1 Einleitung

In den letzten Jahren ist Evidenzbasierung in der erziehungswissenschaftlichen Forschung zu einem Fluchtpunkt geworden. So kontrovers Evidenz in der Forschung auch diskutiert wird (vgl. Schrader 2014; vgl. Bromme et al. 2014), wurde diese insbesondere durch Förderungen der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) und des Bildungsministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) gestützt. So haben die Förderinitiative „Forschergruppen empirischer Bildungsforschung“ (2002) der DFG sowie das Rahmenprogramm „Empirische Bildungsforschung“ (2007) des BMBF dieser Entwicklung weiteren Vorschub geleistet. Das Ergebnis dieser Förderungen sind Strukturen, die disziplinübergreifend das Bildungssystem mit den erhobenen Daten untersuchen. Dabei ist auffällig, dass sich diese Untersuchungen auf die Schulforschung fokussieren und die Weiterbildung dabei eher randständig ist (vgl. Köller 2014). Daher ist es auch nicht überraschend, dass insbesondere die Datenlage in der Weiterbildung immer noch als defizitär bezeichnet wird (vgl. Schrader 2012, S. 21). So wird etwa immer wieder betont, dass beispielsweise kaum empirische Daten zu Lehr‑/Lernprozessen, zu Akteuren in der Weiterbildung und zu Strukturen der Weiterbildungsanbieter jenseits der öffentlichen Einrichtungen existieren (ebd.). Gleichzeitig ist es nach Schrader (ebd.) „irreführend die fehlende Datenlage zu beklagen, wenn die vorliegenden Daten von Wissenschaft und Praxis unzureichend genutzt werden.“ Mit dieser Aussage verweist Schrader auf Daten in der Weiterbildung, die unter anderem aus dem Bildungsmonitoring stammen. Ebenso wie Evidenzbasierung hat auch Bildungsmonitoring Konjunktur (vgl. Döbert und Weishaupt 2012). Auf lokaler und regionaler Ebene haben „Lernende Region“ (BMBF) und „Lernen vor Ort“ (BMBF) zur Datengewinnung in der Weiterbildung beigetragen. Allerdings ist die Funktion dieser Daten determiniert, da diesen oft eine Rechenschafts‑, Steuerungs- und Prognosefunktion zu Grunde liegt. Daten der (evidenzbasierten) Bildungsforschung hingegen zeichnen sich durch ihre Zuordnung zu einem spezifischen Forschungsgegenstand durch größere Flexibilität aus (vgl. Klinkhammer und Schemmann 2017, S. 10). Dementsprechend wird immer wieder darauf verwiesen, dass die Verwendung der Daten aus dem Bildungsmonitoring mit Einschränkungen verbunden ist (vgl. Widany 2010; vgl. Kerst und Wolter 2010). Dabei werden zwar als Einschränkung die unzureichende Datengrundlage und fehlende einheitliche Operationalisierung bzw. Definitionen in der Weiterbildung genannt (vgl. Widany 2010, S. 226; vgl. Kerst und Wolter 2010, S. 116). Was diese Einschränkungen aber im Einzelnen für die Forschung bedeuten und was für Lösungen bzw. Kompromisse gefunden wurden, wird in keinem Beitrag näher erläutert. Ziel des Beitrages ist es daher zu untersuchen, inwieweit Daten aus dem Bildungsmonitoring für die Weiterbildungsforschung geeignet sind und welchen Nutzen bzw. welche Herausforderungen aus diesen Daten für die Weiterbildungsforschung entstehen.

Dies soll der Beitrag leisten, indem die Fallauswahl des DFG-Projekts „Governance-Strukturen und pädagogische Leistungsprofile in Organisationen der Weiterbildung (GLOW)Footnote 1“ dargestellt wird. Für die Fallauswahl in GLOW wird die Volkshochschul-Statistik (VHS-Statistik) analytisch verwendet, an ihr soll exemplarisch gezeigt werden, welchen Nutzen und welche Herausforderungen Daten des Bildungsmonitorings aus Sicht der Weiterbildungsforschung bieten (Übersicht weiterer Weiterbildungsstatistiken vgl. Kuper et al. 2016; vgl. Ambos 2017). Dafür wird zunächst Bildungsmonitoring und Bildungsforschung in Bezug auf ihre Ziele, Funktionen und Datenstruktur betrachtet. Anschließend wird die VHS-Statistik gekennzeichnet, um sodann ihre Verwendung aus Perspektive des Bildungsmonitorings und der Bildungsforschung zu systematisieren. Hierbei wird insbesondere dargestellt, welchen Nutzen und welche Herausforderungen die VHS-Statistik aus Sicht der Weiterbildungsforschung bietet. Am Beispiel von GLOW wird dann explizit dargelegt, welche Kompromisse notwendig sind, um Daten aus dem Bildungsmonitoring analytisch zu verwenden. Abschließend erfolgt eine Zusammenfassung im Hinblick auf die zentrale Frage des Beitrags sowie zukünftiger Entwicklungspotentiale.

2 Differenz zwischen Bildungsmonitoring und Bildungsforschung

Im folgenden Kapitel werden Bildungsmonitoring und Bildungsforschung voneinander abgegrenzt und besonders im Hinblick auf die ihnen zugrundeliegenden Intentionen, Ziele und Funktionen betrachtet.

Als Bildungsmonitoring wird eine systematische, kontinuierliche und datengestützte Berichterstattung von Bildungsprozessen verstanden (vgl. Schrader 2012, S. 20). Ziel dieses Monitorings ist die Beobachtung und Analyse des Bildungswesens, um der bildungspolitischen Öffentlichkeit Informationen über Rahmenbedingungen, Verlaufsmerkmale, Erträge und Ergebnisse des Bildungsprozesses zu präsentieren (vgl. Döbert und Weishaupt 2012; Schrader 2012). Dabei stehen die Organisationen des Bildungswesens von der Kinderbetreuung bis zur Weiterbildung im Erwachsenenalter im Fokus der Beobachtung (vgl. Döbert und Weishaupt 2012, S. 158). Die so gewonnenen Daten dienen der Transparenz des Bildungsgeschehens, als Diskussionsgrundlage für politische Entscheidungen und zur Generierung von Steuerungswissen (vgl. Schemmann 2015, S. 133). Dieses Wissen dient als Entscheidungsgrundlage bei der Programmplanung sowie zur Legimitation bzw. Argumentation bei politischen Entscheidungen (ebd.) und wird in der Bildungspolitik sowie in der Bildungspraxis für ein zielgerichtetes und begründbareres Steuerungshandeln benötigt (vgl. Döbert und Weishaupt 2012, S. 159; vgl. Schrader 2012, S. 20).

Davon unterscheidet sich die Bildungsforschung, indem sie sich hauptsächlich mit der Prüfung und Weiterentwicklung von Theorien beschäftigt und die Präsentation von Rahmenbedingungen und Verlaufsmerkmalen des Bildungsprozesses nicht in ihrem Interesse liegt (vgl. Schrader 2012, S. 20; vgl. Schemmann 2015, S. 121). Bildungsforschung kann im engeren und weiteren Sinne definiert werden. Im engeren Sinne beschäftigt sie sich mit den Inhalten der Bildungsforschung beispielsweise mit Unterrichtsforschung. Im weiteren Sinne bezieht sie andere Teildisziplinen mit ein und betrachtet Bildung aus erziehungswissenschaftlicher, soziologischer, psychologischer und ökonomischer Perspektive (vgl. Köller 2014, S. 103). Dadurch wird der Forschungsgegenstand „Bildung“ nicht nur aus verschiedenen Positionen betrachtet, sondern er ist ein Feld, auf dem interdisziplinär geforscht wird und somit sind seine Erkenntnisse auch von hoher gesellschaftlicher Relevanz (vgl. Deutscher Bildungsrat 1974, S. 23; vgl. Köller 2014, S. 103). Trotz dieser Diversität ist in beiden Fällen die Voraussetzung von Bildungsforschung, dass der Gegenstand der Forschung sich theoretisch oder empirisch auf Bildungsprozesse (Lern-Lehr‑, Sozialisation- und Erziehungsprozesse) bezieht (vgl. Köller 2014, S. 103).

In der nachfolgenden Tabelle werden die Handlungslogiken der beiden Begriffe systematisch gegenübergestellt (Tab. 1).

Tab. 1 Unterschiede zwischen Bildungsmonitoring und Bildungsforschung (eigene Darstellung)

Es wird deutlich, dass beiden Begriffen unterschiedliche Ziele und Funktionen zu Grunde liegen. So ist die Intention des Bildungsmonitorings die Beobachtung und Erfassung des Bildungswesens. Neben der Information der Öffentlichkeit erfüllt diese Berichterstattung eine Legitimationsfunktion gegenüber der Politik und Gesellschaft. Ferner wird sie als Entscheidungsgrundlage bei der Planung des zukünftigen Beratungs- und Programmangebotes verwendet. Damit dient sie hauptsächlich der Generierung von Steuerungswissen. Demgegenüber ist die Grundlage allen Handelns bei der Bildungsforschung die Theorie; ob es um die Prüfung, Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Theorien geht, ist dabei unwichtig. Bildungsforschung strebt nach Erkenntnisgewinn, dies ist ihr vordergründiges Ziel. Daraus resultiert, dass die gewonnenen Daten auch ganz unterschiedlich sind. Während es sich bei Monitoringdaten um Prozessdaten handelt, die zur Beobachtung und Erfassung dienen, werden in der Bildungsforschung Daten erhoben, die auf die Forschungsfrage zugeschnitten sind.

3 Kennzeichnung und Nutzung der VHS-Statistik

Vor dem Hintergrund, dass die VHS-Statistik Bestandteil der begründeten Fallauswahl in GLOW ist und anhand dieses Projektes die Folgen für die Forschung bei der Nutzung von Bildungsmonitoring-Daten dargelegt werden, wird im Folgenden die VHS-Statistik betrachtet. Dabei sollen zunächst ihre Entwicklung und ihre Kennzahlen dargestellt werden, um anschließend einen Überblick ihrer Anwendung aus Sicht des Bildungsmonitorings bzw. der Bildungsforschung zu geben.

3.1 Entwicklung und Kennzahlen der VHS-Statistik

Die VHS-Statistik ist eine Angebotsstatistik, die seit 1962 vom Deutschen Institut für Erwachsenenbildung (DIE) gepflegt wird (vgl. Nuissl von Rein 2008). Das Institut wurde 1957 in Frankfurt/Main als „Pädagogische Arbeitsstelle des Deutschen Volkshochschul-Verbandes“ (PAS) gegründet (ebd.). Der Aufbau einer VHS-Statistik war schon bei Institutsgründung Teil seines Selbstverständnisses und wurde somit schon in der Gründungssatzung als Daueraufgabe benannt (vgl. Nuissl von Rein 2008, S. 120). Die VHS-Statistik ermöglicht es, die Realität der Weiterbildungspraxis zu durchdringen. Das Institut wertet diese Daten seit 1962 aus und stellt sie den Trägern zur Verfügung (ebd.). Im Laufe der Jahre haben sich „die Erfassungstiefe der statistischen Angaben, der Umfang der erfassten Volkshochschulen [...] und die einzelnen Servicepakete, die aus der Statistik für unterschiedliche Nutzergruppen vom DIE elektronisch generiert werden können“ (ebd.) verändert.

Die VHS-Statistik enthält damit eine umfassende und kontinuierliche Datensammlung deutscher Volkshochschulen. Mit einem Rücklauf von mehr als 99 % (2015) bildet sie fast alle der bundesweit etwa 900 Volkshochschulen ab und kann somit als Vollerhebung bezeichnet werden. Darüber hinaus enthält die VHS-Statistik Informationen zum Angebot, zur Finanzierung und zu den institutionellen Strukturen deutscher Volkshochschulen. Spezifischer ausgeführt, beinhaltet das Angebot Informationen zu den Teilnehmerzahlen, Kursen und Belegungszahlen. Die Finanzierung enthält Daten zu Teilnehmergebühren, Zuschüssen sowie Ausgaben. Die institutionellen Strukturen geben Auskunft über die Programmbereiche, Stellenkapazitäten und Kooperationen (vgl. Huntemann und Reichart 2016; zu jüngerer Entwicklung vgl. Ambos 2017). Damit verfügt die VHS-Statistik über einen großen Informationsgehalt zu den Einrichtungen der öffentlichen Weiterbildung. Gleichzeitig lassen sich durch ihre Kennzahlen die Volkshochschulen als einziger Bereich der Weiterbildungslandschaft vollständig abbilden (vgl. Schneider et al. 2014, S. 192).

Bei der VHS-Statistik handelt es sich nicht nur um eine Vollerhebung sondern auch um einen Längsschnittdatensatz. Diese beiden Umstände machen die VHS-Statistik zu einer wertvollen Informationsquelle. Des Weiteren erfüllt die VHS-Statistik die Anforderung objektive, reliable und valide Daten zu beinhalten (vgl. Pehl 2013, S. 187). Trotz dieser positiven Merkmale handelt es sich bei der VHS-Statistik um eine Anbieterstatisitk und dieser Umstand bringt gewisse Herausforderungen für die Weiterbildungsforschung mit sich. So muss beachtet werden, dass der Fragebogen zum Zweck des Monitorings konzipiert wurde und sich in dieser Logik bewegt. Das bedeutet, dass beispielsweise demographische Informationen über die Teilnehmer nicht erhoben werden, diese für die Weiterbildungsforschung aber von großer Bedeutung sind. Des Weiteren verfügt die VHS-Statistik als Vollerhebung zwar über eine hohe externe Validität, das bedeutet die Aussagen der Untersuchung sind generalisierbar, ihre Ergebnisse sind auf alle Volkshochschulen anwendbar. Gleichzeitig verfügt sie aber über eine sehr geringe interne Validität. Es ist nicht möglich mit der VHS-Statistik denkbare Alternativerklärungen auszuschließen und damit kausale Zusammenhänge nachzuweisen. Des Weiteren liefert sie keine Informationen zu Meinungen und Einstellungen der Kunden in Bezug auf Volkshochschulen.

Nach der kurzen Kennzeichnung der VHS-Statistik wird nachfolgend ihre Verwendung in der Disziplin aus der Perspektive des Bildungsmonitorings und der Bildungsforschung betrachtet.

3.2 Systematische Darstellung der Nutzung der VHS-Statistik

Wie im oberen Kapitel ausgeführt, handelt es sich bei der VHS-Statistik um eine Statistik, die sich auch in der Logik des Bildungsmonitorings bewegt. Das heißt, sie enthält Informationen zum Weiterbildungsprozess, berichtet über diesen und zeichnet sich durch prozessgenerierte Daten aus. Sie wird in einem jährlichen Bericht vom DIE veröffentlicht und stellt die aktuellen Tendenzen und Entwicklungen in der Weiterbildung anhand von kommentierten Tabellen vor. Neben diesem ausführlichen Bericht erscheint parallel eine kurze Zusammenfassung der zentralen Erkenntnisse des jeweiligen Berichtjahres (vgl. Huntemann und Reichart 2016; vgl. Huntemann 2016).

Aus der Perspektive der Bildungsforschung sind Daten die Grundlage der Forschung. Sie werden zum Erkenntnisgewinn sowie zur Entwicklung bzw. Weiterentwicklung von Theorien verwendet. Dabei werden im Idealfall die Daten so erhoben, dass sie zur Forschungsfrage passen. Liegen keine Primärdaten vor, werden vorhandene Daten in Passung zur Forschungsfrage gebracht. Die VHS-Statistik gehört zu den prozessgenerierten Daten, sie muss zur Verwendung an die Forschung angepasst werden.

Um eine Aussage treffen zu können, in welchem Zusammenhang die VHS-Statistik in der Weiterbildungsforschung verwendet wird, wurde eine Literaturrecherche durchgeführt. In die Literaturrecherche wurden eine allgemeine Literaturdatenbank, der Karlsruher Virtueller Katalog, eine pädagogische Datenbank, FIS Bildung und das Meta-Archiv für Erwachsenenbildung des DIE einbezogen. Es wurde nach den einzelnen Schlagworten Volkshochschulstatistik und VHS-Statistik gesucht sowie der Kombination der Schlagworte Volkshochschule und Daten, Bildungsstatistik und VHS sowie Weiterbildungsstatistik und Volkshochschule. Für die weitere Systematisierung wurden nur Veröffentlichungen genutzt, in denen die Daten der VHS-Statistik in der Bildungsforschung verwendet wurden. Aus den so gefundenen 15 Veröffentlichungen lassen sich vier Typen identifizieren: So werden Daten der VHS-Statistik zur deskriptiven Analyse (Typ 1), in Kombination mit amtlichen Statistiken (Typ 2), zur Varianzanalyse (Typ 3) und zur multivariaten Analyse (Typ 4) genutzt.

Der erste Typ beinhaltet Veröffentlichungen mit deskriptiven Analysen (N : 10). Ihm kann beispielsweise ein Beitrag von Felicitas von Küchler (2007) zugeordnet werden. Sie untersucht die Rechtsformänderung von Volkshochschulen zwischen 1994–2005 mit Hilfe der VHS-Statistik. Dazu verwendet sie Häufigkeitstabellen und graphische Darstellungen, um die Veränderungen analysieren zu können. Zu diesem Typ gehört auch die Untersuchung von Dieter Dohmen (2005), in der er die Ökonomisierung und Angebotsentwicklung in der (öffentlichen) Weiterbildung darlegt.

Der zweite Typ kombiniert die VHS-Statistik mit amtlichen Daten (N : 3). Beispiele für diesen Typ sind die Arbeiten von Klaus Pehl und Sonja Menning. Sie kombinieren die Daten, um Aussagen über beispielsweise die Altersstruktur der Teilnehmer und demographische Entwicklungen treffen zu können (vgl. Pehl 2006; vgl. Menning 2008).

Beim dritten Typ werden mit der VHS-Statistik Varianzanalysen geschätzt (N : 1), wie bei Herbrechter und Schemmann (2010), die mit Hilfe der Clusteranalyse typische Finanzmuster von Volkshochschulen ermittelt haben.

Dem vierten Typ sind die multivariaten Analysen zugeordnet (N : 1). Dieser Typ beinhaltet den Beitrag von Martin und Muders (2017), die auf Basis von Panelmodellen kausale Zusammenhänge zwischen kooperativ durchgeführten Kursen und Teilnehmerzahlen identifizieren konnten.

Zusammenfassend hat sich bei der Betrachtung der VHS-Statistik aus Sicht des Bildungsmonitorings und der Bildungsforschung gezeigt, dass im Bereich des Bildungsmonitorings jährlich die Kennzahlen der Volkshochschulen veröffentlich werden und im Bereich der Bildungsforschung die VHS-Statistik zurückhaltend verwendet wird. Wenn sie in der Bildungsforschung genutzt wird, dann hauptsächlich für deskriptive Analysen oder noch in Kombination mit amtlichen Statistiken. Selten werden Varianzanalysen oder multivariate Analysen mit der VHS-Statistik geschätzt. Insgesamt gesehen ist die zurückhaltende Verwendung ein erster Hinweis darauf, dass Daten aus dem Bildungsmonitoring nicht ohne Weiteres in der Bildungsforschung verwendet werden können. Die zur Nutzung notwendigen Kompromisse werden in den Berichten nicht dargelegt. Dadurch entsteht der Eindruck, dass es sich bei der VHS-Statistik um einen kaum genutzten Datensatz handelt, der ohne Schwierigkeiten in der Bildungsforschung verwendet werden kann. Daher werden im anschließenden Abschnitt nach einer grundlegenden Betrachtung des Nutzens und der Herausforderung der VHS-Statistik die Kompromisse und Schwierigkeiten bei der Verwendung der VHS-Statistik ausführlich dargestellt.

4 Nutzen und Herausforderungen der VHS-Statistik am Beispiel von GLOW

Nachdem im vorherigen Kapitel die Verwendung der VHS-Statistik systematisiert wurde, werden in diesem Kapitel der Nutzen und die Herausforderungen der VHS-Statistik aus der Perspektive der Bildungsforschung betrachtet. Zu diesem Zweck wird die durch die VHS-Statistik begründete Fallauswahl des DFG-Projektes GLOW explizit dargelegt. Dabei werden das Projekt, das methodische Vorgehen sowie die Ergebnisse der empirisch begründeten Fallauswahl vorgestellt, um sich anschließend kritisch mit diesem Vorgehen und den Ergebnissen auseinanderzusetzen.

Ziel des Projektes ist die empirische Untersuchung von Governance-Regimes in öffentlichen Weiterbildungsorganisationen und ihre Konsequenzen für die Entwicklung von pädagogischen Leistungsprofilen. Hierzu werden Akteurskonstellationen und Koordinationsformen in Volkshochschulen erfasst, Handlungskonventionen rekonstruiert sowie die organisationsspezifischen pädagogischen Leistungsprofile bestimmt.

Für die begründete Fallauswahl wurde eine Clusteranalyse mit Daten der VHS-Statistik aus den Jahren 2005 und 2015 vorgenommen und anschließend mit den so ausgewählten neun Volkshochschulen etwa 45 Interviews durchgeführt. Pro VHS wurden je nach Größe der VHS drei bis sieben Interviews mit der Leitung und den Fachbereichsleitungen geführt.

In einem ersten Schritt der Fallauswahl wurde zur Strukturierung der Daten das Mehrebenenmodell von Schrader (2011) herangezogen (siehe Abb. 1) und die in der VHS-Statistik abgefragten Variablen wurden den einzelnen Ebenen des Modelles zugeordnet (siehe Tab. 2).

Abb. 1
figure 1

Mehrebenenmodell der Weiterbildung (Schrader 2011, S. 103)

Tab. 2 Relevante Variablen (eigene Darstellung)

Für die Zuordnung in die einzelnen Ebenen des Modells wurden die Variablen näher betrachtet und schon hier zeigten sich einige Probleme. So war nicht immer deutlich, welche Informationen die einzelnen Variablen beinhalten. Beispielsweise bilden die Finanzierungs- und Zuschuss-Variablen die Einnahmen der Volkshochschulen nicht differenziert genug ab. Ebenso wird die Anzahl der Mitarbeitenden nicht an der Personenzahl, sondern an Vollzeitstellen gemessen. Dies macht genaue Angaben zur Größe einer Einrichtung schwierig und ist gerade aus Sicht der Organisationsforschung problematisch.

Bei der nachfolgenden Analyse wurden die Variablen, die sich der Lehr-Lernprozess-Ebene zuordnen lassen, nicht berücksichtigt, weil das Projekt von den institutionellen Rahmenbedingungen Rückschlüsse auf die pädagogischen Leistungsprofile ziehen möchte. Ebenso wurde die Variable Art der Leitung nicht in die weitere Analyse einbezogen, da sie zwischen ehrenamtlicher/nebenberuflicher und hauptberuflicher Leitung unterscheidet und für das Projekt nur hauptberufliche Leitungen interviewt wurden.

In einem zweiten Schritt wurden die in Tab. 2 identifizierten Variablen auf Veränderungen zwischen dem Jahr 2005 und 2015 geprüft, um dann in der Clusteranalyse verwendet zu werden. Dafür wurde die Differenz zwischen den Variablenwerten von 2005 zu 2015 berechnet (siehe Tab. 3). Variablen, die hier keine nennenswerte Dynamik aufwiesen, wurden in die weitere Analyse nicht miteinbezogen. Davon ausgenommen ist die Variable Rechtsträger. Da sie als nominalskalierte Variable vorliegt, ist es nicht möglich die Dynamik dieser Variable zu berechnen. Sie wird trotzdem in die Clusteranalyse eingebunden, da ihr ein entscheidender Einfluss auf die Organisationsstruktur zugesprochen wird.

Tab. 3 Dynamik der VHS-Variablen zwischen 2005 und 2015 (eigene Darstellung)

Die hier abgebildete Tab. 3 zeigt die nach der Berücksichtigung des Mehrebenenmodells von Schrader (2011) gewählten Variablen und ihre Dynamik zwischen den Jahren 2005 und 2015. Die Prozentzahlen in der Spalte Dynamik geben die Veränderungen der Variablen von 2005 nach 2015 wieder. So ist beispielsweise die Anzahl der unbefristeten hauptberuflichen pädagogischen Mitarbeitenden von 2005 zu 2015 um 42,9 % gestiegen. In die folgende Clusteranalyse wurden nur die Variablen einbezogen, die nach der Dynamikanalyse eine Veränderung von mindestens 20 % zeigen. Bei diesem Wert wird erwartet, dass die Dynamik ausreichend ist, um Rückschlüsse auf institutionelle Rahmenbedingungen ziehen zu können. Eine Ausnahme ist die Variable Rechtsträger. Sie wird ebenfalls in die Clusteranalyse einbezogen, weil ihr ein entscheidender Einfluss auf die Organisationsstruktur zugeschrieben wird. Demnach werden folgende Variablen in der Clusteranalyse berücksichtigt: Finanzierung durch Bundes- und SGB-Mittel, Rechtsträger, Anzahl der Kooperationskurse sowie der hauptberuflichen pädagogischen MitarbeitendenFootnote 2. Es wird eine Two-Step Clusteranalyse durchgeführt, da dies die einzige Clusteranalyse ist, die es erlaubt kategorial und metrisch skalierte Variablen zu verwenden.

Das Ziel der Clusteranalyse ist die Zusammenfassung einer Menge von Klassifikationen in homogene Gruppen. Für dieses Projekt heißt das, es werden die Volkshochschulen subsummiert, die clusterintern minimal voneinander abweichen und clusterübergreifend eine möglichst hohe Differenz aufweisen. Die so ermittelten Cluster bilden eine Grundlage für die spätere Fallauswahl und sollen eine repräsentative Fallauswahl unterstützen.

Die Clusteranalyse ergab sechs Cluster, die sich wie folgt zusammensetzen (Tab. 4).

Tab. 4 Übersicht der Sechs-Clusterlösung (eigene Darstellung)

Folgende Strukturprofile verbergen sich hinter den sechs genannten VHS-Typiken.

VHS-Typ 1 (N=260): Vereine, moderate Verluste bei den SGB-Mittel, positive Stellenentwicklung

Die in diesem Typ zusammengefassten Einrichtungen sind größtenteils Vereine. Er verzeichnet mit −12.178,01 € (SD: 84.512,71) moderate Verluste bei den SGB-Mitteln und geringe Gewinne bei den Bundesmitteln (MEAN: 23.075,63 €; SD: 77.475,64). Des Weiteren verfügt er über eine geringe Dynamik bei der Anzahl an Kooperationskursen (MEAN: 0,0061; SD: 0,0382) und mit im Schnitt 0,5058 (SD: 1,5744) mehr Stellen pro Einrichtung über eine positive Stellenentwicklung.

VHS-Typ 2 (N=65): gemischte Rechtsträger, gGmbH dominierend, hohe Gewinne bei den Bundesmitteln, hohe Anzahl an Kooperationen

Der zweite VHS-Typ beinhaltet Volkshochschulen mit unterschiedlichen Rechtsträgern, wobei hier die meisten Volkshochschulen mit dem Rechtsträger gGmbH vertreten sind (30 von 42). Darüber hinaus zeigt sich bei den Bundesmitteln (MEAN: 113.255,06; SD: 161.120,47) und bei der Stellenentwicklung (MEAN: 113.255,06; SD: 161.120,47) eine starke Steigerung sowie ein hoher Zuwachs bei den Kooperationskursen (MEAN: 0,0360; SD: 0,1857). Demgegenüber hat sich die Finanzierung über die SGB-Mittel mit −2622,51 € (SD: 92.601,67) leicht verringert.

VHS-Typ 3 (N=35): gemischte Rechtsträger, höchste Gewinne bei den Bundesmitteln bzw. Verluste bei den SGB-Mitteln, positivste Stellenentwicklung

Auch im dritten VHS-Typ sind die Rechtsträger gemischt. Im Vergleich zu den anderen VHS-Typen beinhaltet er die dynamischsten und größten Volkshochschulen. Es werden mit 178.899,26 € (SD: 1.140.856,87) die höchsten Gewinne bei den Bundesmitteln bzw. mit −307.002,94 (SD: 1.262.154,93) die höchsten Verluste bei den SGB-Mitteln verzeichnet. Ebenso wird mit einer Steigerung von 2,3314 (SD: 22,71) Vollzeitstellen pro Einrichtung der stärkste Stellenzuwachs sowie die geringste Steigerung bei den Kooperationskursen (MEAN: 0,0060; SD: 0,07490) beobachtet.

VHS-Typ 4 (N=67): Zweckverband, hohe Gewinne bei den Bundesmitteln, hohe Anzahl an Kooperationen, negativste Stellenentwicklung

Im VHS-Typ 4 finden sich ausschließlich Volkshochschulen mit der Rechtsform Zweckverband wieder. Im Gegensatz zu den anderen VHS-Typen hat er die höchste Dynamik bei den Kooperationskursen (MEAN: 0,0399; SD: 0,0633). Außerdem zeigen sich mit 94.966,88 € (SD: 129.372,73) hohe Gewinne bei den Bundesmitteln und mit −12.347,39 € (SD: 74.669,88) moderate Verluste bei den SGB-Mitteln. Ferner hat dieser VHS-Typ mit −0,3328 (SD: 2,3155) die negativste Stellenentwicklung.

VHS-Typ 5 (N=116): Kreis, geringste Verluste bei den SGB-Mitteln, positive Stellenentwicklung

Im VHS-Typ 5 sind lediglich Einrichtungen mit der Rechtsform Kreis vertreten. Im Vergleich zu den anderen VHS-Typen hat er mit einem Mittelwert von −272,48 € (SD: 134.506,48) die geringsten Verluste bei den SGB-Mitteln. Des Weiteren zeichnet er sich durch einen durchschnittlichen Gewinn von 52.880,09 € (SD: 136.294,13) bei den Bundesmitteln sowie eine durchschnittliche Kooperationsdynamik (MEAN: 0,0095; SD: 0,0404) aus und verfügt über eine positive Stellenentwicklung (MEAN: 0,15; SD: 2,4555).

VHS-Typ 6 (N=341): Gemeinde, moderate Entwicklung bei der Finanzierung, negative Stellenentwicklung

Der sechste VHS-Typ besteht aus Volkshochschulen mit der Rechtsform Gemeinde. Er bildet das größte Cluster und ist im Kontrast zu den anderen Typiken von moderaten Veränderungstendenzen gekennzeichnet. So zeigt er durchschnittliche Verluste bei den SGB-Mitteln (MEAN: −7778,77 €; SD: 75.945,79) und einen mäßigen Zuwachs von 42.800,03 € (SD: 104.908,43) bei den Bundesmitteln. Des Weiteren besitzt er eine durchschnittliche Anzahl an Kooperationskursen (MEAN: 0,0095; SD: 0,0520) und eine negative Stellenentwicklung (MEAN: −0,1091; SD: 1,5749).

Die hier beschriebenen Cluster dienen als Grundlage für die Fallauswahl. Durch sie soll eine möglichst repräsentative Ziehung der Volkshochschulen unterstützt werden. Eine große Herausforderung waren die großen Standardabweichungen bei der Clusteranalyse. Es wurden verschiedene Clusteranalysen geschätzt mit standardisierten Variablen, ohne Standardisierung, mit der errechneten Dynamik oder auch mit den Ursprungsvariablen. Leider hat keine dieser Maßnahmen die große Standardabweichung verringert. Trotz dieser Abweichung ist die Clusterqualität gut und ermöglicht eine Strukturierung der Volkshochschulen, so dass die gewählten Fälle die Volkshochschullandschaft möglichst gut repräsentieren. Mögliche Erklärungen für die große Standardabweichung könnten zum einen sein, dass die Volkshochschulen so unterschiedlich sind, und es dadurch schwierig ist, sie zu Clustern zusammenzufassen. Zum anderen entstammt die VHS-Statistik der Logik des Bildungsmonitorings. Dadurch werden die Daten nicht unbedingt mit den Merkmalsausprägungen erhoben, die für Varianz- oder auch multivariate Analysen nötig wären. Für die vorliegende Clusteranalyse bedeutet das, dass trotz der guten Clusterqualität nicht auszuschließen ist, dass in den Clustern zwei Zentren herrschen. Dieser Umstand mindert etwas das Ziel, eine möglichst repräsentative Ziehung der Fälle zu erreichen.

Insgesamt betrachtet ist die VHS-Statistik durch ihren langen Erhebungszeitraum und den Umstand, dass sie fast alle Volkshochschulen erfasst, eine wertvolle Informationsquelle. Allerdings handelt es sich bei ihr um eine Statistik aus der Logik des Bildungsmonitorings und dieser Tatbestand bringt für die Verwendung in der Weiterbildungsforschung einige Herausforderungen mit sich. So sind die Informationen einiger Variablen nicht detailliert genug, um ein differenziertes Bild der Volkshochschulen abzubilden. Dies hat auch zur Folge, dass Varianz- und multivariate Analysen mit der VHS-Statistik schwierig sind und diese entweder nicht möglich oder nur mit Kompromissen in der Repräsentativität durchzuführen sind.

5 Fazit

Im vorliegenden Beitrag wurde die VHS-Statistik in den Blick genommen, um zu untersuchen, inwieweit sich Daten aus dem Bildungsmonitoring für die Weiterbildungsforschung eignen und welcher Nutzen bzw. welche Herausforderungen aus diesen Daten für die Weiterbildungsforschung entstehen. Dafür wurden Bildungsmonitoring und Bildungsforschung gegenübergestellt und es wurde gezeigt, dass sie sich in Bezug auf ihre Logik, ihre Ziele sowie ihre Funktionen unterscheiden. Weiter wurde die Verwendung der VHS-Statistik im Bildungsmonitoring und der Weiterbildungsforschung betrachtet. Dabei konnten für die Weiterbildungsforschung vier Typen der Verwendung der VHS-Statistik identifiziert werden. Durch die identifizierten Typen wurde ersichtlich, dass die VHS-Statistik vor allem für deskriptive Analysen genutzt wird und weniger für Varianz- oder multivariate Analysen. Zudem wurde gezeigt, welchen Nutzen und welche Herausforderung die VHS-Statistik bietet. Anhand des Projektes GLOW wurden die Herausforderungen, mit denen die Forschung bei der Verwendung von Berichtstatistiken konfrontiert wird, deutlich dargelegt. So besteht das Grunddilemma darin, dass die VHS-Statistik aus der Logik des Bildungsmonitorings entwickelt wurde und dies bringt einige Herausforderungen für die Bewertung in der Bildungsforschung mit sich. Neben der Problematik, dass bestimmte Informationen wie demographische Angaben zu den Teilnehmern nicht erhoben werden, werden durch die unterschiedlichen Zielsetzungen Variablen nicht detailliert genug abgefragt oder in einer Weise, die für die Forschung ungünstig ist. Dies führt dazu, dass die VHS-Statistik für deskriptive Zwecke sehr gut verwendet werden kann, sofern sie die benötigten Informationen abfragt. Dagegen ist es schwierig die VHS-Statistik ohne Kompromisse für Varianz- oder multivariate Analysen zu verwenden, da für solche Analysen entweder die passenden Variablen fehlen oder diese nicht detailliert genug abgefragt werden, was das Schätzen komplexer Modelle erschwert. Daher ist es für die Weiterbildungsforschung notwendig Datensätze, zu erheben, die für die Bildungsforschung entwickelt wurden oder, wenn man Bildungsberichtstatistiken verwendet, sich immer bewusst zu sein, dass den Daten eine andere Intention zu Grunde liegt und dies einige Herausforderungen und Kompromisse mit sich bringt.