Dem schmerzhaften Gefühl des Alleinseins etwas entgegensetzen Die Anzahl der Menschen, die sich einsam fühlen, wächst. Nicht erst seit Großbritannien ein Ministerium für Einsamkeit eingerichtet hat, ist soziale Isolation ein Thema. Wenn Beziehungen wegbrechen, sei es durch Krankheit oder im Alter, braucht es ein Netz, das die Menschen auffängt. Denn Einsamkeit ist ein ernstes Gesundheitsrisiko.

Wir leben in einem Geflecht sozialer Beziehungen. Die Anzahl der Personen, zu denen wir in einer bestimmten Zeitspanne Kontakt haben, ist unser soziales Netzwerk. Dazu gehören nicht nur unsere Familienangehörigen, Freunde, Nachbarn, Arbeitskollegen, sondern auch Personen, mit denen wir nur flüchtig Kontakt haben. Unterschieden wird in ein primäres, sekundäres und tertiäres soziales Netzwerk. Während sich im primären Netzwerk unsere engsten Beziehungen zu anderen Menschen befinden, sind im sekundären Netzwerk alle Personen, die wir über Freizeit und Arbeit kennen. Sie sind der Anker unserer Stabilität. Ein tertiäres Netzwerk ist vor allem für kranke und hilfsbedürftige Menschen wichtig, denn hier finden sich Kontakte zu Personen, die professionelle Unterstützung bieten. Dazu gehören Ärzte, Pflegefachpersonen oder Mitarbeitende in Beratungseinrichtungen. Obwohl die Kontakte hier professionell geprägt sind, können einzelne Akteure eine bedeutende Funktion übernehmen.

Soziale Beziehungen stärken die Gesundheit

Generell stärkt das Eingebundensein in ein soziales Netzwerk unsere Gesundheit. Das Gefühl, dass es da noch jemanden gibt, der uns mit Informationen oder tatkräftiger Hilfe unterstützen kann, stärkt unser Vertrauen in die Welt. Psychologen nennen dieses Phänomen soziale Unterstützung. Aus Sicht der kognitiven Psychologie ist es vor allem eine subjektive Wahrnehmung einer Person, dass andere sich um sie sorgen und sie mögen, sie von anderen wertgeschätzt wird und dass sie Teil einer Gemeinschaft ist. Es gibt aber auch Psychologen, die soziale Unterstützung eher als Interaktionsprozess betrachten, der vor allem dazu dient, das Leid einer Person zu verringern. Entsprechend dieser Vorstellungen kann man drei Formen sozialer Unterstützung unterscheiden:

Emotionale Unterstützung: Das ist Gefühl, wertgeschätzt zu werden. Man nimmt Interesse wahr und vertraut darauf, dass andere sich um einen sorgen. Das stärkt unser Selbstwertgefühl.

Informationelle Unterstützung: Darunter versteht man in diesem Zusammenhang eine Interaktion, bei der eine Person hilfreiche Informationen oder Rückmeldungen erhält. Es erweitert die eigene Wahrnehmung und hilft, Probleme zu erkennen und zu verstehen.

Instrumentelle Unterstützung: Sie zielt auf eine konkrete Hilfeleistung, die für eine Person übernommen wird. Das kann eine einfache Besorgung sein oder auch eine Aufgabe, die man gemeinsam löst. Instrumentelle Unterstützung erleichtert unser Leben.

Im Allgemeinen wirkt sich soziale Unterstützung günstig auf unsere Gesundheit aus. Vor allem die subjektiv wahrgenommene soziale Unterstützung scheint unser Wohlbefinden zu stärken. Sie stärkt damit direkt unsere Gesundheit. Soziale Unterstützung kann aber auch die Wirkung von Stressoren abmildern. Man spricht dann von einem Puffereffekt. Darüber hinaus kann sie präventiv wirken und verhindern, dass Stressoren überhaupt in dem Ausmaß auftreten. So kann eine Person beispielsweise durch andere ermutigt werden, ihre Ressourcen zu stärken und ein positives Gesundheitsverhalten zu entwickeln.

Wenn Hilfe belastet statt unterstützt

Doch nicht immer wirkt sich soziale Unterstützung positiv auf unser Wohlbefinden aus. Insbesondere eine unerwünschte Unterstützung oder Unterstützung im Rahmen einer konflikthaften Beziehung können auch negative Folgen haben. So kann man sich durch eine wohlmeinende Unterstützung auch hilflos oder eingeschränkt fühlen. Für die Unterstützung leistende Person ist die Unterstützungsleistung dagegen meist positiv, denn Hilfeleistungen für andere erhöhen den eigenen Selbstwert und stärken ein positives Selbstbild. Lediglich bei Überforderung oder Konflikten kann Hilfeleistung auch belasten. Eine Gefahr, die vor allem bei pflegenden Angehörigen zu beachten ist.

In unseren sozialen Beziehungen liegen nicht nur viele Ressourcen, sie prägen auch unser Denken, Fühlen und Handeln. Die Anzahl der Personen in unserem sozialen Netzwerk ist jedoch individuell sehr unterschiedlich. Wenn eine Person über sehr wenig soziale Kontakte verfügt, spricht man von sozialer Isolation. Das kann Resultat einer mangelnden Inklusionsfähigkeit sein, beispielsweise durch eine beeinträchtigte Mobilität oder aufgrund einer psychischen Erkrankung. Es kann aber auch sein, dass eine Person aus der sozialen Teilhabe ausgeschlossen wird, zum Beispiel durch Arbeitslosigkeit oder aufgrund ihres Migrationshintergrunds. Aber auch gesellschaftliche Trends wie die Tendenz zu Singlehaushalten, häufige Umzüge oder die Urbanisierung der Gesellschaft können soziale Isolation begünstigen. Allerdings kann man sich auch mit wenigen Sozialkontakten wohl fühlen. Eine soziale Isolation führt also nicht unbedingt zu einer Beeinträchtigung der Person. Sie erhöht lediglich das Risiko für Einsamkeit. Nun kann ein Alleinsein natürlich auch wohltuend und befreiend sein. Endlich hat man Zeit für sich, kann ungestört ein Buch lesen, seinen Gedanken nachgehen oder sich einfach entspannen. Dieses positive Gefühl von Alleinsein ist aber nicht nur mit einem hohen Maß an Kontrollierbarkeit verbunden, sondern basiert gleichzeitig auf einem tiefen Gefühl der Verbundenheit mit anderen.

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Subjektives Empfinden: Wenn das Bedürfnis nach sozialer und emotionaler Bindung nicht erfüllt wird, entsteht Einsamkeit.

Drei Formen der Einsamkeit

Einsamkeit ist ein subjektives Erleben, das sehr unangenehm und oft schmerzhaft ist. Es entsteht aus einem individuellen Bedürfnis nach sozialer und emotionaler Bindung, das sich die Person nicht im gewünschten Maß erfüllen kann. Dabei ist das Einsamkeitsgefühl unabhängig von den tatsächlich vorhandenen Kontakten. Eine Person, die an Depression erkrankt, kann sich trotz vieler Freunde einsam fühlen. Einsamkeit kommt in drei unterschiedlichen Formen vor. Von einer emotionalen Einsamkeit spricht man, wenn eine Person die Einsamkeit vor allem als subjektiven Mangel an engen Beziehungen erlebt. Leidet sie dagegen vor allem darunter, dass sie von ihren Freunden oder Familienangehörigen getrennt ist, spricht man von einer sozialen Einsamkeit. Und bei einer kollektiven Einsamkeit empfindet sich eine Person von sozialen Gruppen ausgeschlossen.

"Ansteckendes" Gesundheitsrisiko

Das schmerzliche Gefühl der Einsamkeit kommt in allen Altersstufen vom Kindergartenkind bis zum alten Menschen vor. In der Altersgruppe zwischen 45 und 84 Jahren sind etwa acht bis neun Prozent der Bevölkerung von einer erheblichen Belastung durch Einsamkeit betroffen. Einsamkeit kann, wie andere Emotionen auch, ansteckend sein. Viele vermeiden daher den Kontakt zu einsamen Menschen. Das wiederum verstärkt die soziale Isolation der Betroffenen. Zudem beeinträchtig Einsamkeit das Selbstwertgefühl und so entsteht ein Teufelskreis, in dem eine Person immer weiter in die Einsamkeit gerät. Die gesundheitlichen Risiken einer sozialen Isolation übertrifft die vieler anderer Gesundheitsrisiken, wie Adipositas oder körperliche Inaktivität. Holt-Lunstad, Smith und Layton (2013) fanden in einer Metaanalyse mit 148 Studien einen deutlich positiven Effekt der sozialen Integration auf die Gesundheit. Die Effektstärke ist ähnlich stark, wie wenn jemand mit dem Rauchen aufhört. Im Zusammenhang mit Einsamkeit ist ein Risiko für eine Reihe von psychischen und körperlichen Erkrankungen erhöht. So sind Zusammenhänge von Einsamkeit und psychischen Erkrankungen, wie Depression, Suizidalität, Psychosen oder Suchterkrankungen beschrieben. Zudem scheint eine länger dauernde Einsamkeit die kognitiven Fähigkeiten von Personen zunehmend zu beeinträchtigen und das Risiko für Alzheimer-Erkrankungen zu erhöhen. Einsamkeit führt außerdem zu einem geringeren Selbstwertgefühl. Zudem ist Einsamkeit eine Art sich selbst verstärkendes Phänomen. Einsame Menschen neigen zum sozialen Rückzug, sind oft kritisch und vorsichtig im sozialen Kontakt, was wiederum deren Einsamkeit begünstigt. Einsamkeit hat aber auch Auswirkungen auf die Körperfunktionen. Sie beeinträchtigt einen erholsamen Schlaf und ist ein Risikofaktor für körperliche Erkrankungen wie Schlaganfall, Adipositas, Durchblutungsstörungen, Bluthochdruck und Immunschwäche. Viele gesundheitsschädigende Wirkungen von Einsamkeit können mit dem Stressmodell erklärt werden. Denn Einsamkeit erhöht nicht nur den wahrgenommenen Stress, es führt auch zu einer Angst vor negativer Bewertung durch andere, verstärkt Angst und Wut und vermindert Optimismus und das Selbstwertgefühl.

Begleitung einsamer Menschen braucht Geduld

Unterstützende Personen müssen darauf gefasst sein, dass ihre Hilfsangebote zurückgewiesen werden. Doch sollte man sich davon nicht entmutigen lassen und die Zurückweisung als eine Art Selbstschutz der betroffenen Person verstehen. Einsame Menschen befürchten in jeder Beziehung eine Enttäuschung. Es braucht daher ein verlässliches Beziehungsangebot und ein Gegenüber, das sich nicht so schnell entmutigen lässt. Die Interventionen können an unterschiedlichen Zielen ansetzen.

In einer Meta-Analyse untersuchten Masi et al. (2011) die Wirksamkeit der wesentlichen Interventionsstrategien zur Verminderung des Psychischen Phänomens Einsamkeit. Sie teilten die Interventionen in vier Zielrichtungen ein:

Training sozialer Fähigkeiten: Bei diesen Interventionen geht es um die Förderung der Fähigkeiten zur Kommunikation, damit die Betroffenen leichter soziale Kontakte aufbauen können.

Stärkung durch soziale Unterstützung: Mit regelmäßigen Kontakten sollen die Betroffenen verlässliche soziale Beziehungen und soziale Ressourcen erleben.

Erweiterung der sozialen Teilhabe: Interventionen, die Betroffene dabei unterstützen, ihr soziales Netzwerk zu erweitern und an sozialen Aktivitäten teilzunehmen.

Veränderung sozial-kognitiver Überzeugungen: Mit einer Unterstützung durch kognitive Verhaltenstherapie oder psychologischem Refraiming sollen einsame Menschen lernen, ihre ungünstigen sozialen Verhaltensweisen und Überzeugungen zu verändern.

Insgesamt zeigten die kognitiven Ansätze die stärksten Effekte zur Reduktion von Einsamkeit. Allerdings konnten Holt-Lunstad et al. (2015) in einer neueren Metaanalyse zeigen, dass es nicht ausreicht, nur beim subjektiven Erleben anzusetzen. Einsamkeit ist ein so komplexes Phänomen, das man es nicht durch eine einfache Intervention behandeln kann. Es bedarf vielmehr einer auf das Individuum abgestimmten Strategie, die langfristig angelegt ist. Es braucht ein achtsames Handeln, das Hilfen anbietet, ablehnendes Verhalten akzeptiert und die betroffene Person in ihrer Selbstbestimmung unterstützt.

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Alice Ferlinz

Hospizleitung des Hospiz Bethesda Landau, Diakonissen Speyer

Frau Ferlinz, ältere und kranke Menschen gehören zur Covid-19-Risikogruppe. Welche Auswirkungen haben bzw. hatten die Schutzmaßnahmen gerade für Ihre Gäste?

Ferlinz: Erfreulicherweise waren die Hospize aufgrund der Regelungen der rheinland-pfälzischen Landesverordnung nur bedingt von strikten Isolationsmaßnahmen betroffen und Besuche waren unter Einhaltung der Schutzmaßnahmen durchaus möglich. Als isolierend empfinden die Pflegenden wie auch unsere Gäste das Tragen des Mund-Nasen-Schutzes, da hierdurch die verbale und non-verbale Kommunikation erheblich eingeschränkt werden. Wie sehr die Mimik bei der Verständigung fehlt, kommt vor allem in der Phase zum Tragen, in der Kommunikation seitens des Gastes nicht mehr möglich ist. Und plötzlich auf die Arbeit der Ehrenamtlichen verzichten zu müssen, machte uns deutlich, wie unentbehrlich und wertvoll deren Tun ist. Durch die fehlende Möglichkeit, das spirituelle Leben auf gewohnte Weise in der Gemeinschaft leben zu können (z.B. bei Andachten), bedurfte es einer Vielzahl kreativer Einfälle, um daraus nicht das Gefühl der Isolation entstehen zu lassen.

Was treibt die Bewohner in diesen Zeiten um?

Ferlinz: Vorherrschend war und ist das Gefühl der Ungewissheit, zu welchen zusätzlichen Maßnahmen es in Bezug auf weitere Kontakt- und Besuchseinschränkungen kommen könnte. Aus dem Respekt vor der Unberechenbarkeit der Entwicklung entstand ein großes Verständnis für alle zu treffenden Maßnahmen. Es bildete sich ein neuer Blick auf das bisher Selbstverständliche und schuf eine Dankbarkeit für alles, was an sozialen Kontakten aktuell möglich war. Zu erleben, dass der Schutz sowohl der Pflegenden als auch der Gäste im Mittelpunkt allen Tuns steht, erzeugte eine neue Dimension des Gemeinschaftsgefühls.

Wie gelingt die Risikoabwägung zwischen den Bedürfnissen der Gäste und Angehörigen sowie denen des Personals?

Ferlinz: Ziel ist es, den Bedürfnissen und Wünschen der Gäste trotz aller Umstände gerecht zu werden. Wir erleben, dass dies auch unter Einhaltung der Hygienevorschriften möglich ist, auch wenn manche Situation unter den veränderten Rahmenbedingungen zunächst befremdlich oder improvisiert wirkt. Die Risikoab-wägung gelingt nicht durch ein Pauschalkonzept, sondern bedarf jeweils einer individuellen Lösung, die auf gegenseitige Rücksichtnahme und intensive Kommunikation baut. Jede Lösung wird von den Gästen und ihren Angehörigen mit Dankbarkeit empfangen und hinterlässt im Team ein Gefühl des Stolzes. Es ist der Respekt vor diesem letzten, hochsensiblen Lebensabschnitt, der beim Abwägen der Entscheidungen und des jeweiligen Risikos hilft.

Literatur

  • Hax-Schoppenhorst T (Hrsg.). (2018) Das Einsamkeits-Buch: Wie Gesundheitsberufe einsame Menschen verstehen, unterstützen und integrieren können. Hogrefe, Göttingen

  • Cacioppo J T, Patrick W, Wissmann J (2011) Einsamkeit: Woher sie kommt, was sie bewirkt, wie man ihr entrinnt. Spektrum, Heidelberg