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Die im Herbst 2019 erstmals in China (Wuhan) aufgetretene neue Variante des Coronavirus (SARS-CoV-2) und die dadurch ausgelöste Erkrankung COVID-19 wurde im März 2020 durch die WHO zur weltweiten Pandemie erklärt. Vor allem für Mitarbeiter des Gesundheitswesens geht die Bekämpfung der Pandemie mit einer außergewöhnlichen Belastung einher und bringt die Menschen an persönliche und berufliche Grenzen. Ziel dieses Artikels soll es sein, Wissen über die besonderen Belastungsfaktoren von Mitarbeitern des Gesundheitswesens während der COVID-19-Pandemie zu vermitteln und eine Diskussion zur Verbesserung dieser Situation anzuregen.
Seit Beginn der Pandemie wurden weltweit zahlreiche Studien zur psychischen Belastung bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens durchgeführt. Nicht nur in medizinischen Zeitschriften tauchen Titel wie "Deutschland verliert in der Pandemie tausende Pflegekräfte" auf [1]. Am 11. März 2021 veröffentlichte zum Beispiel der Spiegel einen Artikel mit der Überschrift "Viele Pflegekräfte wollen Beruf aufgeben" [2]. Zu Zeiten des Pflegenotstands und der zunehmenden Unzufriedenheit von Assistenzärzten im Krankenhaus [3] sollten die Nöte, Sorgen und psychischen Belastungen von Mitarbeitern des Gesundheitswesens während der Pandemie ernst genommen und Hilfsstrategien etabliert werden.
Die COVID-19-Pandemie hat zu massiven Veränderungen im Gesundheitswesen auf der ganzen Welt geführt. Die meisten Regierungen haben in Form von Lockdown und Quarantäne starke soziale Restriktionen eingeführt, um die weitere Ausbreitung der Erkrankung zu stoppen. Diese Maßnahmen haben die Lebensqualität der Menschen deutlich reduziert, da sie zu einschneidenden Veränderungen des Alltags- und des Arbeitslebens führen und mit Reduktion sozialer und emotionaler Kontakte einhergehen [4]. So ist es nicht verwunderlich, dass die Allgemeinbevölkerung unter erhöhter psychischer Belastung und emotionalem Stress leidet [5].
Zunahme der psychischen Belastung bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen
Mitarbeiter des Gesundheitswesens stehen in der ersten Reihe bei der Bekämpfung des Virus und sind großen Stressoren ausgesetzt. Sie sind in dieser Situation gefordert, sich neuen Arbeitsbedingungen spontan anzupassen und eine Erhöhung der Arbeitsbelastung in Kauf zu nehmen, was zu einer deutlichen Zunahme der psychischen Belastungen führt [6, 7]. Studien zur psychischen Belastung von Mitarbeitern des Gesundheitswesens bei früheren Pandemien zeigten klinisch relevante Ausprägungen von Angst, psychischer Belastung und Burnout [8, 9, 10].
Die meisten Studien, die zur psychischen Belastung von Mitarbeitern des Gesundheitswesens während der aktuellen Pandemie durchgeführt wurden, stammen aus China und wurden in der Anfangsphase der Pandemie durchgeführt. Lai et al. zeigten zum Beispiel, dass 50,4 % der Mitarbeiter des Gesundheitswesens Symptome einer Depression, 44,6 % Symptome von Angst und 34 % einen gestörten Schlaf hatten. 71,5 % hatten Disstress. Diese Studie stellte zudem fest, dass Pflegepersonal, Frauen und Frontline-Arbeiter ein größeres Risiko haben, psychischen Stress zu entwickeln als andere Mitarbeiter des Gesundheitswesens [11]. Mittlerweile gibt es auch zahlreiche Studien aus Deutschland, Italien, Spanien und anderen europäischen Ländern, welche die Ergebnisse aus China größtenteils bestätigen. Inwieweit sich kulturell bedingte Unterschiede und Unterschiede im Gesundheitswesen auf die Ergebnisse auswirken, ist nicht hinreichend bekannt.
In einer Situation wie der COVID-19-Pandemie sind die Mitarbeiter des Gesundheitswesens einem hohen Risiko ausgesetzt, sich zu selbst zu infizieren [12]. Zahlen aus Italien und Spanien zu Beginn der Pandemie zeigen erschreckende Zahlen. Diese beiden Länder waren zu Beginn der Pandemie in Europa am stärksten betroffen. Dementsprechend liegen auch am meisten Daten und Studien aus diesen Ländern vor. Bereits am 9. April 2020 waren in Italien 14.066 Mitarbeiter des Gesundheitswesens infiziert und 133 verstorben [13]. In Deutschland waren es zu etwa dem gleichen Zeitpunkt rund 5.846 infizierte Personen, die angaben, dass sie in medizinischen Einrichtungen gemäß § 23 Abs. 3 IfSG tätig waren.
Aktuell sind laut ISS (Istituto Superiore di Sanità) mit Stand 7. April 2021 in Italien 3.667.576 COVID-19-Fälle registriert. Hiervon gehen 129.873 auf Angehörige der Gesundheitsberufe (Durchschnittsalter: 47 Jahre) zurück. Das sind 4 % der Gesamtzahl. Von insgesamt 110.559 registrierten Todesfällen sind 316 Angehörige der Gesundheitsberufe [14, 15]. Auffällig ist, dass in Italien während der ersten Welle prozentual deutlich mehr Mitarbeiter des Gesundheitswesens an COVID-19 erkrankten und verstarben als im weiteren Verlauf. In Italien wurde im Vergleich zu Deutschland auch der Mangel an Schutzkleidung deutlich häufiger beanstandet [16]. Die Daten aus Spanien entsprechen prinzipiell denen aus Italien.
Vor allem die erste Welle traf Mitarbeiter des Gesundheitswesens hart.
Laut aktuellem Lagebericht des RKI mit Stand vom 7. April 2021 gab es seit Beginn der Pandemie in Deutschland 110.835 infizierte Personen, die in einer medizinischen oder Pflegeeinrichtung tätig waren. Von diesen sind 154 verstorben. Für Gesamtdeutschland lagen die Infektionszahlen zum genannten Zeitpunkt bei 2.910.445, die Zahl der Verstorbenen bei 77.401. Allerding sind diese Daten nicht 1 : 1 übertragbar, da in Deutschland das Arbeitsumfeld der Infizierten nach Infektionsschutzgesetz nicht meldepflichtig ist. Gemäß Infektionsschutzgesetz kann für COVID-19-Fälle jedoch übermittelt werden, ob sie in einer für den Infektionsschutz relevanten Einrichtung betreut, untergebracht oder tätig sind. Dazu gehören unter anderem COVID-19-Fälle, die bei nach § 36 IfSG (z. B. Pflegeeinrichtungen) Betreuten und Tätigen sowie bei nach § 33 IfSG Betreuten (z. B. Schulen) und bei nach § 23 IfSG (z. B. Krankenhäuser) Tätigen auftreten. Für die übermittelten Fälle der genannten Einrichtungen ist jedoch unbekannt, wie hoch der Anteil derer ist, die sich berufsbedingt infiziert haben [17].
Angst, sich selbst und Nahestehende anzustecken, dominiert unter den Stressoren
Auch wenn die Zahlen in Deutschland vor allem in Bezug auf die Gesamteinwohnerzahl niedriger ausfallen als in anderen europäischen Ländern, zeigen sie doch, welchem Risiko Mitarbeiter des Gesundheitswesens ausgesetzt sind. In zahlreichen Studien zur psychischen Belastung von Mitarbeitern des Gesundheitswesens zeigte sich, dass die Angst, sich selbst oder Familienangehörige anzustecken, stark mit der psychischen Belastung assoziiert ist. Gorini et al. zeigten zum Beispiel in einer Studie mit 650 Mitarbeitern des italienischen Gesundheitswesens, dass sich die Mitarbeiter des Gesundheitswesens deutlich gefährdeter sahen als ihre Angehörigen, was dadurch zu erklären ist, dass sie den ganzen Tag in der Klinik sind und ihre Angehörigen nicht. 40 % hatten Angst, sich zu infizieren. 72,5 % beziehungsweise 63,9 % hatten Sorge, einen Kollegen oder ein Familienmitglied anzustecken. Als mögliche Erklärung hierfür nennen die Autoren, dass Mitarbeiter des Gesundheitswesens ihre eigene Angst als Abwehrmechanismus auf ihre Angehörigen projizieren. Das Risiko, infiziert zu werden, wird von Pflegenden stärker wahrgenommen als von Ärzten. Dies könnte daran liegen, das Pflegende näher an den Patienten sind und dass sie Arbeiten verrichten, bei denen das Infektionsrisiko höher ist [18]. Neben der Geschlechts- und der Berufszugehörigkeit ist vor allem die Sorge sich zu infizieren ein großer Faktor für die psychische Belastung [18]. Conti et al. fragten als einige von wenigen explizit nach dem Bedarf an psychologischer Unterstützung. Dies bejahten fast 40 % [19]. Mitarbeiter des Gesundheitswesens mit einer vorbestehenden psychischen Erkrankung haben eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, auch in dieser Situation psychische Symptome zu entwickeln [20].
Eine vorbestehende psychische Erkrankung erhöht das Risiko für psychische Probleme während einer Pandemie.
Stressassoziierte Erkrankungen
Zusätzlich zum nachgewiesenermaßen erhöhten Infektionsrisiko haben Mitarbeiter im Gesundheitswesen ein deutlich erhöhtes Risiko, psychische Symptome wie Depression, Angst, Schlaflosigkeit, arbeitsassoziierten Stress oder eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) zu entwickeln [11]. Im Folgenden soll vor allem auf Depression, Angst und PTBS eingegangen werden.
Depression
Die meisten Studien, die in diesem Artikel Erwähnung finden, erfragten die Depressionssymptome anhand eines etablierten Depressionsfragenbogens (z. B. Patient Health Questionnaire PHQ). Die Studien zeigen alle eine hohe Prävalenz an depressiven Symptomen bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens. Bei genauerer Betrachtung zeigt das Pflegepersonal deutlich erhöhte Werte im Vergleich zu Ärzten. Die meisten Depressionssymptome wurden in Regionen mit hohem Corona-Aufkommen und bei Mitarbeitern mit viel COVID-19-Kontakt registriert. Pflegepersonal ist häufiger betroffen als andere Berufsgruppen. Dies liegt einerseits vermutlich am engeren physischen und emotionalen Patientenkontakt, daran, dem Leid der Patienten näher zu sein, fehlende Angehörigenbesuche zu kompensieren, und andererseits an der geringen Möglichkeit, Entscheidungen zu treffen und wenig in die von Vorgesetzten eingeführten Maßnahmen einbezogen zu werden. Mitarbeiter, die sich schlecht informiert fühlten, zeigten mehr Depressionssymptome [21].
Angst
Wie auch bei der Depression wurden die meisten Studien anhand validierter Fragebögen durchgeführt (z. B. Patient Health Questionnaire, PHQ; Generalized Anxiety Disorder 7, GAD-7). Wie auch bei der Depression treten Angstsymptome während der Corona-Pandemie sowohl bei der Allgemeinbevölkerung als auch bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens gehäuft auf [22]. In den meisten Studien zeigten mehr als 50 % der befragten Mitarbeiter des Gesundheitswesens klinisch relevante Angstsymptome. Wie auch bei der Depression zeigten Mitarbeiter des Pflegepersonals in den meisten Studien deutlich höhere Werte als Ärzte. Dies ist vermutlich, wie bei der Depression, unter anderem durch längeren, engeren Patientenkontakt mit größerer Wahrscheinlichkeit einer Ansteckung zu erklären. Welche Rolle die Sorge vor eigener und der Ansteckung Angehöriger hat, wurde bereits beschrieben. Außerdem könnte auch die Geschlechterverteilung eine entscheidende Rolle spielen, da in der Berufsgruppe der Pflegenden überproportional häufig Frauen (> 70 %) vertreten sind und Angststörungen bei Frauen häufiger auftreten. Fehlende oder mangelnde Schutzausrüstung korrelierte mit Angst, Depression und Stress [21].
Posttraumatische Belastungsstörung
Eine Früherkennung der PTBS bei Mitarbeitern im Gesundheitswesen ist wichtig, weil diese sonst chronifizieren oder zu anderen psychischen Folgekrankheiten wie zum Beispiel Depression oder Sucht führen kann. Es ist bekannt, dass die Prävalenz für PTBS unter Mitarbeitern des Gesundheitswesens auch unter Nicht-Pandemiebedingungen höher als in der Allgemeinbevölkerung ist. Die Lebenszeitprävalenz für PTBS in der Allgemeinbevölkerung liegt in Deutschland zwischen 1,5 und 2,3 %. Insgesamt dürfte die Prävalenz für Mitarbeiter des Gesundheitswesens etwa doppelt so hoch sein. Für Notärzte wurden sogar PTBS-Raten von bis zu 16 % berichtet [23].
Im Kontext der COVID-19-Pandemie zeigten sich hohe Trauma-Scores, insbesondere bei weiblichen, jungen "Frontline-Mitarbeitern", die der Berufsgruppe der Pflegenden angehören und die einen infizierten Kollegen haben [5]. Unabhängig von anderen Variablen zeigten Gorini et al., dass allein der direkte Kontakt zu COVID-19-Patienten einen signifikanten Einfluss auf die Entwicklung intrusiver Gedanken und Hyperarousel hat [18]. In einer anderen Studie zeigten 63,2 % der Teilnehmer COVID-19-assozierte traumatische Erfahrungen von der Arbeit, und 53,8 % PTBS-Symptome. Frauen hatten ein 1,62-fach erhöhtes, Frontline-Mitarbeiter ein zweifach erhöhtes Risiko, eine PTBS zu entwickeln [15]. Wie auch bei Depression und Angst spielen der unmittelbare und längere Patientenkontakt von Pflegenden vermutlich eine entscheidende Rolle. Außerdem könnte auch hier die Geschlechterverteilung von Bedeutung sein, da in der Berufsgruppe der Pflegenden überproportional häufig Frauen (> 70 %) vertreten sind. Viele der angeführten Studien zeigen, dass Frauen ein höheres Risiko haben, eine PTBS zu entwickeln, als Männer [19].
Direkter Kontakt zu Covid-19-Patienten erhöht das Risiko für Hyperarousal.
Anerkennung als Berufskrankheit
In Bezug auf die Kasuistik war beispielsweise in der Süddeutschen Zeitung am 26. März 2021 ein Artikel über einen Arzt mit Long-COVID zu lesen, der nach Ansteckung mit dem SARS-CoV-2-Virus auf der Intensivstation und folgender COVID-19-Erkrankung um die Anerkennung als Berufskrankheit kämpft. Vor diesem Hintergrund soll im Folgenden auch in Grundzügen auf diese rechtliche Thematik eingegangen werden [24]. Die Infektion mit COVID-19 im Rahmen der Tätigkeit im Gesundheitswesen kann prinzipiell als Berufskrankheit (§ 8 SGB VII) oder Arbeitsunfall (§ 9 SGB VII) anerkannt werden. Voraussetzung ist das Vorliegen einer Infektionskrankheit nach Nr. 3101 der Anlage 1 der Berufskrankheitenverordnung (BKV). Nach dieser handelt es sich um eine Infektionskrankheit, wenn der Versicherte
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im Gesundheitsdienst,
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in der Wohlfahrtspflege oder
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in einem Labor tätig war, oder
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durch eine andere Tätigkeit der Infektionsgefahr in ähnlichem Maße besonders ausgesetzt war.
Unter dem Begriff "Gesundheitsdienst" im Sinn dieser Vorschrift sind Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen, Entbindungseinrichtungen, Arzt- und Zahnarztpraxen, Apotheken, Physiotherapieeinrichtungen, Ergotherapieeinrichtungen, Desinfektionsabteilungen, Krankentransporte, Rettungsdienste sowie Pflegedienstleistungen zu verstehen. Eine Tätigkeit in einem dieser Bereiche kann jedoch nur dann zu einer Berufskrankheit führen, wenn die entsprechende Kausalität gegeben ist. Hierfür ist nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts der sogenannte Vollbeweis erforderlich. Es ist ein Nachweis des Verursachungszusammenhangs zwischen dem versicherten erhöhten Infektionsrisiko sowie dem Eintritt der Krankheit festzustellen, wobei eine Beweisvermutung nach § 9 III SGB VII besteht. Einem erhöhten Maße an Risiko im Sinne dieser Vermutung ist ein Versicherter ausgesetzt, wenn diese wesentlich oberhalb der gruppentypischen Gefahr liegt, die der Verordnungsgeber bei seiner Listenaufnahme (in die Liste der Berufskrankheiten) zugrunde gelegt hat. Der Rechtsprechung zufolge reicht es aus, wenn die beruflichen Ursachen überwiegend wahrscheinlich sind. Eine Antikörperbildung nach Aufnahme eines Infektionserregers stellt keine Infektionskrankheit dar, wenn keine klinischen Symptome auftreten [25]. Tab. 1 zeigt für die Beweiserbringung prinzipiell notwendige Voraussetzungen.
Nachweis von Antikörpern ohne klinische Symptome erfüllt nicht die Kriterien für eine Berufserkrankung.
Aufgrund der unspezifischen Symptome ist ein zeitnaher Erregernachweistest zu erbringen. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass die Wahrscheinlichkeit eines Kausalzusammenhangs aufgrund eines bloßen Verdachts nicht ausreicht [26].
Diese rechtliche Ausgangssituation könnte in der Situation resultieren, dass Berufsgenossenschaften in Zukunft derartige Fälle zunächst nicht als Berufskrankheit beziehungsweise Arbeitsunfall anerkennen werden. Begründet wird dies damit, dass aus haushaltsrechtlichen Gründen zweifelhafte Fälle nicht von der Berufsgenossenschaft übernommen werden dürfen. Dieser Umstand sollte aber Betroffene nicht von der rechtlichen Überprüfung abhalten. Es empfiehlt sich auf jeden Fall eine entsprechende Beratung durch einen Sozialverband beziehungsweise durch Fachanwälte für Arbeits- und/oder Sozialrecht. In Anbetracht der Tatsache, dass sowohl das Widerspruchsverfahren als auch das Prozessverfahren vor dem Sozialgericht für die Beteiligten im Regelfall kostenfrei ist, besteht also lediglich das Risiko, die Kosten des eigenen Rechtsvertreters übernehmen zu müssen. Betroffene, die diese nicht übernehmen können, sollten versuchen, über die Prozesskostenhilfe den Zugang zum Rechtsschutz zu erhalten. Letztendlich würde es sich positiv auf die Mitarbeiterbindung auswirken, wenn entsprechende Gesundheitseinrichtungen die Mitarbeiter hier beratend, personell und auch finanziell unterstützen würden.
Förderung der psychischen Gesundheit
Neben der rechtlichen Unterstützung von Mitarbeitern ist eine psychosoziale Unterstützung unabdingbar. In der bislang vorhandenen Literatur geht es vor allem um die Verbesserung der psychischen Gesundheit von Patienten in der Pandemie. Eine adäquate psychosoziale Versorgung von medizinischem Personal wird kaum thematisiert. Alle Studien zum Thema psychische Belastung bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens kommen länderübergreifend zu dem Ergebnis, dass unter dieser Bevölkerungsgruppe eine deutliche Belastung vorliegt. Tab. 2 fasst die Risikofaktoren zusammen, die für die Entwicklung von psychischen Störungen im Kontext der berufsbedingten Belastungen der COVID-19-Pandemie identifiziert werden konnten.
Diesen in Tab. 2 dargestellten Gruppen sollte also besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Hierbei geht es nicht nur um die intraindividuelle Bewältigung der Stressoren und die Prävention der Manifestation einer klinisch relevanten psychiatrischen Diagnose, sondern auch um die Verpflichtung gegenüber der Gesellschaft. Durch eine Steigerung der Erkrankungen in diesem Berufsfeld kann es zu einer deutlichen Zunahme der Krankheitstage und somit zu einer Mangelversorgung im ohnehin angeschlageneren Gesundheitswesen kommen. Auch ist die Qualität der Patientenversorgung gefährdet. Ärzte, Pflegekräfte und andere Mitarbeiter des Gesundheitswesens, die psychisch belastet sind, zeigen sich beeinträchtigt in der Patientenversorgung. Es ist bekannt, dass psychisch stark belastete Mitarbeiter des Gesundheitswesens ihren Patienten gegenüber weniger Empathie zeigen (können) [27] und häufiger medizinische Fehler machen [28]. Dadurch kann der sozioökonomische Schaden in dieser Pandemie noch weiter vergrößert werden.
Die Ergebnisse der zum Thema psychische Belastung bei Mitarbeitern des Gesundheitswesens durchgeführten Studien zeigen, dass Maßnahmen zum Schutz dieser Menschen ergriffen werden müssen (Tab. 3). Die Mitarbeiter des Gesundheitswesens benötigen im Rahmen von Pandemien psychosoziale Unterstützung. Dies könnte in Form von einsetzbaren Krisenteams umgesetzt werden, wobei die Art der Unterstützung vom Stadium der Pandemie abhängen soll [29]. Die befragten Mitarbeiter der Universitätskliniken Augsburg gaben zum einen an, dass sie vor allem eine Verbesserung der Infrastruktur benötigen, um besser durch die Pandemie zu kommen. 51 % gaben an, dass mehr Personal benötigt werde. Als weitere wichtige Faktoren wurden eine bessere Organisation und Planung, Stabilität im Team, Kommunikation, finanzieller Ausgleich, Freizeitausgleich, adäquate Schutzmaßnahmen und bessere psychologische Unterstützung angegeben [30]. Eine transparente Information der Mitarbeiter scheint ebenfalls eine große Rolle zu spielen, da gut informierte Mitarbeiter eine geringere Wahrscheinlichkeit für die Entwicklung psychischer Probleme aufweisen [22].
Auch die WHO empfiehlt Mitarbeitern des Gesundheitswesens, auf sich selbst zu achten und hilfreiche Bewältigungsstrategien anzuwenden. Zu diesen gehören ausreichende Pausen und Ruhephasen zwischen den Schichten, gesunde Ernährung, körperliche Aktivität und regelmäßiger Austausch mit Familie und Freunden. Zudem wird dazu geraten, nicht hilfreiche Bewältigungsstrategien wie Tabak-, Alkohol- oder Drogenkonsum zu vermeiden [31]. Diese Ratschläge erscheinen manch einer Pflegekraft sicher zynisch, da das Problem ja genau darin liegt, Pausen nicht einhalten zu können und durch viele Überstunden nicht zu ausreichender Selbstfürsorge gelangen zu können. Allein das Tragen der Schutzausrüstung wird von vielen Mitarbeitern des Gesundheitswesens als massive Belastung erlebt, da es zu physischer Erschöpfung, Einschränkungen in der Bewegungsfreiheit, erhöhter Körpertemperatur und Schwierigkeiten, menschliche Bedürfnisse zu erfüllen, führt. Gleichzeitig sorgt die persönliche Schutzkleidung auch für psychischen Stress, durch erschwerte Kontaktaufnahme mit den Patienten und teilweise sogar klaustrophobische Ängsten [18].
Vielmehr wäre es wünschenswert, die Verantwortung für die Einhaltung von Arbeitszeiten und Pausen nicht beim Angestellten, sondern bei Führungskräften und anderen Verantwortlichen zu lassen. Das Angebot zu psychosozialer Unterstützung sollte aktiv an den Mitarbeiter herangetragen werden. Es könnte vor allem Risikogruppen eine bezahlte Arbeitszeitreduktion angeboten werden, welche teilweise als Freizeit genutzt werden kann, andererseits aber eine zeitliche Komponente für psychosoziale Unterstützung beinhaltet. Finanzielle Risikozuschläge sind zwar motivationsfördernd, tragen aber nicht zur Lösung der gesundheitlichen Fragen bei. Petzold et al. haben in ihrem Artikel im Nervenarzt die Empfehlungen für Führungskräfte wie folgt zusammengefasst [32]:
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psychische Belastung im Blick behalten,
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Kommunikation fördern,
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Pausen und Erholung fördern,
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kollegiale Unterstützung ermöglichen,
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Zugang zu psychosozialen Hilfen aufzeigen,
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eigene Selbstfürsorge aufrechterhalten,
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flexible Arbeitszeiten ermöglichen,
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Stress und psychische Belastung ernst nehmen; Wertschätzung vermitteln,
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klare Rollen und Aufgabenverteilung [32].
Abschließend darf nicht verkannt werden, dass zum aktuellen Zeitpunkt verlässliche Daten zum Langzeitverlauf sowie zu Prä- und Post-COVID-19-Zeiträumen fehlen. Die bisher vorliegenden Studien befassen sich hauptsächlich mit der ersten Corona-Welle. Zu Beginn der Pandemie waren Ängste, Unsicherheiten, fehlende Schutzausrüstung, fehlende Therapieoptionen und Präventionsmaßnahmen wie die Impfung bei den Mitarbeitern sicherlich präsenter als jetzt. Auf der anderen Seite sind die Mitarbeiter des Gesundheitswesens jetzt in der dritten Welle zwar routinierter und erfahrener im Umgang mit dieser anfangs völlig unbekannten Erkrankung, gleichzeitig jedoch erschöpfter und ausgebrannter, nachdem die Pandemie deutlich länger anhält als anfangs vermutet. Zu Beginn der Pandemie stellte eine deutsche Studie fest, dass die die meisten Mitarbeiter des Gesundheitswesens auch nach der Pandemie weiterhin im Gesundheitswesen arbeiten wollen [16]. Dass dies auch nach einem Jahr Dauerbelastung weiterhin so ist, bleibt zu hoffen.
Fazit für die Praxis
Länder- und studienübergreifend lässt sich zusammenfassen, dass Mitarbeiter des Gesundheitswesens während der COVID-19-Pandemie ein erhöhtes Risiko aufweisen, psychische Symptome beziehungsweise Erkrankungen zu entwickeln. Unter den Mitarbeitern des Gesundheitswesens ist die Gruppe des Pflegepersonals besonders hervorzuheben, da diese in allen untersuchten Symptomgruppen höhere Belastungen zeigten als Ärzte und andere Mitarbeiter des Gesundheitswesens. Die besondere Vulnerabilität des Pflegepersonals ist wahrscheinlich auf den intensiveren Patientenkontakt, das höhere Ansteckungsrisiko und die geringeren Gestaltungsmöglichkeiten zurückzuführen. Unter Berücksichtigung der besonders gefährdeten Risikogruppen sollte allen Mitarbeitern des Gesundheitswesens psychosoziale Unterstützung angeboten werden. Zusätzlich sollten eine Umsetzung der Arbeitsschutzmaßnahmen und gegebenfalls eine rechtliche Unterstützung erfolgen.
Pflegepersonal ist besonders gefährdet.
Dieser CME Artikel wurde im Rahmen des Programms zur Förderung von Corona-Forschungsprojekten des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst erstellt.
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Kramer, V., Thoma, A. & Kunz, M. Medizinisches Fachpersonal in der COVID-19-Pandemie: Psyche am Limit. InFo Neurologie 23, 46–53 (2021). https://doi.org/10.1007/s15005-021-1975-8
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