Zusammenfassung
Dem zwischen 1880 und 1940 erschienenen, relativ schmalen und teilweise auch vertonten lyrischen Werk des Autors kommt insofern zentrale Bedeutung für die schwedische Literaturgeschichte zu, als sein Debütwerk, die Gedichtsammlung Vallfart och vandringsår, 1888 (Wallfahrt und Wanderjahre), die Periode der schwedischen Neuromantik einläutete. Dieser Band ist als gegen die herrschende Ästhetik des Naturalismus gerichtete Provokation und als Versuch einer ästhetischen Erneuerung gedacht. In meist episch-erzählenden, oft gleichnishaften Gedichten sowie in kurzen Prosastücken, die realistische Anschaulichkeit und Detailreichtum naturalistischer Lyrik und bunte Phantastik zu einem ‚Einbildungsrealismus‘ (Heidenstam) verbinden, vermittelt die Sammlung insbesondere ein exotisches Bild des Vorderen Orients. Dieser für die einheimische Literatur neuartige, im internationalen Kontext hingegen recht zeittypische Exotismus setzt den für die schwedische Neuromantik so zentralen Begriff der ‚Lebensfreude‘ (‚livsglädje‘) in Szene, dessen gleichsam klassische Verwirklichung in den Mythen Arabiens und der Antike gesehen wird. In bewusster Travestie und Fortdichtung dieser Mythenstoffe soll das Leben als über den Alltag herausgehobenes, dionysisch rauschhaftes Fest gefeiert werden, wobei die epikureische Lebenseinstellung nicht selten mit einem Aristokratismus einhergeht, der, von F. Nietzsche und G. Brandes beeinflusst, das starke, bisweilen amoralische Individuum bewundert und einem elitären Egoismus huldigt. Machen diese Gedichte mit ihrer Verherrlichung des Starken und ihrer oft auf eine provozierende Wirkung hin konstruierten Pointe nicht selten den Eindruck posierender ‚Kraftmeierei‘, so enthält die Sammlung daneben doch auch Texte, die in einer genrebildhaften Stilisierung besinnliche und geheimnisvolle Stimmungen heraufbeschwören und so stilistische und motivische Tendenzen des Symbolismus erahnen lassen.
Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH
Bibliographie
Übersetzungen
Gedichte, F. Stieve, 1910.
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Rühling, L. (2020). Heidenstam, Verner von: Das lyrische Werk. In: Arnold, H.L. (eds) Kindlers Literatur Lexikon (KLL). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05728-0_9358-1
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