Zusammenfassung
Das 1879 bis 1894 als Bände 24 bis 28 der Staatengeschichte der neuesten Zeit erschienene, unvollendet gebliebene Werk ist mit seinem säkularreligiösen Pathos borussianischer Geschichtsschreibung auf die Gründung des Deutschen Reiches von 1871 als Ziel und Zweck der historischen Entwicklung hin ausgerichtet. Ursprünglich im liberalen Nationalismus der konstitutionellen Reichsgründungsära entworfen, erhielten die einzelnen Bände kontinuierlich antiliberalere Züge. Der erste Band erschien im politischen Zäsurjahr 1879, als Bismarck begann, seine Politik auf konservativen Koalitionen aufzubauen. Der letzte Band, der an die Märzrevolution von 1848 heranführt, erschien kurz vor Treitschkes Tod im Jahr 1894. Treitschke schrieb keine bloße Staatengeschichte. Geistig-literarische Bewegungen und volkswirtschaftliche Entwicklung galten ihm als zentrale Indikatoren für die nationalpolitische Integration. Die Reichhaltigkeit der politischen, sozialen und kulturellen Interpretationen sicherte der Deutschen Geschichte ein nahezu ungebrochenes Interesse bis weit in das 20. Jh. hinein. Der nahezu taube Treitschke liebte die Geschichtsschreibung ‚cum ira et studio‘. Dem neuen Deutschen Reich solle eine „gemeinsame nationale Geschichtsüberlieferung“ die Identität liefern und das „Verständnis der Gegenwart fördern“. Dies sei nur durch die Einsicht in die „innere Entwicklung des preußischen Staates“ möglich. Die Dramaturgie des Werkes ist von Beginn an bestimmt vom Verlauf des „zweihundertjährigen Kampfes zwischen dem Hause Österreich und dem neuen aufsteigenden deutschen Staate“. Dieser Konzeption folgt es konsequent, wenngleich mit wechselnder Akzentuierung der internationalen und innergesellschaftlichen Feindbilder.
Ursprünglich veröffentlicht unter © J.B. Metzler’sche Verlagsbuchhandlung und Carl Ernst Poeschel Verlag GmbH
Bibliographie
Literatur
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Hübinger, G. (2020). Treitschke, Heinrich von: Deutsche Geschichte im Neunzehnten Jahrhundert. In: Arnold, H.L. (eds) Kindlers Literatur Lexikon (KLL). J.B. Metzler, Stuttgart. https://doi.org/10.1007/978-3-476-05728-0_22575-1
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