1 Einleitung

Die Bedeutung einer theoretisch fundierten, an Universitäten sowie pädagogischen Hochschulen etablierten und damit an wissenschaftlichen Standards ausgerichteten Ausbildung von Lehrkräften wird als große Errungenschaft gegenüber einer seminaristischen Tradition der Lehrer*innenbildung angesehen (Bach 2013). Auch wenn der damit verbundene Diskurs um die Folgen einer stärkeren Trennung theoretischer und praktischer Ausbildungsabschnitte keineswegs neu bzw. regelmäßig wiederkehrend ist (Rothland 2020), kommt in den letzten Jahren mit der stärkeren Fokussierung auf das forschende Lernen in der Lehrer*innenbildung und damit einhergehenden Ansprüche an forschungsmethodische Fundierung sowie Evidenzorientierung des schulpraktischen Handelns eine neue Qualität in die Debatte (siehe zur Auseinandersetzung mit Evidenz in der Lehrkräftebildung u. a. Rochnia et al. 2022). Dabei gibt es jedoch zahlreiche Einschränkungen, wie die nach wie vor mangelnde Klarheit von Definition bzw. Ausrichtung und Stellenwert des forschenden Lernens (Huber 2014; Rothland und Boecker 2014) oder auch der damit einhergehenden Annahmen einer durch Empirieorientierung verbesserten Unterrichtspraxis, deren tatsächlicher Wirkungsnachweis noch aussteht (Besa et al. 2020). Hinzu kommt, dass (angehende) Lehrkräfte eher auf in der Praxis selbst erworbenen Wissens vertrauen als auf wissenschaftlich gestützte Erkenntnisse und Evidenzen (Rosman und Merk 2021). Dennoch werden auch mit Blick auf andere Professionen, wie insbesondere der Medizin mit ihrer ungleich ausgeprägteren Tradition der Evidenzbasierung (Clarke et al. 2013), die Forderungen nach einem verstärkten Einbezug von Forschungsergebnissen in die Arbeit von Lehrkräften lauter (Hinzke et al. 2020). Dafür bedarf es bei (angehenden) Lehrkräften entsprechender forschungsbezogener Kompetenzen, die eine reflektierte und professionelle Auseinandersetzung sowohl mit eigens erhobener wie auch im wissenschaftlichen Studium erworbener Evidenz ermöglichen. Untersuchungen zur Bedeutung von Wissenschaft für (angehende) Lehrpersonen deuten jedoch darauf hin, dass diese sowohl tendenziell niedrige Forschungskompetenz aufweisen als auch ein eher schwach ausgeprägtes Interesse an wissenschaftlichem Arbeiten haben und diesem nur einen nachrangigen Stellenwert z. B. gegenüber praktischen Aktivitäten in der Ausbildung einräumen (Besa et al. 2020; Thiem et al. 2020). Um dieses Defizit anzugehen, existieren einige gezielte Programme zur Förderung von Forschungskompetenz von Lehramtsstudierenden (Wenglein et al. 2015). Allerdings mangelt es an empirischen Erkenntnissen über die Ursächlichkeiten dieses zu attestierenden Defizites. Ein möglicher Ansatz zur Ergründung dieses Forschungsdesiderats könnte in der Betrachtung der Eingangsvoraussetzungen von Studierenden bestehen, die sich im Lehramt maßgeblich z. B. mit Blick auf Persönlichkeits- und Leistungsmerkmale sowie Interessen von anderen Fächern unterscheiden (Besa 2018). Aus diesem Grund soll in der vorliegenden Studie untersucht werden, inwiefern sich die Persönlichkeitsmerkmale von (Lehramts‑)Studierenden auf die selbsteingeschätzte Forschungskompetenz auswirken und ob es hierbei möglicherweise nicht nur Unterschiede zwischen Lehramtsstudierenden und Studierenden anderer Fächer gibt, sondern auch mögliche Binnenunterschiede mit Blick auf die Schulformen nachweisbar sind.

2 Theoretischer Hintergrund und Forschungsstand

2.1 Evidenzorientierung und Forschungskompetenz

Im Lehrberuf gilt Forschungskompetenz für das Treffen reflektierter Entscheidungen als nützlich (Ferchow 2014), wobei neben Methoden der empirischen Sozialforschung auch auf inhaltliches Theoriewissen zurückgegriffen werden kann (Klewin und Koch 2017). Ziel ist die Verbesserung von Unterrichtsqualität und die Steigerung von Innovationsfähigkeit bei Lehrkräften (Bauer et al. 2015). Lehrkräften mit hoher Forschungskompetenz gelingt es eher, Ergebnisse empirischer Studien ausfindig zu machen und diese in der Praxis zu nutzen, was wiederum die Nutzung von Neuromythen (z. B. den populären Neuromythos der Existenz von Lerntypen, siehe hierzu Krammer et al. 2019) reduziert und die Unterrichtsqualität fördert (Besa et al. 2020).

Die hierfür erforderliche Forschungskompetenz wird in empirischen Studien unterschiedlich operationalisiert, wobei insbesondere Methodik – mitunter gefasst als Forschungsprozesswissen (vgl. Gess et al. 2019; Cammann et al. 2020) – und Recherche wichtige Facetten der Forschungskompetenz zu sein scheinen (Böttcher-Oschmann et al. 2019; Schladitz et al. 2015; Thiel und Böttcher 2014). Thiel und Böttcher (2014) schließen zusätzlich fachliches Wissen (siehe auch Thiem et al. 2020), welches „umfassendes Wissen über die zentralen theoretischen Konstrukte, Paradigmen sowie Methoden und Standards des jeweiligen Fachs“ (Thiel und Böttcher 2014, S. 120) umfasst, sowie Kommunikations- und Reflexionskompetenz als Dimensionen von Forschungskompetenz mit ein. In anderen Studien wird auch die Fähigkeit und Bereitschaft im Team zu forschen als eine Facette von Forschungskompetenz operationalisiert (vgl. Paseka et al. 2022). Wenngleich durch den Wissenschaftsrat die Ausbildung von Forschungskompetenz empfohlen wird (vgl. Wissenschaftsrat 2006), die in der Lehramtsausbildung insbesondere durch Forschendes Lernen abgebahnt werden soll (Gess et al. 2017), bleibt das Konstrukt der Forschungskompetenz – vermutlich, weil forschungsbezogene Inhalte sich je nach Fach(bereich) stark unterscheiden können – „merkwürdig unscharf“ (Thiel und Böttcher 2014, S. 110). In dieser Arbeit soll sich an dem Verständnis bzw. der Definition von Thiel und Böttcher (2014) orientiert werden, die Forschungskompetenz definieren als „a) an der Universität erlernbare, b) im Forschungsprozesses nutzbare, c) kognitive Leistungsdispositionen, die sich d) funktional auf Situationen und Anforderungen – beispielsweise während forschungsorientierter Lehre oder des Bearbeitens der Abschlussarbeit – e) in der Domäne Wissenschaft/Forschung beziehen“ (Böttcher und Thiel 2016). Forschungskompetenz meint in diesem Sinne „die methodisch-reflexive Auseinandersetzung mit einem Forschungsgegenstand, die Berücksichtigung von bestehenden Theorien und Befunden zu diesem Gegenstand sowie die für die Mitglieder des Fachs nachvollziehbare Dokumentation des Forschungsprozesses und der Forschungsergebnisse“ (Thiem et al. 2020, S. 191 in Anlehnung an Thiel und Böttcher 2014), die durch die Dimensionen Recherchekompetenz, Methodenkompetenz, Kommunikationskompetenzen und Reflexionskompetenzen sowie darüber hinaus das fachliche Wissen operationalisiert werden (vgl. Thiel und Böttcher 2014).

Zuwächse in der Forschungskompetenz von Lehramtsstudierenden, die sowohl Selbsteinschätzungen als auch mittels Fähigkeitstest erhobene Kompetenzen betreffen, konnten Böttcher-Oschmann und Kolleg*innen (2021) unter Berücksichtigung einer Phase forschenden Lernens nachweisen. Die Autor*innen gehen davon aus, dass im Rahmen der Prozesse forschenden Lernens durch das Durchlaufen authentischer Forschungsprozesse der entsprechende Kompetenzerwerb stattfinden kann, wobei mit Blick auf die Studie einschränkend ein sehr kleines Sample für den Längsschnitt (N = 36) mit erheblichen Drop-Out-Raten anzumerken ist (Böttcher-Oschmann et al. 2021). Paseka et al. (2022) untersuchten im Längsschnitt mögliche Veränderungen in der Forschungskompetenz von n = 144 Lehramtsstudierenden, die während des Untersuchungszeitraums sogenannte Forschungswerkstätten besuchten, in denen das Konzept Forschenden Lernens umgesetzt wurde. Die (selbsteingeschätzten) Forschungskompetenzen der Studierenden stiegen an, während das ebenfalls erhobene Forschungsinteresse sank. Keine Zuwächse von Forschungskompetenz konnte hingegen in der Untersuchung von Besa (2022) beobachtet werden, in der eine Förderung dieser Kompetenzfacette durch eigenes Forschungshandeln im Mittelpunkt stand. Auf Studien mit größeren Stichproben mit dem von Böttcher-Oschmann und Kolleg*innen (2021) entwickelten F‑Komp-Instrument (Böttcher und Thiel 2016; Thiel und Böttcher 20142016) zur Erfassung selbsteingeschätzter studentischer Forschungskompetenz können Besa und Kolleg*innen (2020) sowie Thiem und Kolleg*innen (2020) zurückgreifen, die im Vergleich von Lehramtsstudierenden und Studierenden anderer Studienfächer jeweils deutlich geringer ausgeprägte Werte bei den Personen mit Berufsziel Lehramt ermittelt haben. Dieses gilt auch beim Vergleich der Forschungsorientierung von Lehramtsstudierenden und denen in medizinischen Studiengängen (Rochnia et al. 2019), für die eingangs bereits eine größere Tradition forschungsorientierter Praxis dargestellt wurde.

Lehramtsstudierende – wie auch im Beruf tätige Lehrkräfte – zeigen nicht nur geringere Kompetenzen in dem Feld, sondern zeichnen sich durch eine größere Skepsis gegenüber wissenschaftlichem Wissen und dessen Bedeutung für die (spätere) eigene Praxis aus (Rochnia et al. 2019; Schmidt et al. 2022; van Ackeren und Herzig 2016). Die Einstellungen zu Forschung und deren Einschätzung zu Nützlichkeit und Anwendungsmöglichkeiten hängt sowohl mit den selbst wahrgenommenen Fähigkeiten zum Umgang mit Forschung (Thomm et al. 2021) als auch mit wissenschaftlichem Denken (Kiemer und Kollar 2018) zusammen. Darüber hinaus zeigen sich in Bezug auf die (selbsteingeschätzten) Forschungskompetenzen auch Binnenunterschiede in der Gruppe der Lehramtsstudierenden: Mönig (2012) wies Studierenden des Faches Mathematik höhere Forschungskompetenzen nach, wobei darunter auch Statistikkenntnisse gefasst waren, die vermutlich deutlich stärker im Mathematikstudium angeeignet werden. Besa und Kolleg*innen (2020) untersuchten mögliche Schulformunterschiede. Die befragten Gymnasiallehrkräfte erzielten auf allen abgefragten Dimensionen der Forschungskompetenz (Recherchekompetenz, Methodenkompetenz, Fachliches Wissen) signifikant höhere Werte als Studierende mit dem Lehramt Realschule plus. An dieser Stelle lässt sich kritisch anmerken, dass die Selbsteinschätzungen nicht zwingend tatsächliche Forschungskompetenzen der Lehramtsstudierenden abbilden. Zwar handelt es sich bei der Erhebung von Kompetenzselbsteinschätzungen um ein „nützliches und valides Erhebungsverfahren“ (Böttcher-Oschmann et al. 2019, S. 501), das vor allem ökonomisch ist, allerdings weisen Böttcher-Oschmann et al. (2019) mit Bezug auf Lucas und Baird (2006) auf mögliche Verzerrungen durch soziale Erwünschtheit hin. Schladitz et al. (2015) finden in Bezug auf die Forschungskompetenz sogar keine signifikanten Zusammenhänge zwischen den Selbsteinschätzungen und den erhobenen Testscores.

2.2 Persönlichkeitsmerkmale und deren Bedeutung für Lehrkräfte

Hinsichtlich der Voraussage erfolgreichen Lehrkrafthandelns spielen neben den in der Lehrkräfteausbildung aufzubauenden Kompetenzen auch Merkmale wie kognitive Fähigkeiten, Überzeugungen und Persönlichkeitseigenschaften eine Rolle (Klusmann 2011; Kunter et al. 2011; Mayr 2014; Mayr und Neuweg 2006). Das Konstrukt Persönlichkeit lässt sich in der (bildungs-)psychologischen Forschung durch das Big Five-Modell operationalisieren. Es wurde ursprünglich von McCrae und Costa (1987) für den englischsprachigen Raum entwickelt und validiert. Wenig später etablierte es sich auch im deutschen Sprachraum (Borkenau und Ostendorf 1993; Rammstedt und John 2005). Das Big Five-Modell erlaubt eine valide Beschreibung eines breiten Spektrums menschlicher Persönlichkeitsdimensionen: Extraversion, Neurotizismus, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Offenheit für Erfahrungen (Rammstedt und Danner 2017). Personen mit hohen Extraversionswerten lassen sich als aktiv, gesprächig und durchsetzungsfähig beschreiben, wohingegen niedrige Ausprägungen dieses Persönlichkeitsmerkmals Schweigsamkeit und Zurückgezogenheit anzeigen (Rammstedt et al. 2013). Neurotizismus – gekennzeichnet durch Nervosität, Ängstlichkeit und Depression – drückt den Grad der Labilität des emotionalen Zustandes einer Person aus (vgl. ebd.). Die Dimension Offenheit für Erfahrungen umfasst Aspekte wie Neugierde oder die Bereitschaft, sich auf Ungewohntes oder Fremdes einzulassen (Borkenau und Ostendorf 1993). In hohem Maße verträgliche Personen neigen zu Altruismus, Kooperation und Zwischenmenschlichkeit, wohingegen wenig verträgliche Personen kühl und misstrauisch bis feindselig auftreten (Borkenau und Ostendorf 1993; Rammstedt et al. 2013). Die Dimension Gewissenhaftigkeit lässt sich durch Disziplin, Ausdauer und einer damit einhergehenden Leistungsbereitschaft charakterisieren (Rammstedt et al. 2013). Die Persönlichkeitsmerkmale der Big Five werden als situationsunabhängige und zeitstabile Merkmale verstanden (Herzberg und Roth 2014; Mayr und Neuweg 2006). So stellt sich deren Betrachtung insbesondere im Hinblick auf die Vorhersage von erfolgreichem Lehrkrafthandeln, Kompetenzentwicklungen und/oder Laufbahnentscheidungen als beachtenswert heraus (Mayr und Neuweg 2006). Hohe Neurotizismuswerte bei gleichzeitig niedrigen Extraversions- und Gewissenhaftigkeitswerten können einen potentiellen Prädiktor für Berufsunzufriedenheit, ein hohes Belastungserleben und mangelhafte unterrichtliche Leistung darstellen (Bromme et al. 2006; Eckert und Sieland 2017). Das stützt auch die Studie von Mayr (2012): Ausgeprägter Neurotizismus steht als einzige der fünf Persönlichkeitsdimensionen in einem positiven Zusammenhang mit Berufsunzufriedenheit. Differenziert man zwischen weiblichen und männlichen Personen, so kann ersteren ausgehend von einer Reihe von Befunden sowohl ein stärker ausgeprägter Neurotizismus als auch eine größere Offenheit für Erfahrungen sowie ein höheres Maß an Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit attestiert werden (Costa et al. 2001; Rothland et al. 2014; Vecchione et al. 2012). Unterschiede in Abhängigkeit des Studiums zeigen sich insofern, als dass Lehramtsstudierende höhere Extraversions-Werte aufweisen als Nicht-Lehramtsstudierende (Klusmann et al. 2009).

2.3 Zusammenhang von Persönlichkeit und Forschungskompetenz

Förderung von Forschungskompetenz bei Lehrkräften ist in der Lehrkräftebildung unter anderem durch das Konzept des Forschenden Lernens realisiert. Als Ziel dieses Konzeptes wird neben der Entwicklung einer forschenden Haltung auch das Herausarbeiten einer kritisch denkenden Persönlichkeit angesehen (Hoffmeister et al. 2020), wobei Persönlichkeit an dieser Stelle nicht expliziert wird. Es stellt sich daher die Frage, ob bestimmte Persönlichkeitsmerkmale – insbesondere im Sinne der Big Five – mit der Forschungskompetenz in Verbindung stehen. Studien zeigen zumindest einige Zusammenhänge zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen und der Einstellung zu Wissenschaft und Forschung auf. So existieren Hinweise darauf, dass Personen mit stärker ausgeprägtem Neurotizismus eher an die Eindeutigkeit von wissenschaftlicher Erkenntnis glauben, während Personen mit größerer Offenheit eigenes Verhalten an wechselnden wissenschaftlichen Erkenntnissen, wie beispielsweise geänderten Ernährungsempfehlungen, orientieren und generell eine höhere Wertschätzung gegenüber der Glaubwürdigkeit wissenschaftlicher Erkenntnisse aufweisen (Hartman et al. 2017; Retzbach et al. 2015). Des Weiteren zeigen sich auch divergierende Zusammenhänge zwischen Persönlichkeitsmerkmalen und der Zustimmung zu (wenig wissenschaftlichen) Verschwörungstheorien und populären Wissenschaftsmythen. Diese Zusammenhänge lassen sich unter anderem für Extraversion, Offenheit und Verträglichkeit finden (Swami und Furnham 2012; Swami et al. 2012). Auch eine ablehnende Haltung gegenüber Wissenschaft kann mit Faktoren wie Extraversion und Verträglichkeit zusammenhängen (Swami et al. 2016). Eine direkte Verbindung zwischen (selbsteingeschätzter) Forschungskompetenz und Persönlichkeitsmerkmalen wurde bislang jedoch noch nicht erforscht und soll in dieser Studie exploriert werden.

3 Fragestellung

In diesem Beitrag soll die Ausprägung der selbsteingeschätzten Forschungskompetenz von Lehramtsstudierenden sowie Studierenden anderer Studienrichtungen untersucht werden. Zudem sollen verschiedene Lehramtsstudiengänge verglichen werden. Der Fokus dieser Studie liegt auf der Überprüfung, inwieweit ein Zusammenhang zwischen den Persönlichkeitsmerkmalen Big Five von Lehramtsstudierenden und deren Forschungskompetenz besteht. Es wird dabei angenommen, dass

(H1a)

die selbsteingeschätzte Forschungskompetenz bei Lehramtsstudierenden im Vergleich zu anderen Studierenden eher niedrig ausgeprägt ist,

(H1b)

die selbsteingeschätzte Forschungskompetenz sich in Abhängigkeit der Schulform unterscheidet,

(H2a)

es Unterschiede bezüglich der Persönlichkeitsmerkmale zwischen Lehramtsstudierenden und anderen Studierenden gibt,

(H2b)

es Unterschiede in den Persönlichkeitsmerkmalen zwischen Studierenden des Lehramtes an Grundschulen, des Lehramtes für die Sekundarstufe I sowie des Lehramtes für die Sekundarstufe II gibt und

(H3)

die Persönlichkeitsmerkmale (Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, Neurotizismus) Prädiktoren für die Subdimensionen der selbsteingeschätzten Forschungskompetenz (Recherchekompetenz, Methodenkompetenz, fachliches Wissen) darstellen.

4 Studiendesign und Stichprobe

Zur Überprüfung der Hypothesen wird auf die Ergebnisse aus zwei Studierendenbefragungen zurückgegriffen, die im Wintersemester 2018/19 sowie im Sommersemester 2020 an mehreren Universitäten in Deutschland (u. a. Trier, Münster, Bielefeld, Hildesheim, Tübingen, Kiel, Koblenz-Landau, wobei bedingt durch die Bewerbung der Umfrage in den Lehrveranstaltungen der Autor*innen die Universitätsstandorte Trier und Münster am stärksten vertreten sind und fast 75 % der Befragten ausmachen) durchgeführt worden sind. Die N = 351 (74,07 % weiblich, 24,50 % männlich, 1,14 % divers) befragten Studierenden befinden sich größtenteils im Masterstudiengang ihrer jeweiligen Fächer. Die durchschnittliche Note der Hochschulzugangsberechtigung (Abitur) liegt bei 2,26. Hiervon streben 65,24 % der Studierenden einen Lehramtsabschluss (Sekundarstufe II n = 145, Sekundarstufe I n = 53, Grundschule n = 31) (vgl. Tab. 1) an. Die Studierenden außerhalb des Lehramtes streuen über zahlreiche Fachrichtungen, insbesondere Betriebswirtschaftslehre, Wirtschaft, Pädagogik, Psychologie, Erziehungswissenschaften sowie Jura, wobei jedoch nur die betriebswirtschaftlichen und pädagogischen/erziehungswissenschaftlichen Studiengänge mit mehr als zehn Nennungen vertreten waren. Es wurde auch gefragt, ob die Personen einen höheren, wissenschaftlich qualifizierenden Abschluss anstreben (Promotion/Habilitation), was für 12,2 % der Lehramtsstudierenden und sogar 22,1 % der Nicht-Lehramtsstudierenden zutrifft.

Tab. 1 Stichprobe: Verteilung der Geschlechter in den Gruppen kein Lehramt, Lehramt, Grundschule, Sekundarstufe I und Sekundarstufe II

Zur Erfassung der Forschungskompetenz werden Subdimensionen des „Fragebogen[s] zur Erfassung studentischer Forschungskompetenzen“ von Böttcher und Thiel (2016) genutzt. Es werden die drei Dimensionen Recherchekompetenz, Methodenkompetenz, sowie fachliches Wissen erfasst. Beispielitems sind „Ich weiß, wie und wo ich den aktuellen Forschungsstand zu einem bestimmten Thema gezielt recherchieren kann“ (Recherchekompetenz), „Ich bin in der Lage, einen Forschungsprozess zu planen“ (Methodenkompetenz) und „Ich kenne die wichtigsten (aktuellen) Theorien in meinem Fach“ (fachliches Wissen). Die Subskalen zeigen gute interne Konsistenzen (Cronbach-α: 0,80–0,91) (vgl. Tab. 2).

Tab. 2 Mittelwert, Std.-Abweichung und interne Konsistenz der eingesetzten (Sub‑)Skalen

Die Persönlichkeitsmerkmale Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus werden über ein Big Five-Kurzinventar von Rammstedt und John (2005) erfasst. Beispielitems sind „Ich gehe aus mir heraus, bin gesellig“ (Extraversion), „Ich bin vielseitig interessiert“ (Offenheit), „Ich schenke anderen leicht Vertrauen, glaube an das Gute im Menschen“ (Verträglichkeit), „Ich mache Pläne und führe sie auch durch“ (Gewissenhaftigkeit) sowie „Ich werde leicht nervös und unsicher“ (Neurotizismus). Auch hier weisen alle Subskalen hinreichende interne Konsistenzen auf (Cronbach-α: 0,73–0,81) (vgl. Tab. 2).

Erhoben wurden beide Skalen auf einer 5er-Rating-Skala mit den Antwortmöglichkeiten „trifft überhaupt nicht zu“ (1) bis „trifft genau zu“ (5) erhoben.

Publiziert und validiert wurden beide Skalen in deutscher Sprache (Böttcher und Thiel 2016, 2018; Rammstedt und John 2005, 2007). Zusätzlich werden auf Basis der in dieser Studie erhobenen Daten die Dimensionalitäten beider Skalen mittels konfirmatorischer Faktorenanalysen überprüft. Beide Skalen zeigen in der Analyse hinreichende Fits (Fragebogen zur Erfassung studentischer Forschungskompetenz: 3 Faktoren überprüft, χ2(149) = 450.077, p = 0,00, RMSEA = 0,076, CFI = 0,914, SRMS = 0,048; Big Five-Kurzinventar: 5 Faktoren überprüft, χ2(173) = 418.841, p = 0,00, RMSEA = 0,066, CFI = 0,867, SRMS = 0,070).

Für die Gruppenvergleiche werden MANOVA inkl. Tukey-Kramer-Post-Hoc-Tests genutzt. Alle Voraussetzungen für die Anwendung dieses statistischen Verfahrens sind gegeben. Im Datensatz befinden sich keine Ausreißer. Die Normalverteilung der Stichprobenmittelwerte kann dem zentralen Grenzwertsatz folgend ab einer Stichprobe N > 30 angenommen werden (Weigand 2009). Zudem gilt die MANOVA als robust gegenüber Verletzungen der Normalverteilung (Finch 2005). In den Fällen, in denen die Voraussetzungen nicht gegeben sind, werden zusätzlich zu der MANOVA nicht-parametrische Verfahren (Mann-Whitney-U-Test, Kruskal-Wallis-Test) genutzt. In keinem Fall weichen die Ergebnisse der parametrischen Verfahren von denen der nicht-parametrischen Verfahren ab. Die multivariate lineare Regressionsanalyse zur Testung des Einflusses der Persönlichkeitsmerkmale auf die Subdimensionen (Recherchekompetenz, Methodenkompetenz, fachliches Wissen) der Forschungskompetenz erfolgt gleichzeitig. Die Studienrichtung (Lehramt, kein Lehramt) sowie die verschiedenen Schulformen (Grund, Sek 1, Sek 2) werden in der multiplen linearen Regressionsanalyse berücksichtigt, indem sie als Dummy-Variablen (Grund, Sek 1, Sek 2, kein Lehramt) mit als unabhängige Variablen aufgenommen wurden. Hierbei dient die Dummy-Variable „kein Lehramt“ als Referenzkategorie. Berechnet wird die Regressionsanalyse über die gesamte Stichprobe.

5 Ergebnisse

Zuerst wird der Frage nachgegangen, ob zwischen Lehramtsstudierenden und Studierenden anderer Fachrichtungen Unterschiede in der Forschungskompetenz vorliegen. Die MANOVA zeigt hierzu, dass Unterschiede in der Forschungskompetenz zwischen den Lehramtsstudierenden und den Nicht-Lehramtsstudierenden vorliegen (F(3, 347) = 7,29; p < 0,001; Wilks-Lambda = 0,94; η2 = 0,06). Durch Berechnung der ANOVAs wird deutlich, dass Studierende, die kein Lehramt studieren, ihre Forschungskompetenz in allen drei Subdimensionen (Recherchekompetenz, Methodenkompetenz und fachliches Wissen) signifikant höher einschätzen als Lehramtsstudierende. H1a wird durch diese Befunde gestützt (vgl. Tab. 3).

Tab. 3 Mittelwertvergleich (inkl. Standardabweichung) der Forschungskompetenz-Subdimensionen nach Studienrichtung

Daraufhin wird geprüft, ob zwischen den verschiedenen Schulformen innerhalb der Gruppe der Lehramtsstudierenden Unterschiede in der Forschungskompetenz vorliegen. Die MANOVA zeigt hierbei ebenfalls signifikante Unterschiede in der Forschungskompetenz zwischen den Studierenden der drei Lehrämter (F(6, 448) = 4,73; p < 0,001; Wilks-Lambda = 0,88; η2 = 0,06). Die im Anschluss an die MANOVA durchgeführten ANOVAs und Tukey-Kramer-Post-Hoc-Tests liefern signifikante Gruppenunterschiede für den Vergleich der Studierenden des Lehramtes für die Sekundarstufe II, die signifikant höhere Werte in allen drei Facetten der Forschungskompetenz, genauer der Recherchekompetenz (η2 = 0,09), der Methodenkompetenz (η2 = 0,08) sowie dem fachlichen Wissen (η2 = 0,11) zeigen, als die anderen beiden Lehrämter. Studierende des Lehramtes für die Sekundarstufe II schätzen demnach ihre Forschungskompetenz in allen drei Subdimensionen signifikant höher ein als Studierende des Lehramtes für die Sekundarstufe I und für die Grundschule. H1b wird mit diesen Ergebnissen gestützt (vgl. Tab. 4).

Tab. 4 Mittelwertvergleich (inkl. Standardabweichung) der Forschungskompetenz-Subdimensionen nach Lehramt

Inwieweit sich Lehramtsstudierende in den fünf Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit, und Neurotizismus (H2a) von Studierenden anderer Studienrichtungen unterscheiden wird ebenfalls durch eine MANOVA überprüft. Diese zeigt in keinem der fünf Persönlichkeitsmerkmale einen statistisch signifikanten Unterschied zwischen den Lehramtsstudierenden und den Nicht-Lehramtsstudierenden (F(5, 345) = 1,54; p = 0,175; Wilks-Lambda = 0,98; η2 = 0,02). Deskriptiv zeigen sich jedoch in vier (Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit sowie Gewissenhaftigkeit) der fünf Persönlichkeitsmerkmale höhere Werte seitens der Gruppe der Lehramtsstudierenden. Lediglich im Persönlichkeitsmerkmal des Neurotizismus zeigen die Lehramtsstudierenden deskriptiv niedrigere Werte. Hervorzuheben sind in diesem Zuge die Persönlichkeitsmerkmale der Extraversion (p = 0,054), Verträglichkeit (p = 0,068) und Neurotizismus (p = 0,064). H2a lässt sich damit nicht annehmen (vgl. Tab. 5).

Tab. 5 Mittelwertvergleich (inkl. Standardabweichung) der Persönlichkeitsmerkmale nach Studienrichtung

Folgende MANOVAFootnote 1 prüft, ob sich die verschiedenen Schulformen innerhalb der Gruppe der Lehrämter in den fünf Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus (H2b) signifikant unterscheiden. Diese zeigt in keinem der fünf Persönlichkeitsmerkmale statistisch signifikante Unterschiede zwischen den Lehramtsstudierenden der verschiedenen Schulformen (F(10, 444) = 1,21; p = 0,281; Wilks-Lambda = 0,95; η2 = 0,03) (vgl. Tab. 6). Deskriptiv zeigt sich ein uneinheitliches Ergebnis dahingehend, dass Studierende des Grundschullehramtes die höchsten Werte in den Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion und Verträglichkeit aufweisen. Die Studierenden des Lehramtes für die Sekundarstufe II zeigen hingegen deskriptiv die höchsten Werte für die Persönlichkeitsmerkmale Offenheit, Gewissenhaftigkeit jedoch auch für den Neurotizismus. H2bi kann anhand der vorliegenden Ergebnisse daher nicht gestützt werden.

Tab. 6 Mittelwertvergleich (inkl. Standardabweichung) der Persönlichkeitsmerkmale nach Lehramt

Zur Überprüfung, in welchem Maße die fünf Persönlichkeitsmerkmale Extraversion, Offenheit, Verträglichkeit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus Prädiktoren für die Forschungskompetenz-Subdimensionen Recherchekompetenz, Methodenkompetenz und fachliches Wissen darstellen H3, wird eine multivariate lineare Regressionsanalyse über die gesamte Stichprobe berechnet. Die verschiedenen Studienrichtungen (Lehramt, kein Lehramt) und die verschiedenen Schulformen (Grund, Sek 1, Sek 2) werden mithilfe von vier Dummy-Variablen (Grund, Sek 1, Sek 2, kein Lehramt) berücksichtigt, welche berechnet und zusätzlich als unabhängige Variablen mit in die Regressionsanalyse aufgenommen werden. Die Dummy-Variable „kein Lehramt“ dient hier als Referenzkategorie bei der Angabe der standardisierten β‑Regressionskoeffizienten (Tab. 7).

Tab. 7 Multivariate lineare Regressionsanalyse

Die Regressionsanalyse zeigt für den Zusammenhang der drei Forschungskompetenz-Subdimensionen Recherchekompetenz (korr. R2 = 0,161; F(8,351) = 28,33; p < 0,001), Methodenkompetenz (korr. R2 = 0,136; F(8,351) = 28,12; p < 0,001) und fachliches Wissen (korr. R2 = 0,198; F(8,351) = 21,75; p < 0,001) als abhängige Variablen und den fünf Persönlichkeitsmerkmalen als unabhängige Variablen ein signifikantes Modell (Tab. 7). Im Regressionsmodell kann Offenheit als signifikanter Prädiktor für die Forschungskompetenz-Subdimensionen Recherchekompetenz (β = 0,11; t = 1,99; p < 0,05) und fachliches Wissen (β = 0,11; t = 1,99; p < 0,05) identifiziert werden. Gewissenhaftigkeit stellt sich für alle drei Forschungskompetenz-Subdimensionen Recherchekompetenz (β = 0,22; t = 3,82; p < 0,001), Methodenkompetenz (β = 0,20; t = 3,62; p < 0,001) sowie fachliches Wissen (β = 0,21; t = 3,92; p < 0,001) als signifikanter Prädiktor heraus. Das Persönlichkeitsmerkmal des Neurotizismus erweist sich hingegen als negativer Prädiktor für alle drei Forschungskompetenz-Subdimensionen Recherchekompetenz (β = −0,15; t = −3,20; p < 0,01), Methodenkompetenz (β = −0,13; t = −2,94; p < 0,01) sowie fachliches Wissen (β = −0,13; t = −2,95; p < 0,01). Die Persönlichkeitsmerkmale Extraversion und Verträglichkeit stellen dagegen keine signifikanten Prädiktoren dar. H3 ist damit teilweise zu stützen: Die Persönlichkeitsmerkmale Offenheit, Gewissenhaftigkeit und Neurotizismus zeigen sich als Prädiktoren für die Forschungskompetenz-Subdimensionen, allerdings mit einer insgesamt eher geringen Varianzaufklärung.

6 Diskussion

Ziel der vorliegenden Studie war es, die Bedeutung von Persönlichkeitsmerkmalen für die Forschungskompetenz von (Lehramts‑)Studierenden zu untersuchen. Es zeigen sich im Ergebnis signifikant niedrigere Werte in der selbsteingeschätzten Forschungskompetenz von Lehramtsstudierenden im Vergleich zu Studierenden anderer Fachrichtungen. Dieses deckt sich – ebenso wie die festgestellten Binnenunterschiede – mit den Erkenntnissen bisheriger Studien (Besa et al. 2020; Mönig 2012; Thiem et al. 2020). Zudem zeigen Studierende des Lehramtes für die Sekundarstufe II signifikant höhere Werte auf allen Subdimensionen der Forschungskompetenz als Studierende des Lehramtes für die Sekundarstufe I oder das Grundschullehramt. Ein möglicher Grund dieser Unterschiede könnte in den Inhalten der Studiengänge liegen: Studierende des Lehramtes an Gymnasien besuchen insbesondere zu Beginn ihres Studiums häufiger dieselben fachwissenschaftlichen Veranstaltungen wie Kommiliton*innen mit rein fachwissenschaftlicher Ausrichtung. Dies führt gegebenenfalls zu einem vermehrten Kontakt zu Forschung und Wissenschaft und könnte dadurch die Ausprägungen der selbsteingeschätzten Forschungskompetenz erklären. Aber auch ein generell bereits für die Studienwahl entscheidendes, stärkeres Fach- und Forschungsinteresse könnte hier von Bedeutung sein (vgl. Besa 2018).

Zur Forschungskompetenz zeigen sich bei den Persönlichkeitsmerkmalen in der vorliegenden Studie keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Hier sind unsere Ergebnisse nur partiell konform mit bisherigen Erkenntnissen. Klusmann und Kolleg*innen (2009) fanden keine signifikanten Unterschiede in der Ausprägung der Persönlichkeitsmerkmale zwischen Studierenden des Lehramtes an Gymnasien und Nicht-Lehramtsstudierenden. Innerhalb der Gruppe der Lehramtsstudierenden lagen bei Klusmann und Kolleg*innen (2009) jedoch Binnenunterschiede vor: In ihrer Studie wiesen Gymnasiallehrkräfte signifikant höhere Werte im Persönlichkeitsmerkmal Offenheit auf als Studierende der Lehrämter für die Grund‑, Haupt‑, Real- und Sonderschule, wohingegen diese Studierenden signifikant höhere Werte in den Persönlichkeitsmerkmalen Verträglichkeit und Extraversion hatten (Klusmann et al. 2009). In unserer Studie lag eine ungleiche Stichprobenverteilung der verschiedenen Schulformen innerhalb der Gruppe der Lehramtsstudierenden vor. So könnte hier ein potenzieller Beta-Fehler aufgetreten sein. In diesem Falle wäre davon abzusehen, dass das Ergebnis nicht signifikant ist. Die sehr geringen Effektstärken deuten jedoch darauf hin, dass evtl. Unterschiede zwischen den Lehramtsstudierenden der unterschiedlichen Schultypen (sehr) klein sein müssten.

Im weiteren Verlauf wurden Zusammenhänge dieser Konstrukte untersucht. Die Regressionsanalyse zeigte für die Gesamtstichprobe bei den Persönlichkeitsmerkmalen Extraversion und Verträglichkeit keine signifikanten Einflüsse auf die drei Forschungskompetenz-Subdimensionen. Das Persönlichkeitsmerkmal Offenheit zeigt sich als signifikanter Prädiktor für die Forschungskompetenz-Subdimensionen Recherchekompetenz und fachliches Wissen. Personen mit einer hohen Ausprägung von Offenheit weisen hohe Neugierde und die Bereitschaft sich auf Neues einzulassen auf. Dies ist möglicherweise hilfreich bei der Tätigkeit des Recherchierens und Nachvollziehens neuer, vielleicht auch unerwarteter, wissenschaftlicher Erkenntnisse. Für die Subdimension Methodenkompetenz ist Offenheit jedoch keine signifikante Vorhersagevariable. Dies könnte daran liegen, dass Forscher*innen in der methodischen Gestaltung bestimmten Konventionen folgen müssen. Gewissenhaftigkeit ist hingegen für alle drei Forschungskompetenz-Subdimensionen ein signifikanter Prädiktor. Personen mit hohen Werten in der Gewissenhaftigkeit zeigen Disziplin, Ausdauer und Leistungsbereitschaft (Rammstedt et al. 2013), welche überaus vorteilhaft beim Recherchieren, beim methodischen Vorgehen sowie beim Anwenden fachlichen Wissens sind. Das Persönlichkeitsmerkmal Neurotizismus ist ebenso für alle drei Forschungskompetenz-Subdimensionen ein signifikanter, aber einzig negativ gepolter Prädiktor. Personen mit hohen Neurotizismus-Werten lassen sich als nervös, ängstlich und eher depressiv charakterisieren – Eigenschaften, die bei einer forschenden Tätigkeit möglicherweise hinderlich sind. Vor dem Hintergrund der insgesamt überschaubaren Varianzaufklärung ist jedoch zu überlegen, welche anderen Faktoren eine prädiktive Wirkung für die selbsteingeschätzten Forschungskompetenzen haben könnten. Kognitive Fähigkeiten (wie etwa bei Besa et al. (2020) über das distale Merkmal der Abiturnote miteinbezogen) scheinen hier keine Rolle zu spielen. Mit Blick auf die Auseinandersetzung mit Forschung(sergebnissen) lohnt es gegebenenfalls, hier einen stärkerer Blick auf die Interessen, deren prominente Operationalisierungen wie etwa durch das RIASEC-Modell (Holland 1997), dem wissenschaftlichen Interesse eine eigene explizite Interessensdimension zuerkennen.

Limitationen dieser Studie liegen unter anderem in der großen Asymmetrie der Lehrämter innerhalb der Stichprobe begründet. Eine weitere Limitation dieser Studie ist der Aussagewert von Selbstberichtskalen. Da in der hier vorliegenden Studie keine tatsächlich vorhandenen Kompetenzen, sondern selbsteingeschätzte Kompetenzen erhoben wurden, könnte hier fälschlicherweise das Selbstbewusstsein der Studierenden gegenüber forschungspraktischen Tätigkeiten eine wichtige Rolle gespielt haben. Eine gleichzeitige Erfassung der tatsächlichen Kompetenzen neben den Selbstberichtskalen, wie sie bei Böttcher-Oschmann und Kolleginnen (2021) vorgenommen wurde, könnte diese Limitation eliminieren. Die dort vorliegenden Befunde zeigen immerhin moderate Korrelationen zwischen den allgemeinen selbsteingeschätzten Forschungskompetenzen des F‑Komp, der auch in dieser Arbeit genutzt wurde, und einer fachspezifischen bildungswissenschaftlichen Forschungskompetenz, die mittels Test erfasst wurde. Letztlich bleibt aber bei der – vor allem forschungsökonomisch begründeten – Nutzung von Selbsteinschätzungsverfahren offen, ob dabei tatsächlich Kompetenzen oder eher Kompetenzselbstkonzepte erfasst werden (siehe hierzu auch Hartig und Jude 2007). Inwiefern die Ausprägung der Forschungskompetenz problematisch ist, ist diskutabel. Einerseits ist nachvollziehbar, dass die Forschungskompetenz für das Treffen von reflektierten Handlungsentscheidungen nützlich sein kann (Ferchow 2014). Andererseits ist noch ungeklärt, ob das Wissen aus empirischen Studien tatsächlich in die Praxis transferiert wird bzw. werden kann (Groß Ophoff und Pant 2020). Vor diesem Hintergrund ist wenig überraschend, dass Lehramtsstudierende eher auf in der Praxis selbst erworbenes Wissen vertrauen als auf wissenschaftlich gestützte Evidenzen (Rosman und Merk 2021). Dass dies bei Studierenden anderer Fachrichtungen anders aussieht, ist insbesondere mit Blick auf andere Professionen, wie zum Beispiel der Medizin mit ihrer weitaus längeren Tradition der evidenzbasierten Arbeit, nachvollziehbar (Clarke et al. 2013). Inwiefern im Beruf tätige Mediziner*innen tatsächlich über entsprechende forschungsbezogene Fähigkeiten und methodisches Wissen verfügen und dieses auch anwenden können, scheint jedoch ebenfalls fraglich (Manrai et al. 2014). Geht man jedoch von einer grundlegenden Bedeutsamkeit entsprechender Forschungskompetenzen aus, so zeigt sich für eine weitere Facette beruflicher Kompetenzen der Einfluss von tendenziell zeitstabilen Persönlichkeitsmerkmalen (Mayr und Neuweg 2006).

Interessant sind die Ergebnisse daher auch mit Blick auf die in der Vergangenheit kontrovers geführte Diskussion rund um das Self-Assessment-Verfahren des CCT (Career Councelling for Teachers; Nieskens et al. 2011). Nimmt man spezifische Anforderungen und Aufgabenbereiche des Lehrberufs – wie etwa die zunehmende Verankerung von forschungsbezogenen Kompetenzen – in den Blick, so zeigen sich relevante und weniger relevante Persönlichkeitseigenschaften. Für eine explizite unterrichtliche Tätigkeit – so argumentiert Klusmann (2011) in Bezug auf Mayr und Neuweg (2006) – werden angesichts hoher Belastungen und nicht unwesentlicher Anforderungen zur sozialen Kommunikation ein gewisses Maß an Extraversion sowie auch Gewissenhaftigkeit als wichtig betrachtet, während ein hoch ausgeprägter Neurotizismus, der sich durch eine emotionale Instabilität äußert, in diesem Kontext eher problematisch sei. Für den Forschungsprozess wird neben Offenheit sowie emotionaler Stabilität insbesondere Gewissenhaftigkeit als wichtig erachtet. Die Bedeutsamkeit der Gewissenhaftigkeit für forschungsbezogenes Handeln zeigt sich sowohl mit Blick auf Konzeptionen Forschenden Lernens, in denen Ausdauer als entscheidendes Merkmal vermerkt wird (vgl. z. B. Huber 2013), sowie mit Hinweis auf Literatur zum wissenschaftlichen Arbeiten, in denen immer wieder auf Gewissenhaftigkeit verwiesen wird (siehe z. B. Bänsch und Alewll 2020; Brink 2013). Dass ein hohes Maß an Offenheit für neue Erfahrungen im Forschungsprozess nützlich ist, kann ebenso mit Blick auf prominente Operationalisierungen Forschenden Lernens begründet werden, in denen unter anderem die Begriffe Entdecken (Roth und Weigand 2014) oder Entdeckungsinteresse (Reitinger 2013) benannt werden. Auch in der Literatur zum wissenschaftlichen Arbeiten, insbesondere zu qualitativer empirischer Forschung, wird die Offenheit des Forschenden als bedeutsam erachtet (siehe z. B. Kleining 2001). Dass ein gewisses Maß an Neurotizismus im Forschungsprozess eher nachteilig ist, kann mit dem Hinweis auf das Risiko möglicherweise auftretender Irrtümer und Umwege und dem dann entsprechend notwendigen Umgang damit (vgl. Huber 2013) begründet werden. Letztlich zeigt sich vor allem, dass ein breites Berufsfeld, wie es der Lehrberuf ist, auf breiter Ebene Ansprüche an kompetente Personen stellt, die sich nur bedingt über einzeln herauszuhebende Fähigkeiten, Interessen oder Persönlichkeitsmerkmale beschreiben lassen. Die mangelnde prognostische Validität persönlichkeitszentrierter Ansätze für erfolgreiches Lehrkräftehandeln könnte auch in dieser heterogenen Wirkweise von Persönlichkeitsmerkmalen begründet liegen. Für weitere Studien bietet es sich an, eine breitere Basis abhängiger Variablen mit einzubeziehen, die andere Facetten des Lehrkräftehandelns beleuchten, um so innerhalb derselben Stichprobe entsprechende Vergleiche vornehmen zu können. Aufgrund der Erhebungslogik könnten dafür zumindest in Teilstichproben weitere lehramtsrelevante Themenbereiche wie etwa die Unterrichtsgestaltung (vgl. hierzu auch Besa et al. 2020) sowie Lehrerselbstwirksamkeitserwartungen (siehe zur Bedeutung von Selbstwirksamkeitserwartungen für den Umgang mit Wissenschaft Greisel et al. 2022) mit einbezogen werden. Für weitere Forschung empfiehlt es sich darüber hinaus, noch stärker auf die Entwicklung von Forschungskompetenzen im Studium zu fokussieren. Hierfür sollten nicht nur auf kurzfristige Interventionen, die nur partiell Effekte beispielsweise im Bereich der Einstellung zum Umgang mit Forschung bei Lehramtsstudierenden zeigen (siehe z. B. Rochnia und Gräsel 2022), zurückgegriffen werden, sondern es sollte mit Kohorten- (siehe z. B. Voss 2022) oder idealiter echten Längsschnittdesigns gearbeitet werden, um die Entwicklung dieser relevanten Fähigkeitsbereiche im Studium auch unter Berücksichtigung von Eingangsvoraussetzungen, wie etwa Persönlichkeitsmerkmalen stärker in den Blick zu nehmen. Dieses wäre für die Hochschulpraxis in der Lehrekräftebildung auch daher von Bedeutung, um stärkeren Aufschluss über tatsächliche Quellen von Forschungskompetenzen im Rahmen universitärer Studienverläufe zu erlangen. Werden diese „nebenbei“ im ausreichenden Maße durch eine gängige, wissenschaftsorientierte Seminarstruktur erworben oder bedarf es spezifischer Seminare und Module zur Forschung(-smethodik)? Müssen entsprechende Inhalte in die bildungswissenschaftlichen Studienanteile gelegt werden oder sind hierfür die einzelnen Fächer und Fachdidaktiken mit ihren zum Teil spezifischen Forschungsansätzen verantwortlich? Und welche Rolle spielt der Anwendungsbezug im Rahmen von Projekten universitärer Praxisphasen im Studienverlauf – auch unter Berücksichtigung unterschiedlicher fachlicher und forschungsmethodischer Zugänge?