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Die zweifelhafte Verlässlichkeit methodischer Haltegriffe in der Beratung

Dubious reliabilities of methodological handholds in consultancy

  • Praxis Hochschule
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Soziale Passagen Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Der Beitrag liefert einen kritischen Blick auf die Beratungsausbildung. Dabei diskutiert er Beispiele aus der Praxis in Zusammenhang mit der Dynamik des zu beobachtenden Standardisierungsprozesses in Praxis und Ausbildung. Der Standardisierungsprozess in der Beratung hat wesentliche methodische Elemente hervorgebracht und definiert und dabei andere Elemente ausgeklammert. In diesem Text wird nicht nur an einige verschüttete Beratungsdeterminanten erinnert, sondern darüber hinaus die unauflösbare Zusammengehörigkeit dieser beiden widersprüchlichen Determinanten: Der Standardisierung und Qualitätsabsicherung einerseits und der Einzigartigkeit der Klient-Berater-Beziehung in der ihr eigenen Widersprüchlichkeit andererseits beschrieben. Die Konsequenzen einer Dialektik von Autonomie und Abhängigkeit, von methodischer Professionalität und professioneller Beziehung für die beraterische Praxis und Beratungsausbildung beschreiben ein Dilemma der professionellen Beratungszunft.

Abstract

Standardization of consulting processes has generated methodical elements and definitions. Simultaneously other important elements of such consulting processes have been factored out. This paper tries to outline some of the vanished qualities of consulting, being covered up by standardization: The unique relationship that develops between clients and their consultants, the shared feeling of intimacy during a satisfying consulting process. Professional consulting has to combine both qualities: The standards, criteria of quality, methodological accuracy on one hand and the very unique and personal relationship between clients and consultants on the other hand. Thus, professional consluting means constantly being aware of balancing the contradiction of dependency and autonomy during consulting. Handling this dialectic relationship in praxis and apprenticeship prerequisites the quality of the craft.

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Notes

  1. Ich gehöre selbst zu dieser Kategorie von Menschen, die ihr Geld damit verdienen, anderen in ihren arbeitsweltlichen Belangen für eine begrenzte Zeit zur Verfügung zu stehen. Seit vielen Jahren bilde ich Menschen aus, die ebenfalls diesem Beruf nachgehen wollen. Seit fünf Jahren tue ich dies im Rahmen eines von mir entwickelten akademischen Programms. Neben allen internalisierten professionellen Standards, die mein beraterisches Handeln determinieren, gibt es mittlerweile eine komprimierte Sammlung von Gedanken, die sich in meinem beruflichen Selbstverständnis breit machen und dieses Gefühl von einer selbstverständlich gewordenen Professionalität, denn ich bin, so sagt man, eine gute Beraterin, ein Profi dieser Zunft, unterminieren. So frage ich mich: Warum bin ich professionell? Weil ich es lehrbuchmäßig kann, akademisch gebildet und theoretisch fit bin, weil ich über ein ausreichend umfangreiches Interventionsrepertoire verfüge und darüber hinaus immer weiß, was ich tue? Weil ich mich selbst und meine blinden Flecken kenne, aufgeklärt bin? Weil ich anerkanntes Mitglied in den entsprechenden Gesellschaften bin, die die Qualitätskriterien für meine Profession hüten wie den heiligen Gral? – Oder bin ich gut, weil mir zur rechten Zeit die richtigen Worte und Sätze einfallen, die mit keinem Lehrbuchkapitel kompatibel sind und sich dort unter keinem der vielen Spiegelstriche wiederfinden? Weil ich das Außerprogrammmäßige gemacht habe? Weil ich es genossen habe, mit einem interessanten Gegenüber in ein philosophisches Gespräch einzutauchen? Weil ich meine Tätigkeit nicht nur als Mitglied einer Zunft sehe, sondern als Kunst, sich auf ein Abenteuer einzulassen, das die Kreativität der beteiligten Personen hervorbringt?

  2. Bei der wissenschaftlichen Behandlung des Beratungsthemas stößt man auf Grenzen des Wissenschaftssystems. Betreibt man Beratung wissenschaftlich, findet man mit dem herkömmlichen Verständnis von Wissenschaft, das sich methodisch und von ihrem Selbstverständnis her an den Naturwissenschaften orientiert, nicht das Auslangen. Eine Wissenschaft, die Beratung und das damit einhergehende Professionalisierungsbedürfnis zu ihrem Forschungsgegenstand macht, kommt an ihre objektiven Grenzen. Wissenschaft, die sich mit Lebendigem und Sozialem befasst, wird versuchen, die Maßeinheiten wissenschaftlicher Gütekriterien, wie beispielsweise Objektivität, Wiederholbarkeit, Reliabilität und Validität zu überwinden. Eine Verwissenschaftlichung der Beratung führt daher notwendigerweise zu einer paradigmatischen Veränderung der Wissenschaftswelt und erweitert den Wissenschaftsbegriff um eine dritte Dimension: Jene der Reflexionswissenschaft, die prozessorientiert nicht dem kausalen Muster einer aristotelischen Logik folgt. Die durch die gemeinsame Reflexion im Beratungsprozess aufgelöste Subjekt-Objekt Trennung macht KlientInnen zu SelbstbeforscherInnen ihres eigenen Veränderungsprozesses und BeraterInnen zu Beteiligten an eben diesem Prozess. (vgl. Lackner2009)

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Lackner, K. Die zweifelhafte Verlässlichkeit methodischer Haltegriffe in der Beratung. Soz Passagen 4, 131–146 (2012). https://doi.org/10.1007/s12592-012-0106-2

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