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Zwischen Fallibilismus und Dogmatismus

Kritischer Rationalismus und die Wissenschaftlichkeit der Theologie

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Handbuch Karl Popper

Part of the book series: Springer Reference Geisteswissenschaften ((SPREFGEIST))

Zusammenfassung

Ob Theologie auf wissenschaftliche Weise betrieben werden kann, hängt vom jeweiligen Verständnis von Wissenschaft ab. Weitgehend wird heute davon ausgegangen, dass Wissenschaft auf der Basis eines methodologischen Naturalismus zu betreiben ist. Demzufolge wäre Theologie per definitionem keine Wissenschaft. Dem wissenschaftstheoretischen Regelwerk des Kritischen Rationalismus scheinen zwar keine naturalistischen Annahmen zugrunde zu liegen. Trotzdem bleibt der Wissenschaftscharakter der Theologie auch im Rahmen dieses Regelwerks fraglich.

„Darin besteht das Wesen der Wissenschaft. Zuerst denkt man an etwas, das wahr sein könnte. Dann sieht man nach, ob es der Fall ist, und im allgemeinen ist es nicht der Fall.“

Bertrand Russell

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Notes

  1. 1.

    Das ist jedenfalls meine Erfahrung aus mehr als dreißig Jahren Universitätstheologie. Eine Ausnahme bilden Hochschulen in kirchlicher Trägerschaft.

  2. 2.

    Eine Alternative wäre z. B. der Induktivismus bzw. Bayesianismus.

  3. 3.

    Vgl. z. B. Tracy 1995, S. 446 f.: „to speak of ‚theology‘ is a perhaps inadequate but historically useful way to indicate the more strictly intellectual interpretations of any religious tradition, whether that tradition is theistic or not (…). The term theology as used here does not necessarily imply a belief in ‚God‘“.

  4. 4.

    Vgl. dazu den ebenso instruktiven wie erschütternden Überblick von Levy 1993.

  5. 5.

    Vgl. Susskind 2006, S. 197: „The whole point of science is to avoid such stories.“

  6. 6.

    Vgl. Keuth 2002, S. 53.

  7. 7.

    Poppers Kritik an der naturalistischen Methodenlehre hatte den logischen Empirismus im Visier. Vgl. Popper 1984, S. 25: „Wir lehnen also die naturalistische Auffassung ab: Sie ist unkritisch, sie bemerkt nicht, dass sie Festsetzungen macht, wo sie Erkenntnisse vermutet; so werden ihre Festsetzungen zu Dogmen. Das gilt für das Sinnkriterium, es gilt für den Wissenschaftsbegriff und damit auch für den Begriff der erfahrungswissenschaftlichen Methode.“

  8. 8.

    Vgl. dazu ausführlicher Kreiner 2016.

  9. 9.

    Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 14/2009 vom 18. Februar 2009 bzgl. des Beschlusses vom 28. Oktober 2008. Die Mitteilung bezieht sich auf die von Gerd Lüdemann eingereichte Verfassungsbeschwerde. Des Weiteren heißt es darin: „Das Grundgesetz erlaubt die Lehre der Theologie als Wissenschaft an staatlichen Hochschulen. Sind staatliche theologische Fakultäten eingerichtet, muss das Selbstbestimmungsrecht derjenigen Religionsgemeinschaft beachtet werden, deren Theologie Gegenstand der konfessionsgebundenen Lehre ist. Das Amt des Hochschullehrers an einer theologischen Fakultät darf daher bekenntnisgebunden ausgestaltet werden. Es kann und darf nicht Sache des religiös-weltanschaulich neutralen Staates sein, über die Bekenntnisgemäßheit theologischer Lehre zu urteilen. Dies ist vielmehr ein Recht der Glaubensgemeinschaft selbst.“

  10. 10.

    Selbstverständlich gilt dies auch für katholische Theologie.

  11. 11.

    Vgl. Bartley 1984, S. 71–78.

  12. 12.

    Vgl. van Huyssteen 1989, S. 38.

  13. 13.

    Teilweise ist auch von einem „methologischen Agnostizimus“ die Rede.

  14. 14.

    An britischen Universitäten findet sich die Bezeichnung theology bzw. divinity häufig in Kombination mit dem Ausdruck religious studies. Vgl. Corrywright und Morgan 2006, S. 45 f. Der Zugang zum Studium setzt kein religiöses Bekenntnis voraus, und von Ausnahmen abgesehen, sind die Fakultätsmitglieder in Forschung und Lehre konfessionell ungebunden. In den Vereinigten Staaten existieren an einigen nicht-kirchlichen Universitäten noch die traditionellen Divinity Schools, die sich aber als ökumenisch, nondenominational oder, wie an der Harvard Divinity School, als nonsectarian verstehen. Nach Ansicht des deutschen Bundesverfassungsgerichts wäre eine „theologische Fakultät ... in ihrer Existenz bedroht, wenn die Kirche die dort vertretene Lehre … nicht mehr als bekenntnismäßig ansehen und in der Konsequenz ihre Absolventen nicht als Geistliche aufnehmen und an ihr ausgebildete Religionslehrer nicht zum bekenntnisgebundenen Religionsunterricht zulassen würde.“ (Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts Nr. 14/2009 vom 18. Februar 2009 bzgl. des Beschlusses vom 28. Oktober 2008) In Großbritannien und den Vereinigten Staaten entscheiden die Kirchen, ob sie ihr zukünftiges Personal an den jeweiligen theologisch-religionswissenschaftlichen Departments ausbilden lassen wollen. Von einer Existenzbedrohung kann daher zumindest diesbezüglich keine Rede sein.

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Kreiner, A. (2018). Zwischen Fallibilismus und Dogmatismus. In: Franco, G. (eds) Handbuch Karl Popper. Springer Reference Geisteswissenschaften. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16242-9_42-1

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