breites Spektrum an Reiseleistungen an (s. Abb. 8). Gegründet wurde opodo.de von neun führenden europäischen Fluggesellschaften (Aer Lingus, Alitalia, British Airways, Air France, Austrian Airlines, Finnair, Iberia, KLM und Lufthansa).

Abb. 8
figure 8

Beispiel eines Anbieter-Modells für einen E-Marketplace. (Quelle: http://www.opodo.de)

4.2 Nachfrager-Modell

Bei einem Nachfrager-Modell versucht ein bzw. versuchen wenige Nachfrager einen E-Marketplace zu betreiben. Nachfragerseitige Marktplätze entstehen in der Regel aus ähnlichen Motiven wie anbieterseitige Marktplätze. Die Marktplatzpartei versucht durch die größtmögliche Einflussnahme auf das Handelsgeschehen einen in der Regel geldlichen Vorteil zu erzielen. Die Nachfrager werden folglich tendenziell versuchen, die Form und Ausrichtung des E-Marketplace zu ihren Gunsten zu beeinflussen und tendenziell preisorientierte E-Marketplaces zu konstruieren. Die Nachfrager verfolgen durch die Etablierung eigener Marktplatzlösungen nach dem Nachfrager-Modell das Ziel, den Nutzen zu maximieren und parallel die Kosten zu senken (Bakos 1997, S. 1684). Dabei adressieren sie im Wesentlichen zwei Problembereiche:

  • Fehlender Marktpartner: Wird der ideale Transaktionspartner bspw. aufgrund zu hoher Suchkosten nicht gefunden, kommt entweder gar kein Leistungsaustausch zustande oder es müssen weniger bedarfsgerechte Objekte gekauft werden, was zu erhöhten Qualitäts- und Produktionskosten führen kann. Die forcierte Wahl eines ungeeigneten Transaktionspartners resultiert in einem suboptimalen Nutzen für den Nachfrager.

  • Fehlender Wettbewerb: Informationsasymmetrien bzw. fehlende Markttransparenz unterminieren einen effektiven Preiswettbewerb unter konkurrierenden Anbietern, was die Nachfrager dazu zwingt, Transaktionen auf einem hohen Preisniveau zu tätigen. Der Kauf eines Objektes unter diesen Bedingungen resultiert in einem suboptimalen Preis für den Nachfrager.

In der Regel ist es für die Nachfrager schwieriger, geeignete Anbieter auf sich und ihren Transaktionswunsch aufmerksam zu machen als umgekehrt. Jedoch hat sich in vielen Bereichen ein Wandel von Verkäufer- zu Käufermärkten vollzogen, sodass die Nachfrager stark konzentriert sind oder über eine hohe Marktmacht verfügen (Weller 2000, S. 8 f.). Ein mögliches Beispiel für nachfragerseitige Marktsysteme ist die Nachfragebündelung, bei der sehr viele Nachfrager das gleiche Objekt erwerben möchten und über ein gemeinsam abgegebenes Gesuch aufgrund der dem Anbieter in Aussicht gestellten hohen Absatzmenge einen reduzierten Preis erhalten. Die Extremform nachfragerseitiger Marktplatzlösungen ist der private, geschlossene Nachfragermarktplatz, bei dem in der Regel ein einzelnes Unternehmen seinen Einkauf mit mehreren (potenziellen) Lieferanten elektronisch und ggf. automatisiert durchführt. Diese Lösungen werden ebenfalls als E-Procurement-Systeme bezeichnet (s. Abb. 9). Als Beispiel für ein Nachfrager-Modell kann pharmaplace.de genannt werden. Aus der Reaktion auf steigende Kosten und immer komplexere Versorgungsketten wurde im Jahr 2000 von neun Pharmaunternehmen unter Beteiligung des Bundesverbands der Pharmazeutischen Industrie der nachfragerseitige Marktplatz als eine nutzenorientierte Einkaufsplattform „aus der Branche für die Branche“ gegründet. Die Kombination eines Kooperations- und Marktplatzbereiches ermöglicht den Kunden klare Preisvorteile, eine Entlastung des Einkaufs und einen Know-How-Ausbau.

Abb. 9
figure 9

Beispiel eines Nachfrager-Modells für einen E-Marketplace. (Quelle: http://www.pharmaplace.de)

4.3 Makler-Modell

Bei einem Makler-Modell versucht ein unabhängiger Handelsvermittler den E-Marketplace zu betreiben. Maklerseitige Marktplätze entstehen in der Regel aus polypolistischen Situationen heraus, bei denen sich viele Anbieter und viele Nachfrager ohne eine ausgeprägte Machtstruktur auf einer der beiden Marktseiten gegenüberstehen. Der Makler versucht dabei aus der unabhängigen Vermittlungsleistung die größtmögliche Einflussnahme auf das Handelsgeschehen auszuüben und dadurch einen geldlichen Vorteil zu erzielen. Der Makler wird folglich tendenziell versuchen, die Form und Ausrichtung des E-Marketplace zu seinen Gunsten zu beeinflussen und tendenziell handelsorientierte E-Marketplaces zu konstruieren. Die eigentliche Besonderheit von E-Marketplaces besteht vor diesem Hintergrund in der Rolle des Maklers als zentrale Marktplatzinstanz. Nach Bailey und Bakos (1997) können vereinfacht zwei Arten von Marktplatzbetreibern im Internet unterschieden werden. Marktplätze ohne und mit einem aktiven zentralen Makler bzw. Betreiber für die Abstimmung der wirtschaftlichen Transaktionen:

  • Marktplätze ohne aktiven zentralen Betreiber stellen lediglich den elektronischen Handelsraum zur Verfügung. Es wird nur eine thematische Aufstellung (Links) von potenziellen Handelspartnern und -objekten angeboten, ohne dass jedoch auf den konkreten Transaktionswunsch eingegangen wird. Als Beispiele für Marktplätze ohne einen aktiven Betreiber können die sog. Shopping-Malls oder Markt-Communities (Hagel und Armstrong 1997) angeführt werden, bei denen einem Nachfrager ein Anbieterüberblick zu einem bestimmten Themenfeld gegeben wird. Die Vermittlungsaufgabe des Marktplatzes konzentriert sich darauf, den Marktplatzteilnehmern einen Überblick zu verschaffen. Eine konkrete Vermittlungsleistung für das einzelne Transaktionsobjekt wird hier jedoch nicht geboten (z. B. shopping24.de).

  • Bei Marktplätzen mit einem aktiven zentralen Betreiber greift ein Organisator oder Broker aktiv in das Marktgeschehen ein. Er sammelt Angebote und Gesuche in seiner Datenbank und ordnet diese nach einem bestimmten Koordinationsmechanismus (sog. Matching) zu (Kollmann 2005). Diese aktive Vermittlungsleistung zwischen Angebot und Nachfrage wird als unternehmerisches Produkt offeriert. Als Beispiele für Marktplätze mit einem aktiven zentralen Betreiber können Online-Auktionen (z. B. my-hammer.de) oder auch digitalen Objektbörsen (z. B. immobilienscout24.de) angeführt werden, bei denen Vermittlungsleistungen in Hinblick auf einen ganz bestimmten Gegenstand angeboten werden. Die Vermittlungsaufgabe des Marktplatzbetreibers besteht hier in der konkreten Koordination von Angebot und Nachfrage (Whinston et al. 1997).

Um den Marktteilnehmern also mehr als nur einen Überblick bieten zu können, muss ein aktiver Marktplatzbetreiber im Makler-Modell eine Neutralität und Unabhängigkeit für die konkrete Vermittlung von Angebot und Nachfrage signalisieren. Dabei offeriert der wirtschaftlich selbstständige aktive Marktplatzbetreiber ein Angebot für die Koordination von wirtschaftlichen Transaktionen der Anbieter- und Nachfragerseite an einem bestimmten Ort im Datennetz (Vorgabe einer Daten- bzw. Domainadresse). In Analogie zu einem realen Marktplatz steht der neutrale E-Marketplace-Betreiber nicht in einer eigentumsrechtlichen Beziehung mit den gehandelten Gütern. Die Möglichkeiten der Informationstechnik erlauben es dem Betreiber des E-Marketplace über die Bereitstellung von Handelsraum hinaus, die Rolle einer aktiven Marktleitung zu übernehmen. Während Betreiber realer Marktplätze nur einen anonymen Handelsraum für ein Treffen von Anbieter und Nachfrager zur Verfügung stellen konnten, kann der Betreiber eines E-Marketplace darüber hinaus eine Unterstützung für jede einzelne Transaktion offerieren. Die elektronisch vorhandenen Transaktionsinformationen machen den gesamten Marktplatz für den Betreiber übergreifend transparent und vor allem steuerbar.

Der Marktplatzbetreiber verfolgt dabei ein individuelles Gewinnziel. Er schöpft dazu den für die Anbieter und Nachfrager generierten Mehrwert über diverse Einnahmemodelle ab. Wenngleich dies den Interessen der Anbieter- und Nachfragerseite prinzipiell entgegengerichtet ist, wertschätzen und entlohnen diese Marktparteien den Marktplatzbetreiber für den neu geschaffenen Absatz- und Vertriebskanal (Anbieterseite) sowie für die geschaffene Markttransparenz (Nachfragerseite). Der Nutzen bzw. der Mehrwert, den der Marktplatzbetreiber erzeugt, steigt dabei mit der Anzahl der zu koordinierenden Angebote und Nachfrager, da der Marktplatzbetreiber als Intermediär einen Datenbankabgleich über alle Offerten und Gesuche auf dem E-Marketplace gleichzeitig durchführen kann. Als Spezialist für die Koordination/Vermittlung von Transaktionen kann der unabhängige Marktplatzbetreiber die Intermediationsfunktion zum Teil erheblich besser als anbietende oder nachfragende Marktteilnehmer erfüllen. Durch die neutrale Positionierung zwischen Anbieter- und Nachfragerseite (s. Abb. 7) kann der Marktplatzbetreiber neben der unabhängigen semantischen und qualitativen Prüfung der Informationen die Angebote und Nachfragen glaubhaft objektiv strukturieren und kommentieren. Diese Funktionen können von anbietenden Marktteilnehmern nicht selbst erfüllt werden, da ihnen einerseits die benötigten Informationen von ihren Konkurrenten nicht zur Verfügung stehen und ihnen andererseits die Objektivität beim Produktvergleich abzusprechen ist. Die vollständigen Informationen über den Markt, die Teilnehmer, die Offerten und Gesuche und deren neutrale Verarbeitung und Nutzung sind Kernanforderungen an vermittlerseitige E-Marketplaces. Die Glaubwürdigkeit des Marktplatzbetreibers ist somit ein wichtiger Erfolgsfaktor für den E-Marketplace.

Das Makler-Modell ist im B2B-Bereich hauptsächlich in stark fragmentierten bzw. Nischenmärkten zu beobachten, da in diesem Umfeld die Marktmacht nicht auf wenige große Anbieter oder Nachfrager konzentriert ist, die zusätzlich möglicherweise sogar selbst über genug Ressourcen zum Aufbau eines E-Marketplace verfügen (Weller 2000, S. 9). Im B2C-Handel kommt dem Makler-Modell eine entscheidende Rolle zu, da dort in der Regel große Informationsasymmetrien zwischen Herstellern bzw. Anbietern und den Endkunden herrschen (Clement und Schreiber 2013, S. 213 ff.). In diesem Bereich werden elektronische Marktplätze nahezu ausschließlich von Intermediären induziert, da einerseits die Anbieterseite kein Interesse daran hat, eine größere Markttransparenz zu schaffen, da sie damit einen höheren Wettbewerb fördern würde und andererseits die Endkunden nicht über die benötigten Ressourcen verfügen und zu stark fragmentiert sind, um eigene Marktplätze zu etablieren. Diesem Gedanken weiter folgend ist der C2C-Handel auf neutrale Vermittler sogar grundsätzlich angewiesen. Als Beispiel für ein Makler-Modell kann E-Marketplace für Gebrauchtwagen autoscout24.de genannt werden. Nach eigenen Angaben werden auf diesem E-Marketplace von Privatpersonen sowie gewerblichen Autohändlern über zwei Millionen Gebrauchtwagen gehandelt (s. Abb. 10).

Abb. 10
figure 10

Beispiel eines Makler-Modells für einen E-Marketplace. (Quelle: http://www.autoscout24.de)

5 Die Systemarchitekturen beim elektronischen Handel

Die in der Praxis zu beobachtenden Systemarchitekturen für elektronische Marktplätze sind vielfältig. Allerdings können in einer modularen Sichtweise Komponenten identifiziert werden, die – unabhängig von ihrer konkreten Ausgestaltung – bei der technischen Konzeption eines jeden E-Marketplace zu berücksichtigen sind. Dabei muss sich der Marktplatzbetreiber nicht nur mit internen Faktoren des Marktplatzes auseinandersetzen. Vielmehr ist gerade die Interaktion mit der relevanten Marktumwelt in Form der Anbieter und Nachfrager erfolgskritisch. Die Systemarchitektur hat Einfluss auf die Erweiterbarkeit, Änderbarkeit, Skalierbarkeit und Zuverlässigkeit des Systems sowie die Wiederverwendbarkeit und Austauschbarkeit einzelner Komponenten. Zudem hat die Systemarchitektur je nach Bereitstellung von Schnittstellen einen direkten Einfluss auf die Offenheit des Marktplatzes hinsichtlich der Anbindung von Drittsystemen auf Anbieter- und Nachfragerseite.

5.1 Marktplatz-Komponenten

Auch bei den Marktplatz-Komponenten lassen sich analog zu den benötigten Funktionen eines E-Shop-Systems auch die Funktionalität eines Marktplatzsystems anhand verschiedener Front- und Back-End-Komponenten beschreiben. Anders als bei einem E-Shop lassen sich viele Bestandteile einer E-Marketplace-Plattform allerdings nicht eindeutig der Kunden- oder Betreiberseite zuordnen. Aufgaben im Bereich Content Management bspw. werden je nach Ausgestaltung eines Marktplatzes sowohl vom Marktplatzbetreiber als auch von den einzelnen Anbietern wahrgenommen, sodass an dieser Stelle lediglich eine allgemeine Beschreibung möglicher Funktionen bzw. Komponenten eines Marktplatzsystems vorgenommen werden soll. In Anlehnung an Otto et al. (2000, S. 76 f.) und Sairamesh et al. (2002, S. 245 f.) ergeben sich die folgenden funktionalen Merkmale, die bei der Entwicklung und dem Einsatz eines Marktplatzsystems von besonderer Relevanz sind und in der Regel in einzelne Softwarekomponenten gekapselt sind:

  • Multilieferantenkatalog: Damit die Nachfrager Angebote vergleichen können, ist es erforderlich, dass die Produktdaten (z. B. Preise) verschiedener Anbieter gegenübergestellt werden können. Dazu werden mehrere Kataloge verschiedener Lieferanten zu einem MSPC aggregiert.

  • Auktionsmodul: Die Durchführung von Auktionen kann in zwei Richtungen funktionieren. Einerseits werden Produkte angeboten und meistbietend verkauft, andererseits können auch Produkte nachgefragt werden und günstig eingekauft werden (Reverse Auction).

  • Anbieter-/Nachfragerlisten: Auf der Marktplatzplattform werden Listen zur Verfügung gestellt, in denen der Nachfrager bzw. Anbieter nach Anbietern bzw. Nachfragern des gewünschten Produkts suchen und sich über diese informieren kann.

  • Aggregierte Bestellungen: Der Marktplatz ermöglicht dem Nachfrager, Bestellungen bei verschiedenen Anbietern zu einer einzigen Bestellung zu aggregieren bzw. Artikel verschiedener Anbieter in den Warenkorb aufzunehmen. Analog müssen Bestellbestätigungen von verschiedenen Anbietern gesammelt und an den Nachfrager gesendet werden.

  • Transaktionsunterstützung: Bei erweiterter Funktionalität des Marktplatzes wird neben der reinen Koordination auch die darauf folgende Transaktion (z. B. in Hinblick auf Zahlungsvorgänge) unterstützt. So können Aufträge auf dem Marktplatz bspw. direkt gebucht und abgewickelt werden.

  • Content Management: Entscheidend für den angebotenen Inhalt auf dem Marktplatz ist die Gestaltung der Online-Katalogpflege. Diese kann sowohl in der Verantwortung des Marktplatzbetreibers als auch in der Verantwortung der einzelnen Anbieter liegen.

  • Produktsuche: Nachfrager müssen die Möglichkeit haben, mit Hilfe von parametrischen Suchfunktionen nach den gewünschten Produkten suchen zu können. Dabei kommen Klassifizierungssysteme zum Einsatz, die Produkte in einer einheitlichen Metastruktur zusammenfassen und mit einheitlichen Merkmalen versehen.

  • Verfügbarkeitsprüfung: Hat der Nachfrager sich für ein Produkt entschieden, muss das System ermitteln, ob das gewünschte Produkt verfügbar ist. Dazu muss es in der Regel eine dynamische Anfrage an den Anbieter senden, der diese in Form eines die Verfügbarkeitsinformationen enthaltenen Dokuments beantwortet.

  • Business Rules: Business Rules steuern Geschäftsprozesse, z. B. Genehmigungsworkflows im E-Procurement. Wird ein Auftrag gebucht, so muss das System den Auftrag automatisch an die freigebende Instanz weiterleiten.

  • Benutzerverwaltung: Hier werden sämtliche Daten der Anwender (Anbieter, Nachfrager, Marktplatzbetreiber) verwaltet. Dazu zählen nicht nur die Benutzerprofile an sich, sondern u. a. auch Biet- und Bestellhistorien sowie Einstellungen zur Personalisierung des Angebotes. Jeder Anwender hat dabei die Möglichkeit, Benutzer-Schnittstelle und Inhalt nach seinen eigenen Vorstellungen einzurichten.

  • Zugangskontrollen: Sowohl Kataloginhalte als auch Preis- und Transaktionsdaten stellen sensible Informationen dar. Daher müssen Zugriffsrechte genau regeln, welche Aktionen ein Anbieter bzw. Nachfrager auf der Plattform ausführen darf.

  • Reporting-Funktionen: Insbesondere B2B-Markplätze müssen Algorithmen zur Evaluation von Offerten, Preisen und RFQs anbieten, die die Entscheidungstreffung sowie mögliche Neuverhandlungen unterstützen.

5.2 Server-Komponenten

In Bezug auf die Server-Komponenten kommen bei der Umsetzung der beschriebenen funktionalen Marktplatz-Komponenten analog zu E-Procurement- und E-Shop-Lösungen die System-, Oberflächen- und Programmkomponenten zum Einsatz. Die Oberflächen-Komponenten unterscheiden sich dabei kaum von denen beim E-Shop eingesetzten Internet-Standards. In Hinblick auf die benötigten Programmkomponenten ist auch bei der Implementierung von Marktplatzsystemen der Einsatz serverseitiger Skriptsprachen wie PHP möglich. Im Bereich von Online-Auktionssoftware existiert bspw. eine Vielzahl kommerzieller sowie frei verfügbarer Anwendungen (z. B. enuuk.com oder phpprobid.com). Diese sind allerdings in erster Linie für E-Marketplaces gedacht, die vergleichsweise geringe Anforderungen hinsichtlich der Funktionalität und Performanz mit sich bringen.

Insbesondere B2B-Marktplätze, bei denen der Austausch von komplexen Katalogen und Geschäftsdokumenten im Vordergrund steht, basieren daher auf einer physischen 4-Schichtenarchitektur, bestehend aus Webbrowser, Webserver, Application Server und DBMS, und sind daher meist auf Basis von Hochsprachen wie Java entwickelt (Otto et al. 2000, S. 78). Anbieter von E-Business-Lösungen bieten ihren Kunden professionelle Applikations-Frameworks an, die die grundlegende Marktplatz-Architektur sowie Standarddienste zur Verfügung stellen. IBM WebSphere Commerce Suite, Marketplace Edition bspw. unterstützt alle wichtigen Arten von B2B-Transaktionen, inklusive Katalogverkauf, Börsenhandel, Vertragsabschlüssen, Auktionen, RFQs und Reverse Auctions. Derartige Frameworks können daher sowohl im Sinne von privaten und öffentlichen Anbieter- und Nachfrager-Modellen eingesetzt werden als auch die Basis der Makler-Marktplätze bilden (Sairamesh et al. 2002, S. 249 f.).

Gerade bei sehr viel frequentierten Plattformen sollten neben einer darauf abgestimmten Softwarearchitektur sog. Lastverteilungslösungen (Load-Balancing) genutzt werden, die den an den E-Marketplace gerichteten Datentransfer überwachen und die ankommenden HTTP-Anfragen abhängig von deren Auslastung auf verschiedene Webserver verteilen, um auch bei überdurchschnittlich hoher Nutzung eine möglichst hundertprozentige Erreichbarkeit und optimale Zugriffszeiten zu gewährleisten (z. B. in der Endphase einer Auktion). Die Webserver stellen die Präsentationsschicht dar und sind von dem firmeninternen Netzwerk abgekoppelt, um den Zugriff von außen auf die sensitiven Firmendaten zu verhindern. Da diese Daten für das operative Marktplatzgeschäft nicht benötigt werden, ist die Abkoppelung für die Marktplatzteilnehmer unproblematisch. Über die Webserver erfolgt die Generierung der Online-Benutzerschnittstellen sowie die gesamte Interaktion zwischen Anbieter bzw. Nachfrager und Marktplatzsystem. Dem Prinzip des 4-Schichtenmodells folgend sind die Webserver von der eigentlichen Anwendungslogik getrennt (Stahlknecht und Hasenkamp 2005).

Der/Die Application-Server enthalten die serverseitige Logik der Marktplatz-Komponenten und steuern die elektronischen Geschäftsprozesse des Marktplatzes. Dabei greifen sie über eine Datenbankabstraktionsschicht (logischer Datenzugriff) auf einen gemeinsamen Datenbank-Server zu, dessen DBMS für die Verwaltung von anbieterübergreifendem Produktkatalog, Benutzer- und Transaktionsdaten zuständig ist (physischer Datenzugriff). Zwischen die einzelnen Webserver und Application Server sind in der Praxis häufig eine zusätzliche Firewall und ein weiterer Lastverteiler geschaltet, die die Sicherheit und Performanz des Marktplatzes weiter erhöhen. Dabei besteht eine bidirektionale Kommunikation zwischen dem Lastverteiler und den angeschlossenen Servern, sodass bei Ausfall oder Überlastung einer Datenverbindung oder eines Servers die Last entsprechend umgeleitet werden kann (s. Abb. 11).

Abb. 11
figure 11

Physische 4-Schichtenarchitektur mit Lastverteilung

5.3 Teilnehmer-Komponenten

Die Online-Systemintegration von Marktplatz- und Teilnehmer-Komponenten (Anbieter- und Nachfrager-Komponenten) erfolgt heutzutage hauptsächlich durch sog. Web Services (Amor 2004, S. 160). Web Service-Technologien als neuartige Integrationslösungen sind eine logische Folge des in den letzten Jahren konsequent vorangetriebenen Internet-Standardisierungsprozesses, der im Wesentlichen durch große Softwareunternehmen (wie Microsoft, IBM, Sun, Oracle u. a.) und das World Wide Web Consortium gestaltet wird (Rebstock und Lipp 2003, S. 294). Sie stellen einen Technologie- und Standardmix der Daten-Beschreibungssprache XML, dem Verzeichnisdienst UDDI (Universal Description, Discovery and Integration), der Web Service-Beschreibungssprache WSDL (Web Services Description Language) sowie dem Schnittstellen-Protokoll SOAP (Simple Object Access Protocol) dar. Der Einsatz von Web Services zur Integration von Anbieter- und Nachfrager-Komponenten bringt in Anlehnung an Rebstock und Lipp (2003, S. 294 f.) drei entscheidende Vorteile mit sich:

  • Plattformunabhängigkeit: Als Transportinfrastruktur nutzen Web Services-Technologien die Internetdienste HTTP, SMTP (Simple Mail Transfer Protocol) oder FTP (File Transfer Protocol) über TCP/IP (Transmission Control Protocol/Internet Protocol) und sind damit weitestgehend unabhängig von der auf Marktplatz-, Anbieter- und Nachfragerseite eingesetzten Hardware und Software.

  • Beschreibbarkeit und Interpretierbarkeit: Web Services sind stets strukturiert beschrieben und interpretierbar. So liefert die vollständige WSDL-Beschreibung eines Dienstes, seiner Autoren und der benutzten Schnittstellen alle Informationen, die für seine Nutzung erforderlich sind. E-Marketplaces können dabei zum einen über die Web Service-Schnittstellen bestimmter Anbieter auf deren Katalog- und Order-Komponenten zugreifen. Zum anderen kann aber auch ein Marktplatz selbst Web Services anbieten, die von den E-Procurement-Systemen der Nachfrager genutzt werden können.

  • Modularität und Interoperabilität: Webservices erfüllen stets eine bestimmte Aufgabe bzw. Aufgabenmenge und sind eigenständig oder in Kombination mit anderen Web Services einsetzbar, um auch komplexere Transaktionen auszuführen. Einzelne Web Services lassen sich also zu einem neuen Dienst aggregieren, der über seine Schnittstellendefinition nach außen hin wiederum als eigenständiger Web Service auftritt.

Um den Einsatz von Web Services im Rahmen einer systemübergreifenden Marktplatz-Architektur zu verdeutlichen, bietet sich das folgende Szenario an (in Anlehnung an Rebstock und Lipp 2003, S. 297). Ein Unternehmen vertreibt Produkte und Dienstleistungen internetbasiert und bietet in diesem Zusammenhang Web Services über im WSDL-Format definierte Schnittstellen an, u. a. zur Veröffentlichung eines elektronischen Katalogs in einem standardisierten Katalogaustauschformat und zur Verfügbarkeitsauskunft. Das Unternehmen präsentiert sich unter Referenzierung der WSDL-Definitionen in einem sog. UDDI-Repository. Das Unternehmen kann dem Marktplatz seine Angebote zur Aufnahme nun entweder selbst bekannt geben oder es wird aktiv vom Marktplatz identifiziert. Öffentlich zugängliche UDDI-Repositories liefern dem Marktplatz die dazu notwendigen Informationen. Der Marktplatz speichert die WSDL-Beschreibungen der Schnittstellen der ausgewählten Unternehmen. Die für den Marktplatz interessanten Web Services (Dienste zu Katalog- und Lagerbestandsdaten) werden anschließend selektiert und die notwendigen Web Service-Clients implementiert. Die Katalogdaten werden dabei automatisiert in den Multilieferantenkatalog des Marktplatzes übernommen. Ein registrierter potenzieller Nachfrager kann dadurch den Multilieferantenkatalog des E-Marketplace durchsuchen und einen Anbieter sowie die für ihn interessanten Produktkategorien selektieren. Über eine Warenkorbfunktionalität können die ausgewählten Produkte nun gekauft werden – der Koordinationsprozess ist abgeschlossen. Wenn der betreffende Anbieter eine Web Service-Schnittstelle zur Bestellung anbietet, kann in einem optimalen Fall nun auch die eigentliche Transaktion automatisiert abgewickelt werden.

Die mitunter hohen Investitionen für eine Integration von Anbietern und Nachfragern lohnen nicht für jeden Kunden. In der Praxis werden daher die Kunden angebunden, die häufig und mit hohen Volumina Transaktionen auf dem E-Marketplace tätigen oder nach der Integration aller Voraussicht nach tätigen werden, sowie die Anbieter oder Nachfrager, die von herausragender strategischer Bedeutung für den E-Marketplace sind. Die technische Integration kann in diesem Zusammenhang durchaus einen bedeutsamen Beitrag bezüglich der dauerhaften Kundenbindung leisten. Weniger bedeutenden Kundengruppen mit inkompatiblen Schnittstellen wird der Zugang zum E-Marketplace zwar nicht verwehrt, jedoch bleibt ihnen nur die Anpassung ihrer Schnittstellen an die Schnittstellen der Marktplatzlösung bzw. ein manueller Katalog-Upload bzw. die manuelle Dateneingabe über ihren Webbrowser. Abb. 12 visualisiert zusammenfassend die möglichen Beziehungen zwischen Marktplatz-, Anbieter- und Nachfragersystemen.

Abb. 12
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Beziehungen zwischen Marktplatz-, Anbieter- und Nachfragersystemen

5.4 Konverter-Komponenten

Schon in Rahmen der Anforderungen an elektronische Marktplatzsysteme wurde deutlich, dass bei dem Einsatz unterschiedlicher E-Business-Standards das Problem der Inkompatibilität der Standards zu lösen gilt. Dies soll durch die Konverter-Komponente gewährleistet werden. Die in der Praxis verwendete Lösung stellt die Transformation eines Standards in einen anderen dar. Damit ein Standard für eine derartige Konvertierung geeignet ist, muss er drei Kriterien erfüllen (Esswein und Zumpe 2002, S. 256):

  • Kompaktheit: Ein verwendeter Standard sollte nicht unnötig viele Ressourcen in Anspruch nehmen, da die IT-Infrastruktur für die Kommunikation zwischen Handelspartnern sehr kostenintensiv ist und zudem aufgrund der rasanten Entwicklung nur schwer mit den gestellten Anforderungen Schritt halten kann.

  • Einfachheit: Die ausgetauschten Formate müssen gut strukturiert und einfach verständlich sein, um die ausgetauschten Nachrichten verständlich zu gestalten und ihre rasche, ggf. automatisierte Überprüfbarkeit zu gewährleisten.

  • Flexibilität: Ein Format muss in der Lage sein, unterschiedliche Arten von Nachrichten und Informationen, z. B. Bestellungen, Rechnungen, Anfragen, Lieferabrufe, Angebote, Produktkatalogdaten, Zahlungsaufträge oder Gutschriften zu verarbeiten.

Für die technische Realisierung der Transformation wandelt die Konverterkomponente die ein- und ausgehenden Dokumente in das gewünschte Format um. Viele Konverter vermitteln dabei nicht nur zwischen zwei Formaten, sondern können sogar eingehende Dokumente unterschiedlicher Standards in die geforderten Ausgangsformate umwandeln (Esswein und Zumpe 2002, S. 257). Bevor der Konverter zum Einsatz kommt gilt es aber zunächst festzulegen, welche Daten des jeweiligen Anbieters überhaupt benötigt werden (Ewers und Longwitz 2002, S. 81). In Hinblick auf die darauf folgende Transformation sind verschiedene Szenarien vorstellbar, die in Abb. 13 visualisiert sind. Generell stellt sich dabei die Frage, bei welcher Partei die Konverterkomponenten zum Einsatz kommen (Esswein und Zumpe 2002, S. 256):

  • Konverter beim Marktplatz: In diesem Fall bietet die Marktplatzplattform den Unternehmen neben der Koordination von Angebot und Nachfrage auch eine Formatierungsfunktion. Die Kommunikation zwischen den Teilnehmern wird ohne eine unternehmenseigene Softwareanpassung ermöglicht; eine Transformation der Formate wird vom Marktplatz vorgenommen. Der Marktplatz kann in dieser Variante je nach den zur Verfügung stehenden Ressourcen theoretisch mit allen existierenden Standards arbeiten. Bedient sich ein Marktplatz über Web Services eines Anbieters an dessen Produktkatalog, impliziert dies (im Falle der Verwendung eines anderen Katalogformats) genau diese Alternative.

  • Konverter beim Teilnehmer: In dieser Variante müssen die Unternehmen selbst die Transformation durchführen. Der Marktplatzbetreiber gibt ein bestimmtes Format vor und die Anbieter wandeln ihre Dokumente, die über den Marktplatz publiziert werden, bereits auf ihrer Seite in das entsprechende Format um. Diese Alternative ist für die teilnehmenden Unternehmen insofern aufwendiger, als dass jedes Unternehmen eine eigene Konverter-Software besitzen muss. Sie bietet sich daher nur für diejenigen Fälle an, bei denen der Marktplatzbetreiber nicht zwangsweise auf die Katalogdaten eines Anbieters angewiesen ist.

    Abb. 13
    figure 13

    Einsatz von Konverterkomponenten im Datenaustausch. (Quelle: in Anlehnung an Esswein und Zumpe 2002, S. 256)

Im Anschluss an die Transformation folgen nun Konsolidierung und Rationalisierung (Ewers und Longwitz 2002, S. 81 ff.). Wie auch in der elektronischen Beschaffung stellt die Konsolidierung sicher, dass die verschiedenen Lieferantenkataloge in einer einheitlichen Metastruktur zusammengeführt sind. Dabei orientiert sich der Konsolidierungsprozess an dem auf dem Marktplatz genutzten Kataloggruppen- bzw. Produktklassifikationssystem. Orientieren sich die Produktdaten des Anbieters bereits an einem bekannten Klassifikationsstandard, gilt es, dessen Produktklassen auf die Katalogstruktur des Marktplatzes abzubilden. Die Rationalisierung hingegen fordert die syntaktische und semantische Vereinheitlichung der Wertebereiche mit Hilfe des auf dem E-Marketplace genutzten, standardisierten Beschreibungsvokabulars. Nach erfolgreicher Konsolidierung und Rationalisierung erfolgt im Anschluss die Publikation des neuen Contents auf dem E-Marketplace. Mit der Publikation verbunden ist die Aufgabe des Marktplatzbetreibers, das Angebot auf einem aktuellen Stand zu halten. Dazu bedarf es der Mitarbeit der Anbieter, die – nicht zuletzt aus eigenem Interesse – in regelmäßigen Abständen oder auf eine dynamische Art und Weise (z. B. über Web Services) Daten zur aktuellen Verfügbarkeit oder Lieferzeit von Objekten bereitstellen müssen.

6 Fazit

Das technische Marktplatzsystem muss zum einen alle vom Anbieter und Nachfrager benötigten Handelskomponenten beinhalten und zum anderen übergreifende Systemanforderungen, basierend auf den allgemeinen Qualitätsmerkmalen internetbasierter Software, erfüllen. In Abhängigkeit von der Ausgestaltung der elektronischen Vermittlungs- bzw. Koordinationsleistung kann zwischen zwei möglichen Systemlösungen von E-Marketplaces unterschieden werden: horizontale Marktplätze und vertikale Marktplätze. Horizontale Marktplätze fokussieren sich auf eine bestimmte Nutzergruppe, vertikale Marktplätze hingegen konzentrieren sich auf bestimmte Produktgruppen. Zusätzlich können die Systemlösungen eines E-Marketplace anhand der Frage differenziert werden, wer die resultierenden Geschäftsprozesse durch die Implementierung der Systemlösung ermöglicht. Dabei gilt es zwischen dem Anbieter-, dem Nachfrager- und dem Makler-Modell zu unterscheiden. Die Systemarchitekturen für elektronische Marktplätze können durch eine modulare Sichtweise auf die Markplatz-, Server-, Teilnehmer- und Konverter-Komponenten heruntergebrochen werden.