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Diversität und Polizei: Eine polizeiwissenschaftliche Perspektive

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Handbuch Diversity Kompetenz: Perspektiven und Anwendungsfelder

Part of the book series: Springer NachschlageWissen ((SRP))

Zusammenfassung

Die Polizei wird immer wieder konfrontiert mit Innovationsimpulsen. Sie kommen manchmal von außen, manchmal werden sie von „oben“ (d. h. von der politischen Führung oder der Organisationsleitung) angeordnet. Im Zusammenhang mit Diversität können seit 1979 das Thema Frauen und seit 1993 das Thema Migranten in der Polizei assoziiert werden. Eine umfassende Relevanz hat die Diskussion für die Polizei aber erst bekommen, als Diversität sich vereinte mit den Themen (inter-)kulturelle Kompetenz und demographische Entwicklung der Gesellschaft. Nach ca. 30 Jahren Frauen in der Polizei und einem Anteil im Personalbestand von ca. 25 %, hat sich die Gender-Debatte etwas versachlicht und es zeigen sich erste Normalisierungstendenzen im Geschlechterverhältnis der Polizei. Insofern beschränke ich mich in diesem Beitrag auf den innerpolizeilichen Umgang mit ethnischer Differenz bzw. Fremdheit. Hintergrund ist ein Forschungsprojekt, das wir im Rahmen einer Förderinitiative der VW-Stiftung unter dem Arbeitstitel MORS (Migranten in Organisationen von Recht und Sicherheit) in den Jahren 2005 bis 2009 am Institut für Sicherheits- und Präventionsforschung (ISIP) in Hamburg durchgeführt haben (vgl. Hunold et al. 2010). In diesem Projekt ging es um die Erfahrungen, Integrationswiderstände und Inklusions- und Exklusionsbedingungen für Personen mit Migrationshintergrund bei der Polizei.

Im Vergleich zu den zivilgesellschaftlichen Diskursen um Interkulturalität, in denen ja auch immer die Integrationsgewinne hohen Stellenwert haben, wird die polizeiliche Beschäftigung mit Fremden durch Problem- und Konfliktlagen bestimmt, oft um die Metapher der Gefährlichkeit oder um den Begriff der (so genannten Ausländer-) Kriminalität herum. Doch auch da verschiebt sich seit einigen Jahren die Gewichtung. Das frühere „Ausländerproblem“ wurde auch sicherheitspolitisch zu einem Integrationsproblem und plötzlich erschienen Migranten nicht mehr nur im Kontext besonders schwieriger Arbeitssituationen für die Polizei, sondern gleichzeitig auch als Dialog-Partner und als begehrte Personalressource. Bei allen Bemühungen um Öffnung der Polizei für neue Bewerbergruppen bleibt jedoch im Ergebnis festzustellen, dass Diversity-Politik durch die Tradition des Berufsbeamtentums, das explizit homogenitätsorientiert ist, obstruiert wird, und sie bleibt deshalb in der Regel beschränkt auf die Akzeptanz einer Unterschiedlichkeit der Ähnlichen.

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Notes

  1. 1.

    Entgegen mancher populären Vorstellung ist für mich der Gegenstand der Polizei keine frei verhandelbare Kundenbeziehung (Dienstleistung) und das Produkt der polizeilichen Arbeit ist auch nicht Sicherheit. Sicherheit ist ein fragiles gesellschaftliches temporäres Verhältnis, ein temporärer Zustand, wenn man so will, jedenfalls kein endgültiges Ergebnis einer organisationalen Tätigkeit. Die vielen Produkte der polizeilichen Tätigkeit lassen sich erfassen in einer Rahmung von Gewaltanwendung und Gewaltvermeidung: Notarielle Tätigkeiten (Anzeigenaufnahme) gehören dazu, Gefahrenabwehr in ihrer vielfältigen konkreten Ausgestaltung, Strafverfolgung und die dazu notwendige Ermittlungstätigkeit, Festnahmen/Sistierungen, Rettung von Menschen aus Gefahr bis hin zur Tötung von Menschen, die andere in Gefahr bringen. All dies sind Produkte, die man zählen, bewerten und klassifizieren kann als genuine (d. h. nicht durch andere ersetzbare) polizeiliche Aufgabe und Tätigkeit. Für die ‚Sicherheit‘ einer Gesellschaft spielt das Spektrum dieser polizeilichen Handlungen zwar eine gewichtige Rolle, sie ist aber nicht Produkt der Polizei, sondern Teil eines hochkomplexen sozialen Prozesses auf vielen gesellschaftlichen Ebenen.

  2. 2.

    Gleich meint hier gleichermaßen gerecht gegenüber allen Rechtssubjekten, hier ist also ein Gleichheitsbegriff gemeint, wie er in Art. 3, Abs. 1 des deutschen Grundgesetzes steht: „Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich“). Dies ist nicht nur eine akademische Petitesse, sondern wird harte Realität in der aktuellen Debatte um „racial profiling“ durch die Polizei, also im Vorwurf einer diskriminierenden Ungleichbehandlung aufgrund des äußeren Erscheinungsbildes.

  3. 3.

    Polizeibeamte sprechen sich in der Regel gerade diese ‚Kunst der Unterscheidung‘ in der Kommunikation mit ihrer Klientel zu, was z. B. in dem Satz zum Ausdruck kommt, dass man mit einem „Obdachlosen genauso reden können muss wie mit einem Professor“ – in Wirklichkeit zeigt sich diese Kompetenz nicht in dem Ausmaß, wie es die Beamten von sich glauben. Vielmehr scheint es viel öfter sowohl dem Obdachlosen als auch dem Professor zu gelingen, sich auf den Sprachstil der Polizisten so gut einzulassen, dass diese das Gefühl haben, erfolgreich kommuniziert zu haben – damit ist natürlich nicht gesagt, dass auch auf Polizeiseite oft ein hohes Maß an Talent und Einfühlungsvermögen vorherrscht, nur bekommen es die Beamten nicht systematisch vermittelt.

  4. 4.

    Auf die Begrifflichkeit „Polizeikultur“ und „Polizistenkultur“ bzw. „Cop Culture“ gehe ich hier nicht mehr explizit ein, sondern verweise auf Behr 2008).

  5. 5.

    „Hinten rechts“ ist die Position im Streifenwagen, die für Personen vorgesehen ist, die von der Polizei (meist gegen ihren Willen) zur Dienststelle transportiert werden, also Festgenommene, Verdächtige, Zeugen etc.

  6. 6.

    Die gelebte Kultur der Polizei ist streng genommen dem Gegenstand ihrer Arbeit, der sehr viel mit Segregation und Exklusion zu tun hat, geradezu entgegen gerichtet: Polizisten werden in ihrer beruflichen Sozialisation in eine Welt eingeführt, die prinzipiell ‚in Ordnung ist‘, sie arbeiten dagegen oft mit Menschen, die mit diesen Ordnungsidealen nichts gemein haben. Ich glaube, diese Gegensätzlichkeit ist nicht zufällig, sondern folgt einer Notwendigkeit, die mit der kulturellen Antinomie moderner Gesellschaften zu tun hat. Die (sozial konstruierten) ‚Bösen‘ werden mit (sozial konstruierten) ‚Guten‘ bekämpft. Dazwischen gibt es nichts und zwischen ihnen gibt es nichts Gemeinsames (die faktischen Gemeinsamkeiten, die ab und an bekannt werden, tauchen lediglich als Devianz oder Delinquenz oder Subkultur auf).

  7. 7.

    Auf die migrationssoziologische Unterscheidung zwischen Integration und Assimilation kann ich hier nicht eingehen (vgl. Bommes 2011). Mit Assimilation ist jedenfalls nicht die vollständige Unterwerfung unter die Kultur des Aufnahmelandes oder auch die vollständige Aufgabe der eigenen kulturellen Wurzeln gemeint, sondern es soll betont werden, dass die Aktivitäten, Lasten und Anstrengungen der Eingliederung deutlich auf der Migrantenseite liegen. Während bei Integrationsprozessen ein beiderseitiges Bemühen und eine beiderseitige Annäherung zu beobachten ist (Veränderung sowohl der Akteure als auch der Strukturen des aufnehmenden Landes/der aufnehmenden Organisation), finden sich die Veränderungsimpulse und die Veränderungsbereitschaft im Assimilationskontext nur auf Seiten der Immigranten. Assimilation zeigt sich als weitgehende Anpassungsfähigkeit an die Regeln der Aufnahmegesellschaft.

  8. 8.

    Als Referenz für diese Arbeiten können der Aufsatz von Hunold und Behr (2007) sowie der Sammelband von Hunold et al. (2010) genannt werden.

  9. 9.

    Exakte Zahlen dazu gibt es bis heute für die allermeisten Länderpolizeien nicht, was u. a. auf den Datenschutz zurückgeführt wird, der es verbietet, Polizisten und Polizistinnen nach ihren biographischen Wurzeln zu unterscheiden. Das gilt allerdings nicht für die Einstellungsphase, in der man sehr genau, und nach Nationalitäten unterschieden, zählt, wer woher kommt. Aber in der Gesamtorganisation fehlt diese Erhebung, so dass man hier auf das persönliche Gedächtnis der Fachleute angewiesen ist oder eben auf Schätzungen und Hochrechnungen.

  10. 10.

    In den vielfältigen Veröffentlichungen zum Diversity-Management lesen wir häufig von den Potenzialen, durch Migration, von der Bereicherung für die deutsche Kultur etc. So heißt es in der Integrationsoffensive der Hansestadt Hamburg: „Kulturelle Vielfalt wird als Bereicherung, Chance und Herausforderung … betrachtet“ (Behörde für Soziales und Integration, Freie und Hansestadt Hamburg 2013, 9). In dieser gut gemeinten Mediendarstellung wird etwas übersprungen, was man schon als Erzieher bei Kleinkindern erlebt: Im anthropologischen Sinne wie auch in der alltagsweltlichen Erfahrung kommt vor dem Anerkennen und dem Wertschätzen der Differenz zunächst einmal die Wertschätzung der Einheit und der Zugehörigkeit. Die selbstverständliche Inszenierung von Normalität gelingt eben nur den Einheimischen, wie es z. B. Alfred Schütz (1972) beschrieben hat. Man könnte ihn kurz etwa so zusammenfassen: was für den Einheimischen Spiel ist, ist für den Fremden Arbeit.

  11. 11.

    Solche überdeterminierten Erwartungen bekommen alle Minderheit zu spüren. So war in der Polizei sehr lange die Überzeugung dominant, dass Frauen per se besser mit Kindern umgehen können. Langsam setzt auch hier ein durch Erfahrung stimuliertes Umdenken ein, dass es nämlich z. B. jungen Vätern besser gelingen kann, mit Kleinkindern Kontakt aufzunehmen, als jungen alleinstehenden Frauen. Zumindest sind diese Relativierungen in letzter Zeit auch Gegenstand von Gesprächen unter Studierenden und Praktikern.

  12. 12.

    Der Begriff problematische Klientel ist selbst nicht ganz frei von Stereotypisierung. Ich verwende ihn trotzdem, weil deutlich werden soll, dass es nicht um Fremdheit an sich geht, und dass auch nicht alle Fremden (Ausländer, Migranten etc.) gleich attribuiert werden, sondern vor allem Fremde in Verbindung mit zusätzlichen Zuschreibungen gemeint sind, z. B. jung, männlich, arm, randständig, subkulturell, gefährlich, widerständig, isoliert, aufmüpfig etc. So lassen sich die problematischen Gruppen innerhalb der Migrantenpopulation eigentlich konkreter bezeichnen, als dies im öffentlichen Diskurs geschieht. Zu den zahlenmäßig größten Gruppen gehören derzeit die türkischen, marokkanischen und die spät ausgesiedelte (in der Regel junge) Männer. Es sind diejenigen, die in den Augen der Polizisten „Probleme machen“ (die Anerkennung der Tatsache, dass viele dieser Menschen auch Probleme haben, spielt im Polizeidiskurs keine wesentliche Rolle).

  13. 13.

    Die Annahme, die Polizei sei ein Spiegelbild der Gesellschaft, gehört zum gängigen Repertoire von Polizeiverantwortlichen und Gewerkschaftsvertretern, insbesondere dann, wenn es gilt, Fehlverhalten von Polizeibeamten zu erklären oder zu relativieren. Was sie damit möglicherweise sagen wollen, ist, dass die Polizei aus der Mitte der Gesellschaft kommt und kein exotisches Gebilde ist. Damit haben sie sicher Recht. Alles andere wäre sozialstrukturell aber nicht zu begründen. Mit der Spiegelbild-Annahme blendet man die vielen real existierenden Exklusionsdeterminanten aus: In der Polizei fehlt das bildungsferne Milieu, es fehlen in einigen Bundesländern auch die mittleren Bildungsabschlüsse, die Oberschicht fehlt ganz, es fehlen Behinderte (zumindest werden keine behinderten Menschen eingestellt) und diejenigen, die einschlägige Vorstrafen oder körperliche Mängel haben. Die Fremden/Ausländer fehlen bis auf wenige Prozent, Frauen sind auch unterrepräsentiert, zumindest in den Leitungsebenen. Künstler/innen fehlen bis auf ganz wenige Ausnahmen, ebenso diejenigen, die sich als radikale Pazifisten bezeichnen würden oder die Angst vor der Benutzung von Schusswaffen haben. Keine der hier aufgeführten Bevölkerungsgruppen würde auf die Idee kommen, sich von der Polizei schon deshalb schlecht behandelt zu fühlen, weil sie in ihr nicht repräsentiert ist. Natürlich bekommt man statistisch einen Mittelwert hin, aber eben keinen Spiegel der Gesellschaft (sondern allenfalls einen Spiegel der Mittelschicht einer Gesellschaft). Auch im Zusammenhang der Beamten mit Migrationshintergrund wird häufig die Spiegelbild-Metapher benutzt. Aber auch sie spiegeln (im Sinne von repräsentieren) ihren Bevölkerungsanteil nicht. Die eingestellten Migranten gehören, was Sozialisationsleistung und anderes kulturelles Kapital angeht, zu dem Teil der Migrantenpopulation, der assimilationsfähig gegenüber der hiesigen Kultur ist. Jedenfalls spiegeln sie bei weitem nicht die gesamte Breite ihres ethnischen Bevölkerungsanteils. Um eine Chance zu haben, bei der Polizei eingestellt zu werden, müssen sie dieselben Einstellungshürden überwinden wie einheimische Bewerber und Bewerberinnen, und sie müssen wahrscheinlich wesentlich mehr mit ihren deutschen Kollegen gemeinsam haben als mit Jugendlichen aus ihrer Herkunftspopulation.

  14. 14.

    Die offizielle Zielrichtung dieses Teils des Auswahlverfahrens richtet sich auf die Ermittlung der sog. „Polizeidienstfähigkeit“ der Bewerber und Bewerberinnen. Diese zuverlässig zu ermitteln fällt aber einigermaßen schwer. Doch hindert das die Verantwortlichen nicht daran, an der Gültigkeit ihres Verfahrens festzuhalten. Dazu eine Anekdote aus dem Forschungsprozess: Eine Projektmitarbeiterin, die selbst zwei universitäre Studiengänge mit Bestnoten absolviert hatte, nahm am schriftlichen Teil des Auswahlverfahrens eines der beteiligten Bundesländer teil. Dort erlangte sie in einem Testteil nicht die ausreichende Punktzahl (sie hatte u. a. die Frage, ob die Ehe glücklich machen kann, nicht richtig beantwortet, weil sie in zu viele Alternativen unterschieden hatte) und galt somit als nicht polizeidienstfähig. Wir besprachen das auf einer der nächsten gemeinsamen Treffen mit den Projektmitgliedern und den für das Auswahlverfahren Verantwortlichen. Mit großer Selbstverständlichkeit stellten diese die Frage, wie denn die Kollegin das Studium habe bewältigen können, wo sie doch bei der Aufnahmeprüfung für die Polizei durchgefallen sei. Im Zuge des Gesprächs wurde ganz deutlich der Wert der heutigen Studienleistungen und -anforderungen in Frage gestellt, nicht etwa die Gültigkeit der Ermittlung einer Polizeidiensttauglichkeit. Das alles geschah natürlich in freundlicher Geste und mit Augenzwinkern, d. h. mit ironischer Brechung, hat aber m. E. eine gravierende Bedeutung: Die Polizei zweifelt eher an den außerpolizeilichen Standards, die die Bewerber und Bewerberinnen mitbringen, als an den eigenen. Auch wenn sie mit dem Gegenteil konfrontiert werden, stellt sich eher Kopfschütteln über die Qualität der akademischen Ausbildung (oder über den Wert des heutigen Abiturs) ein als über die Prognosewirkung des eigenen Tests. Die Infragestellung des Polizeifremden ist übrigens ein Modus, der mir immer wieder in der Polizei begegnet. Selbstzweifel und Selbstinfragestellung fallen dagegen relativ bescheiden aus.

  15. 15.

    Mittlerweile wird in einigen Bundesländern nicht mehr die völlige Makellosigkeit des Führungszeugnisses vorausgesetzt, sondern es werden Delikte, die im Nachhinein als jugendspezifisch eingestuft werden (z. B. Sachbeschädigungen oder „Schwarzfahren“), durchaus noch geduldet, wenn der Gesamteindruck einer integren Persönlichkeit dadurch nicht geschmälert wird.

  16. 16.

    Vorstellungsrunden mit Polizisten (das gilt nicht in gleicher Weise für Polizistinnen) beginnen fast durchgehend damit, dass sie darauf hinweisen, wie lange sie schon bei der Polizei sind. Dann werden die Stationen der Verwendungsbreite genannt. Kein Wissenschaftler, Richter, Arzt, Journalist würde seine berufliche Vita mit der Zeit der Ausbildung beginnen, wenn diese nicht ausdrücklich nachgefragt wird. In diesem kleinen Ritual zeigt sich, dass die Dauer der Zugehörigkeit, also Erfahrung, ein wichtiges Merkmal für Kompetenz (auch für das „Mitreden dürfen“) ist. Zugehörigkeit ist die wichtigste Referenz, um die Dinge „richtig“ zu sehen. Für die Reputation in der Polizei zählt vornehmlich Erfahrung, nicht das individuelle Werk. Die erklärt auch das ausgesprochen ausdifferenzierte Jubiläums-Verfahren im öffentlichen Dienst. Mit der Jubiläumsurkunde wird Treue prämiert, nicht Leistung. Und das Berufsbeamtentum ist nach wie vor durch sein besonderes Dienst- und Treuverhältnis gekennzeichnet, nicht durch individuelle Besonderheit.

  17. 17.

    Interview mit einem Studenten mit indischem Migrationshintergrund an einer deutschen Fachhochschule für öffentliche Verwaltung, Fachbereich Polizei.

  18. 18.

    Aussage einer Polizistin mit türkischem Hintergrund während einer Gruppendiskussion im Rahmen eines workshops mit Polizeibeamten und Sozialwissenschaftlern.

  19. 19.

    Halbprivat sind also Ereignisse, in denen man den Kollegen und Kolleginnen begegnet, sich aber nicht in der kulturellen Rahmung einer formalen Diensthandlung befindet.

  20. 20.

    Stephanie Rathje benutzt diesen Begriff zur Erläuterung einer Unternehmenskultur, die man „ihrem pragmatischen Sinn nach (nicht, R.B.) als Erzeugerin von Unternehmenskohäsion (Corporate Cohesion) versteht, also nicht als das, was von vorn herein alle eint, sondern als das, was Verbindung schafft (Rathje 2004).

  21. 21.

    In früheren Untersuchungen von Polizei-Mythen ist mir immer wieder aufgefallen, wie viele männliche Polizisten vom Ideal des durchtrainierten, körperlich fitten, leistungsstarken, ritterlichen und integren Polizisten abweichen. Es kommt niemand darauf zu sagen, dass diese Kollegen deshalb nicht dem Ideal entsprechen, weil sie (meist: ältere) Männer sind. Alle kennen mindestens einen Kollegen, der die berufliche Stellung nur als Basis benutzt, um seine Nebentätigkeit als Versicherungsvertreter zu organisieren. Man würde nicht auf die Idee kommen, deshalb das männliche Geschlecht in Frage zu stellen, sondern wundert sich höchstens über die Chuzpe des Kollegen. Es würde auch niemand darauf kommen, einen Kollegen, der mit einem Dienstfahrzeug einen Verkehrsunfall verursacht, vorzuhalten, dass Männer eben kein Auto fahren können. Auch hier nimmt man selbstverständlich an, dass es sich um eine Ausnahme handelte. Anders bei Frauen: Verursacht eine Kollegin einen Dienstunfall, muss sie sich eher entsprechende Sprüche anhören. Aber auch der polnische Kollege muss sich ebenfalls witzig gemeinte Andeutungen anhören, wenn ein Kugelschreiber gesucht wird oder etwas anderes abhandengekommen ist.

  22. 22.

    Eine Unterscheidung wäre schon jetzt denkbar: Migranten haben schon immer eine besondere Rolle für die Polizei als schwierige Klienten gespielt. Nun muss unterschieden werden in die Migranten, die Kollegen und diejenigen, die „Kunden“ sind. Diese stereotype Vorerfahrung fehlte z. B. bei den Frauen (dort gab es andere Stereotype, jedoch nicht das der schwierigen Kunden).

  23. 23.

    Ein deutscher Polizeibeamter im Wach- und Wechseldienst, Interview vom 30.6.2007.

  24. 24.

    In den Geschichten, die sich um Sprachkompetenz drehen, taucht immer wieder das Erzählfigur auf, dass Verdächtige sich, z. B. unmittelbar nach der Festnahme bei der Fahrt im Streifenfahrzeug, gegenseitig auf türkisch/polnisch etc. instruieren, was sie gegenüber der Polizei (nicht) sagen sollen und sich dann wundern, wenn ihnen einer der Polizisten aus dem vorderen Teil des Fahrzeugs plötzlich auf türkisch/polnisch etc. für die Informationen dankt. Dies sind sog. „Sieger-Geschichten“, in denen der Ausspähungstriumpf als Höhepunkt erlebt wird. Die vermeintliche List des Gegners wird durch noch listigere Polizisten zum Geständnis umfunktioniert, weil die Polizisten mehr verstehen als dem Gegner bewusst ist. Aber dadurch wird die gesamte Polizei nicht interkulturell kompetenter.

  25. 25.

    Der Fremdenfeindlichkeitsvorwurf, mit dem sich die Polizei konfrontiert sieht, fokussiert in der Regel einen bestimmten Bevölkerungsanteil (junge ausländische Männer, meist in städtischen Milieus, ohne qualifizierte Schulbildung bzw. Berufsperspektive). Diese Gruppe würde auch bei veränderten Einstellungsbedingungen keinen Eingang in die Polizei finden. Und die Arbeit mit dieser Gruppe wird auch durch den Besuch einer Moschee im interkulturellen Training nicht verändert. Insofern also früher allgemeine Einstellungen (z. B. Wahlverhalten) oder der allgemeine Umgangsformen mit allochthoner Bevölkerung kritisiert wurden, mögen interkulturelle Trainings durchaus positive Effekte gezeigt haben, so könnte man argumentieren. Im Umgang mit der gerade skizzierten problematischen Klientel helfen diese allgemeinen Umgangsformen in der Regel nicht, weil man auf die milieuspezifischen Provokationen überhaupt nicht interkulturell kompetent eingehen kann. Wenn ein türkischer Jugendlicher bei einer Verkehrskontrolle als ersten Satz sagt: „Ihr haltet mich ja nur an, weil ich Türke bin“, dann eröffnet er damit keinen interkulturellen Dialog, sondern setzt eine „Duftmarke“ in Sachen Einschüchterungs- und Provokationsrhetorik. Für die Erwiderung solcher Provokations- und Beleidigungsszenarien braucht man eigene Trainings. Wenn man auf dieser Klaviatur mehr ausprobieren würde, und wenn es gelänge, solche Provokationsspiralen frühzeitig zu unterbrechen, dann müsste man auch den Gewaltbegriff nicht bemühen, wenn man Beleidigungen und Provokationen meint. Und man müsste nicht alle Konflikte mit nicht-einheimischer Klientel als „interkulturelle Konflikte“ attribuieren.

  26. 26.

    Zu diesem Schluss kommt auch Thériault (2004), die die Einstellungsbemühungen von (damals noch so genannten) Ausländern in die Hamburger Polizei Mitte der 1990er-Jahre untersucht hat. Daran hat sich nach meiner Einschätzung bis heute prinzipiell nicht viel geändert.

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Behr, R. (2016). Diversität und Polizei: Eine polizeiwissenschaftliche Perspektive. In: Genkova, P., Ringeisen, T. (eds) Handbuch Diversity Kompetenz: Perspektiven und Anwendungsfelder. Springer NachschlageWissen. Springer, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-08003-7_65-1

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