Aufgrund von Medienberichten sind Patienten zunehmend besorgt, dass Corona-Masken gesundheitsschädliches Mikroplastik enthalten. Tatsächlich haben Untersuchungen gezeigt, dass die winzigen Kunststoff-Bestandteile auf diesem Weg mit der Atemluft in die Lungen gelangen können [1]. Noch ist die Studienlage zwar dünn, doch mehren sich die Hinweise auf zunehmende Auswirkungen von Mikroplastik auf Gesundheit und Umwelt.

Was bewirkt Mikroplastik in den Organismen und Ökosysteme? Informationen zu diesen und weiteren Themen bündelt seit diesem Jahr der Arbeitskreis Plastik und Nachhaltigkeit der Deutschen Gesellschaft für Dermatologie, DDG (s. Infobox 1). Denn Kunststoffe - verantwortlich für eine Vielzahl von Umweltproblemen - finden in der Medizin eine breite Anwendung, und im hausärztlichen Alltag fällt bei der Patientenversorgung von der Spritzkanüle bis zu aufwändigen OP-Sets, Handschuhen, Masken und Laborbedarf jede Menge Plastikabfall an.

2.480 toxische Zusatzstoffe in Kunststoffen

Um Eigenschaften von Kunstoffen zu variieren, werden häufig Additive, z. B. Weichmacher oder fluorierte Verbindungen zum Flammschutz beigesetzt. Diese sind teils nicht fest chemisch gebunden und entweichen. So gelangen sie über die Atemluft oder die Nahrungskette in den Körper. Forscher der ETH Zürich fanden jüngst heraus, dass von 10.500 Zusatzstoffen in Kunststoffen 2.480 Stoffe toxisch sind und sich teilweise dauerhaft in der Umwelt anreichern. Zudem sei hier ein großer Mangel an Transparenz zu verzeichnen, da sie zur Hälfte nicht reguliert wurden und bei 10% gar keine Studien durchgeführt worden seien. Ca. ein Drittel dieser toxischen Stoffe sind im Lebensmittelbereich zugelassen [2]! Bekannt ist, dass einige Additive hormonähnlich wirken, indem sie die endokrine Regulation des Menschen stören können. So werden diese sogenannten endokrinen Disruptoren als Risikofaktoren für Erkrankungen wie Brustkrebs, verfrühte Pubertät, Adipositas, Allergien, Diabetes oder Oligozoospermie eingestuft [3]. Auch ist seit 2018 bekannt, dass der Weichmacher Bisphenol A (BPA) zu chronisch entzündlichen Prozessen im Darm führt oder diese verstärken kann [4]. Mikroplastik gelangt auch über die Nahrungskette in den Menschen. Wie eine Studie im August 2020 zeigte, kann nicht abbaubares Mikroplastik in mehreren menschlichen Organen nachgewiesen werden [5].

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© moofushi, Stock Adobe

Allgemein weniger bekannt ist, dass durch die energieaufwändige Herstellung von petrobasierten Kunststoffen klimaschädliche Treibhausgase freigesetzt werden. 10-13% des Kohlendioxids des derzeit verbleibenden CO2-Budgets für das 1,5-Grad-Ziel gehen auf Kosten der weltweiten Kunststoffproduktion [3]. Aber auch Plastikmüll bereitet Probleme. Große Plastikstrudel in den Weltmeeren enthalten tonnenweise Kunststoffflaschen aus Polyethylen, die durch Wellenbewegung und UV-Strahlung zu Mikroplastik zerrieben werden. Dabei werden relevante Mengen Methan als Treibhausgas freigesetzt, welches 25-mal stärker als Kohlendioxid wirkt [6].

Zudem gelangt weiteres Mikroplastik aus Cremes, Duschgels, Fleecebekleidung oder Reifenabrieb über Abwässer in die Ozeane. Es wird angenommen, dass die zunehmende Menge an Mikroplastik in den Meeren biologische Prozesse stört, mit deren Hilfe Plankton an der Meeresoberfläche Kohlendioxid durch Photosynthese bindet. Dieser Prozess, biologische Kohlenstoffpumpe genannt, hat eine zentrale Bedeutung für die Rolle des Ozeans als sogenannte Kohlenstoffsenke und trägt wesentlich zu einem stabilen Erdklima bei. Stirbt nun massenweise Plankton ab, wird vermehrt Kohlendioxid frei bzw. nicht gebunden [7]. Auch wenn die unmittelbaren Auswirkungen von Mikroplastik auf Mensch und Tier in wissenschaftlichen Untersuchungen noch weiter zu klären sind, steht fest, dass der Impact von Plastik auf den Klimawandel ein wesentlicher ist.

Geschlossenes Recyclingsystem erforderlich

Die Klimakrise ist die Gesundheitsbedrohung des 21. Jahrhunderts [8]. Wir als Ärzteschaft stehen jetzt in der Verpflichtung und Verantwortung, für die Gesundheit unserer Patientinnen und Pa- tienten einzutreten. Wir sollten zeitnah berufspolitisch diskutieren, wie der Gesundheitssektor Maßnahmen zur Verringerung von anthropogen verursachten Treibhausgasen entwickeln und umsetzen kann. Dazu gehört auch die Reduktion von Kunststoffen und die Entwicklung eines geschlossenen Recyclingsystems. Laut OceansAsia, einer Naturschutzorganisation aus Singapur, wurden 2020 weltweit rund 52 Milliarden Masken hergestellt. Schätzungen zufolge landeten davon über 1,5 Milliarden als Müll in den Ozeanen [1]. Hier gibt es Anbieter von nachhaltigeren oder biologisch besser abbaubaren Masken, auf die zurückgegriffen werden könnte.

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Dr. med. Susanne Balzer

Hausärztin in Köln; AG hausärztliche Internisten der DGIM, Ressort Klimaschutz und Gesundheit

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Dr. med. Dipl. Biol. Susanne Saha

Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten in Karlsruhe; Arbeitskreis Plastik und Nachhaltigkeit in der Dermatologie (DDG)