Repräsentative Studien belegen, dass sog. rechte Einstellungen in der Bevölkerung verbreitet sind. So belegt die „Mitte-Studie“ der Friedrich-Ebert-Stiftung „Verlorene Mitte – Feindselige Zustände“ nicht nur die Verbreitung rechtsextremer, sondern auch rechtspopulistischer Einstellungen sowie die Zustimmung zu den Elementen der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, die (auch) gegen Zielgruppen der Sozialen Arbeit gerichtet ist (wie etwa geflüchtete Menschen, Menschen mit Behinderung, Menschen in schwierigen Lebenslagen; vgl. Zick et al. 2019). Daher stellt sich die Frage, welche Rolle der Rechtspopulismus im Wirkungskreis der Sozialen Arbeit spielt. Vor diesem Hintergrund wurden eine theoretisch-reflexive Analyse pädagogischer und didaktischer Ansätze zur politischen Bildung im Kontext der Sozialen Arbeit (vgl. Görtler 2018) und eine qualitative Analyse zu Herausforderungen und Bewältigungsstrategien der Fachkräfte (vgl. Görtler 2021) im Kontext des Rechtspopulismus durchgeführt. Beide Untersuchungen sowie eine Analyse von Veröffentlichungen und Stellungnahmen aus der Sozialen Arbeit zeigen einerseits Forschungsbedarf bei der Gegenstandsbestimmung des Rechtspopulismus sowie der Standortbestimmung der politischen Bildung in der Sozialen Arbeit und andererseits Herausforderungen beim politisch-bildenden Handeln in der Praxis auf. Dieser Befund legt die Vermutung nahe, dass sich die Soziale Arbeit aufgrund der Komplexität dieses gesellschaftlichen und politischen Phänomens noch in einer Suchbewegung befindet, wie die folgenden Ausführungen in der gebotenen Kürze zeigen sollen.

1 Problemstellungen bei der Gegenstands- und Standortbestimmung

Die Soziale Arbeit befasst sich in den letzten Jahren sowohl in der Disziplin als auch in der Profession verstärkt mit dem Rechtspopulismus in der Demokratie (vgl. etwa DGSA et al. 2021; Buko Soziale Arbeit 2018). Die Analyse pädagogischer und didaktischer Ansätze zur politischen Bildung im Kontext der Sozialen Arbeit sowie aktueller Veröffentlichungen und Stellungnahmen aus Disziplin und Profession machen sichtbar, dass dieses Phänomen dabei aus ganz unterschiedlichen Blickwinkeln (mit dem Fokus auf Adressat:innen, Fachkräfte, Institutionen, Zielgruppen; Kinder- und Jugendhilfe, Soziale Arbeit mit Erwachsenen, politische Bildung; soziale und politische Bewegungen, Professionalität, Berufsethik etc.) verhandelt wird (vgl. etwa AdB 2017; Haase et al. 2020). Dabei wird der Begriff mitunter nicht grundlegend definiert oder hinreichend von verwandten Konzepten, wie etwa dem Rechtsextremismus und der Gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit abgegrenzt, was nicht zuletzt auf die fließenden Übergänge zwischen den Konzepten, die Methoden zu deren Messung sowie Erklärungsmuster, die in den Sozialwissenschaften diskutiert werden (vgl. Kiess et al. 2015; Priester 2016; Wolf 2017), zurückzuführen ist. Häufig wird in der Sozialen Arbeit direkt oder indirekt auf die Berufsethik des DBSH (2014, S. 24) Bezug genommen, die „Vielfalt und Diversität fördern“ und „wechselseitige Toleranz für unterschiedliche Lebensentwürfe, Lebensformen und Lebensziele von den verschiedenen Gruppen und Teilsystemen der Gesellschaft einfordern“ will. Zudem wird auf Einstellungen und Verhaltensweisen (z. B. menschenfeindlich, rassistisch, antidemokratisch, diskriminierend) verwiesen, wobei die graduellen Unterschiede zwischen dem Rechtspopulismus und verwandten Konzepten nicht in allen Fällen kenntlich gemacht werden. So arbeiten die Herausgeber:innen eines aktuellen Sammelbands zu diesem Themenkomplex „Verunsicherungen der Sozialen Arbeit“ heraus und stellen in diesem Kontext „Selbstverständnisse und Selbstverständlichkeiten“ in Frage (Haase et al. 2020, S. 11–12). Als Probleme identifizieren sie unter anderem die Verständigung hinsichtlich der „(Un‑)Möglichkeiten der Sozialen Arbeit“ vor dem Hintergrund einer „Benennungs- oder Bestimmungsproblematik“ (ebd.) und „Veränderungen im sozialen Miteinander, Polarisierungen, Ausgrenzungen, Simplifizierungen“ (ebd.) in Gesellschaft und Politik. Im Rahmen eines anderen Sammelbands mit dem Fokus auf „Innovative Konzepte in der Auseinandersetzung mit dem Rechtspopulismus“ weist der Herausgeber vor dem Hintergrund heterogener Begriffsdefinitionen und Handlungsansätze auf „Ambivalenzen, Widersprüche und Paradoxien“ in der Sozialen Arbeit hin (Lynen von Berg 2021, S. 33).

Des Weiteren sind in den Veröffentlichungen und Stellungnahmen aus der Profession Positionen erkennbar, die für politisches und bildendes bzw. politisch-bildendes Handeln plädieren (vgl. DBSH 2019; DGSA et al. 2020). In diesem Rahmen werden präskriptive wie deskriptive Deutungen der Sozialen Arbeit als Akteurin, Institution oder (Mit‑)Gestalterin in der Demokratie zwischen Individuum, Gesellschaft und (Sozial‑)Politik verhandelt (vgl. Köttig und Röh 2019). Die Analyse macht deutlich, dass im Allgemeinen hinsichtlich des Verhältnisses von Sozialer Arbeit und politischer Bildung noch Klärungsbedarf besteht und im Speziellen der Begriff der politischen Bildung in unterschiedlicher Weise verhandelt wird, z. B. als Aufgabe, Handlungsfeld, Ort oder Prinzip (vgl. Wagner und Lochner 2020; Bürgin 2017; Többe-Schukalla 2013). Dabei wird mitunter auf didaktische Ansätze aus der politischen Bildung zurückgegriffen, wobei nicht nur die Übergänge zwischen Rechtspopulismus und Rechtsextremismus (vgl. Milbradt et al. 2017; Boehnke et al. 2019), sondern auch zwischen politischer Bildung, Sozialer Arbeit und non-formaler Bildung fließend sind (vgl. Thimmel und Schäfer 2020). So operiert die Soziale Arbeit mit einem Demokratiebegriff, der nicht nur Politik, sondern auch Lebenswelt und Sozialraum fokussiert (vgl. DBSH 2014; Köttig und Röh 2019), während andere Konzepte noch weitere Demokratie- und Politikbegriffe favorisieren, wie beispielsweise die Kontroverse um das Politik-Lernen und Demokratie-Lernen in der Didaktik der politischen Bildung aufzeigt (vgl. May 2008). Eine entsprechende Begriffsklärung, um zwischen Begriffen wie etwa politische Bildung, Demokratiepädagogik, Demokratiebildung oder Präventionsarbeit im Fachdiskurs, aber auch in der Praxis differenzieren zu können, wird nicht nur im Rahmen fachverbandlicher Stellungnahmen (vgl. DVPB 2020a), sondern auch im 16. Kinder- und Jugendbericht gefordert (vgl. BMFSFJ 2020). In diesem Kontext ist nicht zuletzt auch die Frage nach dem politisch-bildenden Handeln im Spannungsfeld von Kontroversität, Neutralität und Parteilichkeit innerhalb und zwischen den Professionen der politischen Bildung und der Sozialen Arbeit noch weiter zu diskutieren (vgl. DGSA et al. 2020; DVPB 2020b).

2 Problemstellungen beim politisch-bildenden Handeln in der Praxis

Der Rechtspopulismus scheint nicht nur für die Soziale Arbeit als Disziplin und Profession, sondern auch für die Praxis eine Problemstellung zu sein. Dies kann am Beispiel des Urteilens, das in der Fallarbeit und sozialen Diagnostik eine zentrale Rolle spielt und dabei als Basis für fachlich begründete Interventionen dient, dargestellt werden. In diesem Kontext werden das Wissen, Können und die Haltung zur Bewältigung komplexer Situationen als Merkmal der Professionalität verstanden (vgl. Maykus 2019).

In einer qualitativen Analyse wurden Herausforderungen beim politisch-bildenden Handeln in der Praxis am Beispiel der Kinder- und Jugendhilfe untersucht. In Einzel- und Gruppeninterviews wurden 20 Fachkräfte zu ihren Erfahrungen im Umgang mit dem Rechtspopulismus befragt. Dabei wird die Urteilsbildung als Herausforderung beschrieben, rechtspopulistische Einstellungen erkennen und von verwandten Konzepten, die in diesem Kontext diskutiert werden (Rechtsextremismus und Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit), unterscheiden zu können. Die Fähigkeit zur Differenzierung ist nach Ansicht der Fachkräfte wichtig, um im Spannungsfeld zwischen Normalisierungen und Enttabuisierungen, aber auch den Grenzen des Sagbaren, die in Diskursen von Gesellschaft, Politik und Profession immer wieder neu verhandelt werden müssen, eine begründete Entscheidung für oder gegen eine Intervention treffen zu können. Dies betrifft nicht nur die (sichtbaren) Verhaltensweisen und dahinter liegenden (verborgenen) Einstellungen der Adressat:innen, sondern auch die von Kolleg:innen, die sich beispielsweise im beruflichen Umfeld in einer nicht mit den „berufsethischen Prinzipien“ des DBSH (2014, S. 31–32) zu vereinbarenden Weise gegenüber Menschen im Allgemeinen sowie Kolleg:innen im Speziellen äußern. Dabei stellen nicht nur die fließenden Übergänge zwischen den Konzepten, sondern auch die schwer(er) zu identifizierenden Merkmale des Rechtspopulismus eine schwierige Aufgabe dar. Herausgearbeitet werden konnten Selbst- und Fremdzuschreibungen, die zwar subjektiv begründet sind, sich aber sowohl als adäquat als auch als relativierend interpretiert lassen: So gaben einige der Befragten an, dass sie von ihrer Einschätzung überzeugt seien, während andere einräumten, dass sie nicht genau sagen könnten, ob bei dem jungen Menschen rechtspopulistische Einstellungen im Speziellen oder rechte Einstellungen – als nicht eindeutig bestimmter Sammelbegriff – im Allgemeinen oder gar keine derartigen Einstellungen vorhanden gewesen seien. Wieder andere sagten aus, dass es überhaupt keine Anzeichen dafür gegeben habe oder diese nicht bemerkt worden seien. Die Spannweite der Einschätzungen bewegte sich dabei zwischen kognitiven und affektiven Kriterien, wie etwa dem gesunden Menschenverstand und dem Bauchgefühl, wobei nicht nur das (fehlende) Fachwissen, sondern auch das Nähe-Distanz-Verhältnis, also das Differenzieren zwischen Sach- und Beziehungsebene in der Kommunikation, eine Rolle spielten. Vor diesem Hintergrund wies die Mehrzahl der Befragten auf die Notwendigkeit von Fortbildungen hin, um die Urteilsfähigkeit (weiter) zu entwickeln. Es finden sich zahlreiche Handreichungen von Fach- und Wohlfahrtsverbänden (vgl. etwa DBSH 2019; AWO et al. 2017), die sich auf unterschiedliche Begriffe und Konzepte (z. B. Rechtsextremismus, Rechtspopulismus, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit) und Herausforderungen (z. B. Diskriminierung, Hass, Gewalt, Terror) beziehen, den befragten Fachkräften aber entweder nicht bekannt gewesen waren oder von ihnen nicht auf den Einzelfall angewendet werden konnten.

3 Fazit

Im Rahmen dieser Überlegungen zum Rechtspopulismus als (komplexe) Problemstellung der Sozialen Arbeit konnten exemplarische Herausforderungen bei der Gegenstandsbestimmung des Rechtspopulismus und der Standortbestimmung der politischen Bildung in Disziplin und Profession sowie des politisch-bildenden Handelns in der Praxis herausgearbeitet werden. Dieser Befund deutet darauf hin, dass die Soziale Arbeit ihre Suchbewegung weiter fortsetzen muss, um dieses gesellschaftliche und politische Phänomen in seiner Komplexität zu erfassen.

Vor diesem Hintergrund kommen drei Möglichkeiten in Betracht:

  1. 1.

    die Klärung des Begriffs des Rechtspopulismus in Abgrenzung zu verwandten Konzepten sowie Einstellungen und Verhaltensweisen in diesem Kontext (z. B. Rechtsextremismus, Gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit, Rassismus, Diskriminierung) und die Klärung des Begriffs der politischen Bildung in Abgrenzung zu anderen Konzepten (z. B. Demokratiebildung, Demokratiepädagogik, Demokratieförderung, Präventionsarbeit), um den Fachdiskurs der Sozialen Arbeit anschlussfähiger an pädagogische und didaktische Diskurse in der Didaktik der politischen Bildung und non-formalen Jugend- und Erwachsenenbildung zu machen;

  2. 2.

    die Entwicklung von Handlungsansätzen, um die Bewältigung dieser Herausforderungen in der Praxis weiter zu fördern, einerseits mit Blick auf die beschriebenen Unsicherheiten der Fachkräfte bei der Urteilsbildung und andererseits auf das professionelle und didaktische Handeln an den Übergängen von Sozialer Arbeit, politischer Bildung und non-formaler Jugend- und Erwachsenenbildung;

  3. 3.

    die Verankerung und Vertiefung der Diskurse um den Rechtspopulismus und die Handlungsansätze zur Bewältigung dieser Herausforderungen in Fort- und Weiterbildung sowie im Studium der Sozialen Arbeit, um (angehende) Fachkräfte für den Rechtspopulismus zu sensibilisieren.