Folgt man einem engen Begriffsverständnis, kann die Digitalisierung in der Sozialen Arbeit als Technisierungsprozess verstanden werden (Ley 2020, S. 72). Aus historischer Sicht zielte die Technisierung von Industrie- und Dienstleistungsarbeit immer auf ihre Rationalisierung. So gelten „Arbeitsersparnis, Effektivitätssteigerung und Prozesskontrolle“ als die „drei zentralen Funktionen der Technisierung von Arbeit“ (Pfeiffer 2018, S. 321). Diese Perspektive findet sich auch in der Sozialen Arbeit. Entweder werden durch den Einsatz digitaler Technologien Kostenersparnisse, Produktivitätssteigerungen und die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle erwartet (Halfar 2018, S. 191; Kreidenweis 2020, S. 32), oder Autor*innen befürchten eine Deprofessionalisierung und Ökonomisierung der Sozialen Arbeit (Parton 2008, S. 718; Will-Zocholl und Hardering 2020, S. 128). Der vorliegende Beitrag möchte diese Dichotomisierung aufbrechen und geht hierfür der Frage nach, wie der Einsatz digitaler Technologien in der Sozialen Arbeit Interaktionen zwischen Fachkräften und Hilfsbedürftigen verändert und welche Folgen dies für die Interaktionsbeteiligten und die Organisationen haben könnte. Die These des Beitrags lautet, dass die Nutzung digitaler Technologien nicht zur Rationalisierung der Sozialen Arbeit führt, die hinsichtlich ihrer Auswirkungen auf die professionelle Hilfeleistung als förderlich oder schädlich zu bewerten wäre, sondern stattdessen die Entstehung soziotechnischer Interaktionssysteme begünstigt, in denen digitale Technik das klassische Dienstleistungsdreieck aus Leistungsgeber*in (Fachkraft), Leistungsnehmer*in (Hilfsbedürftige*r) und Organisation (Dunkel und Weihrich 2012) um eine neue Komponente erweitert. Die Nutzung digitaler Technologien in der Sozialen Arbeit dürfte die für Interaktionen üblichen Abstimmungsprobleme damit nicht verringern, sondern neue und andersartige Abstimmungsprobleme hervorbringen.

Als Ausgangspunkt für die Analyse wird ein interaktionssoziologischer Zugang gewählt, der das viel gewürdigte Werk Erving Goffmans (1964, 1983) nicht völlig aus den Augen verliert, der vor allem jedoch anschließt an die Bestimmung von Interaktionen als soziale Systeme im Sinne Niklas Luhmanns (1981, 1997).Footnote 1 Diese Entscheidung liegt einerseits darin begründet, dass die soziologische Systemtheorie das Soziale umfassender in den Blick nimmt als eine bloße Interaktionstheorie, indem sie auch Organisations- und Gesellschaftstheorie ist und Soziale Arbeit so kontextualisieren kann, dass neuere arbeitssoziologische und digitalisierungsbezogene Arbeiten anschlussfähig sind. Andererseits enthält die Systemtheorie einen ausgearbeiteten Kommunikationsbegriff (Luhmann 1987a), der als konstituierendes Element sozialer Systeme auch ein Bezugspunkt für die Analyse der Einsatzmöglichkeiten digitaler Technologien in Interaktionssystemen sein kann.

Zunächst werden im Folgenden die Teilnehmer*innen des Dienstleistungsdreiecks und ihre Relevanz für die Soziale Arbeit bestimmt. Anhand der Beschreibung der Bedeutung von Organisationen sowie von Interaktionssystemen aus Fachkräften und Hilfsbedürftigen, kann zudem die geringe Wahrscheinlichkeit der Rationalisierung helfender Interaktionen plausibilisiert werden. Auf der Basis der Unterscheidung von trivialer und nichttrivialer Maschinen (von Foerster 1993) wird nachfolgend gezeigt, dass Digitaltechnik interpersonale Interaktionen entweder infrastrukturell ermöglicht und vom Kriterium der Kopräsenz löst oder selbst zur eigenständigen Kommunikationspartnerin von Personen wird. Im Anschluss an Seelmeyer und Waag (2020) rücken somit drei wesentliche Entwicklungen der interaktiven Techniknutzung in den Fokus: die Mediatisierung von Interaktionen, in der Weise, dass Hilfsbedürftigkeit auch ohne körperliche Kopräsenz und trotzdem interpersonal bearbeitet werden kann, die Ermöglichung von Interaktionen mit autonomer Digitaltechnik im Sinne einer ausschließlich eigenständigen Bearbeitung von Hilfsbedürftigkeit sowie die Verschärfung der Asymmetrien zwischen Fachkräften und Hilfsbedürftigen sowie zwischen Fachkräften und Organisationen. All diese Entwicklungen bieten aus Sicht der Beteiligten spezifische Chancen und Risiken, vor allem verursachen sie aber neue interaktive Abstimmungsprobleme. Der Text endet mit einer Betonung der Kontingenz der Techniknutzung und empfiehlt ihre ergebnisoffene Erprobung und Reflexion.

1 Soziale Arbeit als organisierte Interaktion

Als Soziale Arbeit sollen im Folgenden diejenigen personenbezogenen Dienstleistungen gelten, die darauf zielen, Hilfsbedürftigkeit interaktiv zu reduzieren (Scherr 2001, S. 215; Olk et al. 2003, S. XII; Hartmann 2011, S. 76 f.). Dabei handelt es sich um ein breites Spektrum heterogener Dienstleistungen, denen neben ihrem interaktiven Charakter insbesondere die Intention gemein ist, die Fähigkeit von als hilfsbedürftig bestimmten Individuen und Gruppen zur selbstbestimmten Teilnahme an der Gesellschaft aufrechtzuerhalten, (wieder) herzustellen oder stellvertretend wahrzunehmen (Bommes und Scherr 2000, S. 107). Soziale Hilfe unterliegt historischer Wandelbarkeit, die parallel zur Veränderung der Primärstruktur der Gesellschaft verläuft und als Reaktion auf Folgeprobleme der modernen Gesellschaft (Fuchs und Schneider 1995) erst spät im noch immer strittigen Status der Sozialen Arbeit als eigenständige Profession mündet (Stichweh 2016, S. 68 ff.; Thole 2020, S. 20). Soziale Arbeit orientiert sich mal mehr und mal weniger deutlich an einzelnen gesellschaftlichen Teilbereichen und ist durch eine hohe Pluralität und Heterogenität ihrer Handlungsfelder gekennzeichnet. Die Gründe der Entstehung sowie der professionellen Bearbeitung von Hilfsbedürftigkeit liegen in den Strukturen und Dynamiken der modernen Gesellschaft (Luhmann 1997, S. 633; Scherr 2001, S. 215). In ihr verschwinden reziproke Hilfe und Mildtätigkeit zwar nicht (Wagner 2019), Angehörige, Freund*innen und Nachbar*innen können Hilfsbedürftigkeit jedoch ebenso wenig dauerhaft und zuverlässig bearbeiten wie mildtätige Fremde. Zu diesem Zweck sind in den modernen Wohlfahrtsstaaten zahllose Organisationen entstanden (Drepper und Tacke 2010, S. 243). Erst ihnen gelingt es, genügend Personen als Mitglieder zu rekrutieren, die Hilfsbedürftigkeit professionell, zuverlässig und dauerhaft bearbeiten und sich dabei organisationsspezifischen Anforderungen unterwerfen (Bommes und Scherr 2000, S. 111). Organisationen und ihre Teilnahmebedingungen bilden folglich den Rahmen der interaktiven Bearbeitung von Hilfsbedürftigkeit (ebd., S. 207).

In Abgrenzung zu Dokumentations- und anderen, mutmaßlich bürokratischen Tätigkeiten, gilt die unmittelbare Interaktion zwischen Leistungsgeber*in und Leistungsnehmer*in gemeinhin als professioneller Kern der Sozialen Arbeit. Die Bestimmung von Interaktionen beginnt sowohl bei Goffman (1964, 1983) als auch bei Luhmann (1981, 1997) mit der wechselseitigen Wahrnehmung von Personen als körperlich Anwesende. Ist diese Voraussetzung erfüllt, kann im Sinne Watzlawicks nicht mehr nicht kommuniziert werden, eine Interaktion ist unvermeidlich (Watzlawick et al. 2017). Wie für Organisationen und die funktionalen Teilsysteme der Gesellschaft, gilt auch für Interaktionen, dass ihr Handlungspotenzial prinzipiell so groß ist, dass es nur selektiv realisiert werden kann. Um in einem Interaktionssystem sinnvoll zu kommunizieren, ist demnach eine Auswahl von Mitteilungen notwendig, und nicht alles, was potenziell mitteilbar ist, kann gesagt werden. Diese Auswahl beeinflusst, wie die anschließende Kommunikation sinnvoll weiterlaufen kann (Luhmann 1997, S. 815).

In helfenden Interaktionen ist die Notwendigkeit der selektiven Einschränkung von Handlungsoptionen des Gegenübers dahingehend entschärft, dass die organisationale Rahmung die Interaktionspartner*innen unveränderlich in Leistungs- und Leistungsempfängerrollen differenziert und ihnen vorgibt, Hilfsbedürftigkeit zu thematisieren: „Interaktionen in Organisationen sind nicht darauf angewiesen, Anlässe, zeitliche und sachliche Begrenzungen sowie Themen der Kommunikation in der laufenden Interaktion selbst erst zu entwickeln bzw. auszuhandeln, sondern sie beziehen sich auf organisatorisch vorgegebene Erwartungsstrukturen und organisationsspezifische Skripte“ (Bommes und Scherr 2000, S. 204).

Die wechselseitige Konditionierung der Interaktionspartner*innen setzt erst an dieser Asymmetrisierung an (Luhmann 1981, S. 88), die in der Sozialen Arbeit mit einem Machtungleichgewicht zugunsten der professionell Helfenden verbunden ist (Dunkel 2011, S. 191). Dies zeigt sich etwa, wenn Hilfsbedürftige ihren Fall betreffende persönliche Fragen beantworten müssen, die sie den Fachkräften in der Regel nicht stellen können (Bommes und Scherr 2000, S. 212). Mitunter ist die Gewährung von Hilfeleistungen an Bedingungen geknüpft, deren Nichteinhalten Zwangsmaßnahmen zur Folge haben kann (Hartmann 2011, S. 82 f.). Professionelle Sozialarbeiter*innen sind „auf der Basis dieser Asymmetrie mit Deutungs‑, Definitions- und Entscheidungsmacht insofern ausgestattet, als sie Hilfe zugestehen oder verweigern und die Fallproblematik in einer Weise fassen können, die von den Klienten abgelehnt werden kann und deshalb doch nicht verworfen werden muss“ (Bommes und Scherr 2000, S. 220). Zugleich sind Fachkräfte als Mitarbeiter*innen an eine Organisation und ihre Weisungen gebunden, was sich in einer Asymmetrie eigener Art niederschlägt, etwa in der Form strikter Vorgaben für die Dokumentation von Hilfeleistungen (Ley und Seelmeyer 2014; Minssen 2019, S. 148).

Trotz des Ungleichgewichts zugunsten der Leistungsgeber*innen bedarf es für die erfolgreiche Bearbeitung von Hilfsbedürftigkeit in Interaktionen der aktiven Zusammenarbeit beider Seiten. Dies wird insbesondere in der arbeitssoziologischen Dienstleistungsforschung betont, in der Wolfgang Dunkel und Margit Weihrich (2003, 2012, 2018) den Begriff der interaktiven Arbeit geprägt haben. Interaktive Arbeit besteht innerhalb von Arbeitsprozessen unter anwesenden Personen „in der aktiv und gemeinsam zu leistenden sozialen Abstimmung“ (Dunkel und Weihrich 2018, S. 201), die immer problembehaftet ist. Treffen Leistungsgeber*in und Leistungsnehmer*in aufeinander, können sie ihr jeweiliges Ziel nur erreichen, wenn sie miteinander kooperieren und sich im Laufe dieser Kooperation kommunikativ auf Perspektiven verständigen, die zu ihren jeweiligen Wahrnehmungswelten passen (Birken 2012, S. 5).

Folgerichtig entstehen in den helfenden Interaktionen der Sozialen Arbeit Abstimmungsprobleme (Weihrich und Dunkel 2003), aus denen sich verschiedene Anforderungen an die Interaktionspartner*innen ergeben: Sie müssen sich zu Beginn auf eine Definition der Problemlage verständigen, auf einen Weg der Bearbeitung der Hilfsbedürftigkeit und im Verlauf der Bearbeitung auf die zu leistenden Einzelbeiträge sowie auf das Ziel, dessen Erreichen oder Ausbleiben ihre Interaktion bzw. ihre Interaktionssequenzen beendet (Birken 2012, S. 3). Dabei sind Konflikte erwartbar (Dunkel und Weihrich 2018, S. 219).

2 Zur (Nicht‑)Substituierbarkeit von Interaktionen in der Sozialen Arbeit

Interaktiver Arbeit wird zugeschrieben, nur bedingt rationalisierbar zu sein (Hartmann 2011, S. 76 f.; Minssen 2019, S. 150). Das ergibt sich insbesondere aus ihrer sequentiellen Einzigartigkeit und ihrer Gegenwartsgebundenheit. Beidem liegt die Abhängigkeit der Kommunikation von körperlicher Anwesenheit zugrunde, die in der Dienstleistungsforschung im Uno-actu-Prinzip beschrieben wurde (Herder-Dorneich und Kötz 1972). Demnach finden Produktion und Konsumption einer personenbezogenen Dienstleistung gleichzeitig statt, so dass entsprechende Produkte nicht gelagert oder transportiert werden können und ihre Produktivität nicht messbar ist (Berger und Offe 1980). Zwar konstituiert der organisationale Rahmen ein asymmetrisches Verhältnis der Interaktionsbeteiligten zueinander, ihre Asymmetrie eliminiert aber nicht die Notwendigkeit zur interaktiven Koproduktion. Mit ihren kontingenten Redebeiträgen und nonverbalen Mitteilungen beeinflussen die Beteiligten den Interaktionsverlauf und machen ihn einzigartig. Ihre Motive und Gedanken bleiben dabei prinzipiell ebenso unkalkulierbar wie ihre Redebeiträge; Ablehnung, Widerspruch und Missverstehen sind jederzeit möglich.

Wären helfende Interaktionen vollständig rationalisierbar, würde das ihre Kalkulierbarkeit voraussetzen, es wäre zweifelsfrei angebbar, dass eine bestimmte Mitteilung zuverlässig eine gewünschte Reaktion des Gegenübers zur Folge hätte. Dies widerspricht jedoch der Möglichkeit, dass selbst in hochstandardisierten Interaktionen Abstimmungsprobleme auftreten können. Die umfassende Rationalisierung von Interaktionen ist daher nur als Substitution zugunsten der Nutzung trivialer Maschinen denkbar (siehe Abschn. „Digitaltechnik in helfenden Interaktionen der Sozialen Arbeit“). Im Dienstleistungssektor können spätestens seit den 1970er- und 1980er-Jahren entsprechende Phänomene der Selbstbedienung arbeitender Kunden (Voß und Rieder 2005) beobachtet werden. Sie ersetzen vormals interaktive Dienstleistungen wie das Geldabheben, den Kauf einer Fahrkarte oder die Bestellung im Restaurant durch die Nutzung von Automaten und seit den 1990er-Jahren auch durch die Verwendung von Internetplattformen (Voß 2020). Bei den ersetzten Interaktionen handelte es sich allerdings immer um solche, die bereits hochgradig standardisiert waren, in ihnen wurde primär in Form von Wenn-Dann-Relationen kommuniziert, die neben den immer vorhandenen Optionen von Ablehnung, Widerstand und Missverstehen lediglich einen kleinen Horizont nichtstandardisierter Sinnbezüge bereithielten (etwa in Form von Smalltalk). Helfende Interaktionen in der Sozialen Arbeit sind in der Regel nicht so stark standardisiert, ihr Verlauf ist deutlich komplexer und individueller.

Im Folgenden soll gezeigt werden, dass im Zuge der Implementierung digitaler Technologien in der Sozialen Arbeit zwar auch hier der Anschluss an den „Trend hin zu einer Gesellschaft der technikbasierten Selbsterledigung menschlicher Bedürfnisse“ (Dunkel und Weihrich 2018, S. 224) nicht völlig ausgeschlossen werden kann, gedacht sei etwa an die Interaktion mit einem Chatbot. Dabei wird jedoch die These vertreten, dass die zunehmende Digitalisierung keine hochstandardisierten, kalkulierbaren Prozesse hervorbringt, die die komplexen Interaktionen der Sozialen Arbeit ersetzen, sondern vielmehr die Entstehung verschiedenartiger soziotechnischer Interaktionssysteme begünstigt, in denen Digitaltechnik entweder interpersonale Interaktionen über Distanz ermöglicht oder selbst zur Interaktionspartnerin wird. Soziotechnische Interaktionssysteme bieten den Dienstleistungspartner*innen verschiedene Vor- und Nachteile. Sie erzeugen dabei jedoch immer neuartige Abstimmungsprobleme und sind in der Sozialen Arbeit folglich keine Wegbereiter*innen für „Arbeitsersparnis, Effektivitätssteigerung und Prozesskontrolle“ (Pfeiffer 2018, S. 321).

3 Digitaltechnik in helfenden Interaktionen der Sozialen Arbeit

Digitaltechnik ist dazu in der Lage, analoge Werte zu erfassen (etwa über ein Interface, in das eine Nachricht eingegeben wird oder über einen Sensor, der Vitalwerte erfasst), diese in digitale Daten umzuwandeln und zu verarbeiten. Die Ergebnisse dieser Verarbeitungsprozesse reichen von der simplen Übertragung einer Nachricht an das Gerät eines Empfängers bis hin zu Big-Data-Analysen, deren Ergebnisse in verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen Entscheidungsfindungsprozesse verändern können, auch in der Sozialen Arbeit (Schrödter et al. 2020). Chatbots, deren Mitteilungen mitunter sogar für ihre Programmierer*innen überraschend sind (Neff und Nagy 2016), können zunehmend die Rolle eines ernstzunehmenden Interaktionspartners übernehmen (Marquart und Goldkind 2023). Datenverarbeitung bleibt jedoch eine andere Operationsweise als Kommunikation in sozialen Systemen oder die Rekursivität von Gedanken in Bewusstseinssystemen (Baecker 2019, S. 36; Nassehi 2019, S. 31 ff.). Beides wird erst gesellschaftlich, also in sozialen Systemen, relevant, wenn sich Kommunikation hiervon irritieren lässt (Luhmann 1995).

Mit einer Unterscheidung von Heinz von Foerster kann Digitaltechnik in zwei Gruppen unterteilt werden. Automaten, Videosoftware, Buchungsplattformen oder Bestellservices im Internet gelten demnach als triviale Maschinen (von Foerster 1993, S. 245 ff.). Im Falle ihres Funktionierens reagieren sie auf einen Input vorhersagbar und wiederholbar immer mit dem dazugehörigen Output. Ihre Elemente sind strickt aneinandergekoppelt, die internen Abläufe sind determiniert. Die Nutzung trivialer Technik impliziert jedoch nicht automatisch die Trivialisierung des Nutzungskontexts. Bestellvorgänge können für Nutzer*innen unverständlich sein und sind mitunter nur mit interpersonaler Unterstützung zu bewältigen; der Abstimmungsbedarf in Videokonferenzen ist mindestens so hoch wie in Interaktionen unter körperlich Anwesenden.

In Form selbstlernender Technologien erlangen bestimmte Formen künstlicher Intelligenz (KI) inzwischen den Status nichttrivialer Maschinen (Nassehi 2019, S. 258 ff.), die selbstorganisiert auf eigene Operationen und externe Impulse reagieren (von Foerster 1993, S. 247 ff.). Ihre Outputs sind – zumindest in einem gewissen Rahmen – prinzipiell unvorhersehbar, auch für ihre Entwickler*innen. Zwar galt lange, dass selbst die Überraschungspotenziale der besten KI nicht mit denen eines menschlichen Gegenübers mithalten können (Lotze 2018, S. 46), doch die aktuellen Entwicklungen im Bereich der Chatbots (ChatGPT) gelten in einigen Anwendungsbereichen zunehmend als ebenbürtige oder überlegene Kommunikationspartner*innen. Anders als bei trivialen Maschinen, können die kommunikativen Mitteilungen nichttrivialer Maschinen im Nachhinein keinem*r menschlichen Autor*in mehr zugerechnet werden, sondern nur noch ihr selbst. Interaktionen zwischen einer Person und einer digitaltechnischen Entität wie einem Chatbot können sowohl mit trivialen als auch mit nichttrivialen Maschinen entstehen, wenn diese dazu in der Lage sind, kommunikative Mitteilungen eines menschlichen Gegenübers als solche zu erfassen, intern zu verarbeiten und darauf mit ihnen zurechenbaren, potenziell anschlussfähigen Mitteilungen zu reagieren. Die beteiligte Person unterliegt dem Eindruck, sich in einer Situation doppelter Kontingenz zu befinden, unabhängig davon, ob dies tatsächlich der Fall ist oder nicht (Esposito 2017, S. 263; Baecker 2018, S. 20; Muhle 2018, S. 157 f.). Folglich kann die Interaktion mit technischen Entitäten nur bedingt als Standardisierung beschrieben werden.

Ähnlich verhält es sich etwa mit Telefonaten (online wie offline) oder mit einem interpersonalen Chat: Hier ermöglichen triviale Maschinen mediatisierte, interpersonale Interaktionen, ohne selbst als Kommunikationspartner*in in Erscheinung zu treten. Dabei beeinflussen die infrastrukturellen Rahmenbedingungen das Entfaltungspotenzial interpersonaler Interkationen, beispielsweise in Form des Designs von Eingabemasken und durch die Störanfälligkeit der Signalübertragung.

Mit der Integration trivialer und nichttrivialer Technologien in Prozesse der interaktiven Bearbeitung von Hilfsbedürftigkeit erweitert sich das Dienstleistungsdreieck (Dunkel und Weihrich 2012, S. 33) zwischen Hilfsbedürftigen, Fachkräften und Organisationen um eine vierte, technische Komponente.Footnote 2 Diese neuartige Arbeitsteilung zwischen Personen und digitaler Technik kann im Anschluss an Seelmeyer und Waag (2020) anhand von drei Ebenen genauer in den Blick genommen werden. Dabei handelt es sich um die Mediatisierung von Interaktionen, um die Automatisierung von Hilfeleistungen sowie um die Forcierung der Asymmetrien zwischen den Interaktionspartner*innen sowie zwischen Fachkräften und ihren Organisationen. Auf allen Ebenen ergeben sich aus der Sicht der Beteiligten potenzielle Chancen, die im Folgenden schlagwortartig und mit Blick auf die unvermeidliche Entstehung neuartiger Abstimmungsprobleme dargestellt werden.

3.1 Mediatisierung: Hilfe unter Abwesenden

Synchrone Kontakte, die sich in Form von Sprach- und Videotelefonaten, in Chats sowie auf Internetplattformen zwischen räumlich getrennten Personen ereignen, können trotz des Wegfalls des Kriteriums der Anwesenheit als interpersonale Interaktionen bestimmt werden (Reichmann 2018). Hier definiert nicht die Anwesenheit die Unmöglichkeit der Vermeidung von Kommunikation, wie sie Watzlawick bestimmt hat, sondern die Erwartung, dass zwischen mir und einem menschlichen Gegenüber eine Interaktion stattfindet, die mit einem ähnlichen Aufmerksamkeitsfokus einhergeht, wie ihn unter Anwesenden die Kopräsenz automatisch mit sich bringt. In Bezug auf Goffmans Interaktionstheorie spricht Daniel Houben von Koreferenz: „[G]egenseitige Wahrnehmung funktioniert auch mediatisiert. … Es ist diese Referenz, die letztlich die Bedeutung generiert, nicht die Präsenz. Referenz wirkt vermittelnd zwischen Akteuren, die Ko-Präsenz ist nur ihre unmittelbarste Form“ (Houben 2018, S. 14).

Insbesondere in der Beratung ist Soziale Arbeit nicht mehr an die körperliche Anwesenheit von Leistungsnehmer*innen und Leistungsgeber*innen gebunden, dieser Trend hat im Zuge der COVID-19-Pandemie noch zugenommen (Engelhardt und Engels 2021). So ist Beratung in Foren, per E‑Mail, Chatprogramm oder Video relativ orts- und teils auch zeitunabhängig möglich und Personen, die nur unter erheblichem Aufwand eine Beratungseinrichtung aufsuchen könnten oder die lieber zu Hause beraten werden, erlangen so Zugang zu professionellen Angeboten. Ähnliches gilt beispielsweise im Erziehungssystem für die Aufrechterhaltung der Schulsozialarbeit während der Corona-Pandemie. Hier konnte die Beziehungen zu den Eltern sowie die damit verbundene gemeinschaftsorientierte Praxis mitunter sogar verstärkt werden (Daftary et al. 2021).

Wird Soziale Arbeit in mediatisierten Interaktionen realisiert, kann dies zu einer anderen Interaktionsdynamik führen. Handelt es sich nicht um Videotelefonate, fehlt insbesondere die Möglichkeit der Erfassung nonverbaler Mitteilungen. Unter Umständen muss auch auf die Möglichkeit des unmittelbaren Feedbacks verzichtet werden. Textgebundene Kommunikation obliegt zudem anderen Einschränkungen als der unmittelbare lautsprachliche Austausch (Engelhardt und Gerner 2017). Dabei werden Fachkräfte der Sozialen Arbeit mit neuen, professionellen Anforderungen konfrontiert, für die sie geschult werden müssen (Loew 2020; Tillmann et al. 2020). Zugleich können sie von der Mediatisierung profitieren, wenn etwa eher selten in Anspruch genommene Spezialisierungen örtlich ungebunden zur Verfügung gestellt werden können.

Zunehmend besteht im Zuge der Mediatisierung helfender Interaktionen auch für Fachkräfte der Sozialen Arbeit die Möglichkeit, Arbeitszeitmodelle flexibler zu gestalten und hilfsbedürftigen Personen aus dem Homeoffice zu helfen, sofern Arbeitgeberorganisationen ihnen dies ermöglichen (Blümer 2017). Sozialarbeiter*innen müssen im Zuge der Mediatisierung von Interaktionen jedoch mehr Aufwand für die Gewährleistung der Funktionsfähigkeit sowie der datenschutzkonformen Nutzung der technischen Infrastruktur aufbringen. Dabei sind sie auf die Unterstützung durch technische Fachkräfte angewiesen, deren Leistungen ihnen durch die Organisation zur Verfügung gestellt werden muss, wenn sie nicht selbst über entsprechende Kompetenzen verfügen und hierfür einen Teil ihrer Arbeitszeit auf Kosten der Erbringung Sozialer Arbeit aufwenden.

Ferner haben Fachkräfte in einer mediatisierten Interaktion einen deutlich geringeren Einfluss auf den Kontext der Hilfeleistung, so dass sie störende Faktoren nicht zuverlässig abstellen können, etwa über die Lautstärkeregelung ihres Telefons im eigenen Büro oder mithilfe eines Schildes an der Tür, das auf ein nicht zu störendes Gespräch hinweist. Unter Umständen gilt es, Klient*innen darum zu bitten, Störquellen zu beseitigen und nicht jede*r Hilfsbedürftige wird – je nach Setting – die Möglichkeit dazu haben. Zudem geht die Mediatisierung von helfenden Interaktionen mit der Gefahr einer zusätzlichen Arbeitsverdichtung einher, wenn Hilfen zeitlich flexibel oder gar ad hoc erbracht werden müssen, anstatt an einen festen örtlichen und zeitlichen Rahmen gekoppelt zu sein.

Schließlich müssen Organisationen der Sozialen Arbeit Ressourcen für IT-Dienstleistungen aufbringen, indem sie eigenes technisches Personal anstellen oder auf die Leistungen von externen Dienstleistungsunternehmen zurückgreifen. Neben dem finanziellen Mehraufwand und der gestiegenen Abhängigkeit von technischer Expertise, führt das damit verbundene Aufeinandertreffen verschiedener Fach- und Berufskulturen ebenfalls zu neuen Abstimmungsproblemen.

3.2 Automatisierung: Hilfe durch Interaktion mit Digitaltechnik

Die Möglichkeit, Aufgaben, die vormals von Fachkräften erledigt wurden, an digitaltechnische Entitäten zu delegieren, kann interaktionstheoretisch als Steigerung der zuvor beschriebenen Abwesenheit aufgefasst werden. Wenn beispielsweise Roboter Klient*innen therapeutisch begleiten (Siebert 2020), Chatbots Teile von Beratungsleistungen übernehmen (Waag et al. 2020) oder Assistenztechnologien den Alltag unterstützen (Schiffhauer 2020), nimmt interaktionsfähige Technik (triviale und nichttriviale Maschinen) den Platz einer helfenden Fach- oder Hilfskraft ein. Zwar obliegt ihr Einsatz organisationalen Entscheidungen, und sie substituiert in Hilfeprozessen bislang lediglich Teilaspekte. Doch Klient*innen werden hierdurch zunehmend in die Lage versetzt, als arbeitende Nutzer (Voß 2020) in Kooperation mit einer technischen Entität oder einem System aus verschiedenen technischen Elementen für sich selbst zu sorgen, freilich nicht ohne Risiken (Decker 2019, S. 452). Die Möglichkeiten der Substituierung von Fachkräften stehen dabei in Abhängigkeit zu den Anforderungen des interaktiven Einsatzkontextes und dem Stand der technischen Entwicklung. In diesem Sinne operieren etwa die aller meisten der gegenwärtig verbreiteten Chatbots als triviale Maschinen nur im Möglichkeitshorizont eines eng umrissenen Themas oder einer eng umrissenen Aufgabenbeschreibung und können auf unpassende Mitteilungen sinnvoll nur mit Rückverweis reagieren (Mornhinweg 2018, S. 146 f.). Dies mag sich durch ChatGPT und ähnliche Systeme ändern, doch es schließt zunächst weiterhin den Einsatz entsprechender Technologien in jenen interaktiven Kontexten aus, die etwa um Akteur*innen wie Angehörige erweiterbar sein müssen (Seering et al. 2019).

Neben Chatbots können auch digital-vernetzte Wohn- und Pflegeumgebungen (Ambient Assisted Living) als Beispiele autonom helfender Digitaltechnik dienen. In ihnen werden verschiedenste Sensoren und weitere technische Komponenten zu einem Gesamtkontext vernetzt, der „eine möglichst selbstständige Lebensführung unterstützen – und kostenintensive soziale Dienstleistungen teilweise ersetzen [soll]“ (Halfar 2018, S. 187).

Die Chancen der Substitution interpersonaler Hilfe zugunsten der Interaktion zwischen Hilfsbedürftigen und digitaltechnischen Entitäten liegen unter anderem in der Entlastung von Fachkräften sowie der Förderung der Selbstwirksamkeit von Hilfsbedürftigen. Fachkräftemangel, eine steigende Nachfrage sowie die Ökonomisierung von Hilfedienstleistungen haben die Arbeitsdichte enorm gesteigert (Hartmann 2011, S. 81). Dabei sind die Beschäftigten in vielerlei Hinsicht mit ihren personalen Ressourcen gefordert, indem sie ihren Körper instrumentalisieren, ihre Gefühle regulieren und interaktive Abstimmungsprobleme bewältigen müssen (Birken 2012, S. 7). Es liegt auf der Hand, dass der Einsatz von Digitaltechnik hier prinzipiell entlastend wirken kann, wenn er nicht der zusätzlichen Arbeitsverdichtung dient (Staab und Nachtwey 2016). Allerdings könnte die ständige Verfügbarkeit digitaltechnischer Unterstützungssysteme dazu führen, dass auch Fachkräfte und Mitarbeiter*innen von Kundendiensten rund um die Uhr erreichbar sein müssen, um einspringen zu können, wenn die Technik versagt. Die Arbeit der Fachkräfte wäre dann weniger an feste Zeiten gebunden, Schichtarbeit und die nötige Flexibilität könnten zu neuen Belastungen führen. Anstatt mehr Zeit für das Wesentliche zu gewähren, könnten eine Automatisierung in Kombination mit Personalabbau und Fachkräftemangel eher noch das Gegenteil bewirken.

Dient der Einsatz digitaler Technik der Steigerung von Selbsthilfeoptionen, wären hilfsbedürftige Menschen seltener in interpersonale Hilfsinteraktionen verwickelt, deren Machtungleichgewicht und Abstimmungsprobleme zusätzlich zur vorhandenen Hilfsbedürftigkeit belastend wirken können (Hartmann 2011, S. 86). Andererseits könnte sich der Verzicht auf zwischenmenschliche Kontakte auch negativ auf die Psyche von Hilfsbedürftigen auswirken, wenn sie sich als arbeitende Nutzer*innen zunehmend selbstversorgen und dadurch womöglich weniger Kontakte zu helfenden Fachkräften und Angehörigen haben oder diese nur dann unterstützen, wenn die Bedienung der Technik nicht reibungslos funktioniert. Prinzipiell müssten technische Systeme zur Selbsthilfe leicht bedienbar sein oder so autonom operieren, dass ihr Einsatz für Klient*innen weitgehend selbsterklärend ist. Die notwendigen Datenmengen müssten sowohl schnell übertragen als auch möglichst sicher verschlüsselt werden. Je nach Einsatzbereich käme es dabei zu einer umfassenden Überwachung der Privatsphäre (siehe Kutscher 2020 zu ethischen Fragen der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit) und zu neuartigen Herausforderungen für Angehörige und Fachkräfte.

Organisationen müssten zudem hohe Investitionskosten aufbringen. Die Abhängigkeit zu den Anbietern technischer Selbsthilfesysteme dürfte aufgrund der erforderlichen Spezialkenntnisse noch größer sein als zu jenen IT-Fachkräften, die die Infrastruktur für mediatisierte Interaktionen bereitstellen und aufrechterhalten. Der schnelle technische Wandel birgt ferner das Risiko, dass einmal eingeführte Systeme nach wenigen Jahren wieder ersetzt oder regelmäßig kostenintensiv aktualisiert werden müssen.

3.3 Verschärfung der Asymmetrien

Das Verhältnis von Fachkräften und Hilfsbedürftigen wurde als asymmetrisch beschrieben, in dem Sinne, dass die organisationale Rahmung eine starre Rollenverteilung sowie ein Machtungleichgewicht zugunsten der Leistungsgeber*innen etabliert. Im Zuge der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit scheint sich die Asymmetrie auf mindestens zwei Ebenen potenziell zu verschärfen:

  1. 1.

    Fachliche Verfahren können stärker standardisiert, organisational kontrolliert und in Teilaspekten automatisiert werden. Hierfür kennzeichnend ist die algorithmische Unterstützung von Entscheidungsfindungsprozessen auf der Basis von Big-Data-Analysen, insbesondere im Kinderschutz (Schrödter et al. 2020). Zudem experimentierte etwa der Arbeitsmarktservice in Österreich mit einem Algorithmus, der Arbeitssuchende anhand der Erfolgswahrscheinlichkeit ihrer Förderung automatisch in Kategorien einstuft und die Auswahl passender Hilfsmaßnahmen einschränkt. Dies wurde nach Protesten allerdings beendet (Büchner und Dosdall 2021). Auch Softwareanwendungen wie digitale Dokumentationssysteme, die durch klare inhaltliche Vorgaben die Beobachtung der Fachkräfte im Hinblick auf relevante Informationen in Interaktionen mit Hilfsbedürftigen zu determinieren versuchen (Ley und Seelmeyer 2014), forcieren sowohl die Asymmetrisierung in helfenden Interaktionen als auch im Hinblick auf das Verhältnis zwischen Fachkräften und Organisationen. Widerspruchsoptionen der Hilfsbedürftigen werden mitunter deutlich verringert und die formalen Spielräume der Fachkräfte werden potenziell beschnitten (Staab und Nachtwey 2016). Das „zu bewältigende Dilemma gleichzeitiger Stabilität und Flexibilität“ (Minssen 2019, S. 148) könnte sich auf diese Weise noch verschärfen, so dass für Fachkräfte „die Notwendigkeit von informaler Abweichung“ (Büchner 2020, S. 372) auch in den Interaktionen mit Hilfsbedürftigen steigt und sie arbeitsrechtliche Grauzonen betreten, in denen Fehler schnell zu negativen Konsequenzen führen könnten.

  2. 2.

    Auch in automatisierten Interaktionen mit digitaltechnischen Entitäten verschärft sich die Asymmetrie: Ihre eingeschränkten und spezifischen kommunikativen Fähigkeiten erfordern eine einseitige Anpassungsleistung der menschlichen Interaktionspartner*innen, die dazu in der Lage sein müssen zu berücksichtigen, dass nicht alle ihre Mitteilungen kommunikative Anschlussfähigkeit generieren können. Was die beteiligte Digitaltechnik sinnvoll verarbeiten kann und was nicht, wird auf der Seite der Technik bestimmt und reduziert die kommunikativen Möglichkeiten der Interaktion einseitig. Statt einer gemeinsamen, offenen Erarbeitung einer Problemdefinition, einer möglichen Lösung und eines Weges dorthin, bestünde mitunter lediglich die Auswahl zwischen vordefinierten Optionen, deren Angemessenheit und Verständlichkeit keinesfalls zuverlässig für alle Personen gewährleistet werden könnte. Hilfsbedürftigen bliebe im Falle von Widerspruch lediglich die Wahl zwischen einer Fundamentalablehnung der Interaktion und dem Verzicht auf die technische Hilfeleistung oder der widerwilligen Akzeptanz dieser Einschränkungen. Verbunden wäre dies womöglich mit einem Gefühl der eigenen Objektivierung, und aufkommende Konflikte könnten hier einen absoluten Charakter annehmen. Der Abbruch der Interaktion oder die Verlagerung zu technischen Kund*innendiensten wären die Konsequenz.

4 Schluss: Für ein Primat der Reflexion

Im Zuge der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit werden helfende Interaktionen zunehmend mediatisiert und können in einigen Handlungsfeldern prinzipiell sogar automatisiert werden. Dabei könnten sich die Asymmetrien zwischen Fachkräften und Hilfsbedürftigen sowie zwischen Fachkräften und den Organisationen zukünftig noch verschärfen. Zwar kann die hier präferierte arbeits- und interaktionssoziologische Perspektive keine „hellseherische[n] Kräfte“ (Luhmann 1987b, S. 63) entfalten und valide Vorhersagen über den weiteren Verlauf der Digitalisierung in der Sozialen Arbeit treffen. Sie kann jedoch zeigen, dass primär an der Rationalisierung von Sozialer Arbeit orientierte Affirmationen und Ablehnungen der Digitalisierung zu kurz greifen. Sie bietet stattdessen eine umfassendere Perspektive, die im Kontext zunehmender Abstimmungsprobleme in einem um Digitaltechnik erweiterten Dienstleistungsviereck mögliche Vor- und Nachteile mediatisierter und automatisierter Interaktionen benennt.

Es bleibt offen, ob bei der Nutzung digitaler Technologien in den Interaktionen der Sozialen Arbeit zukünftig positive oder negative Effekte überwiegen werden und aus wessen Perspektive womöglich das eine oder das andere gilt. Techniknutzung bleibt jedoch immer kontingent, in dem Sinne, dass „nicht etwa die Technik wie eine anonyme Macht die Gesellschaft beherrscht, sondern daß die Gesellschaft sich selbst in einer nicht rational vorausgeplanten Weise von der Technik abhängig macht, indem sie sich auf sie einläßt“ (Luhmann 1997, S. 523).

Die Komplexität der Hilfeanlässe sowie die vielfältigen Möglichkeiten ihrer Bearbeitung dürften dafür sorgen, dass Soziale Arbeit auch zukünftig von Interaktionen zwischen kopräsenten und koreferenten Personen abhängig bleibt. Aufgrund der eingeschränkten und andersartigen interaktiven Fähigkeiten selbst nichttrivialer Technik, fehlender Infrastruktur sowie ethischer und datenschutzrechtlicher Bedenken, ist die Soziale Arbeit zudem weit entfernt von einer umfassenden Rationalisierung im Zuge der Digitalisierung. Vielmehr dürfte die Nutzung digitaler Technologien vor allem als Neujustierung der Anteile von Selbsthilfe und Fremdhilfe in Erscheinung treten, Interaktionsformate vervielfältigen, neuartige Abstimmungsprobleme verursachen und die Abhängigkeit der Sozialen Arbeit von funktionierender Technik sowie von jenen Anbietern, die ihre Funktionsfähigkeit sicherstellen, steigern.

Die vorangegangene Analyse versteht sich als Beitrag zur Erweiterung der Reflexionsmöglichkeiten der Sozialen Arbeit in ihrer Auseinandersetzung mit digitalen Technologien. Es konnte gezeigt werden, dass die Nutzung bereits existierender und noch zu erwartender technischer Entwicklungen in helfenden Interaktionen für die Soziale Arbeit nicht per se gut oder schlecht ist. Daraus folgt, dass an dieser Stelle zumindest eine Empfehlungen darüber ausgesprochen werden kann, wie Soziale Arbeit einen möglichst vorteilhaften Umgang mit digitalen Technologien finden könnte: Sie sollte sich Zeit nehmen können, technische und weniger technische Lösungen für eigene Probleme in Forschungsprojekten und Pilotstudien ergebnisoffen zu erproben. Nur so kann sie schon im Vorfeld feststellen, welche Vor- und Nachteile die Nutzung digitaler Technologien aus Sicht welcher Beteiligten bietet, in welchen Bereichen mehr Techniknutzung sinnvoll erscheint, oder an welchen Stellen es gilt, auf den Einsatz neuer Technologien zu verzichten. Organisationen, Fachkräfte und Hilfsbedürftige müssten gleichermaßen in die Lage versetzt werden, ihre Beziehungen zu digitaler Technik zu reflektieren und dabei die Vielfältigkeit der Sozialen Arbeit zu berücksichtigen.