Studien zur Arbeitssituation von Sozialarbeiter*innen zeichnen ein düsteres Bild geprägt von Überstunden und Mehrarbeit, erhöhten Anforderungen an Flexibilität, Effizienzdruck bei gleichzeitig fehlender wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Anerkennung mit dem Resultat eines permanenten Burnout-Risikos (vgl. u. a. Brenssell 2013). Henn et al. (2017) konstatieren, dass durch die Übernahme betriebswirtschaftlicher Steuerungsinstrumente in den Organisationen Sozialer Arbeit (Merchel et al. 2012) die Kritik an einer vermeintlich mangelnden Effizienz ihrer Leistungen zementiert werde. Der damit verbundene Legitimationsdruck schaffe ein Arbeitsklima der Kontrolle, das Sozialarbeiter*innen in der Auseinandersetzung mit den beruflichen Herausforderungen eher zusätzlich belastet als unterstützt. Sozialarbeiter*innen sind zudem häufiger (15,4 %) als alle Erwerbstätigen (6,9 %, 2014) befristet beschäftigt (Fuchs-Rechlin 2018, auf Basis des Mikrozensus 2014), was als Bedrohung der beruflichen Existenz wahrgenommen werden kann. Ergänzend steht der Befund, dass laut Hickmann und Koneberg (2022) in absoluten Zahlen die Soziale Arbeit/Sozialpädagogik zwischen Juli 2021 und Juni 2022 den ersten Platz der Berufsgruppen mit den größten Fachkräftelücken belegte.

Aktuelle Daten zu Fehlzeiten stützen die Annahme, dass sich die beschriebene strukturelle Beschäftigungssituation negativ auswirkt: Im Fehlzeiten-Report von Badura et al. (2021) weist die Berufsgruppe der Sozialarbeiter*innen für das Jahr 2020 die meisten AU-Tage in der Diagnosegruppe Burnout aus (zur Abgrenzung und Einordnung des Burnout-Begriffs siehe Heidenreich et al. 2021). Ihre Situation ist dabei im Kontext eines allgemeinen deutlichen Anstiegs der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund psychischer Erkrankungen zu sehen. So stieg z. B. nach Daten der DAK (alle Berufsgruppen) die Anzahl an Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Erkrankungen von 67 pro 100 Versicherte im Jahr 1997 (IGES Institut für Gesundheits- und Sozialforschung GmbH 2002, S. 51) auf 276 Tage im Jahr 2021 (Schumann et al. 2022, S. 15). Im Jahr 2021 waren psychische Erkrankungen mit 19,0 % der Arbeitsunfähigkeitstage (Frauen: 22,5 % oder 352 Tage, Männer 15,6 % oder 211 Tage jeweils pro 100 Versicherte, Schumann et al. 2022, S. 20) nach den Muskel-Skelett-Erkrankungen (23,2 %) damit die zweithäufigste Ursache für Fehltage (Schumann et al. 2022, S. 16). In diesem inzwischen hohen Gesamtniveau liegt die Soziale Arbeit weit oben. Der Fehlzeiten-Report für das Jahr 2021 (Meyer et al. 2022a) zeigt für die Diagnose Z73 (Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung, inkl. Ausgebranntsein [Burnout]) für Berufe in der Sozialarbeit und Sozialpädagogik mit 314 AU-Tagen je 1000 AOK-Mitglieder den dritthöchsten Wert der verglichenen Berufsgruppen. Der BKK Gesundheitsreport 2022 (Daten: 2021) zeigt für die Berufsgruppe „Erziehung, Sozialarbeit und Heilerziehungspflege“ mit 558 Arbeitsunfähigkeitstagen aufgrund psychischer Störungen je 100 Versicherte den sechsthöchsten Wert aller Berufsgruppen (Rennert et al. 2022, S. 144).

Bezüglich des Handlungsauftrags Sozialer Arbeit sind die beschriebenen Befunde bedenklich: Sie soll gesellschaftliche Veränderungen, soziale Entwicklungen, den sozialen Zusammenhalt, die Stärkung der Autonomie und Selbstbestimmung von Menschen fördern sowie Menschen unter Einbindung von Strukturen in ihrer Lebensbewältigung befähigen und ermutigen (DBSH 2016). Hierfür benötigen Sozialarbeiter*innen einen Rahmen, der ihnen sowohl fachliche Handlungsspielräume als auch strukturelle Sicherheiten bietet. So ist Soziale Arbeit in besonderer Weise an ihre organisatorische Einbindung geknüpft, welche das fachliche Handeln der Akteur*innen mitgestaltet, ermöglicht oder auch begrenzt (Mayrhofer 2009). Organisationen wirken sich als interaktionsexterne Strukturen auf die Interaktionen von Fachkräften Sozialer Arbeit mit ihren Adressat*innen aus (Bommes und Scherr 2012). Demnach ist eine Beeinträchtigung der gelingenden Umsetzung des Handlungsauftrags zu erwarten, wenn organisatorische Rahmenbedingungen hinderlich sind. Dies umfasst Arbeitsbedingungen, die zu psychischer und emotionaler Erschöpfung beitragen. Daher ist es erforderlich, hierzu empirische Erkenntnisse zu erschließen, um Maßnahmen für gesundheitsförderliche Arbeitsumgebungen ableiten zu können, die sich auch auf die gelingende Unterstützung der Adressat*innen Sozialer Arbeit auswirken.

1 Aktueller Forschungsstand

Es zeigt sich eine starke methodische sowie inhaltliche Breite: Die Arbeitssituation wird qualitativ oder quantitativ, handlungsfeldübergreifend oder in spezifischen Feldern untersucht. Teilweise bilden Sozialarbeiter*innen einen Teil einer untersuchten Gruppe (z. B. psychosoziale Fachkräfte, Fachkräfte der Kinder- und Jugendhilfe), zu der dann auch weitere Berufsgruppen wie Erzieher*innen, Heilpädagog*innen o. Ä. zählen. Oftmals wird psychische Belastung als einer von mehreren Teilaspekten erhoben, wobei sich auch die jeweiligen definitorischen Zugänge zum Begriff der Belastung unterscheiden. Henn et al. (2017) bemängeln vor diesem Hintergrund, dass vorhandene Studien aufgrund der unterschiedlichen Designs, Stichprobengrößen und/oder der differenten Kategorienbildung nur geringfügig verallgemeinerbar und vergleichbar sind. Henn et al. (2017) haben den Forschungsstand bis zum Jahr 2017 jedoch umfänglich dargestellt. Im Weiteren werden Forschungsergebnisse ab diesem Veröffentlichungsjahr beschrieben unter Hinzunahme der Untersuchung von Drüge und Schleider (2016) welche in Henn et al. (2017) nicht berücksichtigt ist.

Drüge und Schleider (2016) zeigen in ihrer Befragung von 239 Sozialarbeiter*innen mittels COPSOQ – ein wissenschaftlich validierter Fragebogen zur Erfassung psychischer Belastungen und Beanspruchungen – dass quantitative und emotionale Anforderungen sowie Work-Privacy-Konflikte in der Sozialen Arbeit stärker ausgeprägt sind als in übrigen Berufen der COPSOQ-Datenbank. Sozialarbeiter*innen weisen in der Untersuchung höhere kognitive Stresssymptome auf als andere Berufsgruppen.

Henn et al. (2017) untersuchten die Arbeitsbedingungen der Sozialen Arbeit auf Grundlage von Auswertungen des Mikrozensus 2012 (n = 2744) sowie des DGB Index Gute Arbeit 2012 und 2014 (n = 141). In der Auswertung stellen die Autorinnen u. a. dar, dass die Mehrzahl der Sozialarbeiter*innen angibt, das erwartete Arbeitspensum nur mit Qualitätsabstrichen leisten zu können und zudem Konflikt- und Widerspruchssituationen regelmäßig als Belastung zu erleben. Auch Hoppe und Roth (2020, S. 77) kommen in der nachfolgenden Analyse des DGB Index Gute Arbeit 2019 u. a. zu dem Ergebnis, dass „in der Sozialarbeit die Arbeitsmengen durch die hohe Anzahl der Adressat*innen pro Beschäftigtem*r sehr hoch sind: 34 % der Befragten geben an, es komme sehr häufig oder oft vor, dass sie die Arbeitsmenge nicht in der vorgegebenen Zeit schaffen können“. Zwar ist der Einfluss der Sozialarbeiter*innen auf die Arbeitsmenge, die sie an einem Tag erledigen müssen, etwas höher als im Dienstleistungssektor insgesamt. „Dennoch haben 43 % von ihnen gar keinen oder lediglich einen geringen Einfluss auf die Arbeitsmenge“ (Hoppe und Roth 2020, S. 79).

Dahl (2017) kommt in der Untersuchung von 925 psychosozialen Fachkräften zu dem Ergebnis, dass über ein Viertel der Befragten sich ständig oder häufig durch die Arbeit überlastet fühlt. Die Mehrheit der Befragten gibt an, dass sie nicht daran glaubt oder unsicher ist, unter den gegebenen Anforderungen bis zum Rentenalter arbeiten zu können.

Bauknecht und Wesselborg (2022) kommen zu dem Ergebnis, dass Sozialarbeiter*innen (n = 264) zwar eine niedrigere psychische Erschöpfung aufweisen als Erzieher*innen, Altenpfleger*innen und Krankenpfleger*innen, jedoch eine höhere als die Gruppe der anderen Berufe. In allen genannten Berufen stieg die Erschöpfung zwischen 2006 und 2018 an.

Eine quantitative Befragung von 55 Sozialarbeiter*innen in Sachsen-Anhalt zeigte einen positiven Zusammenhang zwischen quantitativen Arbeitsanforderungen (z. B. schnell arbeiten müssen, nicht genügend Zeit haben, um alle Aufgaben zu erledigen) und emotionaler Erschöpfung (Index aus neun stark korrelierten Items; Hajji et al. 2022). Noch deutlicher ist der negative Zusammenhang zwischen sozialer Unterstützung (durch Kolleg*innen und Vorgesetzte) und emotionaler Erschöpfung. Allerdings bleibt undeutlich, nach welchen Kriterien die Zielpersonen rekrutiert wurden, was die Generalisierbarkeit der Ergebnisse einschränkt.

Handlungsfeldspezifisch zeigt eine Befragung von 2000 pädagogischen Fachkräften im Bereich der Kinder- und Jugendhilfe (Mohr 2017, S. 190), dass es 40 % der Mitarbeiter*innen schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten. „Fast jeder Dritte ‚fühlt sich häufig ausgebrannt‘ und 28 % der Mitarbeitenden ‚reagieren häufig gereizt, obwohl sie es gar nicht wollen‘. Gut 60 % der befragten Personen hat mindestens einer der vier Aussagen eher oder voll zugestimmt, so dass unabhängig eines Vergleiches mit anderen Berufsgruppen hier von einer manifesten Problematik ausgegangen werden muss.“

Averbeck (2019) liefert weitere Ergebnisse für den Bereich der Kinder- und Jugendhilfe: In der teilstandardisierten Onlinebefragung von 2285 Fachkräften (davon 41 % im Bereich der Hilfen zur Erziehung) zeigt sich, dass der eigene Gesundheitszustand eher positiv bewertet wird, wenn eine passende Ressourcenausstattung vorhanden ist. Es besteht zugleich ein positiver Zusammenhang zwischen Dauerbelastung und der Sorge, nicht bis zur Rente weiterarbeiten zu können.

Eine qualitative Befragung von 26 Beschäftigten aus der Geflüchteten- und Wohnungslosenhilfe sowie eine ergänzende quantitative Onlinebefragung (n = 253) zeigt, dass die Stresslevel-Werte über den Normwerten einer repräsentativen Bevölkerungsstichprobe liegen. Zudem zeigt sich, dass fast die Hälfte der Befragten (48,6 %) eine große Burnout-Gefährdung aufweist (Wirth et al. 2020).

Mühling (2021) schließt aus einer bundesweiten Online-Befragung von 1273 Sozialarbeiter*innen, dass rund ein Zehntel aller Befragten ein hohes Maß an beruflicher Erschöpfung aufweist, v. a. Beschäftigte in der Früh- und Elementarpädagogik, der klinischen Sozialarbeit und der Kinder‑, Jugend- und Familienhilfe. Zudem weisen Fachkräfte mit einem hohen Maß an beruflicher Erschöpfung durchschnittlich mehr als vier erhebliche bzw. starke gesundheitliche Probleme auf. Der Bereich der Früh- und Elementarpädagogik wurde auch von Gambaro et al. (2021) untersucht: Auf Basis von bis Ende 2019 reichenden Daten des sozio-oekonomischen Panels (SOEP) und einer speziellen SOEP-Zusatzbefragung in Kitas zeigt sich, dass 82 % von 148 befragten Sozialpädagoginnen im Handlungsfeld der frühen Bildung und Betreuung Zeitdruck aufgrund einer hohen Arbeitsmenge empfinden und dies signifikant (auf 5 %-Niveau) häufiger als Erzieherinnen in diesem Berufsfeld. 30 % der befragten Sozialpädagoginnen fällt es schwer, zu Hause abzuschalten, dies jedoch signifikant (auf 5 %-Niveau) seltener als Erzieherinnen.

Die Befragungen mittels Fragebögen von 1159 Sozialarbeiter*innen in der Schweiz (Sommerfeld et al. 2021) sowie 1867 in Deutschland (Meyer und Buschle 2020) machen ergänzend deutlich, dass in der Phase der Corona-Pandemie handlungsübergreifend die berufliche Belastung und damit verbundene Risiken der Erschöpfung besonders ausgeprägt waren. In zwei weiteren Online-Erhebungen von Führungs- (n t1 = 20 | t2 = 32) und Fachkräften (n t1 = 80 | t2 = 218) im ASD während des ersten und zweiten Lockdowns gibt mehr als jede zweite Person an (37,5 % der Führungs- und 58,1 % der Fachkräfte), dass sich die Arbeitsbedingungen während der Corona-Pandemie verschlechtert haben. Über jede zweite Person gibt an, sich belastet zu fühlen (Führungskräfte: 53,1 %; Fachkräfte: 62,8 %; Meyer et al. 2022b).

Dem stehen Befunde zu positiven Arbeitserlebnissen gegenüber: So stellt Mühling (2021) in ihrer Bewertung aktueller Studien fest, dass die subjektive Bedeutung der Arbeit in der Sozialen Arbeit stärker ausgeprägt ist als in anderen Berufsgruppen. Hardering (2017) kommt in ihrer qualitativen Befragung von 20 Sozialarbeiter*innen in Führungspositionen zu dem Ergebnis, dass der Beruf zwar teilweise Erfahrungen des Sinnverlustes mit sich bringt, aber auch von positiven Erfahrungen des Sinnerlebens geprägt ist, die eine Ressource für die Bewältigung von Belastungen bilden können. Sozialarbeiter*innen geben signifikant häufiger als andere Berufsgruppen an, verfügbare soziale Unterstützung nutzen zu können (Drüge und Schleider 2016). Auch Mohr (2017) stellt fest, dass in 90 % der Fälle kein starker Konkurrenzkampf unter Kolleg*innen gesehen wird und sich in jeder Beziehung aufeinander verlassen werden kann. Ergänzend sind 95 % der Befragten eher oder sehr zufrieden mit der Möglichkeit, Sinnvolles zu leisten, 80 % sind zufrieden mit ihren persönlichen Entfaltungsmöglichkeiten, und lediglich jede*r Fünfte*r würde sich für einen anderen Berufszweig entscheiden, wenn die Möglichkeit bestünde, noch einmal von vorne anzufangen (Mohr 2017). Auch geben Sozialarbeiter*innen zum Großteil an, ihre Arbeit selbsständig planen und einteilen zu können und sich ausreichend in Bezug auf Fort- und Weiterbildungen durch ihre Arbeitgeber*innen unterstützt zu fühlen (Henn et al. 2017).

2 Relevanzbegründung und Fragestellung

Auf Basis dieser Befunde kann festgestellt werden, dass mit der vorliegenden Breite der methodischen Herangehensweisen, Stichprobengrößen sowie Unterschieden im handlungsfeldübergreifenden oder handlungsfeldspezifischen Zugang ein aussagekräftiges Bild über die Form der Arbeitsbedingungen Sozialer Arbeit gezeichnet werden kann. Das Thema der psychischen Belastung am Arbeitsplatz erfährt dabei in fast allen Forschungsarbeiten zumindest als Teil der Erhebung Aufmerksamkeit. Auch entlastende Faktoren werden betrachtet. Zugleich sind in bisherigen Untersuchungen Zusammenhänge zwischen Belastungs- und ausgleichenden Resilienzfaktoren sowie längsschnittige Entwicklungen nicht systematisch untersucht. Diese Studie untersucht daher folgende Fragen:

  • Wie entwickelte sich die psychische und emotionale Erschöpfung bei Sozialarbeiter*innen von 2006 bzw. 2012 bis 2018? Wie unterscheiden sich hierbei Männer und Frauen sowie verschiedene Altersgruppen?

  • Wie stark sind Sozialarbeiter*innen psychisch und emotional erschöpft im Vergleich mit anderen Berufsgruppen?

  • Welche individuellen sowie umgebungsbedingten Belastungs- und Resilienzfaktoren erleben Sozialarbeiter*innen im Vergleich mit anderen Berufsgruppen?

  • Welche qualitativen und quantitativen Faktoren tragen in besonderer Weise dazu bei, dass sich Sozialarbeiter*innen psychisch belastet fühlen?

  • Inwiefern kann die Ausprägung von Resilienzfaktoren erlebte Belastungsfaktoren abfedern und in Folge mit geringerer psychischer Belastung einhergehen?

3 Methodik

Analysiert wird die „BiBB/BAuA-Erwerbstätigenbefragung – Arbeit und Beruf im Wandel, Erwerb und Verwertung beruflicher Qualifikationen“ von 2006, 2012 und 2018 (Hall und Tiemann 2006; Hall et al. 2014, 2020). Die telefonischen Befragungen („dual frame, random digit dialing“) werden alle sechs Jahre vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) und der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) durchgeführt. Befragt werden Erwerbstätige ab 15 Jahren mit einer regelmäßigen Arbeitszeit von mindestens zehn Stunden pro Woche. Die Befragung umfasst zu den drei Befragungszeiträumen jeweils ca. 20.000 Erwerbstätige. In der vorliegenden Studie werden die Beschäftigten der Bereiche Pflege (Altenpflege, Krankenpflege, Entbindungspflege), frühkindliche Bildung, Schulen (Gymnasien, Realschulen, Grundschulen, Hauptschulen, Förderschulen, berufsbildende Schulen), Polizei sowie Soziale Arbeit vergleichend gegenübergestellt. Analog zum Vorgehen von Bauknecht und Wesselborg (2022) werden als Vergleichsgruppe die sonstigen Beschäftigten als „andere Berufe“ zusammengefasst, um die besondere Situation der sozialen Interaktionsberufe in den Fokus rücken zu können.

Aus methodischen Gründen ist eine Gewichtung des Datensatzes sinnvoll, jedoch muss beachtet werden, dass hinter den (nach Gewichtung) berichteten 254 Sozialarbeiter*innen im Jahr 2018 die tatsächliche Anzahl von 327 Sozialarbeiter*innen steht, so dass die Aussagen über diese Gruppe eine höhere Stabilität haben.

Für die Auswertungen wurde IBM SPSS Statistics 28 verwendet.

Für die erhobenen Parameter psychische und emotionale Erschöpfung sowie Belastungs- und Resilienzfaktoren wird im Ergebnisteil geklärt, wie die Aspekte im Zuge der Analyse definiert wurden bzw. aus welchem Kontext heraus sie zu verstehen sind.

4 Stichprobe

Die Befragten wurden in drei Altersgruppen unterteilt. Die Grenzen wurden so festgelegt, dass sich die befragten Sozialarbeiter*innen des Jahres 2018 in drei fast gleich große Gruppen unterteilen. Tab. 1 zeigt auch die Gruppe der anderen Berufe, die die in den Auswertungen aufgeführten anderen Sozialberufe nicht miteinschließt.

Tab. 1 Zusammensetzung der realisierten Stichprobe

5 Ergebnisse

5.1 Ausprägung psychischer und emotionaler Erschöpfung

Unter psychischer Erschöpfung wird im Folgenden das Ergebnis psychischer Belastung verstanden; dieser Begriff wird im Abschnitt „Belastungsfaktoren“ genauer bestimmt. Zur Operationalisierung der psychischen Erschöpfung wurde analog zum Vorgehen von Bauknecht und Wesselborg (2022) ein etablierter Index aus arbeitsbedingten psychischen Beanspruchungsreaktionen herangezogen (Hasselhorn 2009; Cramer et al. 2014). Der additive Index besteht aus sechs möglichen Beschwerden, die häufig während oder unmittelbar nach der Arbeit auftreten. Dies sind (1) Kopfschmerzen, (2) nächtliche Schlafstörungen, (3) allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit oder Erschöpfung, (4) Magen- oder Verdauungsbeschwerden, (5) Nervosität oder Reizbarkeit und (6) Niedergeschlagenheit (Hasselhorn 2009). Somit reicht der Index für die jeweilige befragte Person von 0 (keine Beschwerde liegt vor) bis 6 (alle Beschwerden liegen vor).

Die psychische Erschöpfung von Sozialarbeiter*innen stieg von 2006 (Mittelwert 1,74; 95 % KI 1,47–2,02; n = 152) bis 2018 (Mittelwert 1,88; 95 % KI 1,64–2,11; n = 264) um 0,14 Skalenpunkte an. Der Anstieg war geringer als bei allen anderen Berufen zusammen und deutlich geringer als bei Erzieher*innen und den Pflegeberufen.

Abb. 1 zeigt auf der linken Seite, dass bei Sozialarbeiter*innen die Unterschiede zwischen den Altersgruppen weitgehend konstant blieben: Auf allgemein gestiegenem Niveau zeigt die jüngste Gruppe die meisten Symptome psychischer Erschöpfung. Gleichzeitig sind die Werte bei Sozialarbeiterinnen etwas höher als bei Sozialarbeitern. Die rechte Seite zeigt, dass die Geschlechterunterschiede bei anderen Berufen größer sind. Der Abstand zwischen der jüngsten und ältesten Gruppe bei den Sozialarbeiter*innen (0,28 Skalenpunkte) ist größer als bei den anderen Berufen (0,13 Skalenpunkte) und v. a. anderen Berufen ohne Sozialberufe (0,11 Skalenpunkte). Der deutliche Abstand zwischen den Altersgruppen zu Ungunsten der jüngeren scheint eine Eigenheit von Sozialberufen zu sein: Bei Altenpfleger*innen, Krankenpfleger*innen, Hebammen und Geburtshelfern liegt der Unterschied zwischen der jüngsten und ältesten Gruppe bei 0,51 Skalenpunkten (jüngste Gruppe: Mittelwert 2,80; 95 % KI 2,56–3,05; n = 222 | älteste Gruppe: Mittelwert 2,30; 95 % KI 2,11–2,49; n = 351) und bei Erzieher*innen bei 0,44 Skalenpunkten (jüngste Gruppe: Mittelwert 2,57; 95 % KI 2,24–2,90; n = 121 | älteste Gruppe: Mittelwert: 2,13, 95 % KI 1,84–2,42; n = 147). Grundsätzlich profitieren die Mittelwerte der ältesten Gruppe in manchen Berufen vom selektiven Ausscheiden aus der Berufsgruppe, da ein früher Berufsausstieg der besonders erschöpften Beschäftigten den Mittelwert der verbleibenden Gruppe senkt.

Abb. 1
figure 1

Psychische Erschöpfung bei Sozialarbeiter*innen (links) und bei Angehörigen anderer Berufe (rechts). (Mittelwerte [Punkte] und 95 % Konfidenzintervalle. Fallzahlen: Sozialarbeiter*innen 2006: 20–34: 29 | 35–48: 72 | 49–64: 48 | Männer: 38 | Frauen: 111. Sozialarbeiter*innen 2018: 20–34: 85 | 35–48: 85 | 49–64: 84 | Männer: 76 | Frauen: 179. Andere Berufe 2006: 20–34: 5397 | 35–48: 8615 | 49–64: 5388 | Männer: 10.956 | Frauen: 8506. Andere Berufe 2018: 20–34: 5162 | 35–48: 6148 | 49–64: 7586 | Männer: 10.417 | Frauen: 8604)

Das eben berichtete Ausmaß psychischer Erschöpfung (y-Achse) sowie den prozentualen Anteil jener, die eine emotionale ErschöpfungFootnote 1 angeben (x-Achse), ist Abb. 2 zu entnehmen. Die ausgefüllten Rauten stellen den Stand 2018 dar. Die nicht ausgefüllten Rauten zeigen in der psychischen Erschöpfung den Stand 2006, in der emotionalen Erschöpfung den Stand 2012 – letztere, da diese erst 2012 abgefragt wurde. 2006 wurde noch nach „Burnout“ gefragt, wobei hier die Prozentwerte deutlich niedriger, im einstelligen Bereich, lagen. Sozialarbeiter*innen geben – im Vergleich mit anderen Sozialberufen – nur wenige Symptome psychischer Erschöpfung an. Längsschnittig betrachtet stieg das Ausmaß psychischer Erschöpfung zwar merklich, im Vergleich zu Erzieher*innen und Pfleger*innen aber deutlich geringer an. Zugleich benennen Sozialarbeiter*innen jedoch ähnlich häufig wie Angehörige anderer sozialer Interaktionsberufe emotionale Erschöpfung.

Abb. 2
figure 2

Anteile an Befragten in Prozent, die eine emotionale Erschöpfung angeben (x-Achse) und psychische Erschöpfung (Mittelwerte, y‑Achse). Ausgefüllte Rauten Werte 2018, nicht ausgefüllte Rauten psychische Erschöpfung 2006 und emotionale Erschöpfung 2012. Die Größe der Rauten spiegelt nichtmaßstabsgetreu die Fallzahlen 2018 wider, n emotionale Erschöpfung 2018/psychische Erschöpfung 2018/emotionale Erschöpfung 2012/psychische Erschöpfung 2006: andere Berufe: 17.168/17.655/18.098/17.936 | Polizist*innen: 98/98/133/170 | Sozialarbeiter*innen: 255/264/146/152 | Lehrer*innen: 567/588/474/704 | Erzieher*innen: 405/411/324/269 | Pfleger*innen (Alten- und Krankenpflege inkl. Hebammen und Geburtshilfe): 845/856/787/729

Die Einzelwerte psychischer Erschöpfung sind in manchen Berufsgruppen erhöht, wie z. B. Kopfschmerzen bei Erzieher*innen sowie nächtliche Schlafstörungen und damit verbunden allgemeine Müdigkeit, Mattigkeit und Niedergeschlagenheit in Pflegeberufen. Es gibt kein Einzelsymptom, bei dem Sozialarbeiter*innen vergleichsweise hohe Werte aufweisen (Bauknecht und Wesselborg 2022).

Innerhalb der Sozialen Arbeit weist die jüngste Gruppe (18–34) zwar die höchste psychische Erschöpfung aus (Mittelwert 2,08; 95 % KI 1,64–2,52; n = 85). Die mittlere Altersgruppe hat einen deutlichen niedrigeren Mittelwert (1,83; 95 % KI 1,42–2,24; n = 85) und die älteste Gruppe einen noch etwas niedrigeren Mittelwert (1,79; 95 % KI 1,40–2,18; n = 84). Die emotionale Erschöpfung hingegen folgt im Altersverlauf eher einem umgekehrten U (18–34: 42 %; 95 % KI 31–52 %; n = 85 | 35–48: 46 %; 95 % KI 35–57 %; n = 85 | 49–64: 38 %; 95 % KI 27–49 %; n = 84).

5.2 Belastungsfaktoren

Auf Basis bestehender theoretischer Modelle ist davon auszugehen, dass das Ausmaß der Arbeitsanforderungen in Zusammenwirken mit dem Grad erlebter Autonomie sowie dem Ausmaß sozialer Unterstützung bestimmt, ob negativer Stress im Arbeitskontext erlebt wird (vgl. Job-Demand-Control-Support-Modell n. Johnson und Hall 1988 auf Basis von Karasek 1979). Unter weiterem Einbezug von Ausführungen zur Gefährdungsbeurteilung bei psychischer Belastung (u. a. in Treier 2019) kann zudem zwischen qualitativen und quantitativen Belastungen unterschieden werden. Demnach betreffen qualitative Belastungen die fachlich-inhaltliche Ebene der Tätigkeit, während quantitative Belastungen die Arbeitsintensität betreffen.

Um diese beeinflussenden Faktoren widerzuspiegeln, wurden zur Analyse der psychischen Belastungsfaktoren insgesamt fünf Items ausgewählt:

Im Bereich qualitativer Überforderung:

  1. 1.

    Dinge nicht gelernt oder beherrscht

  2. 2.

    Gefühlsmäßig belastende Situationen

Im Bereich quantitativer Überforderung:

  1. 3.

    Arbeiten bis an die Grenzen der Leistungsfähigkeit

  2. 4.

    Starker Termin- oder Leistungsdruck

  3. 5.

    Nicht häufiger Einfluss auf Arbeitsmenge

Da die Antwortskalierung (nie | selten | manchmal | häufig) ordinalskaliert und nichtmetrisch ist, können keine Mittelwerte gebildet werden. Stattdessen wird dichotomisiert in häufig und nicht häufig (nie | selten | manchmal).

Die Korrelation zwischen der Anzahl an Belastungsfaktoren, die häufig auftreten (0–4) und der Anzahl an Symptomen psychischer Erschöpfung (0–6) ist mittelstark (Pearsons R 0,557, p < 0,001, n = 255).

Die Belastungsfaktoren sind in Abb. 3 aufgeführt. Sozialarbeiter*innen geben im Vergleich aller Berufsgruppen am häufigsten an, auf die zu bewältigende Arbeitsmenge nicht häufig Einfluss nehmen zu können. Im Vergleich zu anderen Sozialberufen und der Gruppe aller anderen Berufe fallen sie ansonsten am ehesten dadurch auf, dass sie eher häufiger angeben, Dinge nicht zu beherrschen oder nicht gelernt zu haben, sowie durch einen leicht geringeren Termin- oder Leistungsdruck.

Abb. 3
figure 3

Prozentualer Anteil an Befragten, der den jeweiligen Belastungsfaktor als „häufig“ angibt 2018. (Fragewortlaut: „Wie häufig kommt es vor, dass Dinge von Ihnen verlangt werden, die Sie nicht gelernt haben oder die Sie nicht beherrschen?“ | „… dass Ihre Tätigkeit Sie in Situationen bringt, die Sie gefühlsmäßig belasten?“ | „…, dass Sie bis an die Grenzen Ihrer Leistungsfähigkeit gehen müssen?“ | „…, dass Sie unter starkem Termin- oder Leistungsdruck arbeiten müssen?“ | „…, dass Sie Einfluss auf die Ihnen zugewiesene Arbeitsmenge haben?“ Antwortmöglichkeiten: Nie | selten | manchmal | häufig. n Alten- und Krankenpflege (inkl. Hebammen und Geburtshilfe) 849–865 | frühkindliche Bildung 406–412 | Schule 571–592 | Soziale Arbeit 249–264 | Polizei 95–98 | andere Berufe 16.697–17.775)

Innerhalb der Sozialen Arbeit folgt der Mittelwert an häufigen Belastungsfaktoren im Altersverlauf sehr leicht einem U, mit 0,91 in der jüngsten Gruppe (95 % KI 0,71–1,11 , n = 85), 0,88 in der mittleren Gruppe (95 % KI 0,66–1,10; n = 85) und 0,92 in der ältesten Gruppe (95 % KI 0,69–1,15; n = 84).

5.3 Resilienzfaktoren

Resilienz ist zu verstehen als Prozess, bei dem Individuen bei ungünstigen Entwicklungsbedingungen und dem Auftreten von Belastungsfaktoren eine positive Anpassung an ihre Lebenssituation vornehmen (vgl. Fröhlich-Gildhoff und Rönnau-Böse 2019). Resilienzfaktoren verhindern oder mildern die Wahrscheinlichkeit des Auftretens psychischer Störungen bzw. erhöhen die Wahrscheinlichkeit einer positiven Entwicklung (Rutter 1990). Unterschieden werden hierbei personale und soziale Faktoren, wobei Beziehungen als stabilster außerpersonaler Prädiktor für eine resiliente Entwicklung gelten (Fröhlich-Gildhoff 2020). Folgend wird dieser Aspekt der Beziehung besonders in den Fokus genommen. Mit den untenstehenden Items Distanzierungsfähigkeit (6) sowie subjektive Wichtigkeit (7) der Tätigkeit erfolgt zudem eine theoretische Bezugnahme auf die personalen Resilienzfaktoren „aktive Bewältigungskompetenz“ sowie „Sinnfindung“, die von Fröhlich-Gildhoff (2020) beschrieben wurden. Die Auswahl dieser beiden Faktoren basiert auf den berichteten Befunden, nach denen die subjektive Bedeutung der eigenen Tätigkeit (Mühling 2021) und Sinnerleben (Hardering 2017) sowie die Möglichkeit, das eigene Arbeitspensum selbsttätig planen und einteilen zu können (Henn et al. 2017), in bedeutsamer Weise zur Zufriedenheit von Sozialarbeiter*innen beitrugen.

Die erfassten Resilienzfaktoren zeigt Abb. 4. Analysiert werden sieben potenzielle Faktoren:

  1. 1.

    Das Gefühl, am Arbeitsplatz Teil einer Gemeinschaft zu sein

  2. 2.

    Eine als gut empfundene Zusammenarbeit mit Kolleg*innen

  3. 3.

    Hilfe und Unterstützung von Kolleg*innen, wenn diese benötigt werden

Abb. 4
figure 4

Prozentualer Anteil an Befragten, der den jeweiligen Resilienzfaktor als „häufig“ angibt 2018. (Fragewortlaut: „Wie häufig kommt es vor, dass Sie sich an Ihrem Arbeitsplatz als Teil einer Gemeinschaft fühlen?“ | „Wie oft empfinden Sie die Zusammenarbeit zwischen Ihnen und Ihren Arbeitskollegen als gut?“ | „Wie oft bekommen Sie Hilfe und Unterstützung für Ihre Arbeit von Kollegen, wenn Sie diese brauchen?“ | „Und wie oft bekommen Sie Hilfe und Unterstützung für Ihre Arbeit von Ihrem direkten Vorgesetzten, wenn Sie diese brauchen?“ | „Wie oft gibt Ihnen Ihr direkter Vorgesetzter Lob und Anerkennung, wenn Sie gute Arbeit leisten?“ | „Wie oft kommt es vor, dass es Ihnen schwerfällt, nach der Arbeit abzuschalten?“ (Darstellung. Anteil jener, die nicht „häufig“ angeben) | „Wie oft haben Sie das Gefühl, dass Ihre Tätigkeit wichtig ist?“. Antwortmöglichkeiten: Nie | selten | manchmal | häufig. n Alten- und Krankenpflege (inkl. Hebammen und Geburtshilfe): 830–855 | frühkindliche Bildung 401–406 | Schule 557–572 | Soziale Arbeit 238–255 | Polizei 98–104 | andere Berufe 15.484–17.158)

Im weiteren Verlauf werden diese drei Faktoren zusammengefasst als „Soziale Unterstützung Kollegium“ (Wertebereich 0–3).

  1. 4.

    Hilfe und Unterstützung von Vorgesetzten, wenn diese benötigt wird

  2. 5.

    Lob und Anerkennung von Vorgesetzten

Im weiteren Verlauf werden diese zwei Faktoren zusammengefasst als „Soziale Unterstützung Vorgesetzte“ (Wertebereich 0–2).

  1. 6.

    Distanzierungsfähigkeit (es fällt nicht „häufig“ schwer, nach der Arbeit abzuschalten)

  2. 7.

    Subjektive Wichtigkeit der eigenen Tätigkeit

Auch hier wird aufgrund der nichtmetrischen Antwortskalierung dichotomisiert.

Vergleicht man die Altersgruppen bei der wahrgenommenen sozialen Unterstützung durch die Kolleg*innen, zeigt sich auf einer Skala von 0 bis 3 für die jüngste Gruppe ein mit 2,48 (95 % KI 2,25–2,70; n = 76) deutlich niedrigerer Wert als v. a. bei der mittleren Gruppe (2,77; 95 % KI 2,66–2,89; n = 80), aber auch als bei der ältesten Gruppe (2,63; 95 % KI 2,45–2,80; n = 77). Trotz der geringen Fallzahl ist der Unterschied zwischen der jüngsten und mittleren Gruppe auf 10 %-Niveau signifikant.

Das Muster der gering wahrgenommenen sozialen Unterstützung bei der jüngsten Gruppe wiederholt sich bei der Unterstützung durch Vorgesetzte. Auf der Skala von 0 bis 2 liegt die jüngste Gruppe mit einem Mittelwert von 0,79 (95 % KI 0,62–0,96; n = 76) deutlich unterhalb der mittleren Altersgruppe mit 0,99 (95 % KI 0,81–1,17; n = 80) und der ältesten Gruppe mit 1,00 (95 % KI 0,81–1,19).

Diese geringe Wahrnehmung kollegialer sozialer Unterstützung ist über alle anderen Berufe hinweg keine Eigenheit von jüngeren Beschäftigten. Diese Gruppe liegt mit einem Mittelwert von 2,47 (95 % KI 2,45–2,50; n = 4762) gleichauf mit der mittleren Gruppe (2,47; 95 % KI 2,45–2,49; n = 5507) und etwas oberhalb der ältesten Gruppe (2,43; 95 % KI 2,42–2,46; n = 6642). Dies gilt auch für die geringe soziale Unterstützung durch Vorgesetzte. Während in der Sozialen Arbeit die jüngste Gruppe hier den niedrigsten Wert aufweist, zeigt sie in allen anderen Berufen den höchsten Wert mit 0,97 (95 % KI 0,95–0,99; n = 4743), über der mittleren Gruppe mit 0,93 (95 % KI 0,91–0,95; n = 5482) und v. a. der ältesten Gruppe mit 0,86 (95 %-KI 0,84–0,88; n = 6614).

Im Anteil jener, denen es nicht häufig schwer fällt, nach der Arbeit abzuschalten, fällt die jüngste Gruppe bei den Sozialarbeiter*innen mit einem mittelhohen Wert nicht auf (77 %; 95 % KI 68–86 %; n = 85 | mittlere Gruppe 73 %, 95 % KI 64–83 %, n = 85 | älteste Gruppe 82 %, 95 % KI 74–90 %; n = 84).

Auch beim Anteil jener, die ihre Tätigkeit häufig als wichtig empfinden, fällt die jüngste Gruppe nicht auf. Mit 88 % (95 % KI 81–95 %; n = 85) liegt sie leicht über der mittleren Gruppe mit 86 % (95 % KI 79–94 %; n = 85) und unterhalb der ältesten Gruppe (94 %; 95 % KI 89–99 %; n = 84).

5.4 Zusammenhang zwischen Belastungs- und Resilienzfaktoren

Folgend soll geklärt werden, welche Belastungs- und Resilienzfaktoren die Zugehörigkeit zu einer besonders bzw. besonders wenig erschöpften Gruppe beeinflussen. Hierzu werden die Sozialarbeiter*innen in vier Gruppen unterteilt. Durch den tendenziellen Zusammenhang zwischen psychischer und emotionaler Erschöpfung sind Gruppe 1 und 4 stärker besetzt als die Gruppen 2 und 3 (Abb. 5).

Abb. 5
figure 5

Kategorisierung nach psychischer und emotionaler Erschöpfung (Soziale Arbeit) 2018 (n = 255)

Da die gleichzeitige Aufnahme der drei Items zur sozialen Unterstützung durch Kolleg*innen, (Gefühl, Teil einer Gemeinschaft zu sein | Zusammenarbeit mit Kolleg*innen gut | Hilfe von Kolleg*innen) als auch die gleichzeitige Aufnahme der zwei Items zur sozialen Unterstützung durch Vorgesetzte (Hilfe von Vorgesetzten | Lob und Anerkennung von Vorgesetzten) jeweils zu einer leichten Multikollinearitätsproblematik führt, wurde sowohl ein Index „Soziale Unterstützung Kolleg*innen“ als auch ein Index „Soziale Unterstützung Vorgesetzte“ gebildet (Cronbachs α 0,705 und 0,498, wobei eine niedrige Anzahl an Items Cronbachs α senkt). Aufgrund einer deutlicheren Multikollinearitätsproblematik zwischen (geringer) Distanzierungsfähigkeit (abschalten können) und dem Index qualitativer und quantitativer Überforderung musste die Distanzierungsfähigkeit aus der logistischen Regression entfernt werden, da beide Faktoren nicht sinnvoll in einen Index zusammengefasst werden können.

Aufgrund der geringen Fallzahl sowie der genannten Multikollinearitätsproblematik besteht das Modell aus nur fünf unabhängigen Variablen. Bemerkenswert ist die mit ca. 47 % dennoch hohe erklärte Varianz des Modells.

Die Exp(B)-Werte sind in Abb. 6 dargestellt. Der Wert 1 würde bedeuten, dass die jeweilige unabhängige Variable keinen Einfluss auf die Wahrscheinlichkeit hat, zur besonders wenig erschöpften Gruppe zu gehören. Werte über 1 zeigen eine Wahrscheinlichkeitserhöhung an, Werte unter 1 eine Wahrscheinlichkeitssenkung. Wenn die Konfidenzintervalle den Wert 1 berühren, ist der Einflussfaktor nicht signifikant auf 5 %-Niveau, wobei hier die niedrige Fallzahl berücksichtigt werden muss, die zu größeren Konfidenzintervallen führt. Da die soziale Unterstützung durch Kolleg*innen aus drei, die durch Vorgesetzte aus zwei Schritten besteht, ist der Unterschied im tatsächlichen Gesamteffekt zwischen der bedeutsameren Unterstützung durch Vorgesetzte und der weniger bedeutsamen Unterstützung durch Kolleg*innen geringer, als Abb. 6 zeigt. Die negativen Effekte der qualitativen und quantitativen Überforderung auf die Wahrscheinlichkeit, zur besonders wenig erschöpften Gruppe anstatt der besonders stark erschöpften Gruppe zu gehören, sind zwar nicht in ihrer Richtung, aber doch in ihrer Stärke überraschend. Der orangenfarbene Punkt der subjektiven Wichtigkeit der Tätigkeit weist darauf hin, dass diese insignifikant und schwach negativ wirkt. Ähnlich stark ist der negative Effekt eines nicht als häufig betrachteten Einflusses auf die eigene Arbeitsmenge.

Abb. 6
figure 6

Determinanten der Zugehörigkeit zur besonders wenig erschöpften Gruppe 1 anstatt der besonders stark erschöpften Gruppe 4. Y‑Achse: Exp(B)-Werte. n = 183 | Pseudo‑R2 Nagelkerke 0,474 | Toleranzwerte 0,799–0,968 (d. h. keine Multikollinearitätsproblematik). Signifikant positive Zusammenhänge sind dunkelgrün, insignifikant positive hellgrün, insignifikant negative Zusammenhänge orange und signifikant negative Zusammenhänge rot dargestellt

6 Implikationen für die Praxis

Die Gesamtergebnisse mit der dargestellten Tendenz zur im Zeitverlauf leicht steigenden psychischen Erschöpfung weisen teils Unterschiede in der Ausprägung einzelner Merkmale auf (insbesondere im Vergleich zu Hoppe und Roth 2020). Grundsätzlich stehen die Befunde aber in Einklang mit weiteren Erhebungen zur Arbeitssituation von Sozialarbeiter*innen (u. a. Drüge und Schleider 2016; Henn et al. 2017; Gambaro et al. 2021). Die von Sozialarbeiter*innen erlebte starke subjektive Wichtigkeit ihrer Tätigkeit kann bei gleichzeitig gering erlebten Autonomiegraden in Zusammenwirken mit erhöhtem Arbeitsvolumen Stresserleben ungünstig befördern (s. Johnson und Hall 1988; Karasek 1979). Insbesondere jüngere und weibliche Sozialarbeiter*innen scheinen psychische Belastung am Arbeitsplatz zu erleben. Diese Gruppen benötigen daher besondere Aufmerksamkeit in der Konzeption von Gegenmaßnahmen (z. B. mit Blick auf vermehrte Familientätigkeiten von weiblichen Fachkräften; vgl. Gamper et al. 2020). Auf Basis der Ergebnisse können weitere Implikationen für die Gestaltung von Organisationen der Sozialen Arbeit insgesamt abgeleitet werden, deren empirische Zusammenhänge es in künftigen Untersuchungen noch zu überprüfen gilt.

Soziale Unterstützung von Kolleg*innen sowie Vorgesetzten scheint psychische und emotionale Erschöpfung in der Gruppe der Sozialarbeiter*innen verringern zu können. Neben einer kollegialen Zusammenarbeit auf Teamebene trägt somit scheinbar auch die Nahbar- und Ansprechbarkeit der Vorgesetzten maßgeblich zum Wohlbefinden im Arbeitsleben bei – dies insbesondere auch bei jüngeren Kolleg*innen.

Die Tendenz zur qualitativen Überforderung von Sozialarbeiter*innen rückt zudem die Relevanz professioneller Selbstfürsorge (Dahl 2017) in den Fokus: In Organisationen Sozialer Arbeit gilt es, Möglichkeiten der Auseinandersetzung mit emotionalen Aspekten des Arbeitslebens strukturell zu verankern. Im Idealfall gehen diese Möglichkeiten über Regelangebote wie Team-Supervisionen und Besprechungen hinaus und umfassen z. B. den Zugang zu Einzel-Supervisionen, Coachings oder anderen Beratungsangeboten im Einzelsetting. Zudem ist anzunehmen, dass auch Fort- und Weiterbildungen dazu beitragen, personale Bewältigungsstrategien und Strategien zur Gestaltung angemessener Nähe-Distanz-Verhältnisse für die Arbeit mit Adressat*innen zu entwickeln. So können Fort- und Weiterbildungsangebote laut Henn et al. (2017) als unerlässlich für die Weiterentwicklung professioneller Handlungskompetenzen erachtet werden. Die beschriebenen Maßnahmen professioneller Selbstfürsorge können sich somit in positiver Weise auf die Entsprechung des Handlungsauftrags Sozialer Arbeit auswirken. Auch möglichen Verstrickungen zwischen Adressat*innen und Sozialarbeiter*innen, die sich im ungünstigen Fall aus der stark erlebten subjektiven Wichtigkeit der Tätigkeit ergeben können, kann durch ausreichende Angebote der Organisation mitunter vorgebeugt werden. Denn so besteht insbesondere bei Hilfen, die die Alltagsbewältigung unterstützen, das Risiko einer sich aufbauenden Abhängigkeit zwischen Adressat*in und Sozialarbeiter*innen. Dies kann dazu führen, dass die Unterstützung die Menschen nicht fördert, sondern sie in ihrer selbstbestimmteren Handlungsfähigkeit eher schwächt (Bestmann 2020).

Der von Sozialarbeiter*innen starken wahrgenommenen subjektiven Wichtigkeit ihrer Tätigkeit gilt es zugleich im Rahmen der Gestaltung der Arbeitsumgebung in positiver Weise zu begegnen. Autonomiegrade der Mitarbeiter*innen sowie damit verbundene Flexibilität im beruflichen Handeln sollten hierzu gestärkt werden. Handlungsspielräume und Mitbestimmungsmöglichkeiten beeinflussen laut Mohr (2017) sowohl die Zufriedenheit mit der Sinnhaftigkeit der Arbeit als auch die Identifikation mit dem Beruf. Die hier vorgelegten Ergebnisse deuten ergänzend darauf hin, dass geringe Gestaltungsspielräume bezüglich des zu bewältigenden Arbeitsvolumens sich ungünstig auf psychische und emotionale Erschöpfung von Sozialarbeiter*innen auswirken können. Sinnvoll ist somit die Einbindung von Mitarbeiter*innen in Dienstplanung und Aufgabenverteilung sowie als Basis dessen die Beteiligung an Konzeptentwicklungen. Es gilt, im Diskurs eine Passung zwischen zu erwirtschaftenden Mitteln, bewältigbarem Leistungsumfang und geeigneten fachlichen Formen der Leistungserbringung zu erreichen. Ergänzend stellen die monetäre Honorierung von hohem Engagement (z. B. durch Formen leistungsorientierter Bezahlung), die Gewährleistung des gesicherten Ausgleichs von Phasen der Mehrbelastung (z. B. in Form von Mehrstundenausgleich) sowie die Sicherung von Aufstiegschancen mögliche Perspektiven der Wertschätzung von Mitarbeitenden dar. Die subjektive Wichtigkeit der Tätigkeit der Fachkräfte kann dann in ein organisationsspezifisches Commitment münden. Dies ist bedeutsam, da das Commitment laut Henn et al. (2017) bisher primär für die Tätigkeit bzw. die Adressat*innen und kaum für die Organisationen selbst zu gelten scheint. Es besteht damit das Risiko eines häufigen Personalwechsels, der sich ungünstig auf die nachhaltige Erbringung von Hilfen und Etablierung von Netzwerken sowie personalwirtschaftlich ressourcenintensiv auswirkt.

Um die beschriebenen Anforderungen umzusetzen, brauchen Organisationen Führungskräfte, die Kenntnisse und Kompetenzen in den Bereichen Organisationsentwicklung und Management haben. Sie brauchen zugleich ein hohes Verständnis für die Sachverhalte der Sozialen Arbeit und damit einhergehende Anliegen, die es gilt, auch außerhalb der eigenen Organisation zu vertreten. Nicht zuletzt gilt, dass Risiken psychischer und emotionaler Erschöpfung nicht nur organisationsintern gelöst bzw. gemindert werden können. Es braucht berufspolitisches Engagement (s. auch Henn et al. 2017), das von Führungskräften gefördert und vorgelebt und in Folge auch auf Ebene der Mitarbeitenden umgesetzt werden kann. Psychische und emotionale Erschöpfung von Sozialarbeiter*innen sowie entsprechende Gegenmaßnahmen gilt es damit nicht nur auf personenbezogener Ebene zu verstehen. Das Ziel der Verringerung von Erschöpfung ist immer im Kontext einer Gesamtveränderungsstrategie von Arbeitsbedingungen zu sehen, für die entsprechende Strukturen auf sozialpolitischer Ebene einzufordern sind. Denn nur wenn Sozialarbeiter*innen in einem gesundheitsförderlichen Arbeitsumfeld tätig sind, können sie ihre Adressat*innen langfristig auf einem ebenso gesundheitsförderlichen Weg gelingend begleiten und unterstützen.